Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2013, Az. III ZB 37/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2611

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 37/12
vom

19. September 2013

in der Schiedsgerichtssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 1040 Abs. 3 Satz 2
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung ge-gen einen [X.], mit dem sich ein Schiedsgericht für zuständig erklärt, entfällt, wenn vor der Entscheidung des staatlichen Gerichts ein Schiedsspruch in der Hauptsache erlassen wird.
[X.], Beschluss vom 19. September 2013 -
III ZB 37/12 -
OLG Frankfurt/Main

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2

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Der III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
19. September
2013
durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und Reiter

beschlossen:

Die Verfahrensbeteiligten
werden darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Senats das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen
den [X.] des Schiedsgerichts über seine Zuständigkeit vom 26. Oktober 2010 mit Erlass des Schiedsspruchs vom 7. Dezember 2012 entfallen ist.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme
innerhalb eines Mo-nats nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, die [X.],
begehrt die gerichtliche Entscheidung über die Zuständigkeit des von der Antragsgegnerin
angerufenen Schiedsgerichts, nachdem dieses
in einem [X.]
seine Zustän-digkeit bejaht hat. In dem Schiedsverfahren macht die Antragsgegnerin
Scha-densersatzansprüche aus dem
1991 geschlossenen und am 1. Januar
1993 in [X.] getretenen Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz 1
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von Investitionen zwischen dem [X.] und der [X.] und Slowakischen Föderativen Republik geltend. Die Antragstellerin
trat als Rechtsnachfolgerin der [X.] am 1.
Januar 1993 in die Rechte und Pflichten aus dem bilateralen [X.] ("Bilateral Invest-ment Treaty", nachfolgend [X.])
ein. Mit Wirkung zum 1.
Mai 2004 wurde sie Mitglied der
Europäischen Union.

Die Antragsgegnerin
ist eine [X.] Versicherungsgruppe. Nach einer Gesundheitsreform war es ausländischen Investoren möglich, in dem [X.] Markt private Krankenversicherungen anzubieten. Die An-tragsgegnerin
wurde als Krankenversicherer
in der Slowakischen Republik
zu-gelassen und begann,
in diesen Markt
zu investieren.
Nach einem Regierungs-wechsel im Jahre 2006 wurden im Zuge einer Umkehrung der Liberalisierung des [X.] die Rechte der privaten Krankenversicherer beschnitten. Die
Antragsgegnerin
macht geltend, ihr sei hierdurch ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden.

Sie leitete deshalb im Oktober 2008 ein Schiedsverfahren gegen die An-tragstellerin
ein, um umfassenden Schadensersatz zu erlangen. Sie berief
sich zur Begründung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Art.
8 Abs.
2
[X.]. Art. 8
[X.]
lautet auszugsweise wie folgt:

"1)
Alle Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem In-vestor der anderen Vertragspartei bezüglich einer Investition der letzteren sind, falls
möglich, gütlich beizulegen.

2)
Jede Vertragspartei stimmt hiermit zu, dass eine in Absatz
(1) dieses Artikels genannte Streitigkeit einem Schiedsgericht vorgetragen wird, falls die Streitigkeit innerhalb eines [X.] von sechs Monaten ab dem Datum, an dem eine Partei 2
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der Streitigkeit die gütliche Beilegung gewünscht hat, nicht gütlich beigelegt ist.

3)
Das in Absatz
(2) dieses Artikels genannte Schiedsgericht wird für jeden einzelnen Fall in der folgenden Weise gebildet: Jede Partei der Streitigkeit ernennt ein Mitglied des [X.] und die beiden derartig ernannten Mitglieder wählen einen Angehörigen eines [X.] als Vorsitzenden des "

Entsprechend dieser Regelung konstituierte sich ein Dreierschiedsge-richt. Die Parteien vereinbarten
als Ort des Schiedsverfahrens [X.].
Die Antragstellerin
erhob in dem Schiedsverfahren bereits in der [X.] die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts und berief sich darauf, dass das Abkommen mit ihrem Beitritt
zur Europäischen Union
unan-wendbar geworden sei. Insbesondere
das in Art.
8 Abs.
2
[X.]
enthaltene Ange-bot, Streitigkeiten vor dem Schiedsgericht zu klären, sei wegen des Vorrangs der in Art.
344 AEUV vorgesehenen ausschließlichen gerichtlichen Zuständig-keit des Gerichtshofs der Europäischen Union
nicht mehr gültig.

