Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.02.2011, Az. KZR 8/10

Kartellsenat | REWIS RS 2011, 9905

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[X.][X.] Verkündet am: 1. Februar 2011 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja Trägermaterial für Kartenformulare Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die ge-richtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entschei-dungen in Zivil- und Handelssachen Art. 5 Nr. 3 Dem [X.] wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorge-legt: Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre-ckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahingehend auszule-gen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch für eine negative Feststellungsklage eröffnet ist, mit der vom potenziellen Schädiger geltend ge-macht wird, dass dem potenziellen Geschädigten aus einem bestimmten Le-benssachverhalt keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung (hier: Verstoß ge-gen kartellrechtliche Vorschriften) zustehen? [X.], [X.]eschluss vom 1. Februar 2011 - [X.] - [X.] - 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 1. Februar 2011 durch den Präsidenten des [X.] Prof. Dr. [X.], [X.] und die [X.], [X.] und Dr. [X.] beschlossen: [X.] Das Verfahren wird ausgesetzt. I[X.] Dem [X.] wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des [X.] zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahingehend auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch für eine [X.] Feststellungsklage eröffnet ist, mit der vom potenziellen Schädiger geltend gemacht wird, dass dem potenziellen [X.] aus einem bestimmten Lebenssachverhalt keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung (hier: Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften) zustehen?
- 3 - Gründe: [X.] 1 Die in [X.] ansässige Klägerin zu 1 befasst sich mit der Entwick-lung, Herstellung und dem Verkauf beschichteter Papierwaren und Folien. Sie vertreibt unter anderem in [X.] Trägermaterial für Kartenformulare in Endlosform. Die Klägerin zu 2, die ihren Geschäftssitz ebenfalls in [X.] hat und zur Unternehmensgruppe der Klägerin zu 1 gehört, ist Inhaberin von Patenten, die bestimmte Formulare zur Übermittlung eines Anschreibens zu-sammen mit einem Mitgliedsausweis oder dergleichen sowie das Trägermateri-al für diese Kartenformulare unter Schutz stellen. Die in [X.] ansässige [X.] entwickelt, produziert und vertreibt Laminate und veredelte Folien ver-schiedener Art. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. März 2007 beanstandete die [X.] das [X.] der Klägerin zu 1 und deren Weigerung, Patentli-zenzen zu erteilen, als kartellrechtswidrig. Daraufhin erhoben die [X.] die vorliegende negative Feststellungsklage, mit der sie im [X.] zuletzt beantragt haben, festzustellen, dass die Klägerin zu 1 nicht verpflichtet ist, ihre von der [X.]eklagten beanstandete Verkaufspraxis hinsichtlich der Rabat-tierung und Ausgestaltung der [X.] zu unterlassen. Weiter begeh-ren die [X.] die Feststellung, dass der [X.]eklagten hinsichtlich dieser Verkaufspraxis weder ein [X.]eseitigungs- noch ein Schadensersatzanspruch zu-steht. Schließlich beantragen die [X.] die Feststellung, dass die Kläge-rin zu 2 nicht verpflichtet ist, der [X.]eklagten eine Lizenz bezüglich zweier der Klägerin zu 2 zustehenden [X.] Patente zu gewähren, mit denen die Herstellung von Formularen sowie Trägermaterialien für die Herstellung von Formularen geschützt sind. 2 - 4 - Nach Erhebung der negativen Feststellungsklage haben die [X.]eklagte und die [X.], eine in [X.] ansässige Tochtergesellschaft, über