Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.01.2023, Az. 6 StR 383/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 405

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Gegenstand

Untreue: Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands einer Genossenschaftsbank


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. Mai 2022 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Untreue in 31 Fällen, Urkundenfälschung sowie unrichtiger Darstellung eines Jahresabschlusses zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat keinen Erfolg.

2

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:

3

Der Angeklagte war in den Jahren 2002 bis 2019 eines von zwei hauptberuflichen Vorstandsmitgliedern einer genossenschaftlichen [X.]. Der Aufsichtsrat und die Mitarbeiter brachten ihm uneingeschränktes Vertrauen entgegen. So konnte er ein System schaffen, in dem keine wechselseitige Kontrolle stattfand und insbesondere das „Vier-Augen-Prinzip“ weitgehend unbeachtet blieb. In seinem Büro bewahrte der Angeklagte alle [X.]schlüssel auf. Zudem befüllte ausschließlich er den Geldautomaten.

4

In den Jahren 2015 bis 2018 fingierte er in vier Fällen [X.] in Höhe von insgesamt 197.000 Euro auf verschiedene Konten bei der [X.], um entweder das vermeintliche Guthaben auf eines seiner Konten zu überweisen oder das Konto seiner damaligen Lebensgefährtin auszugleichen. An vier Tagen buchte er von zwei Konten bei der [X.], die er bereits Jahre zuvor auf den Namen von Stiefbrüdern seiner damaligen Ehefrau eröffnet hatte, unter Inanspruchnahme der von ihm eingeräumten Kontokorrentkredite Beträge in Höhe von insgesamt 79.000 Euro auf seine Konten; 30.500 Euro überwies er später zurück. Bei 14 Gelegenheiten entnahm er von Januar 2018 bis Mai 2019 ohne entsprechende Buchungen aus dem Kassenbestand der [X.] insgesamt 37.350 Euro, um damit seinen Anteil an den Kreditraten für das gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin bewohnte Haus zu bezahlen. Entweder aus [X.] oder dem Kassenbestand der [X.] stammten insgesamt 189.900 Euro, die er ohne entsprechende Buchungen und Darlehensabreden an fünf Tagen der Jahre 2015 bis 2018 einem früheren Freund übergab, dessen Kreditlinien ausgeschöpft waren. Das Stammkapital einer von ihm mitgegründeten GmbH finanzierte der Angeklagte, indem er dem Kassenbestand der [X.] Anfang Juni 2017 ohne Buchung 25.000 Euro entnahm. Am 1. Februar 2019 zahlte er von den zuvor dem Kassenbestand der [X.] mit einem entsprechenden Auszahlungsbeleg entnommenen 600.000 Euro nur 200.000 Euro auf deren Girokonto bei der [X.] ein, zweigte mindestens 120.000 Euro für sich und seine Familie ab und füllte mit dem Rest den Geldautomaten auf, um vorangegangene Entnahmen auszugleichen. Ferner unterschrieb er einen auf das Girokonto der [X.] gezogenen Scheck über 900.000 Euro mit seinem und dem Namen eines [X.], ohne von diesem dazu ermächtigt worden zu sein. Im Jahresabschluss für das [X.] wies er auf der Aktivseite zwei nicht existente [X.] sowie zwei bereits ausgezahlte Versicherungsleistungen aus. Zudem bewertete er zahlreiche Versicherungsverträge mit deutlich überhöhten Aktivierungswerten.

5

2. [X.] hat die Geldentnahmen und Abbuchungen als Untreue (§ 266 StGB) gewertet. Bezüglich der weiteren Taten hat sie eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und unrichtiger Darstellung eines Jahresabschlusses (§ 331 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 340m Abs. 1 Satz 1 HGB) bejaht.

6

3. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Es weist keinen den Angeklagten benachteiligenden Fehler auf.

7

a) Insbesondere tragen die Feststellungen des [X.]s die Verurteilung wegen Untreue in 31 Fällen.

8

aa) Die für beide [X.] erforderliche Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist gegeben, wenn der Täter gegenüber dem (potentiell) Geschädigten eine inhaltlich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung von dessen Vermögensinteressen innehat, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, hinausgeht. Hinzukommen muss, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen bleibt und ihm eine gewisse Selbstständigkeit belassen wird (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 9. November 2016 – 5 StR 313/15; Beschlüsse vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, [X.]St 61, 48, 62; vom 16. August 2016 – 4 [X.], [X.]R StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 54).