Das Schiedsgericht erließ
am 26.
Oktober 2010 einen Zwischenent-scheid, in dem es die Rüge der Antragstellerin als unbegründet zurückwies und
seine Zuständigkeit bejahte.

Die Antragstellerin
hat beim
[X.]
nach §
1040 Abs.
3 Satz
2 ZPO einen
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen [X.] gestellt. Das [X.] hat den Antrag zurückgewie-sen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antrag-stellerin.

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5

-

Ungeachtet des
auf die Aufhebung des [X.]s gerichteten laufenden gerichtlichen Verfahrens hat das Schiedsgericht das Schiedsverfah-ren fortgeführt und die Antragstellerin mit
Schiedsspruch vom 7.
Dezember 2012 unter
anderem
zur Zahlung
von 22.100.000

s-ten verpflichtet.
Gegen diesen Schiedsspruch hat die Antragstellerin
wiederum einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 1059 Abs. 1 ZPO) beim Oberlan-desgericht gestellt.

II.

Aufgrund des
in der Hauptsache ergangenen abschließenden [X.]s vom 7. Dezember 2012 dürfte
der gemäß § 1040 Abs. 3 ZPO gestellte Antrag der schiedsbeklagten Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung ge-gen den [X.] des Schiedsgerichts vom 26.
Oktober 2010 unzu-lässig geworden
sein. Mit Erlass des Schiedsspruchs über die Hauptsache ist nach
Ansicht des Senats
das Rechtsschutzbedürfnis für den gegen den [X.] über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung entfallen.
Der Senat schließt sich insofern der in der Literatur überwiegenden Auffassung an ([X.], FS für [X.], [X.], 202; [X.], Handbuch für die [X.], 3. Aufl., Rn. 748 f; [X.]/[X.], ZPO, 29. Aufl., § 1040
Rn. 15; siehe auch [X.]/[X.], ZPO, 22. Aufl., § 1040 Rn.
12). Eine
Gegenansicht
wird zwar nicht aus-drücklich formuliert. Auf ihr beruht aber offensichtlich die Auffassung, ein vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des staatlichen Gerichts im Zwischen-streit über die Zuständigkeit ergehender Schiedsspruch in der Hauptsache sei nichtig, jedenfalls aber aufhebbar, wenn das staatliche Gericht die Unzustän-digkeit des Schiedsgerichts ausspricht (Musielak/Voit, ZPO, 10. Aufl., § 1040 Rn. 12 unter Bezugnahme auf § 1032 Rn. 15; Hk-ZPO/[X.], 5. Aufl., §
1032 7
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Rn.
11; so wohl auch [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 30.
Aufl., §
1032 Rn.
5).
Dem liegt ersichtlich die
Vorstellung
zugrunde, dass das Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO auch dann fortzuführen ist, wenn zwischenzeitlich ein Schiedsspruch über die Hauptsache ergangen ist. Dies überzeugt allerdings nicht.

Dass ein Schiedsspruch
zur Hauptsache nichtig wird oder ist,
wenn das staatliche
Gericht später in einem Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO die
Unzuständigkeit des Schiedsgerichts feststellt, sieht das Gesetz nicht vor ([X.] aaO Rn. 749). Dies wäre
auch
mit den Belangen
der Rechtssicher-heit und
der Systematik des
10. Buchs der Zivilprozessordnung unvereinbar. Danach ist es vielmehr erforderlich, dass auch ein das Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO "überholender"
Schiedsspruch über die Hauptsache geson-dert nach § 1059 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufgehoben wird, wenn er mangels Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht hätte ergehen dürfen ([X.] aaO). Die Entscheidung des staatlichen Gerichts im Zuständigkeitsstreit
nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO
kann sich ihrem Gegenstand nach nur auf den Zwischen-entscheid des Schiedsgerichts beziehen. Eine
Feststellung, dass ein inzwi-schen in
der Hauptsache ergangener Schiedsspruch wegen Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nichtig ist, kann
in diesem Verfahren ebenso wenig ausge-sprochen
werden wie eine Aufhebung des Schiedsspruchs. Das Gesetz sieht
solche, den Gegenstand des [X.] erweiternde
Entscheidungen
in diesem Verfahren nicht vor.
Unterbliebe
auch die
Aufhebung des [X.]s über die Hauptsache nach § 1059 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO,
wäre [X.] von der Mindermeinung in erster Linie befürwortete Unwirksamkeit nur
als rechtliche Schlussfolgerung aus der negativen Entscheidung des staatlichen Gerichts über den [X.] des Schiedsgerichts zur
Zuständigkeit ableitbar. Dies aber wäre im Hinblick auf den urteilsgleichen Charakter eines 9
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Schiedsspruchs (vgl. § 1055 ZPO), dessen Vollstreckbarerklärung (§ 1060 Abs.
1 ZPO) nur unter den engen Voraussetzungen des § 1060 Abs. 2 ZPO abgelehnt werden kann,
mit den Belangen der Rechtssicherheit
und -klarheit
unvereinbar. Diese erfordern vielmehr
die ausdrückliche Aufhebung des Spruchs eines unzuständigen Schiedsgerichts. Dies gilt zumal in ausländischen Verfahren auf Vollstreckbarkeitserklärung eines [X.] Schiedsspruchs, in denen die
Fernwirkung einer Entscheidung nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf den Schiedsspruch kaum
vermittelbar wäre ([X.] aaO).

