Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.08.2019, Az. II R 16/19 (II R 36/14), II R 16/19, II R 36/14

2. Senat | REWIS RS 2019, 4287

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG)


Leitsatz

1. § 6a GrEStG gilt für alle Rechtsträger i.S. des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind .

2. Die Vorschrift erfasst auch den Fall, dass eine abhängige Gesellschaft durch Ausgliederung aus einem herrschenden Unternehmen neu entsteht .

3. Die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können .

4. Bei der Ausgliederung zur Neugründung muss das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren nach der Ausgliederung zu mindestens 95 % an der neu gegründeten Gesellschaft beteiligt bleiben (Nachbehaltensfrist). Die Vorbehaltensfrist muss in Bezug auf die neu gegründete Gesellschaft nicht eingehalten werden, weil sie aufgrund der Ausgliederung nicht eingehalten werden kann .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 07.05.2014 - 7 K 281/14 [X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist aufgrund Ausgliederungsvertrag vom 27.06.2012 durch Ausgliederung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes ([X.]) aus der [X.] hervorgegangen und wurde am 31.08.2012 in das Handelsregister eingetragen. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin wurde die [X.]. Zu dem auf die Klägerin ausgegliederten Vermögen gehörten mehrere Grundstücke.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) setzte gegen die Klägerin durch zuletzt ergangenen Änderungsbescheid vom 21.10.2013 Grunderwerbsteuer in Höhe von 22.325 € fest. Bemessungsgrundlage waren die für die Grundstücke der Klägerin festgestellten [X.] in Höhe von insgesamt 446.500 €. Der Einspruch, mit dem die Klägerin die Steuervergünstigung nach § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes in der für 2012 geltenden Fassung ([X.]) begehrte, hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht ([X.]) sah die Voraussetzungen des § 6a [X.] als erfüllt an und gab der auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids gerichteten Klage statt. Zwar sei für die erst aufgrund der Ausgliederung entstandene Klägerin die Vorbehaltensfrist des § 6a Satz 4 [X.] nicht gewahrt. Bei einer Ausgliederung zur Neugründung sei aber die in § 6a Satz 4 [X.] normierte Vorbehaltensfrist wegen ihrer auf Missbrauchsverhinderung gerichteten Zielsetzung einschränkend auszulegen. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2014, 1424 veröffentlicht.

4

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung des § 6a [X.]. § 6a Satz 4 [X.] sei schon aufgrund seines Lenkungscharakters keiner teleologischen Reduktion zugänglich. Da diese Vorschrift ausschließlich auf die zeitliche Dauer der Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft abstelle, komme es auf den Verbleib des Grundstücks im Konzern nicht an.

5

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7

Das [X.] ist nach § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) dem Verfahren beigetreten. Es stellt keinen Antrag.

8

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 18.07.2017 - II R 36/14 im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen vom 30.05.2017 - II R 62/14 ([X.], 381, [X.], 916) ausgesetzt. Das Verfahren wird nach Ergehen des Urteils des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) im Verfahren A-Brauerei vom 19.12.2018 - [X.]/17 ([X.]:[X.]) fortgeführt.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen des § 6a [X.] im Streitfall erfüllt sind.

1. Der durch die Ausgliederung bewirkte Übergang des Eigentums an den Grundstücken auf die Klägerin unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.] der Grunderwerbsteuer. Es handelt sich um gesetzliche Eigentumswechsel, bei denen kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen war und es auch keiner Auflassung bedurfte.

2. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a [X.] sind erfüllt.

a) Nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 [X.] wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 [X.] steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 [X.] die Steuer nicht erhoben. § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] betrifft die Verschmelzung, § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] die Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung und § 1 Abs. 1 Nr. 3 [X.] die Vermögensübertragung. Die Nichterhebung der Steuer setzt voraus, dass an dem [X.] ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige [X.]en oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige [X.]en beteiligt sind (§ 6a Satz 3 [X.]). Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine [X.], an deren Kapital oder [X.]svermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 [X.]).

b) § 6a [X.] verstößt nicht gegen Unionsrecht. Die Regelung stellt keine Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] dar (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]). Die Vorschrift wirkt zwar selektiv, weil sie bestimmte [X.]en im Hinblick auf die bei einem Rechtsträgerwechsel anfallende Grunderwerbsteuer begünstigt; dies ist jedoch durch die Natur und den Aufbau des Systems der Grunderwerbsteuer gerechtfertigt (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 44 ff.). Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Anwendung des § 6a [X.] im Einzelfall eine doppelte Besteuerung innerhalb des Konzerns vermieden wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Vorschrift generell einer im System angelegten, möglichen übermäßigen Besteuerung bei [X.] innerhalb eines Konzerns entgegenwirkt.

Der [X.] hat die [X.] des § 6a [X.] als Beihilfe vor allem damit begründet, dass die Vermeidung einer Doppelbesteuerung und damit einer übermäßigen Besteuerung es rechtfertigen kann, dass die Steuerbefreiung auf [X.] zwischen [X.]en beschränkt wird, die während eines ununterbrochenen [X.] von fünf Jahren vor und fünf Jahren nach diesem Vorgang durch eine Beteiligung von mindestens 95 % miteinander verbunden sind ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 50; vgl. hierzu [X.], [X.], 75). Aus dieser Begründung ist jedoch nicht zu folgern, dass § 6a [X.] nur im Falle einer Doppelbesteuerung keine verbotene Beihilfe, also unionsrechtskonform ist und im Falle einer fehlenden Doppelbesteuerung dem Unionsrecht widerspricht. Eine solche Differenzierung ist in der Vorschrift nicht angelegt. Deshalb ist nach der Entscheidung des [X.] die Steuerbefreiung zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des § 6a [X.] erfüllt sind; insoweit bedarf es keiner Feststellung einer Doppelbesteuerung im konkreten Einzelfall.

c) Der Anwendungsbereich des § 6a [X.] ist nicht auf Unternehmen i.S. des Umsatzsteuergesetzes beschränkt (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 25.11.2015 - II R 63/14, [X.], 509, [X.], 170, Rz 12 ff., m.w.N.). Vielmehr gilt die Vorschrift mangels näherer gesetzlicher Eingrenzung für alle Rechtsträger i.S. des [X.], die wirtschaftlich tätig sind (vgl. [X.] in [X.], 381, [X.], 916, Rz 29).

d) § 6a [X.] setzt voraus, dass an dem [X.] eine oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige [X.]en i.S. des § 6a Satz 3 i.V.m. Satz 4 [X.] beteiligt sind.

aa) § 6a Sätze 3 und 4 [X.] verlangen dem Wortlaut nach den Bestand des dort bestimmten [X.] innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem [X.] ([X.]) und fünf Jahren nach dem [X.] ([X.]).

bb) [X.], bei denen eine beteiligte [X.] erlischt oder neu entsteht, fallen nach dem Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 [X.] nicht in den Anwendungsbereich des § 6a [X.]. Eine vor oder nach der Umwandlung nicht existente [X.] kann die in § 6a Satz 4 [X.] bestimmten zeitlichen Voraussetzungen der Abhängigkeit aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen, mit der Folge, dass entgegen den Anforderungen des § 6a Satz 3 [X.] an dem [X.] auch (mindestens) eine [X.] beteiligt wäre, die mangels Einhaltung der [X.] (im Falle des Erlöschens) bzw. der [X.] (im Falle der Neugründung) nicht von dem herrschenden Unternehmen "abhängig" wäre.

