Bundessozialgericht, Urteil vom 06.08.2014, Az. B 11 AL 2/13 R

11. Senat | REWIS RS 2014, 3592

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Gegenstand

(Ersatzanspruch des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 34a SGB 2 - Erstattung rechtswidrig erhaltener Leistungen für die Lebensgefährtin und deren Kind - verfassungskonforme Auslegung)


Leitsatz

Einen Grundsicherungsberechtigten trifft keine Erstattungspflicht (§ 34a SGB 2 in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung), soweit rechtswidrig erhaltene Leistungen seine mit ihm in einem Haushalt lebende Lebensgefährtin und deren Tochter, deren Vater er nicht ist, betreffen.

Tenor

Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen gegen das Urteil des [X.] vom 29. November 2012 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte und der Beigeladene haben jeweils zur Hälfte dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob dem Kläger Arbeitslosengeld ([X.]) auszuzahlen ist, das die Beklagte wegen eines angemeldeten Erstattungsanspruchs des Beigeladenen einbehalten hat.

2

Der Kläger lebt mit seiner Lebensgefährtin und deren Tochter, deren Vater er nicht ist, in einem Haushalt. Für Jan[X.]r 2010 gewährte der Beigeladene dem Kläger, der Lebensgefährtin und deren Tochter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ausgehend vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft errechnete der Beigeladene einen monatlichen Gesamtbedarf von 445,95 Euro, wovon dem Kläger 215,52 Euro, seiner Lebensgefährtin 215,53 Euro und deren Tochter 14,90 Euro ausgezahlt wurden.

3

Die Beklagte bewilligte dem Kläger, der sich im Dezember 2009 arbeitslos gemeldet hatte, [X.] ab 5.12.2009 für die Dauer von 360 Tagen. Gleichzeitig teilte sie dem Kläger mit, die Leistung werde für die [X.] vom 5.12.2009 bis 31.1.2010 auf 0,00 Euro festgesetzt, sodass eine Zahlung erst ab 1.2.2010 in Höhe von täglich 32,27 Euro erfolgen könne; die an ihn, seine Lebensgefährtin und deren Tochter für Jan[X.]r 2010 erbrachten Grundsicherungsleistungen von insgesamt 445,95 Euro seien einzubehalten und zur Erstattung an den Beigeladenen auszuzahlen (Bescheid vom 7.1.2010).

4

Der Kläger erhob Widerspruch hinsichtlich der Einbeziehung der an seine Lebensgefährtin und deren Tochter gezahlten Beträge (insgesamt 230,43 Euro). Daraufhin änderte die Beklagte ihre Entscheidung und teilte dem Kläger mit, es seien für die [X.] vom 5.12.2009 bis 18.12.2009 von einem täglichen Leistungsbetrag von jeweils 36,03 Euro verschiedene Einbehalte wegen eines Erstattungsanspruchs des Beigeladenen bis zur Gesamthöhe von 445,95 Euro abzuziehen (Änderungsbescheid vom 19.1.2010).

5

Die Beklagte wies den Widerspruch, den der Kläger auch auf den Änderungsbescheid erstreckt hatte, als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 7.6.2010). Zur Begründung führte sie [X.] aus, eine Absetzung für Tage im Dezember 2009 sei lediglich aus technischen Gründen erfolgt und die für Ehepartner und Kinder geltende Ausgleichsregelung sei entsprechend auch auf die Lebensgefährtin des [X.] und deren Tochter anzuwenden.

6

Das Sozialgericht ([X.]) hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger weiteres [X.] in Höhe von 230,43 Euro zu zahlten (Urteil vom 29.9.2011). Das [X.] (L[X.]) hat die vom [X.] zugelassenen Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen zurückgewiesen (Urteil vom 29.11.2012). Zur Begründung hat das L[X.] im Wesentlichen ausgeführt: Ein Bezieher von [X.] habe gemäß § 34a [X.] ([X.]B II) in der im Jahre 2010 geltenden Fassung nur eine Berücksichtigung der Leistungen an seinen nicht getrennt lebenden Ehe- oder Lebenspartner sowie seine Kinder hinzunehmen, nicht aber einen Ausgleich mit an eine Lebensgefährtin und deren Kinder erbrachten Leistungen. Eine entsprechende Anwendung des § 34a [X.]B II sei nicht möglich; der Gesetzgeber habe sehenden Auges darauf verzichtet, eine diesbezügliche Rechtsänderung vorzunehmen.

