Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2013, Az. XII ZB 650/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1393

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 650/12

vom

6. November
2013

in der
Betreuungssache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 6.
November 2013 durch den
Vorsitzenden Richter
Dose
und
die Richter Schilling,
Dr.
[X.], Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu
1
wird der Be-schluss der 8.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 7.
November
2012
aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.
[X.]: 3.000

Gründe:
I.
Der
Beteiligte zu
1
wendet sich gegen die Einrichtung einer
Betreuung
für seine Mutter.
Die
Betroffene leidet an einer
Demenz vom Typ Alzheimer.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und der persönlichen Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht zunächst den Beteiligten zu
2 zum [X.] bestellt. Nachdem Zweifel an der Wirksamkeit
einer zugunsten des Beteiligten
zu
1 bestellten Vollmacht aufgekommen
waren, hat das Amtsgericht am 16.
Februar 2011
den Beteiligten zu
3 zum Verfahrenspfleger bestellt und am sel-1
2
3
-
3
-
ben Tag eine erneute Anhörung der Betroffenen in deren Wohnung
durchgeführt, bei der neben weiteren Personen auch ein Amtsarzt anwesend war. Auf Anordnung des Gerichts hat der Amtsarzt die Betroffene noch während
des
Anhörungstermins
untersucht
und anschließend ein auf den 17. Februar 2011 datiertes "Amtsärztli-ches Zeugnis"
zur Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen vorgelegt.
Mit Beschluss vom 18.
Februar 2011
hat
das Amtsgericht die Kontrollbe-treuung aufgehoben, für die
Betroffene eine Betreuung mit den
Aufgabenkrei-sen
Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Wohnungsangelegenhei-ten, Rechts-, Antrags-
und Behördenangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge und Postangelegenheiten angeordnet
und die
Beteiligte zu
4
zur
Betreuerin be-stellt.
Gegen diesen Beschluss haben die Betroffene und der Beteiligte zu
1 Beschwerde eingelegt. Ihre Rechtsmittel sind
ohne
Erfolg
geblieben.
Auf die
allein vom Beteiligten zu
1 eingelegte Rechtsbeschwerde hat der Senat
die Be-schwerdeentscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen
(Senatsbeschluss vom 14.
März 2012

XII
ZB
502/11

FamRZ 2012, 869). Nach Einholung eines Sach-verständigengutachtens und Anhörung der Sachverständigen
T.
sowie
des Betei-ligten zu
1 hat das [X.] die Beschwerde des Beteiligten zu
1 zurückge-wiesen. Hiergegen richtet sich dessen
Rechtsbeschwerde, mit der er die Aufhe-bung der Betreuung, hilfsweise seine Bestellung zum Betreuer der Betroffenen, erreichen möchte.

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-
II.
Die Rechtsbeschwerde ist ohne Zulassung statthaft (§
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 FamFG) und auch im Übrigen zulässig.
Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu
1, der bereits im ersten Rechtszug an dem Verfahren beteiligt war, ergibt sich aus §
303 Abs.
2 Nr.
1 FamFG.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der ange-griffenen Entscheidung und zur erneuten Zurückverweisung des Verfahrens an das [X.].
1.
Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung unter ande-rem ausgeführt, die
Betroffene sei krankheitsbedingt
nicht in der Lage, die im Beschluss genannten
Angelegenheiten selbst zu besorgen. Dies ergebe sich aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 17.
Februar 2011, dem früheren vom [X.] eingeholten Sachverständigengutachten, der Krankheitsgeschichte der Betroffenen,
den aussagekräftig dokumentierten Anhörungen der Betroffenen durch das erstinstanzliche Gericht
sowie aus den Ausführungen der Sachver-ständigen
T.
Eine Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren sei ent-behrlich gewesen, weil die Betroffene nicht Beschwerdeführerin sei, das Amtsge-richt die Betroffene mehrfach angehört und die Ergebnisse jeweils detailliert do-kumentiert habe und neue Erkenntnisse bei einer Anhörung durch das Be-schwerdegericht nicht zu erwarten gewesen seien.
Im Übrigen habe das Gericht davon abgesehen, der Betroffenen das schriftliche Gutachten und die Protokolle zuzustellen, da sämtliche Beteiligte sich dahin geäußert haben, dass dies die Betroffene nur verwirren würde.

