Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.07.2017, Az. 1 ABR 59/15

1. Senat | REWIS RS 2017, 7872

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Gegenstand

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für Gesundheitsschutz


Leitsatz

Die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bezieht sich auf die Behandlung einer Angelegenheit. Betreffen Regelungsmaterien unterschiedliche Mitbestimmungstatbestände, folgt aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die eine Angelegenheit keine solche für die andere.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des [X.] vom 21. Oktober 2015 - 4 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit von Teilen eines [X.].

2

Das Unternehmen der zu 1. beteiligten Arbeitgeberin bietet in bundesweit über 1000 Filialen Bank- und Finanzdienstleistungen sowie Postdienstleistungen, Telekommunikationsprodukte, Papier und Schreibwaren an. Gemeinsam mit der mit Wirkung zum 1. Januar 2016 auf sie verschmolzenen - vormals zu 2. beteiligten - [X.] Filial GmbH vereinbarte die Arbeitgeberin am 4. Dezember 2013 mit [X.] - [X.] und am 5. Dezember 2013 mit dem [X.] und [X.] einen „Tarifvertrag gemäß § 3 [X.]“ ([X.]). Nach diesen inhaltsgleichen Tarifverträgen bestehen bei ihr 12 regionale Betriebe und der Betrieb Management, in denen jeweils ein Betriebsrat gewählt ist. Außerdem ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet. Dieser schloss mit der Arbeitgeberin eine am 1. Januar 2006 in [X.] getretene Gesamtbetriebsvereinbarung „[X.] der [X.] [X.]“ ([X.]), welche auszugsweise lautet:

        

§ 2   

Grundsätze

                 

Das äußere Erscheinungsbild der Beschäftigten ist für das Unternehmen [X.] [X.] von großer Bedeutung. Die [X.] soll ihre Trägerin oder ihren Träger in ihrer/seiner beruflichen Tätigkeit in der Öffentlichkeit als Angehörige oder Angehörigen der [X.] [X.] kenntlich machen. …

        

§ 4     

Tragevorschrift

                 

(1)     

Die [X.] ist komplett - mindestens Hemd/Bluse, Hose/Rock und Krawatte - zu tragen. ...“

3

Der Beteiligte zu 3. ist der nach dem [X.] für den regionalen Betrieb [X.] gebildete Betriebsrat, welcher für über 80 Filialen in [X.] und [X.] zuständig ist. Für diesen Betrieb wurde eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „[X.]/Raumklima“ eingerichtet. Diese beschloss am 15. Januar 2015 eine Betriebsvereinbarung Klima ([X.] Klima), welche auszugweise lautet:

        

1. Zielsetzung

        

Ziel dieser Betriebsvereinbarung ist, die aufgrund von Hitze/Kälte in den Arbeitsräumen auftretende Belastungen im Sinne von [X.] A 3.5 der Beschäftigten durch die nachfolgend dargestellten Maßnahmen zu verringern, um hierdurch die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und auch den betrieblichen Belangen Rechnung zu tragen.

        

…       

        

5. Wärmebelastung

        

Von einer Belastung durch Wärme ist auszugehen, sofern die Raumtemperatur über 26 Grad Celsius ansteigt.

        

6. Maßnahmen

        

...     

        

Bei Feststellung einer Wärmebelastung im Sinne von Ziffer 5. dieser Betriebsvereinbarung sind Maßnahmen entsprechend des Maßnahmenkataloges (Anlage 2) zu treffen.

        

7. Kältebelastungen

        

Kältebelastungen von unter 19°C in Arbeits- und Pausenräumen sind zu vermeiden. An den Arbeitsplätzen in den [X.] (Arbeitsplätze mittlerer Arbeitsschwere) sind Kältebelastungen von unter 17°C zu vermeiden. Wenn sie unterschritten werden, sind geeignete

                 

-       

technische Maßnahmen wie z.B. Wärmestrahlungsheizung, Heizmatten,

        
                 

-       

organisatorische Maßnahmen wie zusätzliche Aufwärmpausen (sofern wärmere Räume zur Verfügung stehen),

        
                 

-       

personenbezogene Maßnahmen wie Erlaubnis zum Tragen von an die Dienstkleidung angepassten Pullovern oder Westen

        
        

in dieser Reihenfolge und unter Einbindung des Betriebsrats zu ergreifen.