Hinzu tritt, dass ohne ein Verfahren nach § 1059 ZPO
die ebenfalls der Rechtssicherheit und -klarheit dienende Regelung der Fristen, innerhalb deren
gemäß § 1059 Abs. 3 ZPO (siehe auch
§ 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO)
der Antrag auf
Aufhebung des Schiedsspruchs beim staatlichen Gericht zu stellen ist,
un-terlaufen
würde.
Dieser Gesichtspunkt steht auch der von der Mindermeinung
hilfsweise erwogenen Alternative entgegen. Danach
soll im [X.] an eine
-
ungeachtet des
"überholenden"
Schiedsspruchs in der Hauptsache -
die [X.] des Schiedsgerichts aussprechende Entscheidung im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO jedenfalls ein Aufhebungsverfahren stattfinden
(Musielak/Voit aaO).
Dann aber würde
§ 1059 Abs. 3 ZPO unterlaufen, wenn das Verfahren des staatlichen Gerichts über den [X.] zur [X.] nicht vor Ablauf der darin bestimmten Fristen abgeschlossen wer-den kann
(vgl. auch [X.] und Schlosser jew. aaO), was vielfach der Fall sein wird.

Hiernach ist gegenüber einem in der Hauptsache ergangenen [X.] ein innerhalb der nach § 1059 Abs. 3 ZPO maßgeblichen Frist einzulei-tendes Aufhebungsverfahren gemäß § 1059 ZPO, in dem die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts geltend zu machen ist (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), auch 10
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dann erforderlich, wenn bereits ein Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO durchgeführt
wird, aber noch nicht abgeschlossen ist.
Dann aber wären
in bei-den Verfahren dieselben Fragen zur Zuständigkeit zu klären. Das Aufhebungs-verfahren nach § 1059 ZPO betrifft hierbei den Schiedsspruch zur Hauptsache und hat
damit im Unterschied zum Verfahren über den [X.] ge-mäß § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO den umfassenderen, den inhaltlichen Kern
des Streits ausmachenden
Gegenstand. Damit besteht für das Zwischenverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Dies gilt im Übrigen auch und erst recht in dem -
hier allerdings nicht vorliegenden -
Fall, dass ein Aufhebungsantrag nicht innerhalb der Fristen des § 1059 Abs. 3
ZPO gestellt wird. Dann bleibt
der Schiedsspruch unabhängig von dem Ausgang des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über den [X.] bestehen, so dass dieses obsolet wird.

[X.] verfahrensökonomische Bedenken gegen diese Lösung des Zusammentreffens eines Schiedsspruchs über die Hauptsache und eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen [X.]
nach §
1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO bestehen nicht. Auch wenn das [X.] für dieses Verfahren entfällt, können das Parteivorbringen und die dort gewonnenen Erkenntnisse in dem Aufhebungsverfahren gemäß § 1059 ZPO verwertet werden. Richtig ist allerdings, dass die auf das Verfahren über den [X.] aufgewandten Mühen der Beteiligten teilweise entwertet
werden, wenn dieses, wie in der vorliegenden Verfahrenskonstellation, zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs zur Hauptsache bereits die [X.] erreicht hat. Dies ist aber unter Berücksichtigung des

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Gewichts der
erörterten systematischen Gesichtspunkte und der Belange der Rechtssicherheit und -klarheit hinzunehmen.

[X.]
[X.]

[X.]

[X.]
Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt
am Main, Entscheidung vom 10.05.2012 -
26 [X.] 11/10 -

Meta

III ZB 37/12

19.09.2013

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2013, Az. III ZB 37/12 (REWIS RS 2013, 2611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2611

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