7

Die vom L[X.] zugelassene Revision haben jeweils die Beklagte und der Beigeladene eingelegt. Beide Revisionsführer rügen eine Verletzung des § 34a [X.]B II in der bis zum [X.] geltenden Fassung (aF). Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus: Die Ehe dürfe gegenüber einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht in ungerechtfertigter Weise schlechter gestellt werden. § 34a [X.]B II aF sei deshalb so auszulegen, dass er auch eine nichteheliche Lebensgefährtin erfasse. Der in § 34a [X.]B II aF verwendete Begriff des "Lebenspartners" sei nicht im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) zu verstehen, sondern im Sinne eines allgemeinen Partnerbegriffs. Zumindest sei eine analoge Anwendung geboten.

8

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils,
das Urteil des [X.]s Nordrhein-Westfalen vom 29.11.2012 und das Urteil des [X.] vom 29.9.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen,

Er hält die Urteile des L[X.] und des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>).

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler liegen nicht vor.

Die Revisionen wie auch die Berufungen sind jeweils kraft Zulassung statthaft; daran ist der [X.] gebunden. Es bestehen auch keine Bedenken gegen die materielle Beschwer und damit die Rechtsmittelberechtigung des Beigeladenen (vgl etwa [X.], 207, 208 = [X.]-2500 § 101 [X.] mwN). Denn die Entscheidung über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch wirkt sich auch auf das Rechtsverhältnis zwischen der [X.]n und dem Beigeladenen aus und dieser sieht sich bei Erfolg der Klage einer Rückerstattungsforderung hinsichtlich der bereits erstatteten 230,43 Euro ausgesetzt (§ 112 [X.] <[X.]B X>).

Das [X.] ist auch zu Recht von der Zulässigkeit der Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 [X.]G) ausgegangen. Die angefochtenen Bescheide vom [X.] bzw [X.], jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.6.2010, enthalten in Bezug auf die vorgenommenen Einbehaltungen von den kalendertäglichen Leistungsbeträgen, die Nichtauszahlung in bestimmter Höhe und die Ankündigung der Auszahlung in gleicher Höhe an den Beigeladenen eigenständige Verfügungssätze. Zur Durchsetzung seines Rechtsanspruchs auf Auszahlung von [X.] ist der Kläger gehalten, gegen die ihn belastenden Regelungen mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage vorzugehen.

2. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit die [X.] in ihnen verfügt hat, von den Leistungsansprüchen des [X.] auch jene 230,43 Euro einzubehalten und an den Beigeladenen zu erstatten, die zuvor an die Lebensgefährtin des [X.] und deren Tochter gezahlt worden sind. Insoweit hat das [X.] die Bescheide zu Recht aufgehoben und das [X.] diese Entscheidung zu Recht bestätigt. [X.] ist, dass sich die Aufhebung der Bescheide durch das [X.] - wie sich auch aus den Gründen der vorinstanzlichen Entscheidungen unzweifelhaft ergibt - nur auf die vom Kläger angefochtenen Verfügungssätze bezieht und die ebenfalls den Bescheiden zu entnehmende Bewilligung bzw Auszahlung von [X.] für die übrigen Zeiten ab 5.12.2009 unberührt lässt.