        

…       

        

Anlage 2 Maßnahmenkatalog

        

…       

        

Maßnahmen bei Raumtemperatur über 30°C

                 

…       

        
                 

▪       

[X.] beinhaltet den Verzicht auf das Tragen von Krawatten

        

…“    

4

Mit ihrer Antragsschrift hat die Arbeitgeberin geltend gemacht, der Spruch der Einigungsstelle sei insoweit unwirksam, als er Regelungen zur [X.] enthielte. Eine hierauf bezogene Regelungszuständigkeit komme auch unter Einbeziehung des [X.]es ausschließlich dem Gesamtbetriebsrat zu. Zudem bestehe für den fraglichen Regelungsgegenstand kein zwingendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.]. Darüber hinaus hätte die Einigungsstelle ihren Regelungsauftrag nicht erfüllt. Sie habe sich auf eine bloße Wiederholung der [X.] des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes beschränkt.

5

Die Arbeitgeberin hat beantragt

        

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 15. Januar 2015 betreffend die Betriebsvereinbarung Klima für den Betrieb [X.] in folgenden Punkten unwirksam ist:

        

-       

Ziffer 7. Kältebelastungen, Satz 3, dritter Spiegelstrich:

        
        

Personenbezogene Maßnahmen wie Erlaubnis zum Tragen von an die Dienstkleidung angepassten Pullovern oder Westen.

        

-       

Anlage 2 Maßnahmenkatalog,

        
        

Maßnahmen bei Raumtemperatur über 30°C:

        

Das Lockern der Dienstkleidung beinhaltet den Verzicht auf das Tragen von Krawatten.

6

Der zu 3. beteiligte Betriebsrat [X.] hat Antragsabweisung beantragt.

7

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen. Das [X.] hat ihn auf die Beschwerde des zu 3. beteiligten Betriebsrats [X.] und nach Anhörung des [X.] als Beteiligten zu 4. abgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Betriebsrat [X.] und der Gesamtbetriebsrat beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

8

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hat keinen Erfolg. Ihr zulässiger Feststellungsantrag ist unbegründet. Wie das [X.] zu Recht erkannt hat, sind die streitbefangenen Regelungen des [X.] wirksam.

9

I. Der Feststellungsantrag der Arbeitgeberin ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Gegen die auf einen Teil der Regelungen beschränkte Anfechtung des Spruchs einer Einigungsstelle bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn sie sich auf ein selbständig feststellbares [X.] bezieht und die Betriebsparteien die übrigen Regelungen übereinstimmend gelten lassen wollen ([X.] 30. Mai 2006 - 1 ABR 21/05 - Rn. 13). Das ist hier der Fall.

II. Zutreffend hat das [X.] den Gesamtbetriebsrat am Verfahren beteiligt (§ 83 Abs. 3 ArbGG). Die von der Arbeitgeberin begehrte Entscheidung betrifft dessen betriebsverfassungsrechtliche Stellung. Die Arbeitgeberin beruft sich auf die fehlende Regelungskompetenz des örtlichen Betriebsrats. Würde ihr Antrag trotz eines bestehenden Mitbestimmungsrechts abgewiesen, stünde zugleich die Unzuständigkeit des [X.] iSv. § 50 Abs. 1 Satz 1 [X.] fest. Dieser ist deshalb, auch wenn er eine eigene Regelungszuständigkeit nicht ausdrücklich in Anspruch genommen hat, am Verfahren beteiligt. Die Vorinstanzen haben es aber rechtsfehlerhaft unterlassen, neben dem Betriebsrat [X.] und dem Gesamtbetriebsrat die weiteren durch die [X.] errichteten Betriebsräte der regionalen Betriebe und des Betriebs Management zu hören (§ 83 Abs. 3 ArbGG). Auch diese sind an dem Verfahren beteiligt, denn die sich nach dem Verfahrensgegenstand stellende Frage einer Regelungszuständigkeit für die im Streit stehenden Bestimmungen betrifft auch deren betriebsverfassungsrechtliche Stellung. Einer auf diesen Rechtsfehler gestützten Zurückverweisung bedarf es indes nicht. Der [X.] hat die unterbliebene Anhörung nachgeholt und den zu 5. bis 16. beteiligten [X.] Gelegenheit gegeben, sich zum Antrag der Arbeitgeberin zu äußern.

