Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.2010, Az. 2 AZR 420/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 6013

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Gegenstand

Betriebsbedingte Kündigung - Sozialauswahl - Interessenausgleich mit Namensliste


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2009 - 14 [X.] 1173/08 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der [X.] auf betriebliche Gründe gestützten ordentlichen Kündigung. Dabei steht im Vordergrund die Frage, ob die [X.] grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 [X.] ist.

2

Der Kläger ist 1961 geboren und hat Unterhaltsverpflichtungen gegenüber zwei Personen. Er trat 1996 als Industriemechaniker in die Dienste der [X.]. Er ist behindert mit einem Grad von 30 und einem Schwerbehinderten gleichgestellt.

3

Die Beklagte ist ein tarifgebundenes Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, das automatische Türsysteme für Straßen- und Schienenfahrzeuge produziert. Sie beschäftigte zum Zeitpunkt der Kündigung ca. 570 Arbeitnehmer.

4

Mit Datum vom 15. Oktober 2007 schloss sie mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Im Interessenausgleich ist ein Abbau von 65 Stellen vorgesehen. Für die [X.] wurden alle gewerblichen Arbeitnehmer als vergleichbar angesehen. Die nach dem Gesetz zu berücksichtigenden [X.] Gesichtspunkte wurden nach einer Punktetabelle bewertet. Zur Sicherung der Altersstruktur erfolgte die [X.] in vier Altersgruppen, deren erste bis zum 29. Lebensjahr reichte, während die folgenden Gruppen Arbeitnehmer bis zum 39., 49. und ab dem 50. Lebensjahr erfassten.

5

Gemeinsam mit dem Betriebsrat wurden außerdem Arbeitnehmer bestimmt, die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 [X.] als „Leistungsträger“ aus der [X.] herauszunehmen waren. Die etwa zehn Tage nach dem Interessenausgleich unterschriebene Namensliste, die nach ihrem Wortlaut „Bestandteil des Interessenausgleichs“ war, verzeichnete auch den Namen des [X.].

6

Nach Zustimmung des [X.] kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des [X.] mit Schreiben vom 29. November 2007 zum 31. März 2008.

7

Der Kläger hat die Kündigung für sozialwidrig gehalten. Sie sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt. Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 [X.] greife im Streitfall nicht, da die Namensliste getrennt vom Interessenausgleich erstellt worden sei. Außerdem sei nicht der Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat zuständig gewesen. Die Unterzeichnung von Interessenausgleich und Namensliste von Seiten des Betriebsrats sei nicht durch entsprechende Beschlüsse gedeckt. Darüber hinaus werde die Vermutung der [X.] dadurch widerlegt, dass die Beklagte noch in der Kündigungsfrist eine erhebliche Anzahl von Leiharbeitnehmern eingestellt habe. Jedenfalls sei die [X.] grob fehlerhaft, weil die Beklagte alle gewerblichen Arbeitnehmer als vergleichbar angesehen habe. Schließlich habe die Beklagte nicht ausreichend dargelegt, warum sie einzelne Mitarbeiter als Leistungsträger aus der [X.] herausgenommen habe.

8

Der Kläger hat beantragt

        

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der [X.] vom 29. November 2007 zum Ablauf des 31. März 2008 aufgelöst worden ist;

        

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Klageantrag Ziffer 1. zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Industriemechaniker weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Namensliste werde den gesetzlichen Vorgaben einschließlich der Formvorschriften gerecht. Sie sei auf der Grundlage und im Rahmen wirksamer Beschlüsse unterzeichnet worden. Die [X.] sei nicht grob fehlerhaft. Die gewerblichen Arbeitnehmer seien sehr wohl vergleichbar. Die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 [X.] im betrieblichen Interesse aus der [X.] herausgenommenen Arbeitnehmer habe sie anhand einer Qualifikationsmatrix ermittelt.

