Bundessozialgericht, Urteil vom 02.03.2010, Az. B 5 KN 1/07 R

5. Senat | REWIS RS 2010, 8822

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Gegenstand

Rentenberechnung - Gesamtleistungsbewertung - belegungsfähiger Gesamtzeitraum - Berücksichtigung von Schulzeiten - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung ist der belegungsfähige Gesamtzeitraum nur um solche Zeiten einer schulischen Ausbildung zu kürzen, die die gesetzliche Höchstdauer nicht überschreiten (Aufgabe von BSG vom 18.10.2005 - B 4 RA 43/03 R = SozR 4-2600 § 71 Nr 1).

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Bemessung der Altersrente des [X.]. Insofern geht es zuletzt allein noch um die Frage, ob ein kürzerer belegungsfähiger Gesamtzeitraum zu Grunde zu legen und daher beitragsfreie und beitragsgeminderte [X.]en höher zu bewerten sind.

2

Der am 1939 im heutigen [X.] geborene Kläger ist [X.] Staatsangehöriger und im Besitz des Ausweises für Flüchtlinge und Vertriebene "A".

3

Nach der Übersiedlung des [X.] in die [X.] im November 1983 bewilligte die Beklagte [X.] wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Die vom Kläger in [X.] zurückgelegten Beschäftigungszeiten wurden dabei nach Maßgabe des Abkommens zwischen der [X.] und der Volksrepublik [X.] über Renten- und Unfallversicherung vom 9.10.1975 (Abk [X.] RV/UV, [X.] S 396) in die [X.] gesetzliche Rentenversicherung übernommen. 1988 wurde die Rente des [X.] in eine Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit ([X.]) auf Dauer umgewandelt. Im dazu erstellten Versicherungsverlauf wurden ua 14 Monate Fachschulausbildung vom [X.] bis 31.12.1956 und 59 Monate Hochschulausbildung vom [X.] bis [X.] aufgeführt.

4

Auf den entsprechenden Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 14.12.1999 für die [X.] ab dem 1.1.2000 eine Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige und Erwerbsunfähige. Die in [X.] zurückgelegten Beitragszeiten des [X.] wurden wiederum nach dem Abk [X.] RV/UV berücksichtigt. Die [X.] der Fachschulausbildung wurde erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres, dh ab 1956, angerechnet. Von den [X.]en der schulischen Ausbildung des [X.] wurden bei der Rentenbemessung insgesamt 46 Monate berücksichtigt und vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abgezogen. Die von den Vorinstanzen unterstellten drei bzw acht Jahre finden im angefochtenen Bescheid keine Grundlage.

5

Den Widerspruch des [X.], mit dem dieser geltend machte, die ihm nunmehr bewilligte Altersrente sei lediglich um 12,5 % höher als die vorherige [X.]-Rente, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom [X.] zurück. Klage und Berufung des [X.] sind erfolglos geblieben (Urteile des [X.] vom 25.11.2003 und des [X.] - L[X.] - vom 24.6.2005). Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, nach den zutreffenden Ausführungen des [X.] könnten seit der Rentenreform 1992 [X.]en der Fachschulausbildung und Hochschulausbildung gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] des [X.] ([X.]B VI) nur noch nach vollendetem 17. Lebensjahr und nur noch im Gesamtumfang von bis zu acht Jahren berücksichtigt werden.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von §§ 58, 64 und 72 [X.]B VI. Die ihm gewährte Rente sei zu niedrig bemessen worden, weil im Rahmen der [X.] nach § 72 [X.]B VI die [X.] der Hochschulausbildung vom 1.1.1963 bis zum [X.] (33 Monate) entgegen der Rechtsprechung des [X.] (B[X.] vom 18.10.2005 - [X.] RA 43/03 R - [X.] 4-2600 § 71 [X.]) nicht als beitragsfreie [X.] vom belegungsfähigen [X.]raum abgezogen worden sei. Das Gesetz setze nicht voraus, dass die beitragsfreien [X.]en auch anrechenbar und bewertbar seien. Die Vorgehensweise der Beklagten habe zu einer um 2,2882 Entgeltpunkte (EP) zu niedrigen Berechnungsgrundlage für seine Rente iS des § 64 [X.]B VI geführt.

