Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 01.02.2011, Az. KZR 8/10

Kartellsenat | REWIS RS 2011, 9910

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Gegenstand

Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union: Begründung der internationalen Zuständigkeit für eine negative Feststellungsklage des potentiellen Schädigers am Deliktsgerichtsstand - Trägermaterial für Kartenformulare


Leitsatz

Trägermaterial für Kartenformulare

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahingehend auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch für eine negative Feststellungsklage eröffnet ist, mit der vom potenziellen Schädiger geltend gemacht wird, dass dem potenziellen Geschädigten aus einem bestimmten Lebenssachverhalt keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung (hier: Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften) zustehen?

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem [X.] wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahingehend auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch für eine negative Feststellungsklage eröffnet ist, mit der vom potenziellen Schädiger geltend gemacht wird, dass dem potenziellen Geschädigten aus einem bestimmten Lebenssachverhalt keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung (hier: Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften) zustehen?

Gründe

I.

1

Die in [X.] ansässige Klägerin zu 1 befasst sich mit der Entwicklung, Herstellung und dem Verkauf beschichteter Papierwaren und Folien. Sie vertreibt unter anderem in [X.] Trägermaterial für Kartenformulare in Endlosform. Die Klägerin zu 2, die ihren Geschäftssitz ebenfalls in [X.] hat und zur Unternehmensgruppe der Klägerin zu 1 gehört, ist Inhaberin von Patenten, die bestimmte Formulare zur Übermittlung eines Anschreibens zusammen mit einem Mitgliedsausweis oder dergleichen sowie das Trägermaterial für diese Kartenformulare unter Schutz stellen. Die in [X.] ansässige [X.]eklagte entwickelt, produziert und vertreibt Laminate und veredelte Folien verschiedener Art.

2

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. März 2007 beanstandete die [X.]eklagte das [X.] der Klägerin zu 1 und deren Weigerung, [X.] zu erteilen, als kartellrechtswidrig. Daraufhin erhoben die Klägerinnen die vorliegende negative Feststellungsklage, mit der sie im [X.] zuletzt beantragt haben, festzustellen, dass die Klägerin zu 1 nicht verpflichtet ist, ihre von der [X.]eklagten beanstandete Verkaufspraxis hinsichtlich der Rabattierung und Ausgestaltung der [X.] zu unterlassen. Weiter begehren die Klägerinnen die Feststellung, dass der [X.]eklagten hinsichtlich dieser Verkaufspraxis weder ein [X.] noch ein Schadensersatzanspruch zusteht. Schließlich beantragen die Klägerinnen die Feststellung, dass die Klägerin zu 2 nicht verpflichtet ist, der [X.]eklagten eine Lizenz bezüglich zweier der Klägerin zu 2 zustehenden [X.] Patente zu gewähren, mit denen die Herstellung von Formularen sowie Trägermaterialien für die Herstellung von Formularen geschützt sind.

3

Nach Erhebung der negativen Feststellungsklage haben die [X.]eklagte und die [X.], eine in [X.] ansässige Tochtergesellschaft, über die die [X.]eklagte ihre Produkte nach eigener Darstellung unter anderem in [X.] vertreibt, vor dem [X.] eine Leistungsklage eingereicht, mit der sie geltend machen, die Klägerinnen verhielten sich kartellrechtswidrig, indem sie ihren Kunden proportional zu den Kaufmengen steigende [X.] gewährten. Die [X.]eklagte und die [X.] machen Schadensersatzansprüche in Höhe von 1,6 Mio. [X.] geltend und beantragen ferner, die Klägerin zu 2 zur Erteilung von Lizenzen an den in Rede stehenden Patenten zu verurteilen. Über die Leistungsklage ist noch nicht entschieden.

4

Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die dagegen gerichtete [X.]erufung ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit ihrer vom [X.]erufungsgericht zugelassenen Revision.

5

Das [X.]erufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte verneint und zur [X.]egründung seiner Entscheidung ausgeführt, der allein in [X.]etracht kommende [X.] nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: [X.]) sei für eine negative Feststellungsklage, wie sie hier erhoben sei, nicht gegeben, da mit dieser geltend gemacht werde, dass im Inland gerade keine unerlaubte Handlung begangen worden sei.

