Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.10.2014, Az. 2 StR 240/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 2150

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 240/14
vom
15. Oktober
2014
in der Strafsache
gegen

wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

-
2
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Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 15. Oktober 2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Appl

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Prof. [X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
[X.] am [X.]
[X.],

Staatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
[X.]in am Amtsgericht

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten,

Rechtsanwältin

als Vertreterin der Nebenklägerin

[X.]

,
Rechtsanwältin

als Vertreterin der Nebenklägerin

A.

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29.
November 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird
das vorbezeichne-te Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abge-sehen worden ist,
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmit-tels
und die den [X.] im Revisionsverfahren in-soweit entstandenen notwendigen Auslagen,
an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Von einer Un-terbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision
auf die [X.] der Sicherungsver-wahrung
beschränkt. Die Revision des Angeklagten ist erfolglos.
Dagegen hat das vom [X.] vertretene

nicht wirksam beschränkte

Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft in dem aus der Urteilsformel
ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.
1. Nach den Feststellungen des [X.] ist der 23 Jahre alte Ange-klagte u. a. wie folgt vorbestraft:
a) Das [X.] verwarnte
ihn am 25. November 2010 wegen Beleidigung mittels Tätlichkeit

jugendrichterlich und
erteilte eine Weisung. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte im März 2010 auf der [X.] hinter die ihm nicht bekannte 16 Jahre alte Geschädigte getreten war, beide Hände um ihre Hüften gelegt und

ohne ihre Gegenwehr zu beachten

seinen Unterleib an ihrem Gesäß gerieben hatte.
Der Angeklagte, der aufgrund der ihm erteilten jugendrichterlichen Wei-sung eine Beratungsstelle aufgesucht
hatte, [X.] dort den Sachverhalt ein in der Familie herrschendes, abwertendes Frauenbild. 1
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Da er aber BehandMitarbeiterin für weitere Gesprächstermine aus, zu denen es allerdings in der Folge nicht kam.
b) Am 5. August 2011 sprach das [X.] den Angeklagten der versuchten Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und der [X.] schuldig und verhängte unter Einbeziehung des vorgenannten Urteils eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten.
Der Verurteilung lag folgendes zugrunde:
Der Angeklagte hatte am 21.
November 2010 gegen Mitternacht die ihm unbekannte 18-jährige Geschädigte, der er zuvor gefolgt war, darauf angespro-chen, sie näher kennen lernen zu wollen. Der Angeklagte hatte sich hinter ihr durch eine Haustür
gedrängt
und wurde zunehmend aggressiver. Er griff der Geschädigten von vorn in die Hose und Unterhose und berührte mit seiner Hand mehrfach ihre Vagina. Sodann drängte er die Geschädigte die Kellertrep-pe hinunter und versuchte ihre Stoffhose herunterzuziehen, was ihm aufgrund ihrer Gegenwehr nicht gelang. Als die Geschädigte um Hilfe rief, hielt ihr der Angeklagte den Mund zu. Eine Nachbarin, die auf das Geschehen aufmerksam geworden war, machte sich bemerkbar, woraufhin der Angeklagte die weitere Tatausführung aufgab und flüchtete.
Bereits Anfang Oktober 2010 hatte der Angeklagte mit sechs weiteren Mittätern entsprechend einem gemeinsamen Tatplan die Wohnung eines weite-ren Geschädigten aufgesucht. Unter dem Eindruck zuvor
erhaltener Schläge durch zwei Mittäter und des Vorhaltens eines Teleskopschlagstockes durch den Angeklagten hatte

übergeben; das Geld hatten
die Täter untereinander aufgeteilt.
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Der Angeklagte
verbüßte die Jugendstrafe bis Mitte November 2012. Im [X.] daran hat das [X.] die Dauer der Führungsauf-sicht auf
drei Jahre festgesetzt und dem Angeklagten u.a. die Weisung erteilt, Kontakt bei einer Beratungsstelle für die Behandlung sexualisierter Gewalt auf-zunehmen und dort regelmäßig Beratungsgespräche wahrzunehmen, wozu es indes in der Folgezeit nicht kam.
2.
Zur Sache hat das [X.] folgende Feststellungen getroffen:
a)
Am 22. März
2013 begab sich der Angeklagte
in den Garten der [X.].