7

Der Kläger beantragt,

die Urteile des [X.] vom 24. Juni 2005 und des [X.] vom 25. November 2003 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2001 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Januar 2000 höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines um zusätzliche Ausbildungszeiten verminderten belegungsfähigen Gesamtzeitraums zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das vom Kläger angeführte Urteil des B[X.] widerspreche der bestehenden Rechtslage. Vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum seien nach § 72 Abs 3 [X.] [X.]B VI beitragsfreie [X.]en abzuziehen, die nicht auch Berücksichtigungszeiten seien. Für beitragsfreie [X.]en enthalte § 54 Abs 4 [X.]B VI eine Legaldefinition; unter anderem seien dies Anrechnungszeiten. Hierunter fielen gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B VI nur Schulzeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahres und nur bis zu einer Höchstdauer von drei Jahren. Die diese Höchstdauer überschreitenden [X.]en seien bei der [X.] wie Lücken zu behandeln. Dies werde durch die Vorschrift des § 207 [X.]B VI bestätigt, wonach die entstehenden Lücken durch freiwillige Beiträge geschlossen werden könnten, was bei fehlender Anwendung der Höchstdauerregelung ohne Anwendungsbereich wäre. Eine Aufhebung der Höchstdauerregelung würde auch in anderen Bereichen unerwünschte Auswirkungen haben, etwa bei der Erfüllung von Wartezeiten oder der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Der Senat hat auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.2008 beschlossen:

        

"Beim 13. Senat des [X.] wird angefragt, ob er an der Rechtsauffassung festhält, dass bei der [X.] die Anzahl der belegungsfähigen Monate auch um diejenigen [X.]en einer schulischen Ausbildung zu vermindern ist, die wegen Überschreitung der Höchstdauer gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B VI in der vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung nicht als Anrechnungszeit zu berücksichtigen und zu bewerten sind."

Der 13. Senat des B[X.] hat daraufhin am [X.] beschlossen:

        

"Der 13. Senat hält nicht an der Rechtsauffassung fest, dass bei der [X.] die Anzahl der belegungsfähigen Monate auch um diejenigen [X.]en einer schulischen Ausbildung zu vermindern ist, die wegen Überschreitung der Höchstdauer gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B VI in der vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung nicht als Anrechnungszeit zu berücksichtigen und zu bewerten sind."

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die [X.] ist nicht verpflichtet, dem [X.]läger höhere Altersrente nach den hier maßgeblichen Vorschriften des [X.] in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.9.1996 ([X.] - [X.] 1461) zu bewilligen.

Innerhalb der Grundbewertung (§ 72 [X.]) sind nur solche [X.]en einer schulischen Ausbildung beitragsfreie [X.]en iS von § 72 Abs 3 [X.] [X.], welche die gesetzliche Höchstdauer (§ 58 Abs 1 Satz 1 [X.], § 122 Abs 3 [X.]) nicht überschreiten. Die frühere Rechtsprechung des 4. Senats des [X.] (Urteil vom 18.10.2005 - [X.] RA 43/03 R - [X.] 4-2600 § 71 [X.]) wird aufgegeben. Der 4. Senat des [X.] (aaO Rd[X.]7, 33) hatte im Rahmen einer "Rentenhöchstwertfestsetzung" folgende Ansicht vertreten:

"… Die [X.] und die Vorinstanzen haben zu Unrecht die [X.]alendermonate, die mit [X.]en der Hochschulausbildung vom 1.5.1956 bis 10.5.1966 belegt sind, als 'belegungsfähig' (dh als belegbare Versicherungslücke) angesehen. Hierbei haben sie die gebotene Unterscheidung zwischen der Qualifizierung der Ausbildungszeit als beitragsfreie [X.], also der 'Belegung' eines [X.]alendermonats, und ihrer Anrechnung und Bewertung nicht beachtet.

… § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] regelt im letzten Halbsatz ('insgesamt jedoch höchstens bis zu 3 Jahren') nicht den Tatbestand, sondern die [X.] von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung (vgl § 58 Abs 2, 3, 4, 4a, 5 [X.]). Dieser Halbsatz hat keine Bedeutung für die Qualifizierung eines [X.]alendermonats als beitragsfreie [X.], regelt also nicht die 'Belegung' eines Monats mit einer solchen, sondern deren 'Anrechnung' auf die Wartezeit und/oder auf den Vorleistungswert (dazu [X.], Urteil vom 24.7.2001, [X.] 3-2600 § 71 [X.]). Demgemäß hat das [X.] in ständiger Rechtsprechung (zusammengefasst in: [X.], Urteil vom 24.10.1996, 4 RA 108/95, [X.] 3-2600 § 58 [X.] mwN, Urteil vom 30.8.2001, [X.] RA 114/00 R, [X.] 3-2600 § 149 [X.], dazu [X.], Beschluss vom 3.11.2003, 1 BvR 406/03) geklärt, dass die sog Höchstdauer nur eine Anrechnungs- und Bewertungsvoraussetzung ist. Ferner folgt erst aus § 74 [X.], in welchem Umfang [X.]alendermonate, die mit anzurechnenden [X.]en schulischer Ausbildung belegt sind, darüber hinaus [X.] (in EP berechnet) vermittelt haben. Hieran ist festzuhalten."

Dem folgt der erkennende 5. Senat nach Anfrage bei und in Übereinstimmung mit dem 13. Senat des [X.], der neben dem erkennenden Senat aufgrund einer Änderung des [X.] ab 1.1.2008 die Zuständigkeit des 4. Senats des [X.] für die allgemeine Rentenversicherung übernommen hat, nicht ([X.] des 5. Senats vom 25.11.2008 nach § 41 Abs 3 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz , Antwortbeschluss des 13. Senats vom [X.] - B 13 R 6/09 S). Der belegungsfähige Gesamtzeitraum ist zugunsten des Versicherten nur um solche Ausbildungszeiten zu kürzen, die die gesetzliche Höchstdauer nicht überschreiten. Denn die Höchstdauerbegrenzung ist Teil der Begriffsdefinition - bzw anknüpfend an die Terminologie des 4. Senats des [X.] Tatbestandsvoraussetzung - der Anrechnungszeit und regelt nicht lediglich deren Anrechnung und Bewertung. Folglich ist nur die im Rahmen der gesetzlichen Höchstdauer liegende Ausbildungszeit, eine beitragsfreie und damit nicht belegungsfähige [X.] iS von § 72 Abs 3 [X.] [X.], die von dem (belegungsfähigen) Gesamtzeitraum abzuziehen ist. Im Einzelnen:

Der Monatsbetrag der Rente errechnet sich nach § 64 [X.] durch die Multiplikation der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, des Rentenartfaktors und des aktuellen [X.], wobei der Wert dieser Faktoren bei Beginn der Rente zugrunde zu legen ist. Der [X.]läger beanstandet ausschließlich die Ermittlung der EP für beitragslose bzw beitragsgeminderte [X.]en. § 72 und § 73 [X.] regeln deren Grund- bzw Vergleichsbewertung, die sich im hier wesentlichen Punkt nicht unterscheiden; § 72 Abs 1 [X.] legt die Berechnungsformel (Summe der EP für Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten dividiert durch die Anzahl der belegungsfähigen Monate) fest, Abs 2 bestimmt den belegungsfähigen Gesamtzeitraum, der um die in Abs 3 genannten [X.]en zu kürzen ist, § 73 enthält die Modifikationen für die Vergleichsbewertung. Durch diese Rechenoperationen wird ermittelt, in welcher Gesamtzeit der Versicherte seine auf Beschäftigung und gleichgestellten [X.]en beruhenden EP erwirtschaftet hat; der sich daraus ergebende (höhere) Durchschnittswert (EP pro Monat) ist nach § 71 Abs 1 Satz 2 [X.] vorbehaltlich der Einschränkung des § 74 [X.] als Mindestwert für die beitragsfreien und beitragsgeminderten [X.]en einzusetzen. Dieser Durchschnittswert ist umso niedriger, je länger der Versicherte benötigt hat, um die zu berücksichtigenden EP zu erzielen, dh ein längerer Gesamtzeitraum mit infolgedessen geringerer Beitragsdichte führt zu einer niedrigeren Bewertung der beitragsfreien [X.]en als ein kürzerer Gesamtzeitraum mit derselben Anzahl von EP und deshalb höherer Beitragsdichte. Wären entgegen der Berechnungsweise der [X.]n im angefochtenen Bescheid weitere [X.]en vom Gesamtbelegungszeitraum abzuziehen, würden sich wegen des dadurch höheren [X.] die für die beitragsfreien und beitragsgeminderten [X.]en errechneten EP und somit auch der monatliche Rentenbetrag erhöhen. Die Berechnungsweise der [X.]n entspricht jedoch dem Gesetz.