a) Offenlassen kann der [X.], ob sich die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide bereits daraus ergibt, dass die [X.] zunächst Verfügungen über Einbehaltungen für Teile des Monats Dezember 2009 enthalten, obwohl der Beigeladene Leistungen an den Kläger, seine Lebensgefährtin und deren Tochter erst für den Monat Januar 2010 erbracht hat. Dass damit dem Erfordernis einer zeitlichen Kongruenz zwischen zu erstattender und ersetzender Leistung (vgl hierzu Urteil des [X.]s vom 12.5.2011 - [X.] AL 24/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.]) nicht Rechnung getragen ist, hat die [X.] später erkannt und insoweit im Widerspruchsbescheid ausgeführt, die Regelungen der [X.] beruhten lediglich auf technischen Gründen, beträfen aber der Sache nach den Ausgleich von im Januar 2010 erbrachten Leistungen. Ob ein solches Vorgehen rechtmäßig ist, ist im Hinblick auf §§ 33, 41 [X.]B X sowie das Fehlen einer formellen Abhilfeentscheidung zweifelhaft. Die Frage kann aber auf sich beruhen, weil der Kläger jedenfalls aus anderen Gründen Anspruch auf Auszahlung der streitgegenständlichen einbehaltenen Beträge hat.

b) Dass dem Kläger in der streitgegenständlichen Höhe [X.] zusteht, folgt bereits aus der nicht angegriffenen Bewilligungsentscheidung der [X.]n und ist auch sonst zwischen den Beteiligten nicht streitig. Entgegen der Auffassung der [X.]n und des Beigeladenen kann dem Anspruch des [X.] auch nicht der Einwand der Erfüllung entgegengehalten werden.

Gemäß § 107 Abs 1 [X.]B X gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Ein solcher Erstattungsanspruch ergibt sich unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht aus § 104 Abs 1 S 1 [X.]B X, weil es bereits an der erforderlichen Personenidentität zwischen den von der zur Erstattung angemeldeten Leistung Begünstigten - hier der Lebensgefährtin des [X.] und deren Tochter - und dem Leistungsberechtigten - hier dem Kläger - mangelt (vgl zum Erfordernis der Personenidentität Urteile des [X.]s vom [X.] - [X.]-1300 § 104 [X.], und vom 12.5.2011 - [X.] AL 24/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.]).

c) Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus § 34a [X.]B II in der hier anzuwendenden aF, die durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] ([X.] 1706) eingeführt worden ist. Die Vorschrift bestimmt - ähnlich wie seit 1.4.2011 § 34b [X.]B II idF des Gesetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] ([X.] 453) - für den Fall eines Rechts des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Ersatz seiner Aufwendungen von einem anderen zu verlangen, gegen den Leistungsberechtigte einen Anspruch haben, dass als Aufwendungen auch solche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gelten, die an den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner des Hilfebedürftigen erbracht wurden sowie an dessen unverheiratete Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Die Vorschrift kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, weil die Tatbestandsvoraussetzungen - Ehegatte, Lebenspartner, Kind - nicht erfüllt sind.

Gegen eine unmittelbare Anwendung des § 34a [X.]B II aF auf die Lebensgefährtin des [X.] als sonstige Lebenspartnerin spricht der eindeutige Wortlaut der Norm. Nach dem für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs ([X.]B) geltenden § 33b [X.] ist die Lebenspartnerschaft im Sinne des [X.]B eine solche nach dem LPartG, also eine Verbindung gleichgeschlechtlicher Personen (§ 1 Abs 1 LPartG). Dementsprechend ist mit dem Lebenspartner iS des § 7 Abs 3 [X.] Buchst b [X.]B II in Abgrenzung zum Ehegatten nach § 7 Abs 3 [X.] Buchst a [X.]B II und sonstigen die Lebensführung gemeinsam bestreitenden Personen nach § 7 Abs 3 [X.] Buchst c, Abs 3a [X.]B II nur eine Person gemeint, die eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft nach dem LPartG begründet hat. Dem Vorbringen der [X.], der Begriff des Lebenspartners sei im Sinne eines allgemeinen Partnerbegriffs zu verstehen, vermag der [X.] nicht zu folgen.