. Er stellte sich unmittelbar vor eines der großen Fenster des Wohnzimmers, ließ seine Hose herunter und begann, an seinem erigierten Penis zu manipulieren. Dabei kam es ihm sowohl darauf an, die beiden etwa ein bis zwei Meter von dem Fenster entfernt auf einer Couch sitzenden 13-
und 14-r auf etwa 17 Jahre schätzte, zu sehen, als auch von diesen bei Vornahme der waren durch den Anblick des onanierenden Angeklagten geschockt und [X.] Ekel, was der Angeklagte in Kauf nahm. Der Angeklagte ejakulierte so-dann auf den
Terrassenboden
(Fall [X.] 1. der Urteilsgründe).
b) Am 30. April 2013 stand der Angeklagte in einem Flur eines [X.] der 7-jährigen Nebenklägerin A.

gegenüber, öffnete seine H
ablehnte. Der Angeklagte, der im Wohnhaus eine Tür schlagen hörte, zog sich wieder an und forderte die Nebenklägerin auf, mit ihm in [X.] zu kommen. Dort entblößte der Angeklagte seinen Penis erneut und forderte die Nebenklä-gerin mehrfach auf, diesen in den Mund zu nehmen. Die Nebenklägerin lehnte 8
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dieses Ansinnen wiederum ab. Der Angeklagte zog sodann
der Nebenklägerin die Hose herunter, betrachtete ihre unbekleidete Scheide und streichelte sie im Genitalbereich. Als die Nebenklägerin sich die Hose wieder hochzog, sich um-drehte und weglaufen
wollte, hielt sie der Angeklagte am T-Shirt fest und zog sie zurück. Erneut forderte er sie auf, seinen Penis in den Mund zu nehmen, was die Nebenklägerin jedoch wiederum ablehnte. Als diese
zu weinen begann, ließ der Angeklagte von ihr ab und ergriff die Flucht
(Fall [X.] 3. der Urteilsgrün-de).
c) Am 19. Mai 2013
gegen 06.45 Uhr begab sich der Angeklagte in ein Kinderkrankenhaus und betrat verschiedene Krankenzimmer. In [X.], in das er ging, schlief eine Frau, die er an ihrem Kopftuch und an ihrem Rücken berührte. Als die Frau davon erwachte, verließ er [X.]. In dem nächsten Raum, den
der Angeklagte betrat, schlief ebenfalls eine Frau. Er hob die Bettdecke an und betrachtete deren bekleideten Genitalbereich. Als die Frau erwachte verließ er [X.].
Sodann betrat er [X.] der 10-jährigen Nebenklägerin [X.]

, die dort mit einem anderen Mädchen schlief. Der Angeklagte trat an das Bett heran, zog die Bettdecke herunter und streichelte die Nebenklägerin zunächst am Bauch, wovon diese
aufwachte. Der Angeklagte zog sodann deren
Hose und Unterhose herunter, betrachtete ihre unbekleidete Scheide und streichelte sie sich mit seinem erigierten Penis dem Gesicht der Nebenklägerin und forderte sie auf, ihn in den Mund
zu nehmen. Die Nebenklägerin lehnte jedoch mehr-fach ab. Als der Angeklagte auf dem [X.] ein Geräusch hörte, ver-ließ er [X.] und das Krankenhaus (Fall [X.] 5. der Urteilsgründe).
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3.
[X.] hat gegenüber dem umfassend geständigen Ange-klagten im Fall [X.] 1. der Urteilsgründe wegen exhibitionistischer
Handlungen
gemäß § 183 Abs. 1 StGB
auf eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, im Fall [X.] 3. und [X.] 5. der Urteilsgründe jeweils wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] gemäß § 176 Abs. 1 StGB auf Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren erkannt. Von jeweils (tateinheitlichen) versuchtem schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes (in den Fällen [X.] 3. und
[X.]
5. der Urteilsgründe) bzw. von einer (tateinheitlich) versuchten Vergewaltigung (im Fall [X.] 3. der Urteilsgründe) sei der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten.
[X.]
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Insbesondere hat das Tatgericht den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen vertretba-rer Strafbemessung nicht überschritten.
I[X.]
Die
zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsan-waltschaft
hat Erfolg; zugleich führt das Rechtsmittel

