Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2015, Az. 3 StR 48/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 11984

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Gegenstand

Strafbarkeit wegen Raubes: Erzwingung der Herausgabe eines Mobiltelefons zur Löschung darauf befindlicher Videoaufnahmen


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des [X.] in [X.] vom 15. Oktober 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg. Der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

2

1. Nach den Feststellungen besaß der Geschädigte auf seinem Handy Aufnahmen der gesondert verfolgten [X.], auf denen erkennbar war, dass diese als Prostituierte arbeitete. Um an das Mobiltelefon mitsamt den Bildern zu gelangen, brachte die gesondert verfolgte [X.]die beiden Angeklagten mit der Behauptung, um sie zur Prostitution zu zwingen drohe ihr der Geschädigte, die Fotos ihrer Familie zu zeigen, zu dem Entschluss, diesem das Handy wegzunehmen. Zusammen mit zwei Mittätern begaben sie sich deshalb zu einem Feldweg, zu dem die gesondert verfolgte [X.]nach vorheriger Absprache den Geschädigten lockte. Auf der gemeinsamen Fahrt besprachen die vier Täter ihr Vorgehen. Sie fassten den Plan, die erwartete Gegenwehr des Geschädigten mit personeller Überlegenheit und Gewalt zu überwinden. Außerdem zeigte einer der Mittäter eine Schusswaffe oder ein Schusswaffenimitat (im Folgenden: die Waffe), wobei Einigkeit bestand, dass dieser Gegenstand jedenfalls zur Drohung eingesetzt werden sollte. Die Angeklagten beabsichtigten, dem Geschädigten das Flandy wegzunehmen und nicht wiederzugeben. Sie wollten es auf etwaige Aufnahmen untersuchen und diese löschen. Danach sollte über den Verbleib des Mobiltelefons entschieden werden. Während der Angeklagte U.    in dem abseits geparkten Fahrzeug verblieb, erwarteten der Angeklagte E.    und die beiden Mittäter den Geschädigten und die gesondert Verfolgte am verabredeten Ort. Als diese vorfuhren, riss der Angeklagte E.    die Beifahrertür auf und forderte den Geschädigten auf, auszusteigen. Dabei hielt ein Mittäter dem Geschädigten die Waffe an den Kopf. Dann zog ihn der Angeklagte E.    zusammen mit dem Mittäter aus dem Fahrzeug. Dieser schlug mit der Waffe auf den Kopf des Geschädigten ein, wobei der Angeklagte E.    den Geschädigten an den Beinen festhielt. Während der Angeklagte E.    die Schläge mit der Waffe billigte und sich in Kenntnis der Schläge weiter an der Tat beteiligte, erschien der Angeklagte U.    erst am [X.], nachdem der Mittäter die Übergriffe beendet hatte. Ein weiterer Mittäter suchte nach dem Mobiltelefon, fand es schließlich auf dem Boden neben dem Beifahrersitz und übergab es dem Angeklagten [X.], der es einsteckte. Der Verbleib des [X.] konnte nicht geklärt werden. Eine Überwachung der [X.] ergab, dass das Mobiltelefon einige Wochen später nochmals kurzzeitig in Betrieb genommen worden war.

3

2. Diese Feststellungen belegen nicht, dass die Angeklagten, wie von § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzt, die Absicht hatten, das Mobiltelefon des Geschädigten sich oder einem [X.] zuzueignen. Die [X.] ist gegeben, wenn der Täter im [X.]punkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen [X.] erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines [X.] "einverleiben" oder zu führen will ([X.], Urteil vom 28. Juni 1961 - 2 StR 184/61, [X.]St 16, 190, 192; Beschluss vom 5. März 1971 - 3 [X.], [X.]St 24, 115, 119; Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 [X.], [X.], 699, 701). An dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des [X.], den Bestand seines Vermögens oder den des Vermögens eines [X.] zu mehren, fehlt es dagegen, wenn er das [X.] nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie "zu zerstören", "zu vernichten", "preiszugeben", "wegzuwerfen", "beiseite zu schaffen", "zu beschädigen", sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (vgl. [X.], Urteile vom 26. September 1984 - 3 [X.], NJW 1985, 812; vom 27. Januar 2011 -4 [X.], [X.], 699, 701 jeweils mwN).

4

Nach diesen Maßstäben ist die Zugeignungsabsicht der Angeklagten hier nicht belegt. Sie wollten das Handy auf kompromittierende Aufnahmen der gesondert verfolgten [X.]untersuchen, um diese zu löschen. Was weiter mit dem Handy geschehen sollte, stand zum Tatzeitpunkt hingegen noch nicht fest. Vielmehr sollte erst später über seinen Verbleib entschieden werden. Zwar kann die [X.] auch bei einer Wegnahme mit dem Willen vorhanden sein, die Sache zunächst zu behalten und sich erst später darüber schlüssig zu werden, wie über sie zu verfügen sei ([X.], Urteil vom 25. Oktober 1968 - 4 StR 398/68, [X.] 1969, 306, 307). Doch ergeben die Feststellungen gerade nicht, dass die Angeklagten zum [X.]punkt der Wegnahme das Handy - wenn auch nur vorübergehend - über die für die Löschung der Bilder benötigte [X.] hinaus behalten wollten. Dass die von den Angeklagten beabsichtigte Durchsuchung des Speichers und die Identifizierung der dabei aufgefundenen Bilddateien im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lagen, ändert hieran nichts, denn diese führten nicht zu deren Verbrauch ([X.], Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 [X.], [X.], 627 mwN).

5

Auch eine - bei fehlender [X.] mögliche (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, [X.]St 14, 386) - Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) kommt auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht in Betracht, denn die Angeklagten handelten nicht in der Absicht, sich oder einen [X.] zu bereichern. [X.] Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur [X.], Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 [X.], [X.], 699, 701; Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 [X.], [X.], 627).

6

Nach alledem kann das Urteil keinen Bestand haben. Die Sache bedarf vielmehr neuer Verhandlung und Entscheidung.

7

3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

8

Soweit das [X.] den Angeklagten U.    wegen besonders schweren Raubes verurteilt hat, leidet das Urteil noch an einem weiteren Rechtsfehler: Die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist nur dann erfüllt, wenn der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand verwendet ([X.], Beschluss vom 17. Juni 1998 - 2 [X.], [X.]St 44, 103). Das ist beim Einsatz von [X.], wie er vorliegend nicht ausgeschlossen werden konnte, nicht der Fall ([X.], Beschluss vom 7. Januar 1999 - 4 [X.], [X.], 209). Zwar wurde die Waffe bei Tatbegehung auch als Schlagwerkzeug verwendet. Dieser Einsatz war aber vom gemeinsamen [X.] nicht umfasst und stellte sich mithin in Bezug auf den Angeklagten U.    als Mittäterexzess dar. Seine Bestrafung wegen besonders schweren Raubes kam damit nach den getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.

[X.]     

Schäfer     

[X.] befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

[X.]

Gericke     

Spaniol     

Meta

3 StR 48/15

28.04.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kleve, 15. Oktober 2014, Az: 223 KLs 11/14

§ 249 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2015, Az. 3 StR 48/15 (REWIS RS 2015, 11984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11984

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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