Eine unmittelbare Anwendung des § 34a [X.]B II aF auf die Tochter der Lebensgefährtin des [X.] ist deswegen nicht möglich, weil diese kein leibliches Kind des [X.] ist. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 34a [X.]B II aF erfasst die Vorschrift nur Kinder des Leistungsberechtigten. Dies folgt sinngemäß auch aus den Gesetzesmaterialien zu § 114 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ([X.]B XII), dem § 34a [X.]B II nachgebildet ist (vgl BT-Drucks 16/1410 S 27; vgl auch früher § 140 Bundessozialhilfegesetz <[X.]>). Soweit zu § 34b [X.]B II, der seit 1.4.2011 an die Stelle des § 34a [X.]B II aF getreten ist und im Wortlaut gegenüber § 34a [X.]B II aF geringfügig abweicht, die Auffassung vertreten wird, die Vorschrift erfasse auch Kinder von Ehegatten oder Lebenspartnern (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, § 34b Rd[X.]0, Stand Februar 2012), kann offenbleiben, ob dem zu folgen ist. Der [X.] vermag aus der Formulierung in § 34b [X.]B II ("deren oder dessen unverheiratete Kinder") nicht zweifelsfrei zu erkennen, ob damit eine Änderung im Vergleich zu § 34a [X.]B II ("dessen unverheiratete Kinder") beabsichtigt war, zumal den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für eine Änderungsabsicht des Gesetzgebers zu entnehmen sind. Im vorliegenden Fall ist jedoch allein § 34a [X.]B II aF anzuwenden und dessen Fassung lässt keinerlei Zweifel aufkommen, dass er sich nur auf Kinder des Leistungsberechtigten selbst bezieht.

Entgegen dem Vorbringen der [X.] ist es nicht möglich, § 34a [X.]B II aF auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden. Soweit im Schrifttum eine analoge Anwendung mit Hinweisen auf den Zweck der Entlastung des Grundsicherungsträgers und die Annahme des wechselseitigen Einstehens innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 9 Abs 2 [X.]B II befürwortet worden ist (vgl [X.] in [X.], [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 34b Rd[X.]2; zustimmend [X.], [X.] 2010, 3021, 3023), ist zunächst klarzustellen, dass es sich bei der Bestimmung des Personenkreises, der bei Ersatzansprüchen des Grundsicherungsträgers im Sinne einer Modifizierung des Grundsatzes der Personenidentität zu berücksichtigen ist, um eine bewusste Begrenzung des Gesetzgebers handelt, sodass bereits aus diesem Grund keine ungewollte Regelungslücke zu erkennen und damit eine Analogie als ausgeschlossen anzusehen ist (in diesem Sinne etwa: [X.] in [X.], GK-[X.]B II, § 34a Rd[X.] 5, Stand Januar 2008; Hölzer in [X.], [X.]B II, § 34a Rd[X.]6, Stand Mai 2009; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, 3. Aufl 2011, § 34b Rd[X.]; [X.] in jurisPK-[X.]B II, 3. Aufl 2012, § 34b Rd[X.] 16; [X.] in [X.]/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 34b [X.]B II).

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen steht einer analogen Anwendung des § 34a [X.]B II aF aber insbesondere dessen Ausnahmecharakter entgegen. Die der Vorschrift zu entnehmende Abweichung vom Erfordernis der Personenidentität, die bei einem nachträglich zutage tretenden vorrangigen Leistungsanspruch eines Berechtigten auch die Berücksichtigung von Grundsicherungsleistungen zulässt, die nicht an den Berechtigten selbst, sondern an Dritte aus dessen Umfeld erbracht worden sind, enthält eine gesetzliche Fiktion und insoweit einen nicht unerheblichen Eingriff in den Rechtskreis des Berechtigten, der einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Zu bedenken ist dabei, dass der Anspruch auf [X.] durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Grundgesetz ([X.]) geschützt ist (vgl [X.] 72, 9 = [X.] 4100 § 104 [X.]). Der Eingriff in die Rechtsposition des Inhabers des Anspruchs auf [X.] kann als gerechtfertigt angesehen werden, weil er diesen so stellt, wie er stünde, wenn er sich pflichtgemäß verhielte, wenn er also sein Einkommen zur Bedarfsdeckung jener Personen mit einsetzen würde, denen er familienrechtlich zum Unterhalt verpflichtet ist. Insofern antizipiert § 34a [X.]B II aF in zulässiger Weise eine Form der Selbsthilfe, die in einer durch unterhaltsrechtliche Beziehungen geprägten Bedarfsgemeinschaft geboten ist. Dadurch schützt § 34a [X.]B II aF zugleich den Familienfrieden, indem er Aufhebungen bzw Rückforderungen nach § 48 Abs 1 S 2 [X.] [X.]B X iVm § 50 [X.]B X und damit unter Umständen Streitigkeiten um die Verteilung zugeflossenen Einkommens aus der vorrangigen Sozialleistung verhindert.