zu Gunsten des Ange-klagten

zur Aufhebung des Strafausspruchs.
1. Der Senat kann offen lassen, ob die Revision auf die [X.] der Sicherungsverwahrung deswegen beschränkt
ist, weil

trotz eines den Schuld-
und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrags

der Inhalt der [X.] ausschließlich Ausführungen zur [X.] der Maßregelentscheidung enthält (vgl. zur Auslegung des Angriffsziels unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV: Senat, Urteil vom 11. Juni 2014

2 [X.], [X.], 285 [X.]).
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Die Beschränkung der Revision auf die [X.] der Sicherungs-verwahrung, die grundsätzlich isoliert auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. [X.], Urteil vom 24. November 2011

4 StR 331/11, [X.], 156, 157
[X.]), wäre indes hier unwirksam. Das [X.] hat den Angeklagten unter anderem auch deswegen nicht in der Sicherungsverwahrung untergebracht, weil aufgrund der Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs bei dem Angeklag-ten eine Haltungsänderung erwartet werden könne. Damit hat es Strafhöhe und Maßregelanordnung in einen inneren Zusammenhang gesetzt, der eine ge-trennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt
(vgl. [X.], Urteil vom [X.] 2011

3 [X.], insoweit in [X.], 172 nicht abgedruckt; Urteil vom 11. Juli 2013

3
[X.], insoweit in [X.], 707
nicht abge-druckt).
2. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das [X.] rechtsfeh-lerhaft von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat.
a) [X.] hat zutreffend die formellen und materiellen Voraus-setzungen des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB bejaht. Dem Sachverständigen folgend hat das [X.]
einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten und dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB festgestellt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erin-nern.
Das [X.] hat allerdings aufgrund seines unzutreffenden rechtli-chen Ansatzes verkannt, dass auch die

formellen und materiellen

Voraus-setzungen des §
66 Abs. 2 StGB vorgelegen haben
könnten. Das für die Ver-hängung der Sicherungsverwahrung
gemäß § 66 Abs. 2 StGB erforderliche Vorliegen von drei vorsätzlichen Taten setzt nicht voraus, dass diese Taten

wovon die [X.] fehlerhaft ausgegangen ist

gemeinsam in der Ent-18
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scheidung abgeurteilt werden, in der die Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs.
2 StGB angeordnet werden könnte. Vielmehr können eine oder zwei von diesen Taten schon vorher rechtskräftig abgeurteilt sein, sofern der Täter [X.] eine der Symptomtaten als Erwachsener begangen hat
(vgl. auch [X.], Beschluss vom 20. Dezember 2001

2 [X.], [X.]R StGB § 66 Abs.
3 Katalogtat 2; [X.], Beschluss vom 12. Januar 2010

3 [X.], [X.], 142, 143).

