Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.08.2019, Az. II R 19/19 (II R 63/14), II R 19/19, II R 63/14

2. Senat | REWIS RS 2019, 4277

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Gegenstand

(Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG)


Leitsatz

§ 6a GrEStG gilt für alle Rechtsträger i.S. des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind. Das herrschende Unternehmen muss nicht Unternehmer i.S. des UStG sein .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 09.07.2014 - 7 K 135/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Mit notariell beurkundetem [X.] wurde die GmbH auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verschmolzen. Alleinige Gesellschafterin der beiden Gesellschaften war seit Jahrzehnten eine gemeinnützige Stiftung. Die Verschmelzung wurde am 06.07.2010 in das Handelsregister eingetragen. Mit der Verschmelzung ging eine Vielzahl von in verschiedenen Finanzamtsbezirken gelegenen Grundstücken aus dem Vermögen der GmbH auf die Klägerin über.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) stellte die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gemäß § 17 des [X.] in der im Jahr 2010 geltenden Fassung ([X.]) gesondert fest. Die Steuerbegünstigung nach § 6a [X.] gewährte das [X.] nicht, da die Stiftung keine Unternehmerin i.S. des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sei. Der Einspruch blieb erfolglos.

3

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt. Seiner Ansicht nach folgt weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Intention des Gesetzgebers eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 6a [X.] auf herrschende Rechtsträger, die Unternehmen i.S. des UStG sind.

4

Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2015, 1739 veröffentlicht.

5

Dagegen richtet sich die Revision des [X.].

6

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Das [X.] und das [X.] sind nach § 122 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) dem Verfahren beigetreten. Die Beigetretenen stellen keine Anträge.

9

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 18.07.2017 - II R 63/14 im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen vom 30.05.2017 - II R 62/14 ([X.], 381, BStBl II 2017, 916) ausgesetzt. Das Verfahren wird nach Ergehen des Urteils des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) im Verfahren A-Brauerei vom 19.12.2018 - [X.]/17 ([X.]:[X.]) fortgeführt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass § 6a [X.] nicht allein auf Unternehmen i.S. des UStG Anwendung findet. Die Verschmelzung der GmbH auf die Klägerin unterliegt der Steuerbegünstigung nach § 6a [X.].

1. Der durch die Verschmelzung bewirkte Übergang des Eigentums an den Grundstücken der GmbH auf die Klägerin unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.] der Grunderwerbsteuer. Es handelt sich um gesetzliche Eigentumswechsel, bei denen kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen war und es auch keiner Auflassung bedurfte.

2. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a [X.] sind erfüllt.

a) Nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 [X.] wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 [X.] steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes ([X.]) die Steuer nicht erhoben. § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] betrifft die Verschmelzung, § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] die Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung und § 1 Abs. 1 Nr. 3 [X.] die Vermögensübertragung. Die Nichterhebung der Steuer setzt voraus, dass an dem [X.] ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige [X.]en oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige [X.]en beteiligt sind (§ 6a Satz 3 [X.]). Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine [X.], an deren Kapital oder [X.]svermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 [X.]).

b) § 6a [X.] verstößt nicht gegen Unionsrecht. Die Regelung stellt keine Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] dar (vgl. [X.] [X.], [X.]:[X.]). Die Vorschrift wirkt zwar selektiv, weil sie bestimmte [X.]en im Hinblick auf die bei einem Rechtsträgerwechsel anfallende Grunderwerbsteuer begünstigt; dies ist jedoch durch die Natur und den Aufbau des Systems der Grunderwerbsteuer gerechtfertigt (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 44 ff.). Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Anwendung des § 6a [X.] im Einzelfall eine doppelte Besteuerung innerhalb des Konzerns vermieden wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Vorschrift generell einer im System angelegten, möglichen übermäßigen Besteuerung bei [X.] innerhalb eines Konzerns entgegenwirkt.