Nach § 72 Abs 3 [X.] [X.] ist der belegungsfähige Gesamtzeitraum zugunsten des Versicherten unter anderem um beitragsfreie [X.]en zu kürzen, die nicht auch Berücksichtigungszeiten sind. Ob die [X.]en der schulischen Ausbildung des [X.] vom 1.1.1963 bis zum [X.], wie von diesem gefordert, beitragsfreie [X.]en im Sinne der genannten Vorschrift und deshalb vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen sind, ergibt sich aus § 72 [X.] nicht direkt, da dieser keine Definition der beitragsfreien [X.]en enthält. [X.] [X.]en sind jedoch in § 54 Abs 4 [X.] definiert als [X.]alendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt wurden. Vorliegend kommen nur Anrechnungszeiten in Betracht. Diese sind in § 58 [X.] definiert, wobei die Norm hier in der durch das [X.] geänderten und bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung anzuwenden ist, weil der Anspruch auf Altersrente am 1.1.2000 entstanden ist (§ 306 Abs 1 [X.]).

Bedenken, den Begriff der beitragsfreien [X.] iS von § 72 Abs 3 [X.] [X.] unter Heranziehung des § 54 Abs 4 iVm § 58 [X.] auszulegen, bestehen nicht. Zwar sind §§ 54 und 58 [X.] im zweiten Unterabschnitt, zweiter Abschnitt des zweiten [X.]apitels verortet, der die "Anspruchsvoraussetzungen für einzelne Renten" regelt, während § 72 [X.] dem dritten Unterabschnitt, zweiter Abschnitt des zweiten [X.]apitels "Rentenhöhe und Rentenanpassung" zugeordnet ist. § 54 Abs 4 und § 58 [X.] enthalten aber allgemeingültige Inhaltsvorgaben der von ihnen aufgeführten rentenrechtlichen [X.]en. Nehmen andere Vorschriften des [X.] auf den Begriff der beitragsfreien [X.]en Bezug, übernehmen sie diesen im Sinne der gesetzlichen Definitionen. Anderenfalls wäre ein aufeinander abgestimmtes, schlüssiges und damit funktionierendes Normgefüge des [X.] nicht vorhanden.

Nach § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] idF des [X.] sind Anrechnungszeiten [X.]en, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben ([X.]en einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu drei Jahren oder 36 Monaten. Für einen Rentenbeginn zwischen 1997 und 2000 erhöht § 252 Abs 4 [X.] iVm Anlage 18 diese Höchstgrenze übergangsrechtlich.

Die über die Höchstgrenze hinausgehenden [X.]en der schulischen Ausbildung sind keine Anrechnungszeit, denn sie erfüllen nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.], und sind daher nicht gemäß § 72 Abs 3 [X.] [X.] vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen (vgl auch Stahl in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 72 Rd[X.]0, Stand 4/2002; [X.] in jurisP[X.] [X.], § 72 Rd[X.]3, Stand 1/2008).

