Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2013, Az. KZR 8/10

Kartellsenat | REWIS RS 2013, 8601

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
KZR 8/10
Verkündet am:

29. Januar 2013

Bürk

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der Kartellsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 29. Januar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Bornkamm, den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Meier-Beck und [X.]
Kirchhoff, Dr.
Bacher und Dr.
Deichfuß
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des [X.], 3.
Zivilsenat, vom 14.
Januar 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.].
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die in [X.] ansässige Klägerin zu
1 befasst sich mit der Entwick-lung, Herstellung und dem Verkauf beschichteter Papierwaren und Folien. Sie vertreibt unter anderem in [X.] Trägermaterial für Kartenformulare
in Endlosform. Die Klägerin zu
2, die ihren Geschäftssitz ebenfalls in [X.] hat und zur Unternehmensgruppe der Klägerin zu
1 gehört, ist Inhaberin von Patenten, die bestimmte Formulare zur Übermittlung eines Anschreibens zu-sammen mit einem Mitgliedsausweis oder dergleichen sowie das Trägermateri-al für diese Kartenformulare unter Schutz stellen. Die in [X.] ansässige [X.] entwickelt, produziert und vertreibt Laminate und veredelte Folien ver-schiedener Art.

1
-
3
-
Mit anwaltlichem
Schreiben vom 20.
März 2007 beanstandete die [X.] das [X.] der Klägerin zu
1 und deren Weigerung, Patentli-zenzen zu erteilen, als kartellrechtswidrig. Daraufhin erhoben die [X.] die vorliegende negative Feststellungsklage, mit der sie im [X.] zuletzt beantragt haben,
1.
festzustellen, dass die Klägerin zu
1 nicht verpflichtet ist, ihre gegenwärtige Verkaufspraxis hinsichtlich der Rabattierung und Ausgestaltung der [X.] zu unterlassen,
a)
soweit die Klägerin zu
1 ihren Kunden durch proportional zu den ge-kauften [X.] steigende [X.] Anreize für den Bezug der Materia-lien [X.], [X.] und/oder [X.] TM bietet,
und/oder
b)
soweit die Klägerin zu
1 ihren Kunden im Rahmen der [X.] selbstklebendes Material zur Verarbeitung von [X.] anbietet, ohne diesen Kunden eine Lizenz einzuräumen, [X.] zum Bezug dieses Materials von anderen Anbietern berechtigen würde, wenn es sich bei den Formularen um solche handelt, die unter den Schutzbereich des [X.] Patents 0
690
794 fallen,
und wenn das selbstklebende Material unter den Schutzbereich des europä-ischen Patents 0
836
953 fällt;
hilfsweise zu
1
a): festzustellen, dass die Klägerin zu 1 nicht verpflichtet ist, ihre gegenwärtige Verkaufspraxis hinsichtlich der Rabattierung und Ausge-staltung der
Vertriebsverträge zu unterlassen,
a)
soweit die Klägerin zu
1 ihren Kunden durch proportional zu den ge-kauften [X.] steigende [X.] für den Bezug der Materia-lien [X.], [X.] und/oder [X.] TM bietet, indem sie er-klärt:
"Wie im vergangenen Jahr gewähren wir Ihnen auch im Jahr 2007 fol-genden [X.]: Umsatz auf [X.], [X.] und [X.] TM-Produkte: Ab CHF
250.000 -2%, ab CHF
500.000 -3,5%"
2.
festzustellen, dass der Beklagten im Hinblick auf die zu
1
a) und b) be-schriebenen Verhaltensweisen weder ein Beseitigungsanspruch für frühe-res Verhalten noch ein Schadensersatzanspruch zusteht;
3.
festzustellen, dass die Klägerin zu
2 nicht verpflichtet ist, der Beklagten eine Lizenz bezüglich der [X.] Patente 0
690 794 und 0
836 953 zur Herstellung
und/oder Vermarktung von Formularen mit heraustrennbarer Karte mit Ethylenvinylazetat
([X.] oder silikonmodifizierter
Poly-ethylen (PE)-Schicht sowie von Trägermaterialien, die eine transparente PP-Deckschichtfolie sowie eine Permanent-Haftkleberschicht besitzen, zu gewähren.
Nach Erhebung der negativen Feststellungsklage haben die Beklagte und die [X.], eine in [X.] ansässige Tochtergesellschaft, über die die Beklagte ihre Produkte nach eigener Darstellung unter anderem in [X.] vertreibt, vor dem [X.] eine Leistungsklage einge-reicht, mit der sie geltend machen, die [X.] verhielten sich kartell-2
3
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4
-
rechtswidrig, indem sie ihren Kunden proportional zu den Kaufmengen [X.] gewährten. Die Beklagte und die [X.] machen [X.] in Höhe von 1,6
Mio.