6

Mit ihrer vom [X.]erufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre in der [X.]erufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Die [X.]eklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

7

Für den Erfolg der Revision der Klägerinnen ist maßgebend, ob das [X.]erufungsgericht seine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung des Rechtsstreits zu Recht verneint hat. Ob dies der Fall ist, hängt von der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 [X.] ab. Andere Gerichtsstände in [X.] sind nicht gegeben. Insbesondere hat die [X.]eklagte ihren gemäß Art. 2, 60 [X.] zuständigkeitsbegründenden Geschäftssitz in [X.]. Mithin sind [X.] Gerichte international nur dann zuständig, wenn für die erhobene negative Feststellungsklage, mit der die Klägerinnen die Feststellung begehren, dass der [X.]eklagten keine Ansprüche wegen behaupteter Verstöße gegen das Kartellrecht zustehen, der [X.] des Art. 5 Nr. 3 [X.] eröffnet ist.

8

1. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte bestimmt sich vorliegend nach der Verordnung, weil die [X.]eklagte ihren Geschäftssitz in einem Mitgliedstaat der [X.] hat (Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 [X.]). Dass die Klägerinnen nicht in einem Mitgliedstaat, sondern in [X.] ansässig sind, ändert hieran nichts ([X.], Urteil vom 1. März 2005 - [X.]/02, [X.]. 2005, [X.] = [X.] 2005, 292 Rn. 23 ff. - [X.]; Urteil vom 13. Juli 2000 - [X.], [X.]. 2000, [X.] = NJW 2000, 3121 Rn. 33 ff. - Group Josi).

9

Eine andere [X.]eurteilung ergibt sich auch nicht aus dem mit der negativen Feststellungsklage verbundenen Tausch der Parteirollen. Wer im Sinne von Art. 2 [X.] [X.]eklagter ist, richtet sich nicht nach der materiellen Schuldnerposition, sondern nach der formalen Parteistellung (zu Art. 2 des insoweit inhaltsgleichen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 [nachfolgend: EuGVÜ]: [X.], Urteil vom 11. Dezember 1996 - [X.], [X.]Z 134, 201, 205 mwN; Mankowski in [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 2 [X.] Rn. 6; [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 2 [X.] Rn. 1).

2. Gemäß Art. 5 Nr. 3 [X.] kann eine Person, die ihren Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (nachfolgend: Gerichtshof) ist der [X.]egriff der unerlaubten Handlung autonom auszulegen. Im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 [X.] anknüpft (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: [X.], Urteil vom 1. Oktober 2002 - C-167/00, NJW 2002, 3617 Rn. 35 f. - [X.] mwN). Der [X.]egriff des "Vertrags" wiederum bezieht sich auf freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtungen ([X.], Urteil vom 20. Januar 2005 - [X.]/02, NJW 2005, 811 Rn. 50 f. - [X.] mwN). Unter den [X.]egriff der unerlaubten Handlung fallen somit auch Kartelldelikte (Rehbinder in [X.]/Mestmäcker, [X.], 4. Aufl., § 130 Rn. 340; Fezer/[X.] in [X.], [X.], Internationales Kartellprivatrecht [2010] Rn. 374; [X.], aaO, Art. 5 [X.] Rn. 74). Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch [X.] und Unterlassungsansprüche ([X.], NJW 2002, 3617 Rn. 44 ff. - [X.]; [X.], Urteil vom 13. Oktober 2004 - [X.], NJW 2005, 1435 - [X.]; Urteil vom 24. Oktober 2005 - II ZR 329/03, [X.], 689; [X.] in [X.].ZPO, 3. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 56; [X.] in [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 80; [X.], aaO Rn. 74).

3. Der Gerichtshof hat noch nicht entschieden, ob eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 [X.] auch dann gegeben ist, wenn der potenzielle Schädiger eine negative Feststellungsklage erhebt, mit der er festzustellen beantragt, dass dem potenziellen Geschädigten keine Ansprüche aus einer möglichen unerlaubten Handlung zustehen. Die richtige Auslegung des Art. 5 Nr. 3 [X.] in diesen Fällen ist nicht offenkundig, wie die divergierenden Auffassungen verschiedener [X.] Gerichte und der Literatur belegen.

a) Mehrere mitgliedstaatliche Gerichte sind der Ansicht, der gemeinschaftsrechtliche besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung begründe keine Zuständigkeit für eine negative Feststellungsklage des potenziellen Schädigers (zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, der Vorgängerregelung des Art. 5 Nr. 3 [X.]: [X.], [X.]. 2005, 264, 265; [X.], [X.]. 2000, 1021; [X.] eerste aanleg te [X.]rüssel, [X.]. 2001, 170, 172 f.; [X.], [X.] 2, 61). Ebenso entschieden hat der [X.] Oberste Gerichtshof zu der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift in Art. 5 Nr. 3 des im Jahre 1988 in [X.] geschlossenen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: [X.]) ([X.], [X.]. 2001, 178 f.). Hingegen hat das [X.]erische [X.] ([X.] 2008, 544, 546) angenommen, die negative Feststellungsklage könne grundsätzlich auch im besonderen Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 [X.] angebracht werden, wenn dieser Gerichtsstand für die spiegelbildliche Leistungsklage eröffnet sei (insoweit zustimmend [X.], [X.] 2008, 550 ff.).

