Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2010, Az. 3 StR 250/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 4631

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Gegenstand

Strafverfahren: Formerfordernis der Revisionsrüge wegen Ablehnung eines Beweisantrags; Bedeutungslosigkeit einer unter Beweis gestellten Indiztatsache als Ablehnungsgrund


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Januar 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Fall II. 1 der Urteilsgründe,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Raubes ([X.] 1) und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit "Verstoß gegen das Waffengesetz" ([X.] 2) unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit einer Verfahrensrüge zum [X.] 1 und zum [X.] Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

Die Rüge, das [X.] habe einen Beweisantrag in rechtsfehlerhafter Weise abgelehnt, greift durch.

3

1. Nach den Feststellungen zum [X.] 1 ergriff der Angeklagte den späteren Geschädigten, der sich in Begleitung des Zeugen [X.] befand, mit der linken Hand an der Schulter, legte den Arm um ihn und zog ihn gegen dessen Willen in den nicht einsehbaren Eingangsbereich einer [X.]. Dort nahm er ihm gewaltsam 120 € weg.

4

Das [X.] hat die Verurteilung des Angeklagten, der die Tat bestritten hat, im Wesentlichen auf die Angaben des [X.] gestützt. Dessen Aussage hat es auch deshalb als glaubhaft angesehen, weil der Zeuge [X.] bei seiner polizeilichen Vernehmung zum Vortatgeschehen in Übereinstimmung mit dem Geschädigten angegeben habe, der Angeklagte habe das Tatopfer "von ihm weggezogen" und sei mit ihm in die [X.] gegangen. Die polizeiliche Aussage des Zeugen [X.] wurde über den Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt; eine persönliche Einvernahme des Zeugen hat nicht stattgefunden.

5

2. Der Angeklagte hat mit dem Ziel, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Geschädigten zu erschüttern, die Vernehmung des Zeugen [X.] zum Beweis dafür beantragt, dass das Tatopfer dem Angeklagten freiwillig in den Durchgang der [X.] gefolgt und hierzu von dem Angeklagten nicht im Sinne einer Nötigungshandlung gezwungen worden sei. Diesen Antrag hat das [X.] mit der Begründung zurückgewiesen, die behauptete Tatsache sei - ersichtlich tatsächlich - für die Entscheidung ohne Bedeutung. Entscheidend sei allein das Geschehen im Eingangsbereich der [X.]. Die [X.], dass das Tatopfer dem Angeklagten dorthin freiwillig gefolgt sei, lasse nur den möglichen, nicht aber den zwingenden Schluss zu, dass die Wegnahme des Geldes im nicht einsehbaren Eingangsbereich der [X.] ohne Gewaltanwendung erfolgt sei. Diesen Schluss wolle die [X.] jedoch nicht ziehen.

6

a) Der Antrag des Beschwerdeführers genügt den an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen. Insbesondere wird eine hinreichend bestimmte Tatsache behauptet; denn bei sinngerechter Auslegung war der Antrag erkennbar dahin zu verstehen, der Zeuge [X.] werde bekunden, dass der Geschädigte ohne Widerstreben und ohne Zwangseinwirkung durch den Angeklagten diesem in den Eingangsbereich der [X.] gefolgt ist.

7

b) Die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] ist auch im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] zulässig erhoben. Die Revision teilt sowohl den Inhalt des Beweisantrags nebst Begründung als auch den gerichtlichen Ablehnungsbeschluss im Wortlaut mit. Da weder im Beweisantrag noch im Ablehnungsbeschluss [X.] in Bezug genommen wurden und sich die Fehlerhaftigkeit des Gerichtsbeschlusses bereits aus dessen Begründung in Verbindung mit den Urteilsgründen ergibt, bedurfte es entgegen der Auffassung des [X.] weiterer Darlegungen zur Begründung der Rüge nicht (vgl. Löwe/[X.]/ [X.], [X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 372).

8

c) Die Ablehnung der beantragten Beweiserhebung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

9

Für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung ist eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache nur dann, wenn ein Zusammenhang zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihres [X.] nicht geeignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen ([X.], [X.], 53. Aufl., § 244 Rn. 56 mwN). Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt, [X.]n als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn er einen möglichen Beweisschluss, den der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Er muss sich dann aber an seiner Annahme tatsächlicher Bedeutungslosigkeit festhalten lassen und darf sich im Urteil nicht in Widerspruch zu der Ablehnungsbegründung setzen (st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 8. Februar 2000 - 4 StR 592/99, [X.], 210 mwN).

Dies ist hier jedoch geschehen. Im Rahmen der Glaubwürdigkeitsbeurteilung des [X.] hat das [X.] auch aus den übereinstimmenden Angaben des Zeugen [X.] und des Geschädigten zu dem Vortatgeschehen auf die Glaubhaftigkeit der Angaben des Opfers zur Tat II. 1 geschlossen. Damit hat es zu erkennen gegeben, dass es diesem Geschehen entgegen der im Ablehnungsbeschluss geäußerten Auffassung Bedeutung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des [X.] beigemessen hat. Hierin liegt ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.].

Bei der im [X.] 1 gegebenen Sachlage, bei der zum eigentlichen Raubgeschehen Aussage gegen Aussage steht, vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem [X.] nicht auszuschließen.

3. Die Aufhebung des Urteils im [X.] 1 zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

[X.]                                      Pfister                                 Sost-Scheible

                        [X.]

Meta

3 StR 250/10

20.07.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 28. Januar 2010, Az: 98 KLs 3362 Js 95565/08 (10/09), Urteil

§ 244 Abs 3 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2010, Az. 3 StR 250/10 (REWIS RS 2010, 4631)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4631

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