die die [X.]eklagte ihre Produkte nach eigener Darstellung unter anderem in [X.] vertreibt, vor dem [X.] eine Leistungsklage einge-reicht, mit der sie geltend machen, die [X.] verhielten sich kartell-rechtswidrig, indem sie ihren Kunden proportional zu den Kaufmengen [X.] gewährten. Die [X.]eklagte und die [X.] machen [X.] satzansprüche in Höhe von 1,6 Mio. [X.] geltend und beantragen ferner, die Klägerin zu 2 zur Erteilung von Lizenzen an den in Rede stehenden Patenten zu verurteilen. Über die Leistungsklage ist noch nicht entschieden. 3 Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die dagegen gerichtete [X.]erufung ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wenden sich die Kläge-rinnen mit ihrer vom [X.]erufungsgericht zugelassenen Revision. 4 Das [X.]erufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit [X.] Ge-richte verneint und zur [X.]egründung seiner Entscheidung ausgeführt, der allein in [X.]etracht kommende [X.] nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche [X.] und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in [X.] und Handelssachen (nachfolgend: [X.]) sei für eine negative Feststel-lungsklage, wie sie hier erhoben sei, nicht gegeben, da mit dieser geltend ge-macht werde, dass im Inland gerade keine unerlaubte Handlung begangen worden sei. 5 Mit ihrer vom [X.]erufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klä-gerinnen ihre in der [X.]erufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Die [X.]eklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. 6 - 5 - I[X.] 7 Für den Erfolg der Revision der [X.] ist maßgebend, ob das [X.]e-rufungsgericht seine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung des [X.] zu Recht verneint hat. Ob dies der Fall ist, hängt von der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 [X.] ab. Andere Gerichtsstände in [X.] sind nicht ge-geben. Insbesondere hat die [X.]eklagte ihren gemäß Art. 2, 60 [X.] zustän-digkeitsbegründenden Geschäftssitz in [X.]. Mithin sind [X.] Gerichte international nur dann zuständig, wenn für die erhobene negative Feststel-lungsklage, mit der die [X.] die Feststellung begehren, dass der [X.]n keine Ansprüche wegen behaupteter Verstöße gegen das Kartellrecht zustehen, der [X.] des Art. 5 Nr. 3 [X.] eröffnet ist. 1. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte bestimmt sich [X.] nach der Verordnung, weil die [X.]eklagte ihren Geschäftssitz in einem Mitgliedst[X.]t der [X.] hat (Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 [X.]). Dass die [X.] nicht in einem Mitgliedst[X.]t, sondern in [X.] ansässig sind, ändert hieran nichts ([X.], Urteil vom 1. März 2005 - [X.]/02, [X.]. 2005, [X.] = [X.] 2005, 292 Rn. 23 ff. - [X.]; Ur-teil vom 13. Juli 2000 - [X.], [X.]. 2000, [X.] = NJW 2000, 3121 Rn. 33 ff. - [X.]). 8 Eine andere [X.]eurteilung ergibt sich auch nicht aus dem mit der negativen Feststellungsklage verbundenen Tausch der [X.]rollen. Wer im Sinne von Art. 2 [X.] [X.]eklagter ist, richtet sich nicht nach der materiellen Schuldner-position, sondern nach der formalen [X.]stellung (zu Art. 2 des insoweit in-haltsgleichen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die [X.] gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 [nachfolgend: EuGVÜ]: [X.], Urteil vom 11. Dezember 9 - 6 - 1996 - [X.], [X.] 134, 201, 205 mwN; Mankowski in [X.], Eu-ropäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 2 [X.] Rn. 6; Kropholler, Eu-ropäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 2 [X.] Rn. 1). 