Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2018, Az. XII ZB 465/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13987

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:140218BXII[X.]465.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 465/17
vom
14. Februar
2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 276, § 278; GG Art. 103 Abs. 1
a)
Eine Anhörung des Betroffenen im Betreuungsverfahren, die stattgefunden hat, ohne dass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen, ist [X.] (im [X.] an Senatsbeschluss vom 21.
Juni 2017 -
XII
[X.]
45/17
-
FamRZ 2017, 1610).
b)
Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn das Gericht -
wie es in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darzulegen hat
-
vor der Anhörung des Betroffenen die Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht erkennen konnte und aus diesem Grunde daran gehindert war, den Verfahrenspfleger schon vor der abschließenden Anhörung des Betroffenen zu bestellen; in diesen Fällen muss die Anhörung des Betroffenen wiederholt werden, wenn der nachträglich bestellte Verfahrenspfleger dies verlangt.
[X.], Beschluss vom 14. Februar 2018 -
XII [X.] 465/17 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14.
Februar
2018
durch [X.], [X.], Dr.
Nedden-Boeger und
Dr.
Botur
und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen
wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des Landgerichts [X.]
vom 17.
August 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat für den 1990 geborenen Betroffenen nach [X.] eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens durch den gerichtsärzt-lichen Dienst und nach persönlicher Anhörung eine rechtliche Betreuung einge-richtet. Es hat
die Beteiligte zu
1 zur [X.] mit den Aufgabenkrei-sen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung
und Entscheidung über Unter-bringung und freiheitsentziehende Maßnahmen bestellt. Gegen diese Entschei-dung hat der Betroffene Rechtsmittel eingelegt. Die
Beschwerdekammer des Landgerichts
hat den Betroffenen durch den Berichterstatter am 21.
Juli 2017 erneut angehört und die Beteiligte zu
3 durch Beschluss vom 25.
Juli 2017
zur Verfahrenspflegerin für den Betroffenen bestellt. Die Verfahrenspflegerin hat nach einer persönlichen Besprechung
mit dem Betroffenen durch Schriftsatz 1
-
3
-

vom 9.
August 2017 zur Einrichtung einer Betreuung umfassend Stellung ge-nommen. Durch Beschluss vom 17.
August 2017 hat das Beschwerdegericht die "sofortige Beschwerde"
(richtig: Beschwerde) des Betroffenen zurückgewie-sen.
Mit seiner
Rechtsbeschwerde
wendet sich der Betroffene weiterhin ge-gen die Anordnung der Betreuung.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefoch-tenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerde-gericht.
1.
Das Beschwerdegericht hat unter Bezugnahme auf das Sachverstän-digengutachten ausgeführt, dass der Betroffene an Schizophrenie leide. [X.] Krankheitseinsicht müsse sichergestellt werden, dass der Betroffene seine Medikation zumindest bei Bedarf weiter einnehme, was insbesondere in ausge-prägten schizophrenen Phasen nur innerhalb des beschützenden Rahmens einer Einrichtung möglich sei. Sollten die [X.] der Gesundheitssor-ge, der Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maß-nahmen sowie der Aufenthaltsbestimmung nicht auf einen Betreuer übertragen werden, sei davon auszugehen, dass der Betroffene seine Medikation dauerhaft vernachlässige und die Schizophrenie in relativ kurzer Zeit hoch akut werde. Andere Hilfsmöglichkeiten, die eine Betreuung entbehrlich machen könnten, seien nicht ersichtlich.
2. Die Entscheidung
hält
den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
2
3
4
5
-
4
-

a) Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass der Verfahrenspflegerin keine Gelegenheit zur Teilnahme an einer persönlichen Anhörung des [X.] gegeben worden ist.
aa) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer Betreuungssache gemäß §
276 Abs.
1 Satz
1 FamFG soll die Wahrung der Belange des [X.] in dem Verfahren gewährleisten. Er
soll

wenn es im Hinblick auf die einzu-richtende Betreuung erforderlich ist

nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden. Der Verfahrenspfleger ist daher vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen. Das Betreuungsgericht muss grundsätzlich durch die rechtzeitige Bestellung eines Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann. Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zu. Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des [X.], ist sie [X.] und verletzt den Betroffenen in seinem An-spruch
auf rechtliches Gehör aus Art.
103
Abs.
1 GG (Senatsbeschlüsse
vom 21.
Juni 2017