Der [X.] hat die [X.] des § 6a [X.] als Beihilfe vor allem damit begründet, dass die Vermeidung einer Doppelbesteuerung und damit einer übermäßigen Besteuerung es rechtfertigen kann, dass die Steuerbefreiung auf [X.] zwischen [X.]en beschränkt wird, die während eines ununterbrochenen [X.] von fünf Jahren vor und fünf Jahren nach diesem Vorgang durch eine Beteiligung von mindestens 95 % miteinander verbunden sind ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 50; vgl. hierzu [X.], [X.], 75). Aus dieser Begründung ist jedoch nicht zu folgern, dass § 6a [X.] nur im Falle einer Doppelbesteuerung keine verbotene Beihilfe, also unionsrechtskonform ist und im Falle einer fehlenden Doppelbesteuerung dem Unionsrecht widerspricht. Eine solche Differenzierung ist in der Vorschrift nicht angelegt. Deshalb ist nach der Entscheidung des [X.] die Steuerbefreiung zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des § 6a [X.] erfüllt sind; insoweit bedarf es keiner Feststellung einer Doppelbesteuerung im konkreten Einzelfall.

c) Der Anwendungsbereich des § 6a [X.] ist nicht auf Unternehmen i.S. des UStG beschränkt ([X.] in [X.], [X.], 19. Aufl., § 6a Rz 84; [X.], [X.], Kommentar, 6. Aufl., § 6a Rz 43; [X.]/[X.], Grunderwerbsteuer, 5. Aufl., Rz 583.23; a.A. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.06.2012, BStBl I 2012, 662, [X.]. 2.2 Abs. 1 Satz 2; [X.], [X.], Kommentar, 11. Aufl., § 6a Rz 11). Vielmehr gilt die Vorschrift mangels näherer gesetzlicher Eingrenzung für alle Rechtsträger i.S. des [X.], die wirtschaftlich tätig sind.

aa) Dem Wortlaut des § 6a [X.] lässt sich nicht entnehmen, dass der Begriff des herrschenden Unternehmens nach umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu bestimmen ist. § 6a [X.] verweist nicht auf § 2 UStG und definiert das herrschende Unternehmen auch nicht wie § 2 UStG ([X.], Die Unternehmensbesteuerung --[X.]-- 2010, 845, 846, und [X.], 2149, 2152; [X.]/[X.], Der Betrieb 2011, 374).

bb) Aus der zur Auslegung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] vertretenen Auffassung, wonach herrschendes Unternehmen i.S. dieser Vorschrift jeder Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein kann und diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wenn die Anteile am erwerbenden Unternehmen zum Privatvermögen einer natürlichen Person gehören (Urteil des [X.] --BFH-- vom 20.03.1974 - II R 185/66, [X.], 306, BStBl II 1974, 769; [X.], a.a.[X.], § 1 Rz 176), können keine Rückschlüsse für die Auslegung desselben Begriffs in § 6a [X.] gezogen werden. Dem BFH-Urteil in [X.], 306, BStBl II 1974, 769 lag die Fassung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des [X.]es vom 29.03.1940 --[X.] 1940-- ([X.], 585) zugrunde. Von § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] 1940 wurden nur "Unternehmen i.S. des § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes" erfasst. Auf eine entsprechende gesetzliche Anknüpfung des Unternehmensbegriffs an das UStG in der seit dem [X.] geltenden Neufassung des § 1 Abs. 3 [X.] hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich verzichtet (vgl. Gesetzesentwurf zum [X.], BTDrucks 9/251, S. 16).

cc) Aus der Definition des abhängigen Unternehmens in § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b [X.] lässt sich ebenfalls nicht herleiten, dass herrschendes Unternehmen i.S. des § 6a Satz 3 [X.] nur Unternehmen i.S. des UStG sein können. § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b [X.] definiert den Begriff des herrschenden Unternehmens nicht, sondern legt nur fest, unter welchen Voraussetzungen eine juristische Person als abhängig i.S. des § 1 Abs. 3 [X.] gilt. Danach gilt eine juristische Person, die nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist, als abhängiges Unternehmen. Der Wortlaut des § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b [X.] knüpft an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG an. Diese Anknüpfung rechtfertigt es, bei der Auslegung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b [X.] die für § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG geltenden Grundsätze heranzuziehen (vgl. [X.] in [X.], a.a.[X.], § 1 Rz 1116).