geltend und beantragen ferner, die Klä-gerin zu
2 zur Erteilung von Lizenzen an den in Rede stehenden Patenten zu verurteilen. Über die Leistungsklage ist noch nicht entschieden.
Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist
ohne Erfolg
geblieben. Dagegen wenden sich die Kläge-rinnen mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Mit Beschluss vom 1. Februar 2011 hat der [X.] dem [X.] folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt ([X.],
[X.]/[X.] 3233

Trägermaterial für Kartenformulare):
Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen [[X.]] dahingehend auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch für eine [X.] Feststellungsklage eröffnet ist, mit der vom potenziellen Schädiger geltend gemacht wird, dass dem potenziellen Geschädigten aus einem bestimmten Le-benssachverhalt keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung (hier: Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften) zustehen?
Der [X.] hat diese Frage wie folgt [X.] ([X.], Urteil vom 25.
Oktober 2012
[X.]/11, [X.], 98

Folien Fischer
AG, Fofitec AG/Ritrama
SpA):
Art.
5 Nr.
3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine [X.] Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass keine Haftung aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, besteht, unter diese Bestimmung fällt.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klä-gerinnen ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
4
5
6
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5
-
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte verneint und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der [X.] in Betracht kommende Deliktsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 [X.]
sei für eine negative Feststellungsklage, wie sie hier erhoben sei, nicht gege-ben, da mit dieser geltend gemacht werde, dass im Inland gerade keine uner-laubte Handlung begangen worden sei.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte bestimmt sich [X.] nach der [X.], weil die Beklagte ihren Geschäftssitz in einem Mitgliedstaat der [X.] hat (Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 [X.]). Dass die [X.] nicht in einem Mitgliedstaat, sondern in [X.] ansässig sind, ändert hieran nichts ([X.], Urteil vom 1. März 2005

[X.]/02, [X.]. 2005, [X.] = [X.] 2005, 292 Rn. 23
ff.
[X.]; Ur-teil vom 13.
Juli 2000
C-412/98, [X.]. 2000, [X.] = NJW 2000, 3121 Rn.
33
ff

Group Josi).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem mit der negativen Feststellungsklage verbundenen Tausch der Parteirollen. Wer im Sinne von Art.
2 [X.]
Beklagter ist, richtet sich nicht nach der materiellen Schuld-nerposition, sondern nach der formalen Parteistellung (zu Art. 2 des insoweit inhaltsgleichen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen vom 27.
September 1968 [nachfolgend: EuGVÜ] [X.],
Urteil vom 11. Dezember 1996
VIII
ZR
154/95, [X.]Z 134, 201, 205 [X.]; Mankowski in [X.], Eu-8
9
10
11
-
6
-
ropäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 2 [X.] Rn. 6; [X.], Eu-ropäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 2 EuGVVO Rn. 1).
2. Gemäß Art. 5 Nr. 3 [X.]
kann eine Person, die ihren Sitz im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes ver-klagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaub-ten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Hand-lung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (nachfolgend: Gerichtshof) ist der Begriff der unerlaubten Handlung autonom auszulegen. In diesem Gerichtsstand sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 [X.] anknüpft (vgl. zu Art.
5 Nr.
3 EuGVÜ
[X.], Urteil vom 1.
Oktober 2002
C167/00, NJW 2002, 3617 Rn.
35
f.