In der [X.]n Literatur herrscht die Auffassung vor, am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung könne auch eine auf die Feststellung des [X.] von Ansprüchen aus einer möglichen unerlaubten Handlung gerichtete negative Feststellungsklage erhoben werden ([X.], aaO, Art. 5 [X.] Rn. 82; [X.] in [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 228; Fezer/[X.] in [X.], [X.], Internationales Immaterialgüterprivatrecht [2010] Rn. 1134; [X.].ZPO/[X.], 3. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 60; [X.]/[X.] in [X.], [X.], 10. Aufl., § 139 Rn. 101b; [X.], [X.]. 2005, 265, 267; [X.], Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in [X.], 2. Aufl., [X.] ff.; [X.], Marken-, Patent- und Urheberrechtsverletzungen im [X.] internationalen Zivilprozessrecht, [X.] ff., [X.], EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 15; ohne abschließende Stellungnahme [X.], aaO, Art. 5 [X.] Rn. 78).

b) Der Senat neigt dazu, Art. 5 Nr. 3 [X.] auch auf Klagen anzuwenden, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass dem potenziellen Geschädigten keine Ansprüche aus einer möglichen unerlaubten Handlung zustehen.

aa) Dafür spricht zunächst der Wortlaut dieser [X.]estimmung. Auch bei einer negativen Feststellungsklage bildet eine unerlaubte Handlung den Gegenstand des Verfahrens. Zu Art. 21 EuGVÜ, der Vorgängerregelung des Art. 27 [X.], hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Klage, die auf Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist, denselben Anspruch betrifft wie eine von dem [X.]eklagten früher erhobene Klage auf Feststellung, dass er für diesen Schaden nicht haftet. Der Umstand, dass die Anträge in einem Fall positiv und im anderen Fall negativ formuliert sind, bewirkt nicht, dass die beiden Rechtsstreitigkeiten unterschiedliche Gegenstände hätten ([X.], Urteil vom 6. Dezember 1994 - C-406/92, [X.]. 1994 I, 5460 = [X.] 1995, 365 Rn. 37 ff. - [X.]/[X.] Rataj; vgl. auch [X.], Urteil vom 11. Dezember 1994 - [X.], [X.]Z 134, 201, 205). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Aussage zur Identität des Streitgegenstands einer negativen Feststellungsklage mit dem Streitgegenstand einer spiegelbildlichen Leistungsklage nicht auch im Rahmen des Art. 5 Nr. 3 [X.] gelten sollte (vgl. auch [X.]/[X.], aaO, § 139 Rn. 101b; [X.], aaO, [X.]; [X.], aaO, [X.]).

bb) Der Zweck des besonderen Gerichtsstands der unerlaubten Handlung bestätigt diese Auslegung. Die besondere Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 [X.] beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs darauf, dass eine besonders enge [X.]eziehung zwischen der Streitigkeit und anderen Gerichten als denen des Ortes des [X.] besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser anderen Gerichte rechtfertigt ([X.], Urteile vom 30. November 1976 - [X.], [X.]. 1976, 1735 = NJW 1977, 493 Rn. 11 - [X.]; vom 11. Januar 1990 - [X.], [X.]. 1990, [X.] = NJW 1991, 631 Rn. 17 - [X.]; vom 10. Juni 2004 - [X.]/02, NJW 2004, 2441, 2442 Rn. 15 - Kronhofer).