Das Arbeitsgericht hat nach den [X.] erkannt. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die [X.]ürdigungen des [X.] zu den tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.] sind zwar frei von [X.] ([X.]). Die vom [X.] gegebene Begründung trägt jedoch nicht die [X.]chlussfolgerung, die [X.] sei grob fehlerhaft i[X.]d. § 1 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.] (I[X.]). Ob die Kündigung aus dringenden betrieblichen [X.]rfordernissen gerechtfertigt ist (II[X.]1), ob die [X.] Auswahl beanstandet werden muss (II[X.]2) und ob die Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam ist (II[X.]3), kann mangels ausreichender tatsächlicher [X.]eststellungen des [X.] noch nicht entschieden werden. Der Rechtsstreit war deshalb zur neuen Verhandlung und [X.]ntscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.] Die Ausführungen des [X.] zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.] sind nicht zu beanstanden.

1. Die Kündigung vom 29. November 2007 beruht auf einer Betriebsänderung i[X.]d. § 111 [X.] (§ 111 [X.]atz 3 Nr. 1 [X.], § 17 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 3 [X.]). Der Kläger ist als zu kündigender Arbeitnehmer in der Namensliste zum Interessenausgleich aufgeführt.

2. [X.]oweit der Kläger geltend macht, das dem Interessenausgleich zugrunde liegende [X.]unktesystem sei altersdiskriminierend, würde dies, selbst wenn es zuträfe, nicht die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.] beseitigen. [X.]in möglicher Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung kann allenfalls zur groben [X.]ehlerhaftigkeit der [X.] führen. [X.]r hat nicht die „Unwirksamkeit“ der Namensliste und des Interessenausgleichs insgesamt und damit den [X.]egfall der gesetzlichen Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung zur [X.]olge ([X.]enat 12. März 2009 - 2 [X.] - Rn. 18, A[X.] [X.] 1969 § 1 [X.]oziale Auswahl Nr. 97 = [X.]zA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. November 2008 - 2 [X.] - Rn. 21, [X.], 238). [X.]enn die in dem Interessenausgleich benannten Arbeitnehmer nach anderen Kriterien auszuwählen sind als von den Betriebsparteien vorgesehen, ändert das nichts daran, dass diese ein geringeres Arbeitsvolumen erkannt und für die in dem Interessenausgleich vorgesehene Anzahl von [X.]ntlassungen einen betriebsbedingten [X.]rund angenommen haben (vgl. zuletzt [X.]enat 5. November 2009 - 2 [X.] 676/08 - A[X.] [X.] 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = [X.]zA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 20).

3. Zutreffend ist die [X.]ürdigung des [X.], der Interessenausgleich sei nicht deshalb formunwirksam, weil die Namensliste erst einige [X.]age nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs unterschrieben wurde.

a) Nach § 112 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] ist ein Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und vom Betriebsrat zu unterschreiben. Auf das gesetzliche [X.]chriftformerfordernis sind die §§ 125, 126 B[X.]B anwendbar. Das [X.]chriftformerfordernis ist nicht deshalb verletzt, weil die Namensliste nicht im Interessenausgleich selbst, sondern in einer Anlage enthalten ist. § 1 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.] a[X.] spricht zwar davon, die namentliche Bezeichnung müsse „in dem Interessenausgleich“ erfolgen. Dieses [X.]rfordernis ist aber erfüllt, wenn Interessenausgleich und Namensliste eine einheitliche Urkunde bilden ([X.]enat 12. Mai 2010 - 2 [X.] -; 21. [X.]ebruar 2002 - 2 [X.] 581/00 - [X.]zA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 10; 7. Mai 1998 - 2 [X.] - [X.] 88, 375). [X.]ine einheitliche Urkunde liegt unzweifelhaft vor, wenn sowohl Interessenausgleich als auch Namensliste unterschrieben und von Anfang an körperlich miteinander verbunden sind. [X.]ine einheitliche Urkunde kann aber selbst dann vorliegen, wenn die Namensliste getrennt vom Interessenausgleich erstellt worden ist. Voraussetzung ist, dass im Interessenausgleich auf die zu erstellende Namensliste verwiesen wird, die erstellte Namensliste - ebenso wie zuvor der Interessenausgleich - von den Betriebsparteien unterschrieben worden ist und die Liste ihrerseits eindeutig auf den Interessenausgleich Bezug nimmt ([X.]enat 12. Mai 2010 - 2 [X.] -).

b) Der Interessenausgleich ist am 15. Oktober 2007 und die Namensliste am 26. Oktober 2007 - und damit jedenfalls zeitnah - unterzeichnet worden. [X.]erner ist im Interessenausgleich auf die Namensliste und in dieser auf jenen Bezug genommen. Damit ist das gesetzliche [X.]chriftformerfordernis gewahrt.