§ 6a Satz 4 [X.] definiert die Abhängigkeit von [X.]en jedoch anders als § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b [X.] und gilt zudem nicht nur für juristische Personen, sondern auch für Personengesellschaften. Bei § 1 Abs. 3 [X.] handelt es sich zudem um einen steuerbegründenden Tatbestand und bei § 6a [X.] um eine Steuerbegünstigung. Der Begriff des herrschenden Unternehmens in § 6a [X.] ist daher nicht in Anlehnung an § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b [X.] auszulegen.

dd) Schließlich lässt sich auch den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass der umsatzsteuerrechtliche Unternehmensbegriff für die Begünstigung nach § 6a [X.] maßgeblich sein soll. Ungeachtet des Umstandes, dass sich in den Gesetzesmaterialien kein Hinweis darauf findet, dass nur Unternehmen i.S. des UStG in den Anwendungsbereich des § 6a [X.] fallen sollen, ergibt sich dies auch nicht aus dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Ziel, Umstrukturierungen von Unternehmen zu erleichtern und Wachstumshemmnisse zu beseitigen (vgl. Bericht des Finanzausschusses des [X.], BTDrucks 17/147, S. 10). Dies betrifft Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne und andere Unternehmen gleichermaßen.

ee) Nach diesen Grundsätzen sind Unternehmen i.S. des § 6a [X.] nicht nur Unternehmen i.S. des UStG. § 6a [X.] ist seinem Wortlaut und seinem Zweck nach so auszulegen, dass die Vorschrift allen Rechtsträgern offen steht, die die nachstehenden Voraussetzungen erfüllen. Eine weitere Eingrenzung vermag der Senat der Vorschrift nicht zu entnehmen.

Das gilt zum einen für die Rechtsform des Unternehmens. Zwar spricht der Wortlaut der Vorschrift von einem herrschenden "Unternehmen" und von diesem abhängigen "[X.]en". Daraus lässt sich aber z.B. nicht der Schluss ziehen, dass auch das herrschende Unternehmen in einer bestimmten Rechtsform organisiert sein muss. [X.] Unternehmen können folglich Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften, sowie natürliche und juristische Personen sein, die wirtschaftlich tätig sind ([X.] in [X.], 381, BStBl II 2017, 916, Rz 29; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 85).

Aus dem Begriff "Unternehmen" lässt sich ebenso nicht herleiten, dass die Beteiligung an den abhängigen [X.]en für die Anwendung des § 6a [X.] im Betriebsvermögen gehalten werden muss. Eine solche Anknüpfung an bilanzielle oder ertragsteuerrechtliche Begriffe ist der Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer fremd. So entsteht die Grunderwerbsteuer aufgrund der in § 6a Satz 1 [X.] geregelten Erwerbstatbestände unabhängig davon, ob die jeweilige Beteiligung im Betriebs- oder Privatvermögen gehalten wird. Die Steuerbefreiung nach § 6a [X.] von der Vermögenszugehörigkeit abhängig zu machen, findet im Gesetz keinen Anhaltspunkt. § 6a [X.] ist folglich z.B. auch anwendbar, wenn die Beteiligung im Privatvermögen einer natürlichen Person gehalten wird ([X.] in [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 85; [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 44; a.A. [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 11; gleich lautende Erlasse in BStBl I 2012, 662, [X.]. 2.2). Dementsprechend kann eine gemeinnützige Stiftung ebenfalls ein herrschendes Unternehmen i.S. von § 6a Sätze 3 und 4 [X.] sein, wenn sie über Beteiligungen an grundbesitzenden [X.]en verfügt.

d) § 6a [X.] setzt voraus, dass an dem [X.] eine oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige [X.]en i.S. des § 6a Satz 3 i.V.m. Satz 4 [X.] beteiligt sind.

aa) § 6a Sätze 3 und 4 [X.] verlangen dem Wortlaut nach den Bestand des dort bestimmten [X.] innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem [X.] ([X.]) und fünf Jahren nach dem [X.] ([X.]).

bb) [X.], bei denen eine beteiligte [X.] erlischt oder neu entsteht, fallen nach dem Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 [X.] nicht in den Anwendungsbereich des § 6a [X.]. Eine vor oder nach der Umwandlung nicht existente [X.] kann die in § 6a Satz 4 [X.] bestimmten zeitlichen Voraussetzungen der Abhängigkeit aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen, mit der Folge, dass entgegen den Anforderungen des § 6a Satz 3 [X.] an dem [X.] auch (mindestens) eine [X.] beteiligt wäre, die mangels Einhaltung der [X.] (im Falle des Erlöschens) bzw. der [X.] (im Falle der Neugründung) nicht von dem herrschenden Unternehmen "abhängig" wäre.