Nach dem Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 [X.] wären somit sämtliche Verschmelzungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. [X.]), die Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 1 [X.]), die Abspaltung zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 2 Nr. 2, §§ 124 ff. [X.]), die Ausgliederung zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 3 Nr. 2, §§ 124 ff. [X.]) sowie die Vermögensübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 174 ff. [X.]), wenn sie zur Auflösung des übertragenden Rechtsträgers führt, nicht nach § 6a [X.] begünstigt. § 6a [X.] hätte einen sehr eng begrenzten Anwendungsbereich. [X.] wären im Wesentlichen die Abspaltung und die Ausgliederung von Vermögen zur Aufnahme durch Übertragung des abgespaltenen oder ausgegliederten [X.] oder der abgespaltenen oder ausgegliederten Vermögensteile jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger (§ 123 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 [X.]).

cc) Die Finanzverwaltung versucht, den Widerspruch zwischen § 6a Satz 1 [X.] einerseits und den Sätzen 3 und 4 der Vorschrift andererseits mittels eines eigenen Verbundbegriffs zu lösen. Nach [X.]. 2.1 Abs. 2 der Erlasse in BStBl I 2012, 662 ist für den jeweiligen [X.] ein entsprechender "Verbund" aus dem herrschenden Unternehmen und der oder den am [X.] beteiligten abhängigen [X.](en) sowie den dieses Beteiligungsverhältnis vermittelnden abhängigen [X.]en zu bestimmen. [X.], durch die ein solcher "Verbund" begründet oder beendet wird, sind nach [X.]. 2.1 Abs. 3 Satz 1 der Erlasse in BStBl I 2012, 662, nicht nach § 6a [X.] begünstigt.

(1) Demgemäß sind nach [X.]. 2.1 Abs. 3 Sätze 2 und 3 der Erlasse in BStBl I 2012, 662 Abspaltungen oder Ausgliederungen zur Neugründung aus einem herrschenden Unternehmen sowie die Verschmelzung der letzten am [X.] beteiligten abhängigen [X.] auf das herrschende Unternehmen nicht begünstigt, da durch diese [X.] der Verbund erst begründet oder beendet wird. Die in [X.]. 5 Abs. 1 der gleich lautenden Ländererlasse vom 01.12.2010 (BStBl I 2010, 1321) noch enthaltene Regelung, wonach die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen zulässig sein sollte, hat die Finanzverwaltung in den Erlassen in BStBl I 2012, 662 nicht mehr aufgenommen, ohne dass dem eine Gesetzesänderung zugrunde lag.

(2) Begünstigt ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf eine andere Tochtergesellschaft (vgl. [X.]. 5 Abs. 1 Satz 3 und Beispiel 1 zu [X.]. 5 der Erlasse in BStBl I 2012, 662). In diesen Fällen sei nur erforderlich, dass die [X.] von fünf Jahren ([X.]. 4 der Erlasse in BStBl I 2012, 662) eingehalten war, die übernehmende abhängige [X.] fortbesteht und an ihr die Mindestbeteiligung von 95 % bestehen bleibt. Dass die übertragende [X.] bei der Umwandlung erlischt und somit nach dem [X.] nicht mehr die Anforderungen des § 6a Satz 4 [X.] an eine abhängige [X.] erfüllt, ist nach [X.]. 5 Abs. 1 Satz 3 der Erlasse in BStBl I 2012, 662 unschädlich.

dd) Die Literatur löst den inneren Widerspruch im Wortlaut des § 6a [X.] durch eine teleologische Reduktion des § 6a Satz 4 [X.].

So soll im Falle der Verschmelzung nur die übernehmende [X.] fortbestehen müssen; die [X.] müsse in Bezug auf die verschmolzene [X.] nicht eingehalten werden (vgl. [X.] in [X.], [X.], 19. Aufl., § 6a Rz 105; [X.], [X.], Kommentar, 6. Aufl., § 6a Rz 70; [X.], [X.], Kommentar, 11. Aufl., § 6a Rz 16; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 6a Rz 45; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 6a Rz 48; aus der [X.] vgl. z.B. [X.]/ Tyarks, Betriebs-Berater --BB-- 2010, 87, 91; [X.]/[X.], Der Betrieb 2010, 185, 188; [X.], [X.], 2149, 2015; Teiche, BB 2012, 2659, 2665; Jorde/Trinkaus, Die Unternehmensbesteuerung --[X.]-- 2012, 649, 654; Wischott/ Schönweiß/Graesser, [X.], 780, 790; Gsödl/[X.]/[X.], [X.] 2016, 208, 212; [X.], Zeitschrift für Immobilienrecht 2016, 197, 200). Dasselbe gilt nach verbreiteter Ansicht auch für die [X.] im Falle der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung ([X.] in [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 112; [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 65; [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], § 6a Rz 43; [X.], a.a.[X.], § 6a Rz 16; Jorde/Trinkaus, [X.] 2012, 649, 654; [X.], Umsatz- und [X.], 60).

ee) Nach Ansicht des Senats ist § 6a Satz 4 [X.] dahingehend auszulegen, dass die dort genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten [X.]s auch eingehalten werden können.