I[X.] Zu Recht macht die Revision geltend, dass die [X.]rwägungen des [X.] zur [X.] nicht mit dem [X.]esetz übereinstimmen. Das [X.] hat die grobe [X.]ehlerhaftigkeit der [X.]n Auswahl allein damit begründet, deren „Durchführung“ sei grob fehlerhaft. [X.]s hat sich mit dem vom Kläger gerügten und von der [X.] verteidigten [X.] nicht befasst. Damit entspricht seine [X.]ürdigung nicht den [X.]orderungen des § 1 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.].

1. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.]enats führt das [X.] zunächst aus, dass der [X.]rüfungsmaßstab der groben [X.]ehlerhaftigkeit nicht nur für die [X.]n Indikatoren und deren [X.]ewichtung selbst gilt, sondern auch für die Bildung der auswahlrelevanten [X.]ruppen (21. [X.]eptember 2006 - 2 [X.] - Rn. 22). Richtig ist auch der vom [X.] angelegte Maßstab: [X.]ine [X.] Auswahl ist nur dann grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer [X.]ehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt ([X.]enat 21. [X.]eptember 2006 - 2 [X.] - Rn. 23 mwN). Das Berufungsgericht hat aber nicht beachtet, dass die vom Arbeitgeber - zusammen mit dem Betriebsrat - getroffene Auswahl nur dann grob fehlerhaft i[X.]d. § 1 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.] ist, wenn sich ihr [X.]rgebnis als grob fehlerhaft erweist. Dagegen ist regelmäßig nicht maßgebend, ob das gewählte Auswahlverfahren beanstandungsfrei ist. [X.]in mangelhaftes Auswahlverfahren kann zu einem richtigen - nicht grob fehlerhaften - [X.] führen ([X.]enat 18. Oktober 2006 - 2 [X.] - [X.] 120, 18; 9. November 2006 - 2 [X.] - [X.] 120, 137; 17. Januar 2008 - 2 [X.] 405/06 - A[X.] [X.] 1969 § 1 [X.]oziale Auswahl Nr. 96). Dem entspricht es, dass der gekündigte Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage, jedenfalls wenn er ausreichend unterrichtet worden ist (§ 1 Abs. 3 [X.]atz 2 [X.]), die [X.] Auswahl konkret rügen, dh. geltend machen muss, ein bestimmter mit ihm vergleichbarer Arbeitnehmer sei weniger sozial schutzwürdig, so dass diesem habe gekündigt werden müssen. Die [X.]ürdigung des [X.]erichts, die [X.] Auswahl sei nicht ausreichend bzw. grob fehlerhaft, setzt deshalb die [X.]eststellung voraus, dass der vom Arbeitnehmer konkret gerügte Auswahlfehler tatsächlich vorliegt, also ein bestimmter mit dem [X.]ekündigten vergleichbarer Arbeitnehmer in dem nach dem [X.]esetz erforderlichen Maß weniger schutzbedürftig ist.

2. [X.]emessen an diesen Vorgaben tragen die [X.]rwägungen des [X.] nicht die von ihm gezogene rechtliche [X.]chlussfolgerung. Der Kläger hat die [X.] konkret gerügt, indem er mehrere nicht gekündigte Arbeitnehmer namentlich benannt hat. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, weshalb ihrer Auffassung nach die [X.] mit dem konkreten [X.]rgebnis nicht zu beanstanden ist. Das [X.] hat sich mit dem dazu gehaltenen wechselseitigen Vortrag nicht näher befasst, sondern allgemein die [X.]inbeziehung sämtlicher gewerblicher Arbeitnehmer in die [X.] bemängelt und allein daraus die grobe [X.]ehlerhaftigkeit der Auswahl abgeleitet. Aus seinem Urteil ist nicht ersichtlich, wie sich die möglicherweise von fehlerhaften Überlegungen geleitete Bestimmung des auswahlrelevanten [X.]ersonenkreises auf das konkrete [X.]rgebnis der Auswahl ausgewirkt hat und im Vergleich zu welchem oder welchen der vom Kläger benannten - und mit ihm vergleichbaren - Arbeitnehmern die Auswahl grob fehlerhaft sein soll. [X.]leiches gilt für die Ausführungen des [X.] zu § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 [X.]. Auch hier trifft es keine [X.]eststellungen zum [X.], sondern bemerkt lediglich, das Vorgehen der [X.] bei der Darlegung des [X.]ersonenkreises sei widersprüchlich.