10 2. Gemäß Art. 5 Nr. 3 [X.] kann eine Person, die ihren Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedst[X.]ts hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes ver-klagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaub-ten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Hand-lung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (nachfolgend: Gerichtshof) ist der [X.]egriff der unerlaubten Handlung autonom auszulegen. Im Gerichtsstand der [X.] Handlung sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 [X.] anknüpft (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: [X.], Urteil vom 1. Oktober 2002 - C-167/00, NJW 2002, 3617 Rn. 35 f. - [X.] mwN). Der [X.]egriff des "Vertrags" wiederum bezieht sich auf freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtungen ([X.], Urteil vom 20. Januar 2005 - [X.]/02, NJW 2005, 811 Rn. 50 f. - [X.] mwN). Unter den [X.]egriff der unerlaubten Handlung fallen somit auch Kartelldelikte (Rehbinder in [X.]/Mestmäcker, [X.], 4. Aufl., § 130 Rn. 340; Fezer/[X.] in [X.], [X.], Internationales Kartellprivatrecht [2010] Rn. 374; Kropholler, [X.]O, Art. 5 [X.] Rn. 74). [X.] werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch [X.]eseitigungs- und Unter-lassungsansprüche ([X.], NJW 2002, 3617 Rn. 44 ff. - [X.]; [X.], Urteil vom 13. Oktober 2004 - [X.], NJW 2005, 1435 - [X.]; Urteil vom 24. Oktober 2005 - II ZR 329/03, [X.], 689; [X.] in Münch-Komm.ZPO, 3. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 56; [X.] in [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 80; Kropholler, [X.]O Rn. 74). - 7 - 3. Der Gerichtshof hat noch nicht entschieden, ob eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 [X.] auch dann gegeben ist, wenn der potenzielle [X.] eine negative Feststellungsklage erhebt, mit der er festzustellen [X.], dass dem potenziellen Geschädigten keine Ansprüche aus einer mögli-chen unerlaubten Handlung zustehen. Die richtige Auslegung des Art. 5 Nr. 3 [X.] in diesen Fällen ist nicht offenkundig, wie die divergierenden [X.] verschiedener [X.] Gerichte und der Literatur belegen. 11 a) Mehrere mitgliedst[X.]tliche Gerichte sind der Ansicht, der gemein-schaftsrechtliche besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung begründe keine Zuständigkeit für eine negative Feststellungsklage des potenziellen Schädigers (zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, der Vorgängerregelung des Art. 5 Nr. 3 [X.]: [X.], [X.]. 2005, 264, 265; [X.], [X.]. 2000, 1021; [X.] eerste [X.]nleg te [X.]rüssel, [X.]. 2001, 170, 172 f.; [X.], [X.] 2, 61). Ebenso entschie-den hat der [X.] Oberste Gerichtshof zu der im Wesentlichen inhalts-gleichen Vorschrift in Art. 5 Nr. 3 des im Jahre 1988 in [X.] geschlossenen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung ge-richtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: [X.]) ([X.], [X.]. 2001, 178 f.). Hingegen hat das [X.]erische [X.] ([X.] 2008, 544, 546) angenommen, die negative Feststel-lungsklage könne grundsätzlich auch im besonderen Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 [X.] angebracht werden, wenn dieser Gerichtsstand für die spiegelbildli-che Leistungsklage eröffnet sei (insoweit zustimmend [X.], [X.] 2008, 550 ff.). 12 In der [X.]n Literatur herrscht die Auffassung vor, am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung könne auch eine auf die Feststellung des [X.] von Ansprüchen aus einer möglichen unerlaubten Handlung gerich-tete negative Feststellungsklage erhoben werden ([X.], [X.]O, Art. 5 [X.]rüssel-I-13 - 8 - [X.] Rn. 82; [X.] in [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 228; Fezer/[X.] in [X.], [X.], Internationa-les Immaterialgüterprivatrecht [2010] Rn. 1134; MünchKomm.ZPO/[X.], 3. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 60; [X.]/[X.] in [X.], [X.], 10. Aufl., § 139 Rn. 101b; [X.], [X.]. 2005, 265, 267; [X.], [X.] und internationales Zivilprozessrecht in [X.], 2. Aufl., [X.] ff.; [X.], Marken-, Patent- und Urheberrechtsverletzungen im [X.] internationalen Zivilprozessrecht, [X.] ff., [X.], EU-Zivil-prozessrecht, 3. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 15; ohne abschließende [X.], [X.]O, Art. 5 [X.] Rn. 78). b) Der Senat neigt dazu, Art. 5 Nr. 3 [X.] auch auf Klagen [X.], die auf die Feststellung gerichtet sind, dass dem potenziellen Geschä-digten keine Ansprüche aus einer möglichen unerlaubten Handlung zustehen. 14 [X.]) Dafür spricht zunächst der Wortlaut dieser [X.]estimmung. Auch bei [X.] negativen Feststellungsklage bildet eine unerlaubte Handlung den [X.]. Zu Art. 21 EuGVÜ, der Vorgängerregelung des Art. 27 [X.], hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Klage, die auf Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist, denselben Anspruch betrifft wie eine von dem [X.]eklagten früher erhobene Klage auf Feststellung, dass er für diesen Schaden nicht haftet. Der Umstand, dass die Anträge in ei-nem Fall positiv und im anderen Fall negativ formuliert sind, bewirkt nicht, dass die beiden Rechtsstreitigkeiten unterschiedliche Gegenstände hätten ([X.], Urteil vom 6. Dezember 1994 - C-406/92, [X.]. 1994 I, 5460 = [X.] 1995, 365 Rn. 37 ff. - [X.]/[X.] Rataj; vgl. auch [X.], Urteil vom 11. Dezember 1994 - [X.], [X.] 134, 201, 205). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass [X.] Aussage zur Identität des Streitgegenstands einer negativen Feststellungs-klage mit dem Streitgegenstand einer spiegelbildlichen Leistungsklage nicht auch im Rahmen des Art. 5 Nr. 3 [X.] gelten sollte (vgl. auch [X.]/15 - 9 - [X.], [X.]O, § 139 Rn. 101b; [X.], [X.]O, [X.]; [X.], [X.]O, [X.]). 16 bb) Der Zweck des besonderen Gerichtsstands der unerlaubten Hand-lung bestätigt diese Auslegung. Die besondere Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 [X.] beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs darauf, dass eine besonders enge [X.]eziehung zwischen der Streitigkeit und anderen Gerichten als denen des Ortes des [X.] besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser anderen Gerichte rechtfertigt ([X.], Urteile vom 30. November 1976 - [X.], [X.]. 1976, 1735 = NJW 1977, 493 Rn. 11 - [X.]; vom 11. Januar 1990 - [X.], [X.]. 1990, [X.] = NJW 1991, 631 Rn. 17 - [X.]; vom 10. Juni 2004 - [X.]/02, NJW 2004, 2441, 2442 Rn. 15 - [X.]). Da die positive Leistungsklage aufgrund einer behaupteten unerlaubten Handlung in ihrem Gegenstand mit einer Klage auf Feststellung des [X.] einer solchen unerlaubten Handlung identisch ist, kann die Frage der Sachnähe des angerufenen Gerichts nicht davon abhängen, welche [X.] es anruft. Es besteht kein Grund, dem Kläger einer negativen Feststellungsklage den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung zu verweigern, den der Kläger einer Leistungs- oder positiven Feststellungsklage unzweifelhaft wählen könnte ([X.]/[X.], [X.]O, § 139 Rn. 101b). Durch die Zulassung einer solchen negativen Feststellungsklage kommt es auch nicht zu einer unerwünschten [X.] (dazu [X.], Urteil vom 11. Januar 1990 - [X.], [X.]. 1990, [X.] = NJW 1991, 631 Rn. 18 - [X.]), sondern dem potenziellen Schädiger wird allein die Möglichkeit eingeräumt, sich [X.] Gerichtsstände zu bedienen, die auch dem potenziellen Geschädigten zu-stehen ([X.], [X.]. 2005, 165, 267 f.; [X.], [X.]. 2001, 103, 107). 