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-
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2.
Diese Ausführungen halten den Verfahrensrügen der [X.] nicht Stand.
Die angefochtene Entscheidung verletzt das Recht der Betroffe-nen auf rechtliches Gehör.
Die angegriffene Entscheidung ist [X.] ergangen, weil unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falls das Beschwerdegericht nicht von einer erneuten Anhörung der Betroffenen hätte absehen dürfen.
a) Gemäß §
278 Abs.
1 Satz
1 und 2 FamFG hat das Gericht den Be-troffenen vor der (erstmaligen) Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen.
Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Be-troffenen besteht nach §
68 Abs.
3 Satz
1 FamFG grundsätzlich auch im Be-schwerdeverfahren (Senatsbeschluss vom 11.
August 2010

XII
ZB
171/10

FamRZ 2010, 1650 Rn.
5). Allerdings darf das Beschwerdegericht nach §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese be-reits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten [X.] keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Voraussetzung ist ins-besondere dann erfüllt, wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungser-heblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerde-gericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt (Senatsbeschlüsse vom 11.
April 2012

XII
ZB
504/11

FamRZ 2012, 968 Rn.
6; vom 16.
März 2011

XII
ZB
601/10

FamRZ 2011, 880 Rn.
13 und vom 2.
März 2011

XII
ZB
346/10

FamRZ 2011, 805 Rn.
13 mwN). Macht das Beschwerdegericht von dieser Möglichkeit Ge-brauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (Senatsbeschluss vom 2.
März 2011

XII
ZB
346/10

FamRZ 2011, 805 Rn.
13).
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6
-
b) Auf dieser rechtlichen Grundlage hätte das Beschwerdegericht im vor-liegenden Fall nicht von einer erneuten Anhörung der
Betroffenen absehen [X.].
Zwar wurde die Betroffene im amtsgerichtlichen Verfahren mehrfach [X.] und die Ergebnisse der Anhörungen sind auch umfassend dokumentiert. Die letzte Anhörung durch das Amtsgericht erfolgte jedoch am 17.
Februar 2011 und lag somit bis zur Entscheidung des [X.] 19
Monate zurück.
Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde auch darauf hin, dass das Beschwerde-verfahren seiner Entscheidung weitere Tatsachen zugrunde gelegt hat, zu denen die Betroffene
noch nicht persönlich Stellung nehmen konnte. Das Beschwerde-gericht hat im zweitinstanzlichen Verfahren ein weiteres Sachverständigengut-achten unter
anderem
zu der Frage eingeholt, ob die Betroffene noch zur Bildung eines freien Willens i.S.v. §
1896 Abs.
1
a BGB in der Lage ist. Diese [X.] einer Betreuung gegen den Willen eines Betroffenen hat die Sachverständige im Beschwerdeverfahren erstmals bejaht. Der Betroffenen hätte daher im Hinblick auf ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewäh-rung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG) die Möglichkeit gegeben werden müssen,
sich hierzu zu äußern. Weder die Einholung eines [X.] noch die Auswertung schriftlicher Äußerungen des Betroffenen ent-binden das Gericht davon, sich im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§
26 FamFG) durch eine Anhörung des Betroffenen einen persönlichen Eindruck da-von zu verschaffen, ob dieser tatsächlich zur Bildung eines freien Willens nicht in der Lage ist. Das Gericht ist zu einer kritischen Würdigung des [X.] verpflichtet. Nur auf der Grundlage einer solchen Überprüfung ist das Gericht imstande, sich das gebotene eigene Bild von der Richtigkeit der durch den Sachverständigen gezogenen Schlüsse zu machen (vgl. Senatsbe-schluss vom 22.
August 2012
XII
ZB
141/12

FamRZ 2012, 1796 Rn.
14
ff.; [X.] FamFG [X.]/[X.]/[X.] [Stand: 1.
Juli 2013] §
278 Rn.
2).
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3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-tung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).
4.
Die Entscheidung ist daher insgesamt aufzuheben und, weil die Sache in tatsächlicher Hinsicht noch nicht ausreichend aufgeklärt ist, an das [X.]
zurückzuverweisen

74 Abs.
6 Satz
2 FamFG).
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Ausführungen des [X.] zur feh-lenden Eignung des Beteiligten zu
1, die Betreuung für die Betroffene zu führen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind.

Dose

Schilling

[X.]

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.02.2011 -
5a XVII 135/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 07.11.2012 -
8 [X.] -

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Meta

XII ZB 650/12

06.11.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2013, Az. XII ZB 650/12 (REWIS RS 2013, 1393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1393

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