II[X.] Die [X.]ntscheidung des [X.] erweist sich nicht aus anderen [X.]ründen als richtig. Die [X.]ache ist mangels ausreichender [X.]atsachenfeststellungen nicht zur [X.]ntscheidung reif und muss deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§§ 561, 563 Z[X.]O).

1. Ob dringende betriebliche [X.]rfordernisse die Kündigung i[X.]d. § 1 Abs. 2 [X.] bedingen oder ob sie nach § 1 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.] zu vermuten sind, kann aufgrund der bisherigen [X.]eststellungen des [X.] noch nicht abschließend beurteilt werden.

a) Das [X.] hat zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.] lediglich ausgeführt, sie seien weder wegen Verstoßes gegen §§ 1, 10 A[X.][X.] noch wegen Verstoßes gegen das gesetzliche [X.]chriftformerfordernis zu verneinen. [X.]ine positive [X.]eststellung, dass diese Voraussetzungen vollständig vorlägen, findet sich in den [X.]ntscheidungsgründen nicht. Dies wird gegebenenfalls nachzuholen sein.

aa) Dabei dürfte allerdings entgegen der Auffassung des [X.] von der Zuständigkeit des Betriebsrats für den Abschluss von Interessenausgleich und [X.]ozialplan auszugehen sein. Aus dem allgemeinen Hinweis des [X.], es seien auch andere Betriebe betroffen, ergibt sich keine zwingende Notwendigkeit für eine betriebsübergreifende Regelung. Nur bei einer solchen zwingenden Notwendigkeit kann die Zuständigkeit des [X.]esamtbetriebsrats für einen Interessenausgleich bestehen (vgl. [X.] 11. Dezember 2001 - 1 [X.] - zu II 1 a, b der [X.]ründe mwN, [X.] 100, 60).

bb) [X.]as die Ausführungen des [X.] zur angeblich fehlenden Bevollmächtigung des Betriebsratsvorsitzenden (zur Unterzeichnung des Interessenausgleichs) und des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden (zur Unterzeichnung der Namensliste) betrifft, so wird das [X.] ggf. auch deren Berechtigung nachzugehen haben.

cc) Nicht auseinandergesetzt hat sich das [X.] mit dem Vortrag des [X.], der die etwa bestehende gesetzliche Vermutung der Betriebsbedingtheit widerlegen soll. Der Kläger hat dazu behauptet, es habe freie Arbeitsplätze gegeben und die Beklagte habe bis zu 23 Leiharbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte hat ua. ausgeführt, die Leiharbeitnehmer seien wegen erhöhten Krankenstandes während der laufenden Kündigungsfristen eingesetzt worden. Auch dies wird das [X.] gegebenenfalls näher aufzuklären haben.

2. Ob die Kündigung nach § 1 Abs. 3, Abs. 5 [X.] unwirksam ist, lässt sich aufgrund der bisherigen [X.]eststellungen ebenfalls nicht beurteilen.