XII
[X.]
45/17

FamRZ 2017, 1610 Rn.
11
mwN
und vom 2.
März 2011

XII
[X.]
346/10

FamRZ 2011, 805 Rn.
19 zum Unterbringungs-verfahren).
bb) Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn das Gericht vor der Anhörung des Betroffenen die Erforderlichkeit der Bestellung eines [X.] nicht erkennen konnte und aus diesem Grunde daran gehindert war, den Verfahrenspfleger schon vor der abschließenden Anhörung des [X.] zu bestellen. Davon ist dann auszugehen, wenn zunächst keine [X.] Anhaltspunkte dafür
bestanden, dass der Betroffene
für die [X.] seiner Rechte die Hilfe eines Verfahrenspflegers benötigt (vgl. Se-natsbeschluss vom 2.
März 2011

XII
[X.]
346/10

FamRZ 2011, 805 Rn.
19),
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7
8
-
5
-

und das Gericht erst im Rahmen
der Anhörung aus dem persönlichen Eindruck von dem Betroffenen die Erkenntnis gewonnen hat, dass dieser seine Interes-sen
nicht ausreichend
vorzubringen vermag. In diesen Fällen ist die bereits durchgeführte Anhörung zwar nicht
verfahrensordnungswidrig erfolgt. Wie in anderen Fällen der unfreiwilligen Abwesenheit eines Verfahrenspflegers beim Anhörungstermin (vgl. dazu BayObLG FamRZ 2002, 629; [X.]/[X.] 5.
Aufl. §
278
FamFG
Rn.
22) muss
die Anhörung des [X.] bei nachträglicher Bestellung eines
Verfahrenspflegers aber
dann wieder-holt werden, wenn der Verfahrenspfleger dies verlangt.
Hat der nachträglich bestellte Verfahrenspfleger

wie hier

keine Wie-derholung der Anhörung verlangt und will das Gericht von einer neuerlichen Anhörung des Betroffenen in Gegenwart des Verfahrenspflegers absehen, muss es allerdings grundsätzlich
begründen, warum es vor der Anhörung des Betroffenen keine genügende Veranlassung zur Bestellung eines [X.] gesehen hat. Denn nur
dann kann nachgeprüft werden, ob die Anhö-rung ohne vorherige Bestellung eines Verfahrenspflegers verfahrensordnungs-gemäß gewesen ist. An solchen nachvollziehbaren
Darlegungen fehlt es in der angefochtenen Entscheidung.
b) Zu Recht rügt
die Rechtsbeschwerde
weiter, dass dem Betroffenen das Sachverständigengutachten des gerichtsärztlichen Dienstes nicht [X.] schriftlich bekannt gegeben worden ist.
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in
der Hauptsache setzt gemäß §
37 Abs.
2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich im Hinblick auf dessen [X.] im Betreu-ungsverfahren (§
275 FamFG) zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter 9
10
11
-
6
-

den Voraussetzungen des §
288 Abs.
1 FamFG abgesehen werden (vgl. Se-natsbeschlüsse
vom 16.
September 2015

XII
[X.]
250/15

FamRZ 2015, 2156 Rn.
15 und vom 29.
Januar 2014

XII
[X.]
330/13

FamRZ 2014, 649 Rn.
16 mwN).
Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren nicht gerecht. Aus der Gerichtsakte lässt sich nicht ersehen, dass der Inhalt des Sachverständi-gengutachtens dem Betroffenen in vollem
Umfang bekannt gegeben worden ist. Das
Gutachten enthält
seinerseits keinen
Hinweis darauf, dass der Betroffene durch dessen vollständige Bekanntgabe gesundheitliche Nachteile entspre-chend §
288 Abs.
1 FamFG zu befürchten hätte.
Wären dem Gutachten solche
Hinweise zu entnehmen gewesen, hätte
das Beschwerdegericht im Übrigen schon vor dem Anhörungstermin
erkennen müssen, dass für den anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist
(vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 17.
Mai 2017

XII
[X.]
18/17

FamRZ 2017, 1323
Rn.
11
und vom 8.
Juni 2011

XII
[X.]
43/11
FamRZ 2011, 1289 Rn.
8 mwN). Dann wäre die ohne Beteiligung des (erst nachträglich bestellten) [X.] durchgeführte Anhörung verfahrensordnungswidrig erfolgt.
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-
7
-

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Dose
Schilling
Nedden-Boeger

Botur
Krüger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.06.2017 -
9 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 17.08.2017 -
3 [X.]/17 -

13

Meta

XII ZB 465/17

14.02.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2018, Az. XII ZB 465/17 (REWIS RS 2018, 13987)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13987

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XII ZB 465/17

3 T 148/17

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