(1) Bei [X.] zwischen einer abhängigen [X.] und einem herrschenden Unternehmen muss in Fällen der Verschmelzung nur die [X.] und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die [X.] eingehalten werden. Das gilt bei der Verschmelzung sowohl für die Verschmelzung auf die abhängige [X.] als auch für die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen. Die [X.] muss bei der Verschmelzung und die [X.] bei der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nicht eingehalten werden, um die Steuerbegünstigung zu erlangen.

(2) Entsprechendes gilt, wenn mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige [X.]en an dem [X.] beteiligt sind. In diesem Fall muss bei der Verschmelzung die [X.] nur in Bezug auf die aufnehmende [X.] und die [X.] in Bezug auf die beiden abhängigen [X.]en eingehalten werden. Bei der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung muss die [X.] nur in Bezug auf die abgebende [X.] und die [X.] in Bezug auf beide abhängigen [X.]en eingehalten werden.

(3) Eine solche (weite) Auslegung des § 6a [X.] findet ihren Anknüpfungspunkt in der Systematik der Vorschrift. Nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 [X.] wird ausdrücklich für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 [X.] steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 [X.] die Steuer nicht erhoben. Der Verweis auf § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 [X.] schließt die Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. [X.]), die Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 1 [X.]), die Abspaltung und die Ausgliederung von Vermögen zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, §§ 124 ff. [X.]) sowie die Vermögensübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 174 ff. [X.]) ausdrücklich und ohne Vorbehalt auf bestimmte Umwandlungsfälle in die Begünstigung ein. § 6a Satz 1 [X.] differenziert nicht danach, in welcher Richtung, horizontal auf eine Schwestergesellschaft oder vertikal auf die Muttergesellschaft, eine [X.] verschmolzen wird, sondern begünstigt alle dort genannten [X.] gleichermaßen, auch wenn nur ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige [X.] an dem [X.] beteiligt sind. Hätte der Anwendungsbereich des § 6a [X.] nur auf solche [X.] beschränkt sein sollen, bei denen bereits ein Verbund aus mehreren Unternehmen besteht und nach dem [X.] auch weiter besteht, hätte dies in § 6a Satz 1 [X.] seinen Niederschlag finden müssen.

(4) Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck des § 6a [X.]. Der Gesetzgeber wollte mittels der Steuerbegünstigung nach § 6a [X.] Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen erleichtern, damit Unternehmen flexibel auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren können (BTDrucks 17/147, 10). Das schließt auch solche [X.] ein, durch die ein Konzern beendet oder neu begründet wird. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, nur bestimmte [X.], z.B. Verschmelzungen auf Schwestergesellschaften, zu begünstigen, zumal die Begünstigungswirkungen des § 6a [X.] nach der Vorstellung des Gesetzgebers allen Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugutekommen und die Erfassung aller [X.] einer gleichmäßigen Wirkung der Begünstigung dienen sollten (BTDrucks 17/147, 10). Der [X.] würde verfehlt, schlösse man diejenigen [X.], die in der Praxis sehr häufig vorkommen, nämlich die vertikale Verschmelzung und die Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung, von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 6a [X.] aus.