17 - 10 - Zudem hat der Gerichtshof zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ entschieden, dass die Erwägungen zum Zweck der an den Ort der unerlaubten Handlung anknüpfen-den besonderen Zuständigkeit unabhängig davon gelten, ob sich das Verfahren auf den Ersatz eines bereits eingetreten Schadens oder auf eine Klage zur Ver-hinderung des Eintritts eines Schadens bezieht. Der [X.] setzt also nicht voraus, dass tatsächlich ein Schaden eingetreten ist ([X.], NJW 2002, 3617 Rn. 46 ff. - [X.]). Das wird jetzt durch den Wortlaut von Art. 5 Nr. 3 [X.] klargestellt, der ausdrücklich eine vorbeugende Unterlassungsklage einschließt ("drohender Schaden"). Es sollte deshalb auch der negativen Fest-stellungsklage nicht der Zugang zum [X.] mit der Erwägung versagt werden, dass nach dem Vorbringen der klagenden [X.] eine uner-laubte Handlung nicht begangen oder ein Schaden nicht eingetreten sei (eben-so [X.], [X.]O, [X.]). Die besondere [X.]eziehung der Streitigkeit zu dem Forum des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, [X.] droht oder eingetreten sein soll, hängt nicht von den [X.]rollen und der Klageart des Verfahrens ab. Maßgeblich ist vielmehr der dem Gericht unterbrei-tete Lebenssachverhalt, der jedoch - wie dargelegt - bei der negativen Feststel-lungsklage und der spiegelbildlichen Leistungsklage identisch ist. Ob sich eine unerlaubte Handlung tatsächlich zugetragen hat oder ob ein Schaden tatsäch-lich eingetreten ist oder einzutreten droht, ist in beiden Fällen keine Frage der internationalen Zuständigkeit, sondern der [X.]egründetheit der Klage, zu deren Klärung das Gericht am Ort der (potenziell) unerlaubten Handlung in [X.] geeignet ist. 18 cc) Zur [X.]egründung einer internationalen Zuständigkeit für eine negative Feststellungsklage am [X.] dürfte es danach genügen, wenn der Kläger einen Sachverhalt vorträgt, dessen [X.]eurteilung als Delikt oder de-liktsähnliche Handlung - insbesondere in Abgrenzung zu einer möglichen Scha-denshaftung, die an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 [X.] anknüpft - 19 - 11 - nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann und bei dem der [X.] im Inland läge, so dass für eine spiegelbildliche Leistungsklage (vgl. dazu [X.], NJW 2005, 1435, 1436 - [X.]; [X.], Urteil vom 30. März 2006 - [X.], [X.], 513 Rn. 21 - Arzneimittelwerbung im [X.]; [X.], [X.]O Rn. 77; [X.] in Piper/[X.]/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., [X.]. [X.] Rn. 9) der [X.] der unerlaubten Handlung eröffnet wäre. [X.]) Daraus sich ergebende oder in ihrer Wirkung verstärkte Miss-brauchsmöglichkeiten, wie etwa die Gefahr einer zu [X.] an-gebrachten Klage (vgl. [X.], [X.]O, Art. 27 [X.] Rn. 10b), können die Auslegung einer [X.]estimmung der Verordnung, die sich aus deren Wortlaut und Ziel ergibt, nicht in Frage stellen (vgl. [X.], Urteil vom 9. Dezember 2003 - [X.]/02, [X.]. 2003, [X.] = [X.] 2004, 243 Rn. 53 [X.]). [X.] kann, wie der Gerichtshof bereits zu Art. 21 EuGVÜ (jetzt Art. 27 [X.]) entschieden hat, von den [X.]estimmungen zur internationalen [X.] auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Kläger für seine negative Feststellungsklage ein Forum in der Erwartung gewählt hat, dort werde die Ver-fahrensdauer unvertretbar lang sein ([X.], [X.] 2004, 243 Rn. 73 [X.]). Derartige Gefahren müssen nach Auffassung des Senats daher auch für die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 [X.], der - anders als Art. 6 Nr. 2 [X.] - keinen Mißbrauchsvorbehalt enthält - außer [X.]etracht bleiben (ebenso [X.], [X.]O, S. 118; [X.], [X.] 2008, 550, 551 f.). 