Bereits der Wortlaut des § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] lässt erkennen, dass die Höchstdauerbegrenzung Teil der Begriffsdefinition der Anrechnungszeit ist und nicht zusätzlich die Berücksichtigung von tatbestandlich vorliegenden Anrechnungszeiten regeln sollte. Die Vorschrift unterscheidet sprachlich nicht zwischen dem Vorliegen des Tatbestandes der Anrechnungszeiten einer schulischen Ausbildung und der Frage ihrer Berücksichtigung, vielmehr schließt sich die zeitliche Begrenzung ohne Bruch an die ersten beiden Satzteile ("Anrechnungszeiten sind [X.]en, in denen Versicherte …") an und bezieht sich auf diese. In der [X.] besteht kein Unterschied zwischen der in § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] vorgeschriebenen Höchstdauer und der Begrenzung auf den [X.]raum nach Vollendung des 17. Lebensjahres, welche allgemein als tatbestandliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Anrechnungszeit angesehen wird (vgl zur aktuellen Fassung nur [X.] in [X.]reikebohm, [X.], 3. Aufl 2008, § 58 RdNr 37; [X.]lattenhoff in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 58 RdNr 89, Stand 2/2005; [X.] in [X.]asseler[X.]omm, § 58 [X.] Rd[X.]0, Stand 1/2002).

Systematische Erwägungen sprechen ebenfalls dafür, dass die Höchstdauerbegrenzung als tatbestandliche Voraussetzung einer Anrechnungszeit ausgestaltet ist.

Dies ergibt sich zum einen aus § 252 Abs 4 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung des [X.]. § 252 Abs 4 [X.] enthält eine Erweiterung der in § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] enthaltenen Definition und bestimmt für eine Übergangszeit, dass auch weitere, über die Höchstdauerbegrenzung hinausgehende [X.]en unter bestimmten Voraussetzungen Anrechnungszeiten "sind". Wäre tatsächlich die in § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] in der Fassung des [X.] festgelegte Höchstdauer nicht Tatbestandsvoraussetzung einer Anrechnungszeit, hätte die Übergangsvorschrift lediglich bestimmen müssen, dass die in § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] bereits definierte Anrechnungszeit vorübergehend bis zu einer höheren Obergrenze zu berücksichtigen und zu bewerten sei. Dies ergibt sich aber aus dem insofern eindeutigen Wortlaut nicht. Wenn die Höchstdauerbegrenzung eine bloße Anrechnungsregel über die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten und kein Tatbestandsmerkmal wäre, hätte § 252 Abs 4 [X.] dies zum Ausdruck bringen müssen.

Vor allem aber verdeutlicht § 207 [X.], dass die Höchstdauerbegrenzung nicht nur eine bloße Bestimmung über die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten war. § 207 [X.] ist bereits zusammen mit der Vorschrift des § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18.12.1989 ([X.] 1992, [X.] 1989, 2261 - berichtigt [X.] 1990, 1337) eingeführt worden und eröffnet für die [X.]en schulischer Ausbildung, die die Höchstdauer überschreiten, die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung. Zwar spricht die Regelung von [X.]en, die nicht "als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden", doch Sinn und Zweck des § 207 [X.] ist zu entnehmen, dass die Anrechnungszeiten durch die [X.] bereits tatbestandsmäßig begrenzt sind.

Durch die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 207 [X.] wird der Versicherte in die Lage versetzt, die zum [X.] in [X.] getretene [X.]ürzung der Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung von vorher bis zu 13 Jahren auf nur noch bis zu sieben Jahre zu kompensieren. In den Gesetzesmaterialien wird ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass mit der Entrichtung freiwilliger Beiträge erheblichen Versorgungslücken begegnet werden könne, die sich insbesondere bei der [X.] für beitragsfreie und beitragsgeminderte [X.]en negativ auswirken könnten, soweit sie nicht durch anderweitige rentenrechtliche [X.]en geschlossen würden (BT-Drucks 11/4124 [X.]92 zu § 202). Die [X.]ompensationsmöglichkeit sollte demnach ausdrücklich gerade für die [X.] Bedeutung erlangen. Dieses [X.] wäre indes nicht zu erreichen, wenn die Ausbildungszeit insgesamt unabhängig von ihrer Dauer Anrechnungszeit wäre und nach Überschreiten der Höchstdauer lediglich nicht berücksichtigt, dh etwa nicht in EP bewertet werden könnte. In diesem Fall wäre die gesamte Ausbildungszeit eine beitragsfreie und damit nicht belegungsfähige [X.] iS von § 72 Abs 3 [X.] [X.], die vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen wäre. Negative Auswirkungen bei der [X.] für beitragsfreie [X.]en könnten insoweit nicht entstehen. Damit wäre § 207 [X.] zu einem großen Teil sinnentleert.