[X.],
[X.]). Der Begriff des Vertrags wiederum [X.] sich auf freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene [X.] ([X.], Urteil vom 20. Januar 2005
[X.]/02, [X.]. 2005, 99 = NJW 2005, 811 Rn.
50
f.
[X.],
[X.]). Unter den Begriff der unerlaubten Handlung fallen somit auch Kartelldelikte (Rehbinder in
[X.]/Mestmäcker, [X.], 4. Aufl., §
130 Rn. 340; Fezer/[X.] in [X.], [X.], Internationales Kartellprivatrecht [2010]
Rn.
374; [X.] aaO Art. 5 EuGVVO Rn.
74). [X.] werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch Beseitigungs-
und Unter-lassungsansprüche ([X.], NJW 2002, 3617
Rn. 44
ff.
[X.]; [X.], Urteil vom 13.
Oktober 2004
I
ZR
163/02, NJW 2005, 1435
[X.]; Urteil vom 24.
Oktober 2005
II
ZR
329/03, [X.], 689; Urteil vom 8.
Mai 2012

VI
ZR
217/08, [X.], 2197 Rn.
13; [X.] in [X.].ZPO, 3.
Aufl., Art.
5 EuGVVO Rn.
56; [X.] in [X.], Europäisches Zivilprozess-recht, 2. Aufl., Art.
5 [X.] Rn. 80; [X.] aaO
Rn. 74).
3. Wie der Gerichtshof auf den Vorlagebeschluss des [X.]s hin ent-schieden hat, fällt unter Art.
5 Nr.
3 [X.]
auch eine Klage mit dem An-12
13
-
7
-
trag festzustellen, dass keine Haftung aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, besteht. [X.] hat das Berufungsgericht seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht verneint.
a) Auch bei der negativen Feststellungsklage wird der Streitgegenstand durch die Anträge der klagenden Partei und den zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt festgelegt. Diese bestimmen das Rechtsverhältnis, dessen Nichtbestehen Gegenstand der gerichtlichen Feststellung sein soll. Dagegen ist der Umfang der vorgerichtlichen Berühmung des Beklagten lediglich für die Frage von Bedeutung, ob das erforderliche Feststellungsinteresse vorliegt ([X.], Urteil vom 16. September 2008

VI
ZR
244/07, [X.], 751 = [X.], 83
Rn.
12
ff.). Maßgeblich ist mithin, wo das schädigende Ereignis, des-sen Beurteilung die klagende Partei erstrebt, eingetreten ist oder einzutreten droht. Der Begriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist"
in Art. 5 Nr. 3 [X.]
erfasst nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch den Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort; st. Rspr.;
vgl. nur [X.], Urteil
vom 25. Oktober 2011
[X.]/09 u.a., [X.], 1571 Rn.
41
[X.], [X.]).
b) Im Streitfall liegt der Erfolgsort des streitgegenständlichen Verhaltens (auch)
in [X.]. Die Klage ist mit den Anträgen zu
1 und 2 darauf gerich-tet festzustellen, dass der Beklagten gegen die Klägerin zu
1 weder [X.] noch Schadensersatz-
oder Beseitigungsansprüche wegen bestimmter, näher beschriebener Verkaufspraktiken der Klägerin zu 1 zustehen. Zur Begründung dieses Begehrens haben die [X.] vorgetragen, dass die Beklagte diese Praktiken als kartellrechtswidrig beanstandet hat. Da die Parteien auch in [X.] im Wettbewerb stünden und vor allem der deut-sche Vertrieb betroffen sein könne, strebe sie eine Klärung durch die [X.] Gerichtsbarkeit an. Der Antrag zu
3 ist auf die Feststellung gerichtet, dass die 14
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-
8
-
Klägerin zu 2 nicht verpflichtet ist, der Beklagten eine Lizenz an bestimmten Patenten einzuräumen. Hierzu haben die [X.] ausgeführt, die Voraus-setzungen für einen solchen, aus dem Kartellrecht abgeleiteten Anspruch ge-gen die Klägerin zu 2 lägen nicht vor.
Die von den [X.] gestellten Anträge beziehen sich demnach [X.] auch auf den [X.]n Markt. Damit liegt der Erfolgsort des [X.] der [X.], dessen rechtliche Beurteilung den Gegenstand der Klage bildet, auch in [X.], weil die Parteien nach dem insoweit maßgeblichen Vorbringen der [X.] auf dem [X.]n Markt im Wettbewerb stehen und sich etwaige