Da die positive Leistungsklage aufgrund einer behaupteten unerlaubten Handlung in ihrem Gegenstand mit einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer solchen unerlaubten Handlung identisch ist, kann die Frage der Sachnähe des angerufenen Gerichts nicht davon abhängen, welche Partei es anruft. Es besteht kein Grund, dem Kläger einer negativen Feststellungsklage den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung zu verweigern, den der Kläger einer Leistungs- oder positiven Feststellungsklage unzweifelhaft wählen könnte ([X.]/[X.], aaO, § 139 Rn. 101b). Durch die Zulassung einer solchen negativen Feststellungsklage kommt es auch nicht zu einer unerwünschten Vermehrung von Gerichtsständen (dazu [X.], Urteil vom 11. Januar 1990 - [X.], [X.]. 1990, [X.] = NJW 1991, 631 Rn. 18 - [X.]), sondern dem potenziellen Schädiger wird allein die Möglichkeit eingeräumt, sich derjenigen Gerichtsstände zu bedienen, die auch dem potenziellen Geschädigten zustehen ([X.], [X.]. 2005, 165, 267 f.; [X.], [X.]. 2001, 103, 107).

Zudem hat der Gerichtshof zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ entschieden, dass die Erwägungen zum Zweck der an den Ort der unerlaubten Handlung anknüpfenden besonderen Zuständigkeit unabhängig davon gelten, ob sich das Verfahren auf den Ersatz eines bereits eingetreten Schadens oder auf eine Klage zur Verhinderung des Eintritts eines Schadens bezieht. Der [X.] setzt also nicht voraus, dass tatsächlich ein Schaden eingetreten ist ([X.], NJW 2002, 3617 Rn. 46 ff. - [X.]). Das wird jetzt durch den Wortlaut von Art. 5 Nr. 3 [X.] klargestellt, der ausdrücklich eine vorbeugende Unterlassungsklage einschließt ("drohender Schaden"). Es sollte deshalb auch der negativen Feststellungsklage nicht der Zugang zum [X.] mit der Erwägung versagt werden, dass nach dem Vorbringen der klagenden Partei eine unerlaubte Handlung nicht begangen oder ein Schaden nicht eingetreten sei (ebenso [X.], aaO, [X.]). Die besondere [X.]eziehung der Streitigkeit zu dem Forum des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, einzutreten droht oder eingetreten sein soll, hängt nicht von den Parteirollen und der Klageart des Verfahrens ab. Maßgeblich ist vielmehr der dem Gericht unterbreitete Lebenssachverhalt, der jedoch - wie dargelegt - bei der negativen Feststellungsklage und der spiegelbildlichen Leistungsklage identisch ist. Ob sich eine unerlaubte Handlung tatsächlich zugetragen hat oder ob ein Schaden tatsächlich eingetreten ist oder einzutreten droht, ist in beiden Fällen keine Frage der internationalen Zuständigkeit, sondern der [X.]egründetheit der Klage, zu deren Klärung das Gericht am Ort der (potenziell) unerlaubten Handlung in besonderer Weise geeignet ist.

cc) Zur [X.]egründung einer internationalen Zuständigkeit für eine negative Feststellungsklage am [X.] dürfte es danach genügen, wenn der Kläger einen Sachverhalt vorträgt, dessen [X.]eurteilung als Delikt oder deliktsähnliche Handlung - insbesondere in Abgrenzung zu einer möglichen Schadenshaftung, die an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 [X.] anknüpft - nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann und bei dem der [X.] im Inland läge, so dass für eine spiegelbildliche Leistungsklage (vgl. dazu [X.], NJW 2005, 1435, 1436 - [X.]; [X.], Urteil vom 30. März 2006 - [X.], [X.], 513 Rn. 21 - Arzneimittelwerbung im [X.]; [X.], aaO Rn. 77; [X.] in Piper/[X.]/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., [X.]. [X.] Rn. 9) der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung eröffnet wäre.

dd) Daraus sich ergebende oder in ihrer Wirkung verstärkte Missbrauchsmöglichkeiten, wie etwa die Gefahr einer zu [X.] angebrachten Klage (vgl. [X.], aaO, Art. 27 [X.] Rn. 10b), können die Auslegung einer [X.]estimmung der Verordnung, die sich aus deren Wortlaut und Ziel ergibt, nicht in Frage stellen (vgl. [X.], Urteil vom 9. Dezember 2003 - [X.]/02, [X.]. 2003, [X.] = [X.] 2004, 243 Rn. 53 [X.]). Insbesondere kann, wie der Gerichtshof bereits zu Art. 21 EuGVÜ (jetzt Art. 27 [X.]) entschieden hat, von den [X.]estimmungen zur internationalen Zuständigkeit auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Kläger für seine negative Feststellungsklage ein Forum in der Erwartung gewählt hat, dort werde die Verfahrensdauer unvertretbar lang sein ([X.], [X.] 2004, 243 Rn. 73 [X.]). Derartige Gefahren müssen nach Auffassung des Senats daher auch für die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 [X.], der - anders als Art. 6 Nr. 2 [X.] - keinen Mißbrauchsvorbehalt enthält - außer [X.]etracht bleiben (ebenso [X.], aaO, S. 118; [X.], [X.] 2008, 550, 551 f.).