Nach dem Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 [X.] wären somit sämtliche Verschmelzungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. [X.]), die Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 1 [X.]), die Abspaltung zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 2 Nr. 2, §§ 124 ff. [X.]), die Ausgliederung zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 3 Nr. 2, §§ 124 ff. [X.]) sowie die Vermögensübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 174 ff. [X.]), wenn sie zur Auflösung des übertragenden Rechtsträgers führt, nicht nach § 6a [X.] begünstigt. § 6a [X.] hätte einen sehr eng begrenzten Anwendungsbereich. [X.] wären im Wesentlichen die Abspaltung und die Ausgliederung von Vermögen zur Aufnahme durch Übertragung des abgespaltenen oder ausgegliederten [X.] oder der abgespaltenen oder ausgegliederten Vermögensteile jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger (§ 123 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 [X.]).

cc) Die Finanzverwaltung versucht, den Widerspruch zwischen § 6a Satz 1 [X.] einerseits und den Sätzen 3 und 4 der Vorschrift andererseits mittels eines eigenen Verbundbegriffs zu lösen. Nach [X.]. 2.1 Abs. 2 der Erlasse in BStBl I 2012, 662 ist für den jeweiligen [X.] ein entsprechender "Verbund" aus dem herrschenden Unternehmen und der oder den am [X.] beteiligten abhängigen [X.](en) sowie den dieses Beteiligungsverhältnis vermittelnden abhängigen [X.]en zu bestimmen. [X.], durch die ein solcher "Verbund" begründet oder beendet wird, sind nach [X.]. 2.1 Abs. 3 Satz 1 der Erlasse in BStBl I 2012, 662 nicht nach § 6a [X.] begünstigt.

(1) Demgemäß sind nach [X.]. 2.1 Abs. 3 Sätze 2 und 3 der Erlasse in BStBl I 2012, 662 Abspaltungen oder Ausgliederungen zur Neugründung aus einem herrschenden Unternehmen sowie die Verschmelzung der letzten am [X.] beteiligten abhängigen [X.] auf das herrschende Unternehmen nicht begünstigt, da durch diese [X.] der Verbund erst begründet oder beendet wird. Die in [X.]. 5 Abs. 1 der gleich lautenden Ländererlasse vom 01.12.2010 (BStBl I 2010, 1321) noch enthaltene Regelung, wonach die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen zulässig sein sollte, hat die Finanzverwaltung in den Erlassen in BStBl I 2012, 662 nicht mehr aufgenommen, ohne dass dem eine Gesetzesänderung zugrunde lag.

(2) Begünstigt ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf eine andere Tochtergesellschaft (vgl. [X.]. 5 Abs. 1 Satz 3 und Beispiel 1 zu [X.]. 5 der Erlasse in BStBl I 2012, 662). In diesen Fällen sei nur erforderlich, dass die [X.] von fünf Jahren ([X.]. 4 der Erlasse in BStBl I 2012, 662) eingehalten war, die übernehmende abhängige [X.] fortbesteht und an ihr die Mindestbeteiligung von 95 % bestehen bleibt. Dass die übertragende [X.] bei der Umwandlung erlischt und somit nach dem [X.] nicht mehr die Anforderungen des § 6a Satz 4 [X.] an eine abhängige [X.] erfüllt, ist nach [X.]. 5 Abs. 1 Satz 3 der Erlasse in BStBl I 2012, 662 unschädlich.

dd) Die Literatur löst den inneren Widerspruch im Wortlaut des § 6a [X.] durch eine teleologische Reduktion des § 6a Satz 4 [X.].