(5) Die Auslegung steht schließlich nicht im Widerspruch zu dem durch § 6a Sätze 3 und 4 [X.] verfolgten Zweck, ungewollte Mitnahmeeffekte zu vermeiden (vgl. BTDrucks 17/147, 10). In [X.] muss nach § 6a Sätze 3 und 4 [X.] die [X.] gewahrt sein, d.h. das qualifizierte Abhängigkeitsverhältnis muss vor dem [X.] fünf Jahre Bestand gehabt haben. In den Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung muss die [X.] gewahrt bleiben, d.h. das durch den [X.] begründete Abhängigkeitsverhältnis muss nach dem Vorgang mindestens fünf Jahre bestehen. Kurzfristige Gestaltungen, wie sie § 6a Sätze 3 und 4 [X.] in Anlehnung an §§ 5 und 6 [X.] verhindern will (vgl. BTDrucks 17/147, 10), sind folglich auch in [X.], Abspaltungs- oder Ausgliederungsfällen ausgeschlossen.

(6) Die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung findet weder im Wortlaut oder in der Systematik des § 6a [X.] noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze. Die Vorstellung des "[X.]" ist dort weder begrifflich noch konzeptionell angelegt. Es ist kein gesetzesimmanenter sachlicher Grund dafür ersichtlich, z.B. die Verschmelzung auf eine [X.] der [X.] durch die aufnehmende [X.] zu begünstigen, die Abspaltung oder Ausgliederung auf eine neu gegründete [X.] der [X.] durch die abgebende [X.] hingegen nicht. Beide [X.] sind lediglich das wirtschaftliche und rechtliche Spiegelbild des jeweils anderen [X.]s und finden innerhalb des Konzerns ohne Beteiligung Dritter statt. Dasselbe gilt für die (vertikale) Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft oder einer [X.] auf die Tochtergesellschaft und --spiegelbildlich-- die Abspaltung oder Ausgliederung auf solche [X.]en. Es ist kein Grund erkennbar, weshalb diese [X.] nicht unter § 6a Sätze 3 und 4 [X.] fallen sollten, wenn man --wie die [X.] einzelne [X.] auf [X.] zulässt.

e) Da § 6a [X.] nicht darauf abstellt, dass der abgebende Rechtsträger das Grundstück innerhalb von fünf Jahren vor dem [X.] erworben hat und der übernehmende Rechtsträger das Grundstück fünf Jahre nach dem [X.] behält, stehen im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem [X.] verwirklichte andere Erwerbsvorgänge der Anwendung des § 6a [X.] nicht entgegen.

f) Nach diesen Grundsätzen ist Grunderwerbsteuer im Streitfall nach § 6a [X.] nicht zu erheben. Die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung sind erfüllt.

aa) An dem [X.] sind --wie § 6a Satz 3 [X.] voraussetzt-- ausschließlich die S-GmbH als herrschendes Unternehmen und die Klägerin als abhängige [X.] beteiligt. Unerheblich für die Anwendung des § 6a [X.] ist der Umstand, dass das Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der S-GmbH erst durch den [X.] begründet wurde.

bb) § 6a Satz 4 [X.] schließt die Steuerbegünstigung nicht aus. Die S-GmbH war zwar vor dem [X.] nicht fünf Jahre zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt. Dies ist jedoch unerheblich. Die S-GmbH konnte aus Rechtsgründen vor dem [X.] nicht an der Klägerin beteiligt sein, weil die Klägerin erst aufgrund des [X.]s entstanden ist. Die S-GmbH blieb nach übereinstimmendem Vortrag aller Beteiligten nach dem [X.] mehr als fünf Jahre zu 100 % an der Klägerin beteiligt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 16/19 (II R 36/14), II R 16/19, II R 36/14

21.08.2019

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 7. Mai 2014, Az: 7 K 281/14 GE, Urteil

§ 6a GrEStG 1997 vom 22.06.2011, § 1 Abs 1 Nr 3 GrEStG 1997, § 1 Abs 1 Nr 1 UmwG, § 1 Abs 1 Nr 2 UmwG, § 1 Abs 1 Nr 3 UmwG, § 123 Abs 3 Nr 2 UmwG, § 124 UmwG, §§ 124ff UmwG, Art 107 Abs 1 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.08.2019, Az. II R 16/19 (II R 36/14), II R 16/19, II R 36/14 (REWIS RS 2019, 4287)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4287

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.