Neben den Fällen [X.] 3. und [X.] 5. der Urteilsgründe ist der Angeklagte durch das [X.] am 5. August 2011 zu einer einheitlichen Jugend-strafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden; dieser Verurteilung lagen ausschließlich Katalogtaten gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) und lit. b) StGB zugrunde.
Eine in einem früheren Verfahren ausgesprochene einheitli-che Jugendstrafe nach § 31 JGG erfüllt indes die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 StGB nur, wenn zu erkennen ist, dass
der Täter [X.] bei einer der ihr zugrundeliegenden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert [X.] worden wäre
(vgl. [X.], Beschluss vom 23. August 2001

3 [X.], [X.], 29; [X.], StGB, 61. Aufl., § 66 Rdn. 26, jeweils [X.]). Dies fest-zustellen, ist tatrichterliche Aufgabe, die dem über die Sicherungsverwahrung entscheidenden [X.] obliegt. Dabei hat der Tatrichter festzustellen, wie der [X.] des Vorverfahrens die einzelnen Taten bewertet hat; er darf sich nicht an dessen Stelle setzen und im Nachhinein eine eigene Strafzumessung vor-nehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 23. August 2001

3 [X.], [X.], 29 [X.]). Entsprechende Feststellungen muss der Tatrichter so belegen, dass eine ausreichende revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist.
b) Soweit die [X.] im Folgenden im Rahmen ihrer Ermes-sensausübung die [X.] der Sicherungsverwahrung auch damit be-22
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gründet hat, der Angeklagte
habe

Prüfung der [X.] der Maßregel einen unzutreffenden Bezugspunkt gewählt. [X.] ist, welche Straftaten vom Angeklagten zukünftig zu erwarten sind; die [X.] haben dafür nur indizielle Bedeutung (vgl. auch [X.], aaO, § 62 Rdn. 3a
ff. [X.]). Bezogen auf Hang und Gefährlichkeit hat das [X.] insoweit aber ausgeführt, dass der Angeklagte, dem jegliche Opferempathie , seine sexuellen Interessen mittels Einsatzes von Gewalt und das Eindringen in persönlichste Schutzbereiche seiner Opfer zu

durch Impulsivität und Aggressivität gekennzeich-neten

Persönlichkeitsstruktur seien seine sexuellen Übergriffe regelmäßig gegen besonders schwache und hilflose Frauen oder Mädchen gerichtet. Diese Umstände hat das [X.] im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ausreichend in den Blick genommen.
c)
Auch im Übrigen hat das [X.]
das ihm durch § 66 Abs. 3 Satz
2 StGB eingeräumte Ermessen

auch eingedenk eingeschränkter revisi-onsgerichtlicher Nachprüfung

rechtsfehlerhaft ausgeübt. Die Erwägung des [X.], eine Haltungsänderung des Angeklagten während der Dauer des Strafvollzugs sei zu erwarten, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
aa) Die Beurteilung, ob ein Angeklagter infolge seines Hanges zur Bege-hung schwerer Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, richtet sich nach der Sachlage zum Zeitpunkt der Aburteilung
(§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB iVm § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB). Dieses hat die [X.] im Ansatz auch nicht verkannt.
Soweit indes die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB oder

wie vom [X.] angenommen

nach § 66 Abs. 3 Satz 2 24
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StGB in Betracht kommt, ist es dem Tatrichter grundsätzlich gestattet, bei der Ausübung seines Ermessens die zu erwartenden Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs auf die Gefährlichkeit des Angeklagten zu berücksichtigen. Ihm ist die Möglichkeit eröffnet, sich ungeachtet der hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfindung auf die Verhängung einer Frei-heitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Ange-klagte schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt (vgl. auch [X.], Urteil vom 11. Juli 2013

3 [X.], [X.], 707).
Ein Absehen von der Verhängung der Sicherungsverwahrung bei [X.] dieses Ermessens ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhalts-punkte erwarten lassen, dass dem Täter aufgrund der Wirkungen eines langjäh-rigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie [X.] Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maß-nahmen im Strafvollzug reichen nicht aus (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 3.
Februar 2011