So soll im Falle der Verschmelzung nur die übernehmende [X.] fortbestehen müssen; die [X.] müsse in Bezug auf die verschmolzene [X.] nicht eingehalten werden (vgl. [X.] in [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 105; [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 70; [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 16; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 6a Rz 45; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 6a Rz 48; aus der [X.] vgl. z.B. [X.]/Tyarks, Betriebs-Berater --BB-- 2010, 87, 91; [X.]/[X.], Der Betrieb 2010, 185, 188; [X.], [X.], 2149, 2015; Teiche, BB 2012, 2659, 2665; Jorde/Trinkaus, [X.] 2012, 649, 654; Wischott/Schönweiß/Graesser, [X.], 780, 790; Gsödl/ [X.]/[X.], [X.] 2016, 208, 212; [X.], Zeitschrift für Immobilienrecht 2016, 197, 200). Dasselbe gilt nach verbreiteter Ansicht auch für die [X.] im Falle der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung ([X.] in [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 112; [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 65; [X.] in [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 43; [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 16; Jorde/Trinkaus, [X.] 2012, 649, 654; [X.], Umsatz- und [X.], 60).

ee) Nach Ansicht des Senats ist § 6a Satz 4 [X.] dahingehend auszulegen, dass die dort genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten [X.]s auch eingehalten werden können.

(1) Bei [X.] zwischen einer abhängigen [X.] und einem herrschenden Unternehmen muss in Fällen der Verschmelzung nur die [X.] und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die [X.] eingehalten werden. Das gilt bei der Verschmelzung sowohl für die Verschmelzung auf die abhängige [X.] als auch für die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen. Die [X.] muss bei der Verschmelzung und die [X.] bei der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nicht eingehalten werden, um die Steuerbegünstigung zu erlangen.

(2) Entsprechendes gilt, wenn mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige [X.]en an dem [X.] beteiligt sind. In diesem Fall muss bei der Verschmelzung die [X.] nur in Bezug auf die aufnehmende [X.] und die [X.] in Bezug auf die beiden abhängigen [X.]en eingehalten werden. Bei der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung muss die [X.] nur in Bezug auf die abgebende [X.] und die [X.] in Bezug auf beide abhängigen [X.]en eingehalten werden.

(3) Eine solche (weite) Auslegung des § 6a [X.] findet ihren Anknüpfungspunkt in der Systematik der Vorschrift. Nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 [X.] wird ausdrücklich für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 [X.] steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 [X.] die Steuer nicht erhoben. Der Verweis auf § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 [X.] schließt die Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. [X.]), die Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 1 [X.]), die Abspaltung und die Ausgliederung von Vermögen zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, §§ 124 ff. [X.]) sowie die Vermögensübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 174 ff. [X.]) ausdrücklich und ohne Vorbehalt auf bestimmte Umwandlungsfälle in die Begünstigung ein. § 6a Satz 1 [X.] differenziert nicht danach, in welcher Richtung, horizontal auf eine Schwestergesellschaft oder vertikal auf die Muttergesellschaft, eine [X.] verschmolzen wird, sondern begünstigt alle dort genannten [X.] gleichermaßen, auch wenn nur ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige [X.] an dem [X.] beteiligt sind. Hätte der Anwendungsbereich des § 6a [X.] nur auf solche [X.] beschränkt sein sollen, bei denen bereits ein Verbund aus mehreren Unternehmen besteht und nach dem [X.] auch weiter besteht, hätte dies in § 6a Satz 1 [X.] seinen Niederschlag finden müssen.

(4) Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck des § 6a [X.]. Der Gesetzgeber wollte mittels der Steuerbegünstigung nach § 6a [X.] Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen erleichtern, damit Unternehmen flexibel auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren können (BTDrucks 17/147, 10). Das schließt auch solche [X.] ein, durch die ein Konzern beendet oder neu begründet wird. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, nur bestimmte [X.], z.B. Verschmelzungen auf Schwestergesellschaften, zu begünstigen, zumal die Begünstigungswirkungen des § 6a [X.] nach der Vorstellung des Gesetzgebers allen Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugutekommen und die Erfassung aller [X.] einer gleichmäßigen Wirkung der Begünstigung dienen sollten (BTDrucks 17/147, 10). Der [X.] würde verfehlt, schlösse man diejenigen [X.], die in der Praxis sehr häufig vorkommen, nämlich die vertikale Verschmelzung und die Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung, von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 6a [X.] aus.