Von einer vergleichbaren Rechtfertigung kann dagegen bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 34a [X.]B II aF auf Lebensgefährten und deren Kinder keine Rede sein. Zwar wird auch zwischen diesen Personen und dem Inhaber des Anspruchs auf die vorrangige Leistung von einem gemeinsamen Wirtschaften und einem Einstehen füreinander ausgegangen (§ 2 Abs 1 S 1 und [X.], § 7 Abs 3 und Abs 3a, § 9 Abs 2 [X.]B II). Gleichwohl hat es der Gesetzgeber - bewusst - unterlassen, für den genannten Personenkreis gegenseitige unterhaltsrechtliche Ansprüche zu formulieren, falls entgegen der Vermutung des Einstehens füreinander das einer Bedarfsgemeinschaftsmitglied zufließende Einkommen nicht zur gemeinsamen Bedarfsdeckung verwendet wird. Damit kann bei nicht ehelichen bzw nicht lebenspartnerschaftlichen Lebensgefährten und bei Kindern anderer Personen als der des Berechtigten der von § 34a [X.]B II aF bezweckte Erfolg, ein pflichtgemäßes Verhalten normativ vorwegzunehmen, nicht erreicht werden. Zudem bleibt es dem Träger der Grundsicherung unbenommen, auf den Zufluss von Einkommen gegenüber den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft jeweils einzeln nach § 48 Abs 1 S 2 [X.], § 50 [X.]B X zu reagieren. Einer analogen Anwendung des § 34a [X.]B II aF auf die vorliegende Fallgestaltung steht somit kein legitimer Zweck und keine der gesetzlichen Regelung vergleichbare Interessenlage zur Seite.

Soweit der [X.] zum früheren Recht entschieden hat, dass bei [X.] infolge des sich überschneidenden Bezugs von Sozialhilfe und vorrangiger Arbeitslosenhilfe ([X.]) in analoger Anwendung des § 140 [X.] auch Lebensgefährten zu erfassen sind (Urteil vom [X.] - [X.]-1300 § 104 [X.]), berührt dies die vorliegende Entscheidung nicht. Denn die [X.] beruhte als steuerfinanzierte Leistung vorwiegend auf staatlicher Gewährung und nahm nicht am grundrechtlichen Eigentumsschutz des Art 14 [X.] teil ([X.] 128, 90 = [X.] 4-1100 Art 14 [X.]3). Die genannte frühere Rechtsprechung kann somit nicht auf eine Fallgestaltung übertragen werden, in der es um einen Eingriff in die vom [X.] geschützte Rechtsstellung des Inhabers des Anspruchs auf [X.] geht.

Der [X.] vermag schließlich nicht zu erkennen, dass durch die Verneinung einer analogen Anwendung des § 34a [X.]B II aF auf die vorliegende Fallgestaltung das durch Art 6 Abs 1 [X.] institutionell geschützte Lebensmodell der Familie (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], Art 6 Rd[X.] 69 ff mwN, Stand April 2012) in abwertender Weise diskriminiert würde. Denn die für eine eheliche bzw unterhaltsrechtlich geprägte [X.] über § 34a [X.]B II aF mögliche Korrektur eines "voreiligen" Bezugs von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann bei anderen [X.]en in anderer Weise durch § 48 Abs 1 S 2 [X.], § 50 [X.]B X ebenfalls erreicht werden.

Die Revisionen sind somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 2/13 R

06.08.2014

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Detmold, 29. September 2011, Az: S 3 AL 527/10, Urteil

§ 34a SGB 2 vom 20.07.2006, § 34b SGB 2 vom 24.03.2011, § 104 Abs 1 S 1 SGB 10, § 107 Abs 1 SGB 10, § 33b SGB 1, Art 6 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.08.2014, Az. B 11 AL 2/13 R (REWIS RS 2014, 3592)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3592

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