Schließlich bestätigt auch die weitere Gesetzesentwicklung das hier vertretene Begriffsverständnis. § 74 Satz 3 [X.], eingefügt durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom [X.] ([X.] - [X.] 403), regelt ausdrücklich, in welchem Umfang [X.]en der schulischen Ausbildung bewertet werden, wobei der Bewertungszeitraum nicht mit der [X.] in § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] identisch ist. Dies unterstreicht, dass die [X.] tatbestandliche und nicht Berechnungsvoraussetzung der Anrechnungszeit ist.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] selbst lasse nicht erkennen, welche [X.]en bei einem Verständnis der [X.] iS eines Tatbestandsmerkmals Anrechnungszeiten seien, weil er keine Regelung darüber treffe, in welcher Form die Höchstdauer zu berücksichtigen sei (vgl [X.] vom 18.10.2005 - [X.] RA 43/03 R - [X.] 4-2600 § 71 [X.] RdNr 34 ff). Hierzu kann ohne Schwierigkeit auf die Regelung des § 122 Abs 3 [X.] zurückgegriffen werden (vgl zur aktuellen Fassung [X.]/[X.], Mitteilungen der [X.] 2005, 90), der für [X.]en, die nur bis zu einer Höchstdauer zu berücksichtigen sind, festlegt, dass die am weitesten zurückliegenden [X.]alendermonate zunächst zu berücksichtigen sind. Aus der Sicht des erkennenden Senats spricht nichts dagegen, diese Vorschrift auch auf die in der Höchstdauer begrenzten Anrechnungszeiten grundsätzlich zumindest entsprechend anzuwenden, ohne dass es hierzu einer abschließenden Entscheidung bedarf.

Auch aus Sinn und Zweck des § 72 [X.] und des § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] ergibt sich nicht, dass die über die Höchstdauer hinausgehenden [X.]en schulischer Ausbildung bei der [X.] vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abgezogen werden müssten.

Es ist allerdings richtig, dass ein Versicherter mit besonders langen, die Höchstdauer deutlich überschreitenden Ausbildungszeiten nur wenige EP für seine bewertbaren Anrechnungszeiten erhält. Andererseits dient die [X.]ürzung der Ausbildungszeiten gerade der Stärkung des Versicherungsprinzips und des Prinzips der Entgeltbezogenheit in der gesetzlichen Rentenversicherung. In deren Lichte erscheint es folgerichtig, dass derjenige Versicherte, der nach kurzer Ausbildung über einen längeren [X.]raum Beiträge eingezahlt hat, einen höheren Durchschnittswert für die Bewertung der beitragsfreien [X.]en erhält, als derjenige mit einer langen Ausbildung. Dies gilt umso mehr, als ein Versicherter mit höherer (und damit längerer) Ausbildung in späteren Jahren durchschnittlich einen höheren Verdienst erzielt und damit bei der Bewertung der beitragsfreien [X.]en ohnehin schon besser gestellt ist (vgl hierzu BT-Drucks 15/2149 [X.]9).

Es spricht daher nichts dafür, dass nach Abschaffung der Halbbelegung und des Erfordernisses eines (Bildungs-)Abschlusses jegliche schulische Ausbildungszeit gemäß § 72 Abs 3 [X.] vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abgezogen werden sollte. Mangels einer festgelegten Obergrenze hätten ansonsten selbst übermäßig lange und ggf erfolglose Ausbildungen bei der [X.] keinen nachteiligen Einfluss auf die Bildung des [X.] für beitragslose und beitragsgeminderte [X.]en, was der gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufen würde.