III. Der Antrag ist unbegründet. Die angegriffenen Regelungen des [X.] vom 15. Januar 2015 sind wirksam.

1. Die Einigungsstelle ist nach § 87 Abs. 2 [X.] befugt, in den Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 [X.] eine Regelung zu treffen. Ihre Kompetenz reicht dabei so weit wie das Mitbestimmungsrecht. Diese ist für Ziffer 7 Satz 3, dritter Spiegelstrich [X.] Klima sowie die Anlage 2 zur [X.] Klima Maßnahmenkatalog (Maßnahmen bei Raumtemperatur über 30°C: Das Lockern der Dienstkleidung beinhaltet den Verzicht auf das Tragen von Krawatten) gegeben.

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.] hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den [X.] mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die [X.] konkretisieren. Es setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vorgegebene Ziel des Arbeits- und [X.]es zu erreichen. Unerheblich ist, ob die [X.] dem [X.] mittelbar oder unmittelbar dienen ([X.] 28. März 2017 - 1 [X.] - Rn. 18 [X.]).

b) Hiernach unterfallen die verfahrensgegenständlichen Regelungen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.].

aa) Mit ihnen sind Maßnahmen festgelegt, um die aufgrund von Hitze oder Kälte in den Arbeitsräumen auftretenden Belastungen für die Arbeitnehmer zu verringern. Es handelt sich um betriebliche Regelungen, welche die Pflichten der Arbeitgeberin nach § 3a Abs. 1 Satz 1 [X.] näher ausgestalten. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden.

bb) Die in § 3a Abs. 1 Satz 1 [X.] festgelegte Verpflichtung des Arbeitgebers beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ist eine ausfüllungsbedürftige, die Mitbestimmung des Betriebsrats auslösende [X.] iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.] ([X.] 28. März 2017 - 1 [X.] - Rn. 27). Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist eine auf die generalklauselartig verfasste [X.] des § 3a Abs. 1 Satz 1 [X.] gestützte Mitbestimmung auch nicht auf das Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage beschränkt. Die Mitbestimmung knüpft aber an vorliegende oder festgestellte konkrete Gefährdungen iSv. § 3 [X.] iVm. § 5 ArbSchG an ([X.] 28. März 2017 - 1 [X.] - Rn. 27).

cc) Von solchen ist vorliegend auszugehen. Die Arbeitgeberin hat dies in den Instanzen nicht problematisiert. Sie und der zu 3. beteiligte Betriebsrat haben auch nicht darüber gestritten, ob der Regelungsbereich der [X.] Klima überhaupt mitbestimmungspflichtig ist, sondern ausschließlich darüber, ob die von der Einigungsstelle beschlossenen Maßnahmen der originären Regelungszuständigkeit des [X.] unterfallen. Entsprechend hat die Arbeitgeberin den Spruch nicht insgesamt, sondern nur partiell angefochten. Eine nähere Aufklärung zu feststehenden oder festgestellten Gefährdungen war daher in den Instanzen nicht veranlasst, ungeachtet dessen, dass die Rechtsbeschwerde eine dahin gehende Verfahrensrüge nicht erhoben hat. Nichts anderes folgt daraus, dass sich die Arbeitgeberin auf die im Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht zu Protokoll gegebene Erklärung des zu 3. beteiligten Betriebsrats, „zur Frage Klima habe man auch eine Gefährdungsbeurteilung gemacht, in welcher auf eine Hitzeproblematik hingewiesen worden sei“, dahingehend eingelassen hat, „dies kann derzeit … nicht bestätigt werden“. Zum einen liegt hierin kein substantiiertes Bestreiten. Zum anderen steht die Einlassung im Widerspruch zu den Ausführungen in der Begründung des teilweise angefochtenen [X.], dass „nach Angaben der Betriebsparteien … derzeit ca. 15 Filialen [X.]“ seien. Soweit die Arbeitgeberin mit der Rechtsbeschwerdebegründung nunmehr pauschal eine „zum [X.]“ durchgeführte Gefährdungsbeurteilung als Voraussetzung für die Annahme eines zwingenden Mitbestimmungsrechts in Abrede stellt, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der [X.] nach § 92 Abs. 2 ArbGG iVm. § 559 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig ist.