20 ee) Gegen die Zulassung einer negativen Feststellungsklage am [X.] kann auch nicht eingewandt werden, dass in diesem Fall das ge-gebenenfalls bestehende Wahlrecht zwischen mehreren nach Art. 5 Nr. 3 [X.] zuständigen Gerichten, wenn etwa der gleichermaßen zuständig-keitsbegründende Handlungs- und Erfolgsort auseinander fallen oder der delik-tische Erfolg an mehreren Orten eingetreten ist, von dem potenziellen Schädi-ger ausgeübt wird. Das Wahlrecht zwischen mehreren Deliktsgerichtsständen 21 - 12 - besteht nicht um einer prozessualen Privilegierung des Geschädigten willen, sondern nach der bereits dargelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs auf-grund des Gesichtspunkts der Sachnähe (zutreffend [X.], [X.] 2008, 550, 553). Da nach Art. 5 Nr. 3 [X.] alle in [X.]etracht kommenden Gerichtsstän-de als gleichermaßen sachnah und für die Entscheidung der Streitigkeit geeig-net anzusehen sind, hat der potenzielle Geschädigte eine Auswahlentschei-dung des potenziellen Schädigers hinzunehmen. 4. Die Frage, ob eine negative Feststellungsklage im [X.] nach Art. 5 Nr. 3 [X.] zulässig ist, ist entscheidungserheblich. Von ihr hängt im Streitfall der Erfolg der Revision ab. 22 Ist die Vorlagefrage zu bejahen, sind die weiteren Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 3 [X.] erfüllt. Jedenfalls insoweit, als die Klageanträge sich auf den inländischen Markt beziehen, wäre die internationale Zuständigkeit deut-scher Gerichte gegeben. 23 a) Der [X.]egriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" in Art. 5 Nr. 3 [X.] erfasst nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch den Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort, vgl. [X.], Urteile vom 30. November 1976 - [X.], [X.]O Rn. 24 f.; vom 7. März 1995 - [X.]/93, [X.]. 1995, [X.] = NJW 1995, 1881 Rn. 20 - [X.]; vom 19. September 1995 - [X.], [X.]. 1995, I-2719 = JZ 1995, 1107 Rn. 11 - Marinari). Im Streitfall liegt der Erfolgsort des Verhaltens der [X.], das den Gegenstand der Klage bildet - auch - in [X.], weil die [X.]en hier mit ihren Produkten unmittelbar im Wett-bewerb stehen und sich etwaige wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen der [X.] somit unmittelbar auf dem [X.]n Markt auswirken. Dies gilt sowohl für das von der Klägerin zu 1 praktizierte Rabattsystem als auch die Weigerung der konzernangehörigen Klägerin zu 2, der [X.]eklagten eine Lizenz 24 - 13 - an den im Antrag in [X.]ezug genommenen Patenten einzuräumen. Nach dem insbesondere bei [X.] - im Gleichklang mit der Kollisionsregelung in Art. 6 Abs. 3 [X.]uchst. a der Rom-II-Verordnung - für die [X.]estimmung des [X.] maßgeblichen Auswirkungsprinzip ([X.], Urteil vom 23. Oktober 1979 - [X.], [X.], 1224, 1225 - [X.]MW-Importe; Rehbinder in [X.]/Mestmäcker, [X.], 4. Aufl., § 130 Rn. 334; Fezer/[X.] in [X.], [X.], Internationales Kartellprivatrecht [2010] Rn. 369 ff.; [X.], [X.], 31) begründet dies einen Erfolgsort in [X.]. b) Das für die Zulässigkeit der Klage weiter erforderliche Feststellungsin-teresse der [X.], das auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist ([X.], Urteil vom 8. Juli 1955 - [X.], [X.] 18, 98, 106), er-gibt sich aus dem vorgerichtlichen Schreiben der [X.]eklagten vom 30. März 2007. 25 [X.] Meier-[X.]eck Kirchhoff
Löffler [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.05.2008 - 315 [X.]/07 - [X.], Entscheidung vom 14.01.2010 - 3 U 133/08 -

Meta

KZR 8/10

01.02.2011

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.02.2011, Az. KZR 8/10 (REWIS RS 2011, 9905)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9905

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