von ihnen in Abrede gestellte

wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen der
[X.] unmittelbar auf dem [X.]n Markt [X.]. Dies gilt sowohl für das von der Klägerin zu 1 praktizierte Rabattsystem als auch für die Weigerung der konzernangehörigen Klägerin zu 2, der [X.] eine Lizenz an den im Antrag in Bezug genommenen Patenten einzuräu-men. Nach dem insbesondere bei [X.]
im Gleichklang mit der Kolli-sionsregelung in Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Rom-II-Verordnung

für die Be-stimmung des [X.] maßgeblichen Auswirkungsprinzip (vgl. [X.], Urteil vom 23.
Oktober 1979
KZR
21/78, NJW 1980, 1224, 1225
[X.]; Rehbinder in [X.]/Mestmäcker, [X.], 4. Aufl., §
130 Rn. 334; Fezer/[X.] in [X.], [X.], Internationales Kartellprivatrecht [2010] Rn. 369
ff.; [X.], [X.], 31) begründet dies einen Erfolgsort in [X.]. Der Vortrag der Beklagten, tatsächlich stünden die Parteien auf dem [X.]n Markt nicht im Wettbewerb, ist für die Frage der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 [X.]
nicht maßgeblich.
4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus an-deren Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Entgegen der Auffassung der [X.]n, auf die sich die Revisionserwiderung stützt, fehlt es nicht am erforderli-chen Feststellungsinteresse, das auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist ([X.], Urteil vom 8.
Juli 1955
I
ZR
201/53, [X.]Z 18, 98, 106;
16
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-
9
-
Urteil vom 13.
Juni 2012
I
ZR
228/10, [X.], 1273 Rn.
12
Stadtwerke [X.]).
Das rechtliche Interesse für die Erhebung einer negativen Feststellungs-klage ist gegeben, wenn sie zur Abwehr einer Abmahnung oder sonstigen Rechtsberühmung, die die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen des [X.] berührt, erhoben ist und an der Ernsthaftigkeit des Verlangens des Abmahnenden keine Zweifel bestehen können ([X.], Urteil vom
13.
Juni 2012

I
ZR
228/10, [X.], 1273 Rn.
12
Stadtwerke [X.];
Urteil vom 12.
Juli 2011
X
ZR
56/09, [X.], 995 Rn.
15
Besonderer Mechanis-mus; Urteil vom 12.
Juli 1995
I
ZR
85/93, [X.], 697, 699

Funny Pa-per). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Beklagte hat in dem vorgerichtlichen Schreiben vom 20. März 2007 der Klägerin zu 1 vorgeworfen, sie behindere sie durch ihre Verkaufspraktiken sowie dadurch, dass sie die Vergabe von
Lizenzen ohne vernünftigen Grund verweigere. Das Verhalten der Klägerin zu 1 führe bei ihr
der Beklagten