3 [X.], [X.], 172; Urteil vom 11. Juli 2013

3 [X.], [X.], 707, jeweils
[X.]).
bb) Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des
[X.] nicht ge-recht.
(1) Im Rahmen der Prognosebeurteilung hat das [X.] ausgeführt, auch für die Zukunft ernsthaft damit zu rechnen ist, dass er seinen devianten sbereits, dass allein durch [X.] eine Haltungsänderung des Ange-klagten, die zu einer Verminderung seiner Gefährlichkeit führen wird, nicht zu erwarten ist.
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(2) Die vom [X.] sind nicht belegt. Während seiner ersten Inhaftierung war der Angeklagte zu t. Eine Haltungsänderung im [X.] der Haft habe
sich lediglich insoweit abgezeichnet, dass der Angeklagte zu
er Haft habe der Angeklagte entsprechende Therapieauflagen

[X.]

nicht eingesehen (zu haben), dass er Hilfe brauche und bereit sei, aktiv an sich zu

schon in der Vergangenheit [X.] und Kooperation vorgetäuscht habe. Da jedoch während der [X.] des jungen Alters des Angeklagten, der durch die Inhaftierung ein-getretenen Isolierung von seiner Familie sowie der Tatsache, dass im Rahmen der ersten Inhaftierung bereits Verhaltensänderungen zu beobachten waren,

Damit hat das [X.] indes nur denkbare Wirkungen des künftigen Strafvollzugs benannt, die kaum mehr als eine Hoffnung beschreiben. Über die im Ansatz vorhandene allgemeine Unrechtseinsicht und

möglicherweise nur vorgetäuschte

[X.] des Angeklagten hinaus werden konkrete Anhaltspunkte für einen erwartbaren Erfolg der resozialisierenden und thera-peutischen Maßnahmen im Strafvollzug

unbeschadet nicht mitgeteilter [X.]

nicht benannt.
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d) Nach alledem muss über die
Anordnung der
Sicherungsverwahrung nochmals entschieden werden.
Die aufgrund der Weitergeltungsanordnung im Urteil des [X.] vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., [X.] 128, 326) auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des [X.] in vorliegendem Fall weiterhin (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 17.
April 2014

3 StR 355/13, [X.], 207 [X.]) vorzunehmende "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" steht der Anordnung der Sicherungsver-wahrung hier nicht von vornherein entgegen
(vgl. zur [X.] gemäß § 176 Abs. 1 StGB: [X.], Urteil vom 19. Februar 2013

1 [X.], [X.]R StGB §
66 Abs. 1 Gefährlichkeit 9
[X.]).

Sofern auch nach erneuter Verhandlung keine konkreten Anhaltspunkte für einen erwartbaren Erfolg der resozialisierenden und therapeutischen Maß-nahmen im Strafvollzug vorliegen sollten, bleibt es der Prüfung nach § 67c StGB vorbehalten, ob der Angeklagte nach [X.] weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich und daher der Vollzug der Sicherungsverwahrung ge-boten ist (vgl. [X.], Urteil vom 4. Februar 2004

1 [X.], [X.]R StGB §
66 Abs. 1 Gefährlichkeit 7; Urteil vom 3.
Februar 2011

3 [X.], [X.], 172).
3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im (unterbliebenen) [X.] führt zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung auch des gesamten Strafausspruchs. Im Hinblick auf die Erwägungen des an-gefochtenen Urteils zu den möglichen Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die verhängten Einzelstrafen [X.] die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das [X.] die nunmehr erneut im Raum stehende Sicherungsverwahrung verhängt hätte (vgl.
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auch [X.], Urteil vom 11. Juli 2013

3 [X.]
[X.], insoweit in
[X.], 707
nicht abgedruckt).
Im Übrigen hat die Überprüfung des Straf-ausspruchs keinen Rechtsfehler ergeben.
[X.]Eschelbach

[X.] [X.]

Meta

2 StR 240/14

15.10.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.10.2014, Az. 2 StR 240/14 (REWIS RS 2014, 2150)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2150

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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