Gegen die Auslegung, dass schulische Ausbildungszeiten nur bis zur Höchstdauer des § 58 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] in der Fassung des [X.] als beitragsfreie [X.]en iS des § 72 Abs 3 [X.] [X.] anzusehen und vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen sind, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Bei der Ausgestaltung und rentenrechtlichen Bewertung von Ausbildungszeiten hat der Gesetzgeber unabhängig von der Frage, ab welchem [X.]punkt eine rentenversicherungsrechtliche Rechtsposition so verfestigt ist, dass sie durch Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) geschützt ist, eine größere Gestaltungsfreiheit als bei auf Beiträgen beruhenden Berechnungsgrößen, weil diese [X.]en auf einem allgemeinen fürsorgerischen Gedanken beruhen (vgl [X.] vom 1.7.1981 - [X.]E 58, 81, 112 = [X.] 2200 § 1255a [X.]). Das mit der Verkürzung der Anrechnung schulischer Ausbildungszeiten auch verfolgte Ziel der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung (BT-Drucks 13/4610 [X.]) ist von hoher Bedeutung und damit geeignet, die gemachten Einschränkungen zu rechtfertigen ([X.]E 116, 96, 126 f = [X.] 4-5050 § 22 [X.] Rd[X.]0). Ein besonderer Schutz für den Fall eines Rentenbeginns zwischen 1997 und 2000 wurde zudem durch die in § 252 Abs 4 [X.] in der Fassung des [X.] getroffene Übergangsregelung geschaffen. Allein aufgrund eines bestimmten Lebensalters ist ein gesteigerter Bestandsschutz verfassungsrechtlich nicht geboten ([X.]E 117, 272, 294 ff = [X.] 4-2600 § 58 [X.] Rd[X.]6 ff).

Der Senat teilt bereits im Ansatz die Auffassung nicht, schulische Ausbildungszeiten unterlägen als notwendige Vorleistungen der gesetzlichen Renten iS von sog [X.] einem höheren verfassungsrechtlichen Schutz (vgl [X.] vom 18.10.2005 - [X.] RA 43/03 R - [X.] 4-2600 § 71 [X.] Rd[X.]0 ff; vgl auch [X.]/Blüggel, NZS 2005, 4 ff).

Die Höhe der an den Einzelnen zu leistenden Rente ist nicht primär von seiner individuellen Produktivität, sondern vom erzielten versicherungspflichtigen Entgelt abhängig, aus dem sich die für ihn entrichteten Beiträge errechnen. Auch wenn es sich bei der gesetzlichen Rentenversicherung nicht um ein kapitalgedecktes Verfahren mit den einzelnen Versicherten zuzuordnenden Beitragskonten handelt, sondern um ein Umlageverfahren, bestimmen doch die erzielten und durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte sowie Arbeitseinkommen im Wesentlichen die Rentenhöhe zu einem bestimmten Renteneintrittszeitpunkt im Verhältnis zu den anderen Versicherten mit demselben Renteneintrittszeitpunkt. Dies geschieht maßgeblich über das System der aufgrund der Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen errechneten persönlichen EP.

Insofern erscheint es konsequent, die Ausbildung vorwiegend dem Bereich der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzuordnen, deren Honorierung dem System der Rentenversicherung eher fremd ist, weil es grundsätzlich an den Eintritt in das Arbeitsleben anknüpft ([X.]E 58, 81, 113 = [X.] 2200 § 1255a [X.] [X.]3).

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 5 KN 1/07 R

02.03.2010

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: KN

vorgehend SG Gießen, 25. November 2003, Az: S 6 KN 533/01, Urteil

§ 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6 vom 25.09.1996, § 54 Abs 1 Nr 2 SGB 6, § 54 Abs 4 SGB 6, § 72 Abs 3 Nr 1 SGB 6, § 74 S 3 SGB 6 vom 21.03.2001, § 252 Abs 4 SGB 6 vom 25.09.1996, § 207 SGB 6, WFG, Art 14 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 02.03.2010, Az. B 5 KN 1/07 R (REWIS RS 2010, 8822)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8822

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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