2. Der Beteiligte zu 3. ist als örtlicher Betriebsrat für die angegriffenen Regelungen zuständig.

a) Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem [X.] obliegt grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat. Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Erforderlich ist, dass es sich zum einen um eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht. Das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des [X.], der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt. Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des Unternehmens und der einzelnen Betriebe. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zustimmung des [X.] zu begründen ([X.] 17. März 2015 - 1 [X.] - Rn. 29 [X.], [X.]E 151, 117).

b) In Unternehmen mit mehreren Betrieben sind im Bereich des § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.] regelmäßig die Einzelbetriebsräte für die Regelung der davon erfassten Angelegenheiten zuständig. Der Gesamtbetriebsrat ist nur zuständig, wenn die Maßnahmen des Arbeits- und [X.]es eine überbetriebliche Angelegenheit betreffen und diese durch die einzelnen Betriebsräte nicht geregelt werden können (vgl. für unternehmensweit einheitliche Arbeits- und Sicherheitsanweisungen für Montagearbeiten im [X.] [X.] 16. Juni 1998 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 89, 139). Hierfür ist bei den vorliegenden Regelungen zum [X.] im Zusammenhang mit dem Raumklima nichts ersichtlich. Eine solche mitbestimmte Angelegenheit bezieht sich typischerweise konkret auf die Gegebenheiten in den einzelnen Arbeitsräumen auf betrieblicher Ebene.

c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt eine Zuständigkeit des [X.] für die strittigen Maßnahmen nicht aus dessen Kompetenz für - im Wege der G[X.] Unternehmenskleidung getroffene - Regelungen zu einer einheitlichen [X.]. Es trifft zwar zu, dass der Gesamtbetriebsrat eine in seine Zuständigkeit fallende Angelegenheit gemeinsam mit dem Arbeitgeber zu regeln hat und nicht auf eine bloße Rahmenkompetenz beschränkt ist. Eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kann nicht aufgespalten werden in Teile, die in die Zuständigkeit des [X.] fallen, und solche, für welche die örtlichen Betriebsräte zuständig sind (vgl. [X.] 14. November 2006 - 1 [X.] - Rn. 33 ff. [X.], [X.]E 120, 146). Die Rechtsbeschwerde verkennt aber, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Regelungen der [X.] Klima und dem Regelungsbereich einer einheitlichen [X.] nicht um dieselbe „Angelegenheit“ iSd. § 50 Abs. 1 Satz 1 [X.] handelt. Die einheitliche [X.] betrifft die betriebliche Ordnung und ist Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 [X.] (vgl. zB [X.] 21. Juli 2009 - 1 [X.] - Rn. 23, [X.]E 131, 225). Betreffen [X.] unterschiedliche Mitbestimmungstatbestände, folgt aus der Zuständigkeit des [X.] für die eine Regelungsmaterie keine solche für die andere (vgl. für Interessenausgleich und Sozialplan [X.] 3. Mai 2006 - 1 [X.] - Rn. 27 [X.], [X.]E 118, 131).