9

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten aus seiner Stellung als Vorstandsmitglied der Genossenschaftsbank (vgl. für das Vorstandsmitglied einer Sparkasse [X.], Urteile vom 27. Januar 2021 – 3 [X.]; NStZ 2021, 738; vom 18. Mai 2021 – 1 [X.], [X.], 74). Als solches oblag ihm die zu seinen Hauptpflichten zählende Aufgabe, die Vermögensinteressen des von ihm vertretenen Unternehmens zu wahren (vgl. MüKo-StGB/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 266 Rn. 85; [X.] in [X.]/[X.]/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 266 Rn. 49; [X.] in Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl., Kapitel 32 Rn. 27a). Weiterer Darlegungen zu seinem Aufgabenkreis und zur internen Aufgabenverteilung zwischen den Vorstandsmitgliedern, die der [X.] ausweislich seiner Antragsschrift vermisst, bedurfte es nicht.

cc) Das [X.] hat auch ausreichende Feststellungen dazu getroffen, dass der Angeklagte seine Vermögensbetreuungspflicht in strafrechtlich relevanter Weise verletzt hat, als er dem Kassenbestand oder [X.] der Bank Gelder entnahm, Einzahlungen fingierte und Überweisungen von Scheinkonten tätigte.

(1) Soweit im Hinblick auf die tatbestandliche Weite des § 266 Abs. 1 StGB zur Begrenzung des Tatbestandes ein innerer Zusammenhang zwischen der Vermögensbetreuungspflicht und ihrer Verletzung verlangt wird (vgl. zu diesem Erfordernis [X.], Urteil vom 3. Mai 1991 – 2 [X.], [X.]R StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 20; Beschluss vom 12. Dezember 2012 – 5 [X.], [X.]R § 266 StGB Abs. 1 Treubruch 6; [X.], aaO, Rn. 104) besteht dieser hier unabhängig davon, ob namentlich auch Kassiertätigkeiten oder der Transfer von Buchgeld zu den dem Angeklagten zugewiesenen Aufgabenkreis zählten, weshalb es entsprechender Feststellungen insoweit nicht bedurfte. Denn die herausgehobene Stellung des Angeklagten als Vorstandsmitglied begründete eine umfassende Schutzpflicht für das gesamte Vermögen der von ihm vertretenen Bank.

(2) Dementsprechend gehört es zu den typischen Fällen des Treubruchs, unbefugt Geld zu entnehmen oder es für eigene Zwecke zu überweisen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 1981 – 3 [X.]; Beschlüsse vom 23. Februar 2012 – 1 [X.]; vom 29. Januar 2015 – 1 StR 587/14, [X.], 517, 519). Dabei steht einer Strafbarkeit nicht entgegen, dass die Tat auch von einem Dritten hätte begangen werden können (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juli 1962 – 1 [X.], [X.]St 17, 360, 361).

b) Die Strafzumessung begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.

In der Formulierung der Strafkammer, sie werte „zuungunsten des Angeklagten, dass dieser die Taten aus der bedeutenden Vertrauensstellung eines [X.] heraus beging“, liegt kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB). Wie sich aus dem Zusammenhang der [X.] ergibt, nimmt sie nicht allein die Vorstandseigenschaft und die daraus folgende strafbegründende Vermögensbetreuungspflicht in den Blick, sondern stellt auf den Missbrauch des dem Angeklagten von den [X.] sowie den Aufsichtsratsmitgliedern persönlich entgegengebrachten besonderen Vertrauens ab. Das ist nicht zu beanstanden, zumal es ihm dadurch gelang, in der Bank ein System zu schaffen, mit dem er sämtliche Kontrollmechanismen faktisch außer Vollzug setzte.

Sander     

  

Feilcke     

  

Tiemann

  

von Schmettau     

  

Arnoldi     

  

Meta

6 StR 383/22

25.01.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hof, 17. Mai 2022, Az: 4 KLs 130 Js 8114/19

§ 266 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.01.2023, Az. 6 StR 383/22 (REWIS RS 2023, 405)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 405

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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