ee) Gegen die Zulassung einer negativen Feststellungsklage am [X.] kann auch nicht eingewandt werden, dass in diesem Fall das gegebenenfalls bestehende Wahlrecht zwischen mehreren nach Art. 5 Nr. 3 [X.] zuständigen Gerichten, wenn etwa der gleichermaßen zuständigkeitsbegründende Handlungs- und Erfolgsort auseinander fallen oder der deliktische Erfolg an mehreren Orten eingetreten ist, von dem potenziellen Schädiger ausgeübt wird. Das Wahlrecht zwischen mehreren Deliktsgerichtsständen besteht nicht um einer prozessualen Privilegierung des Geschädigten willen, sondern nach der bereits dargelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund des Gesichtspunkts der Sachnähe (zutreffend [X.], [X.] 2008, 550, 553). Da nach Art. 5 Nr. 3 [X.] alle in [X.]etracht kommenden Gerichtsstände als gleichermaßen sachnah und für die Entscheidung der Streitigkeit geeignet anzusehen sind, hat der potenzielle Geschädigte eine Auswahlentscheidung des potenziellen Schädigers hinzunehmen.

4. Die Frage, ob eine negative Feststellungsklage im [X.] nach Art. 5 Nr. 3 [X.] zulässig ist, ist entscheidungserheblich. Von ihr hängt im Streitfall der Erfolg der Revision ab.

Ist die Vorlagefrage zu bejahen, sind die weiteren Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 3 [X.] erfüllt. Jedenfalls insoweit, als die Klageanträge sich auf den inländischen Markt beziehen, wäre die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte gegeben.

a) Der [X.]egriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" in Art. 5 Nr. 3 [X.] erfasst nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch den Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort, vgl. [X.], Urteile vom 30. November 1976 - [X.], aaO Rn. 24 f.; vom 7. März 1995 - [X.]/93, [X.]. 1995, [X.] = NJW 1995, 1881 Rn. 20 - [X.]; vom 19. September 1995 - [X.], [X.]. 1995, I-2719 = JZ 1995, 1107 Rn. 11 - Marinari). Im Streitfall liegt der Erfolgsort des Verhaltens der Klägerinnen, das den Gegenstand der Klage bildet - auch - in [X.], weil die Parteien hier mit ihren Produkten unmittelbar im Wettbewerb stehen und sich etwaige wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen der Klägerinnen somit unmittelbar auf dem [X.]n Markt auswirken. Dies gilt sowohl für das von der Klägerin zu 1 praktizierte Rabattsystem als auch die Weigerung der konzernangehörigen Klägerin zu 2, der [X.]eklagten eine Lizenz an den im Antrag in [X.]ezug genommenen Patenten einzuräumen. Nach dem insbesondere bei [X.] - im Gleichklang mit der Kollisionsregelung in Art. 6 Abs. 3 [X.]uchst. a der Rom-II-Verordnung - für die [X.]estimmung des Erfolgsorts maßgeblichen Auswirkungsprinzip ([X.], Urteil vom 23. Oktober 1979 - [X.], [X.], 1224, 1225 - [X.]MW-Importe; Rehbinder in [X.]/Mestmäcker, [X.], 4. Aufl., § 130 Rn. 334; Fezer/[X.] in [X.], [X.], Internationales Kartellprivatrecht [2010] Rn. 369 ff.; [X.], [X.], 31) begründet dies einen Erfolgsort in [X.].

b) Das für die Zulässigkeit der Klage weiter erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerinnen, das auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist ([X.], Urteil vom 8. Juli 1955 - [X.], [X.]Z 18, 98, 106), ergibt sich aus dem vorgerichtlichen Schreiben der [X.]eklagten vom 30. März 2007.

Tolksdorf                                     Meier-[X.]eck                                    [X.]

                          [X.]

Meta

KZR 8/10

01.02.2011

Bundesgerichtshof Kartellsenat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: False

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 14. Januar 2010, Az: 3 U 133/08

Art 5 Nr 3 EGV 44/2001, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 01.02.2011, Az. KZR 8/10 (REWIS RS 2011, 9910)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9910

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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