3. Die streitbefangenen Regelungen sind schließlich nicht deshalb unwirksam, weil sie zu unbestimmt wären oder gegen normative Vorgaben verstießen oder die Einigungsstelle mit ihnen ihrem Regelungsauftrag nicht nachgekommen wäre.

a) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, hat die Einigungsstelle mit Ziffer 7 Satz 3 dritter Spiegelstrich [X.] Klima („personenbezogene Maßnahmen wie Erlaubnis zum Tragen von an die Dienstkleidung angepassten Pullovern und Westen“) keine lediglich rahmenmäßige Vorgabe getroffen, die ihrerseits wieder ausfüllungsbedürftig wäre. Die Bestimmung legt vielmehr in dem von § 3a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.] iVm. Punkt 3.5 des Anhangs der Arbeitsstättenverordnung (Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Abs. 1 [X.]) gesteckten Rahmen eine Maßnahme konkret fest. Diese mag ihrerseits - im Hinblick auf die „Anpassung“ der Pullover und Westen an die Dienstkleidung - ggf. auslegungsbedürftig sein, erschöpft sich aber nicht in einer erst noch näher auszugestaltenden Regelung und konkretisiert insoweit auch die nach Punkt 4.2 (2) letzter Spiegelstrich [X.] [X.] - Raumtemperatur - vorgesehene Maßnahme („… personenbezogene Maßnahmen [z.B. geeignete Kleidung]“). Auch steht es dem Gebot der Klarheit und Bestimmtheit von betriebsverfassungsrechtlichen Normen prinzipiell nicht entgegen, dass sie der Auslegung bedürfen, unbestimmte Rechtsbegriffe oder Generalklauseln enthalten ([X.] 11. Oktober 2016 - 1 [X.] - Rn. 20 [X.]).

b) Gleiches gilt für den in der Anlage 2 Maßnahmenkatalog festgelegten Verzicht auf das Tragen von Krawatten. Es handelt sich um eine konkrete Festlegung, auch wenn sie an den ausfüllungsbedürftigen Begriff des „Lockerns der Dienstkleidung“ nach Punkt 4.4 (2) Tabelle 4 unter f) [X.] [X.] - Raumtemperatur - („Lockerung der Bekleidungsregelungen“) anknüpft.

c) Die Maßnahme des Krawattenverzichts ist - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - auch nicht deshalb unzulässig, weil sie über die eine Priorisierung von technischen und organisatorischen gegenüber personenbezogenen Maßnahmen festlegenden Vorgaben von Punkt 4.4 (2) [X.] [X.] - Raumtemperatur - hinausginge. Den Technischen Regelungen für Arbeitsstätten kommt kein Unabdingbarkeitsanspruch zu. Die im Wege der Mitbestimmung auszufüllende [X.] ist § 3a Abs. 1 Satz 1 [X.]. Das für die Konkretisierung heranzuziehende Arbeitsstättenrecht ist durch ein dreistufiges Regelungskonzept gekennzeichnet. Die [X.] enthält allgemein gehaltene Verhaltensvorgaben. Die Anforderungen an die Einrichtung und das Betreiben der Arbeitsstätten sind im Einzelnen im Anhang zur [X.] als deren normativer Teil verbindlich niedergelegt. In ihm sind einzelne Bereiche wie etwa die Raumtemperatur geregelt. Zu deren Ausfüllung dienen die Technischen Regeln für Arbeitsstätten. Sie sind selber keine Rechtsnormen, haben aber praktische Bedeutung, indem sie als dokumentierte, allgemein anerkannte Regeln bzw. gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse angesehen werden können. Bei ihrer Einhaltung ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber die Anforderungen der [X.] erfüllt (§ 3a Abs. 1 Satz 3 [X.]). Ihm - und damit auch den Betriebsparteien - ist es aber freigestellt, vom technischen Regelwerk abzuweichen, sofern durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und der gleiche [X.] erreicht werden (§ 3a Abs. 1 Satz 4 [X.]).

        

    Schmidt     

        

    Treber     

        

    K. Schmidt     

        

        

        

    Zorn     

        

    Pollert    

                 

Meta

1 ABR 59/15

18.07.2017

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Stuttgart, 28. Mai 2015, Az: 21 BV 23/15, Beschluss

§ 50 Abs 1 S 1 BetrVG, § 3a Abs 1 S 1 ArbStättV 2004, § 3a Abs 1 S 3 ArbStättV 2004, § 5 ArbSchG, § 87 Abs 1 Nr 7 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.07.2017, Az. 1 ABR 59/15 (REWIS RS 2017, 7872)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7872

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