und ihren Tochterunternehmen
zu erheblichen Beeinträchtigungen, weswegen sie förmlich aufgefordert werde, solches Verhalten unverzüglich einzustellen. Der Bemerkung, die Beklagte wünsche die Meinungsverschiedenheiten gütlich bei-zulegen, schloss sich der Hinweis an, sie habe den Auftrag zu gerichtlichem Vorgehen erteilt, wenn nicht binnen 20 Tagen eine positive Antwort eintreffe.
Der Umstand, dass sich aus dem Schreiben möglicherweise nicht ein-deutig ergibt, ob sich die erhobenen kartellrechtlichen Vorwürfe auch auf [X.] auf dem [X.]n Markt beziehen, ändert nichts daran, dass dieses Schreiben auch für [X.] eine Ungewissheit über die
kartellrechtliche Zulässigkeit der beanstandeten Verhaltensweisen hervorgerufen hat, die ein Interesse an der gerichtlichen Klärung begründete. Das gilt nicht nur für mögli-che Unterlassungsansprüche, sondern auch für Beseitigungs-
und [X.]. Ob die Beklagte selbst auf dem [X.]n Markt auftritt, ist nicht ausschlaggebend, weil sie in dem Schreiben ausdrücklich auch auf Nach-18
19
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-
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-
teile verweist, die ihren [X.] Tochterunternehmen aus dem beanstan-deten Verhalten entstünden. All dies gilt
nicht nur für die Klägerin zu 1 als Ad-ressatin des Schreibens, sondern auch für die Klägerin zu 2, die Inhaberin der in dem Schreiben angesprochenen Schutzrechte ist.
Der Einwand der Beklagten, die von den [X.] im [X.] gestellten Anträge seien gegenüber dem ursprünglichen Klagebegeh-ren erheblich enger gefasst und hätten mit dem Schreiben vom 20. März 2007 nichts mehr zu tun, greift nicht durch. Die Beklagte hat in diesem Schreiben das beanstandete Verhalten nur in recht allgemeiner
Form umschrieben. Sie hat auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht etwa klargestellt, dass die in jenem Schreiben
erhobenen Vorwürfe die Verhaltensweisen nicht umfassen, die Gegenstand der zuletzt gestellten Anträge der [X.] sind. Vielmehr haben die Beklagte und ihre auf dem [X.]n Markt tätige Tochtergesell-schaft nach Erhebung der negativen Feststellungsklage vor dem [X.] eine Leistungsklage gegen die hiesigen [X.] eingereicht, in der sie diesen vorwerfen, sie handelten kartellrechtswidrig, indem sie ihren Kunden proportional zu den Kaufmengen steigende [X.] gewährten und ihre Produkte nicht "verkauften", sondern Zwischenunternehmen eine Lizenz für den Ge-brauch der Verarbeitungsmethode erteilten. Sie haben dort
ferner die Ansicht vertreten, sie hätten einen kartellrechtlich begründeten Anspruch auf Einräu-mung einer Lizenz an den betreffenden Schutzrechten. Der Klageschrift lässt sich nicht entnehmen, dass diese Vorwürfe nicht auch für den [X.]n Markt erhoben werden. Damit ist die durch das Schreiben vom 20. März 2007 be-gründete Ungewissheit auch nicht nachträglich entfallen.
Der weitere Einwand der Beklagten, es fehle an einem Feststellungs-interesse der Klägerin zu 1 hinsichtlich des Klageantrags zu 3 und an einem Feststellungsinteresse der Klägerin zu 2 hinsichtlich der Klageanträge zu 1 und 2 ist ebenfalls unbegründet. Die Anträge sind ersichtlich dahin zu verstehen, dass die Feststellung, die Gegenstand der Anträge zu 1 und 2 ist, nur von der 21
22
-
11
-
Klägerin zu 1,
und die Feststellung, die Gegenstand des Antrags zu 3 ist, nur von der Klägerin zu 2 begehrt wird.
5. Da Feststellungen zur Begründetheit der negativen Feststellungsklage nicht getroffen sind, kann der [X.] nicht selbst entscheiden. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen [X.] nachgeholt werden können.
II[X.] Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
Den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen lässt sich nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, ob damit das Nichtbestehen von [X.], Beseitigungs-
und Schadensersatzansprüchen und von Ansprüchen auf Lizenzerteilung nur für
[X.] oder auch für
andere
[X.] [X.]

und gegebenenfalls für welche

geltend gemacht werden soll. Den Klägerin-nen wird
auch im Hinblick auf die erforderliche Bestimmtheit der Anträge

Ge-legenheit zu geben sein, dies klarzustellen.
Sollte sich ergeben, dass die negative Feststellungsklage sich auch auf andere [X.] als die Bundesrepublik [X.] beziehen soll, wird das Berufungsgericht die Reichweite seiner Kognitionsbefugnis
zu prüfen haben
(vgl. dazu [X.] in [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 [X.]
Rn. 92; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3.
Aufl., Art. 5 EuGVVO
Rn. 20; [X.] in Piper/[X.]/Sosnitza, [X.], 5.
Aufl., [X.].
B Rn.
8a; Glöckner
in:
23
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25
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12
-
Harte/[X.], [X.], 2. Aufl., [X.]. Rn.
D
25; [X.], [X.], 8. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn.
85; Mankowski, [X.] 2008, 177, 191 [X.] auch zur Gegenauffassung).

Bornkamm
Meier-Beck
Kirchhoff

Bacher
Deichfuß
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.05.2008 -
315 O 410/07 -

[X.], Entscheidung vom 14.01.2010 -
3 U 133/08 -

Meta

KZR 8/10

29.01.2013

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2013, Az. KZR 8/10 (REWIS RS 2013, 8601)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8601

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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