a) Der Kläger hat, nachdem die Beklagte Auskunft erteilt hatte, die [X.] hinsichtlich mehrerer nicht gekündigter Arbeitnehmer beanstandet. Von diesen Arbeitnehmern weisen allerdings sechs entweder genauso viele oder nur bis zu 2 [X.]unkte weniger als der Kläger auf: [X.] (69), [X.] (70), [X.]e (70), [X.] (70), [X.] (71) und [X.] (71). Da nach der Rechtsprechung des [X.]enats derart marginale [X.]unktunterschiede jedenfalls für sich genommen nicht zur groben [X.]ehlerhaftigkeit führen, kann sich diese nur im Vergleich des [X.] zu den übrigen von ihm genannten Arbeitnehmern ergeben, nämlich [X.] (50), [X.]h (43), [X.]e (52), [X.]a (57), [X.]r (60), [X.] (62), [X.]i (62) und [X.]m (41). Zu diesen hat die Beklagte vorgetragen, die Herren [X.] und [X.]m gehörten einer anderen Altersgruppe an. Die übrigen Arbeitnehmer seien für den Betrieb notwendig, was sich bei Anwendung der von ihr verwendeten [X.] ergebe und durch Vernehmung der [X.] und [X.]ü bewiesen werden könne. Der Kläger ist diesem Vorbringen der [X.] entgegengetreten, hat allerdings vorgetragen, er könne einige dieser [X.]ätigkeiten ohnehin nicht ausüben. Auch dem wird das [X.] gegebenenfalls nachzugehen haben.

b) [X.]ollte es darauf ankommen, ob einzelne Arbeitnehmer zu Recht aus der [X.] nach § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 [X.] herausgenommen worden sind, wird das [X.] zu beachten haben, dass auch insoweit der Maßstab der groben [X.]ehlerhaftigkeit anzuwenden ist (noch offen gelassen [X.]enat 12. April 2002 - 2 [X.] 706/00 - A[X.] [X.] 1969 § 1 [X.]oziale Auswahl Nr. 56 = [X.]zA [X.] § 1 [X.]oziale Auswahl Nr. 48 zu der von 1996 bis 1998 in [X.] gewesenen [X.]assung des [X.]). Dies entspricht der eindeutigen Absicht des [X.]esetzgebers (B[X.]-Drucks. 15/1204 [X.]. 12). [X.]chon in der [X.]ntscheidung vom 12. April 2002 (aaO) hat der [X.]enat ausgesprochen, dass bei der Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der [X.] eine Abwägung mit den [X.]n Belangen des zu kündigenden Arbeitnehmers stattzufinden hat. Dies zeigt, dass die [X.]rage der Herausnahme einzelner Arbeitnehmer nicht abstrakt, sondern stets im konkreten Vergleich zu beurteilen ist. Das wiederum bedeutet, dass die Herausnahme eine [X.]rage der „[X.]n Auswahl“ ist, auf die sich nach dem [X.]ortlaut von § 1 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.] der Maßstab der groben [X.]ehlerhaftigkeit beziehen soll. Außerdem kann die [X.]rage, ob berechtigte betriebliche Interessen gegeben sind, sinnvoll nur dann beantwortet werden, wenn feststeht, welche Arbeitnehmer bei „normaler“ Durchführung der [X.] im Betrieb verbleiben würden. Dem entspricht es, zunächst alle vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen und anschließend zu untersuchen, ob dieses [X.]rgebnis geändert werden muss (wie hier [X.]rfK/[X.] 10. Aufl. § 1 [X.] Rn. 366; KR/[X.]riebeling 9. Aufl. § 1 [X.] Rn. 627, 703o mwN; A[X.][X.]/[X.] 3. Aufl. § 1 [X.] Rn. 801; [X.]/[X.]/Deinert K[X.]chR 7. Aufl. Rn. 496u).

c) Ob die [X.] Auswahl - wiederum abgesehen davon, dass konkrete [X.]eststellungen zu einem Vergleich mit bestimmten Arbeitnehmern bisher nicht getroffen sind - deshalb grob fehlerhaft ist, weil nach dem Interessenausgleich sämtliche gewerblichen Arbeitnehmer als miteinander vergleichbar angesehen worden sind, kann auf der [X.]rundlage der bisherigen [X.]eststellungen nicht beurteilt werden. Die Auffassung des [X.], Vergleichbarkeit liege allein deshalb nicht vor, weil die Beklagte insoweit nicht ausreichend widerspruchsfrei vorgetragen habe, steht, wie oben ausgeführt, nicht im [X.]inklang mit dem [X.]esetz. Die Beklagte ist ihrer Auskunftspflicht nachgekommen (§ 1 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]). Der Kläger hat die [X.] konkret gerügt. Diesen [X.] wird das [X.] nachgehen müssen. Abgesehen davon besteht auch der vom [X.] angenommene [X.]iderspruch nicht. Die Beklagte hatte vorgetragen, alle gewerblichen Arbeitnehmer seien vergleichbar, einige von ihnen seien aber in der Lage, andere Arbeitnehmer anzuleiten; deshalb seien sie nach § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 [X.] aus der Auswahl genommen worden. Darin liegt bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der [X.] kein [X.]iderspruch. Vielmehr setzt die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der [X.]n Auswahl immer voraus, dass sie zwar vergleichbar sind, aus [X.]icht des Arbeitgebers aber durch besondere Merkmale hervorstechen. Diese besonderen Merkmale können auch bei hier möglicherweise gegebenen „flachen Hierarchien“ in besonders ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein bestehen.

d) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]enats bestimmt sich der Kreis der in die [X.] Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten [X.]ätigkeit (vgl. 2. März 2006 - 2 [X.] 23/05 - A[X.] [X.] 1969 § 1 [X.]oziale Auswahl Nr. 81 = [X.]zA [X.] § 1 [X.]oziale Auswahl Nr. 67). Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner [X.]ätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige [X.]ätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen [X.]inarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen („qualifikationsmäßige Austauschbarkeit“ [X.]enat 2. Juni 2005 - 2 [X.] 480/04 - [X.] 115, 92; 23. November 2004 - 2 [X.] 38/04 - [X.] 112, 361). Dabei kann im öffentlichen Dienst - ausnahmsweise auch in der [X.]rivatwirtschaft ([X.]enat 5. Dezember 2002 - 2 [X.] 697/01 - [X.] 104, 138) - der tariflichen [X.]ingruppierung Bedeutung zukommen (2. [X.]ebruar 2006 - 2 [X.] 38/05 - A[X.] [X.] 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = [X.]zA [X.] § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144). An einer Vergleichbarkeit fehlt es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann („arbeitsvertragliche Austauschbarkeit“ [X.]enat 2. Juni 2005 - 2 [X.] 480/04 - aaO).

e) Ob nach diesen Maßstäben die Bestimmung des auswahlrelevanten [X.]ersonenkreises fehlerhaft war, ist anhand des bisher festgestellten [X.]achverhalts nicht zu beurteilen. Das [X.] hat zu den [X.]ätigkeitsgebieten, die den Arbeitnehmern vertraglich - uU auch tarifvertraglich - übertragen waren, keine [X.]eststellungen getroffen. Das wird ggf. nachzuholen sein.

3. Ob die Kündigung, wie der Kläger geltend gemacht hat, nach § 102 [X.] unwirksam ist, kann noch nicht beurteilt werden. Auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste i[X.]d. § 1 Abs. 5 [X.] ist der Arbeitgeber nicht von der [X.]flicht zur Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung entbunden. Die Betriebsratsanhörung unterliegt keinen erleichterten Anforderungen ([X.]enat 5. November 2009 - 2 [X.] 676/08 - Rn. 37, A[X.] [X.] 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = [X.]zA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 [X.] 163/07 - A[X.] [X.] 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = [X.]zA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Danach ist nicht auszuschließen, dass eine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden hat. Voraussetzung dafür ist allerdings auch, dass ein Anhörungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist. Der in der Namensliste enthaltene [X.]atz „Die nachfolgende Liste ersetzt die individuell durchzuführenden Anhörungen des Betriebsrates zu den [X.]ntlassungen“ ist mehrdeutig. [X.]r kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass gerade keine Anhörung stattgefunden hat, mag aber auch - im Zusammenhang mit dem Vorbringen der [X.] - dahingehend als Klarstellung verstanden werden, dass der Betriebsrat in der [X.]at angehört worden ist. [X.]ollte es darauf ankommen, müsste den [X.]arteien insoweit [X.]elegenheit zum Vortrag gegeben werden.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    [X.]chmitz-[X.]cholemann    

        

        

        

    [X.]orsten [X.]alke    

        

    [X.]    

        

        

Meta

2 AZR 420/09

10.06.2010

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kassel, 13. Mai 2008, Az: 6 Ca 548/07, Urteil

§ 1 Abs 5 KSchG, § 1 Abs 3 KSchG, § 1 Abs 2 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.2010, Az. 2 AZR 420/09 (REWIS RS 2010, 6013)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6013

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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