(5) Die Auslegung steht schließlich nicht im Widerspruch zu dem durch § 6a Sätze 3 und 4 [X.] verfolgten Zweck, ungewollte Mitnahmeeffekte zu vermeiden (vgl. BTDrucks 17/147, 10). In [X.] muss nach § 6a Sätze 3 und 4 [X.] die [X.] gewahrt sein, d.h. das qualifizierte Abhängigkeitsverhältnis muss vor dem [X.] fünf Jahre Bestand gehabt haben. In den Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung muss die [X.] gewahrt bleiben, d.h. das durch den [X.] begründete Abhängigkeitsverhältnis muss nach dem Vorgang mindestens fünf Jahre bestehen. Kurzfristige Gestaltungen, wie sie § 6a Sätze 3 und 4 [X.] in Anlehnung an §§ 5 und 6 [X.] verhindern will (vgl. BTDrucks 17/147, 10), sind folglich auch in [X.], Abspaltungs- oder Ausgliederungsfällen ausgeschlossen.

(6) Die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung findet weder im Wortlaut oder in der Systematik des § 6a [X.] noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze. Die Vorstellung des "[X.]" ist dort weder begrifflich noch konzeptionell angelegt. Es ist kein gesetzesimmanenter sachlicher Grund dafür ersichtlich, z.B. die Verschmelzung auf eine [X.] der [X.] durch die aufnehmende [X.] zu begünstigen, die Abspaltung oder Ausgliederung auf eine neu gegründete [X.] der [X.] durch die abgebende [X.] hingegen nicht. Beide [X.] sind lediglich das wirtschaftliche und rechtliche Spiegelbild des jeweils anderen [X.]s und finden innerhalb des Konzerns ohne Beteiligung Dritter statt. Dasselbe gilt für die (vertikale) Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft oder einer [X.] auf die Tochtergesellschaft und --spiegelbildlich-- die Abspaltung oder Ausgliederung auf solche [X.]en. Es ist kein Grund erkennbar, weshalb diese [X.] nicht unter § 6a Sätze 3 und 4 [X.] fallen sollten, wenn man --wie die [X.] einzelne [X.] auf [X.] zulässt.

e) Da § 6a [X.] nicht darauf abstellt, dass der abgebende Rechtsträger das Grundstück innerhalb von fünf Jahren vor dem [X.] erworben hat und der übernehmende Rechtsträger das Grundstück fünf Jahre nach dem [X.] behält, stehen im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem [X.] verwirklichte andere Erwerbsvorgänge der Anwendung des § 6a [X.] nicht entgegen.

f) Nach diesen Grundsätzen ist Grunderwerbsteuer im Streitfall nach § 6a [X.] nicht zu erheben. Die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung sind erfüllt.

aa) Die an dem [X.] beteiligte Klägerin und die auf sie verschmolzene GmbH sind [X.]en, die von einem herrschenden Unternehmen, der [X.], abhängen. Die gemeinnützige Stiftung war als Alleingesellschafterin seit mehr als fünf Jahren vor der Verschmelzung zu 100 % an der verschmolzenen [X.] und an der Klägerin beteiligt. Die Stiftung ist als Rechtsträgerin "herrschendes Unternehmen" i.S. des § 6a Sätze 3 und 4 [X.].

bb) § 6a Satz 4 [X.] steht der Steuerbegünstigung im Streitfall nicht entgegen. Die Beendigung des [X.] zwischen der [X.] und der GmbH ist unerheblich, weil dies durch die Verschmelzung bedingt ist. Mit der Verschmelzung ist die Beteiligung der Stiftung an der GmbH erloschen. Die Beteiligung der Stiftung an der Klägerin besteht unverändert fort.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 19/19 (II R 63/14), II R 19/19, II R 63/14

21.08.2019

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 9. Juli 2014, Az: 7 K 135/12, Urteil

§ 6a GrEStG 1997 vom 22.06.2011, § 1 Abs 1 Nr 3 GrEStG 1997, § 1 Abs 1 Nr 1 UmwG, § 1 Abs 1 Nr 2 UmwG, § 1 Abs 1 Nr 3 UmwG, Art 107 Abs 1 AEUV, § 2 UStG 2005, § 1 Abs 4 Nr 2 Buchst b GrEStG 1997, § 1 Abs 3 Nr 1 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.08.2019, Az. II R 19/19 (II R 63/14), II R 19/19, II R 63/14 (REWIS RS 2019, 4277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4277

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