Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2021, Az. 1 StR 286/21

1. Strafsenat | REWIS RS 2021, 2779

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Gegenstand

Strafurteil u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung: Notwendige Feststellungen zur Gesundheitsbeeinträchtigung durch Beibringung von Kokain


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 31. März 2021 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, mit Körperverletzung, mit unerlaubtem Verabreichen von Betäubungsmitteln, mit Nötigung, mit Bedrohung und mit unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, mit gefährlicher Körperverletzung, mit vorsätzlicher unerlaubter Überlassung von Betäubungsmitteln, mit Nötigung, mit Bedrohung und mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unter [X.] von einem Jahr und sechs Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet, führt lediglich zu der aus der [X.] ersichtlichen geringfügigen Änderung des Schuldspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO); im Wesentlichen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. a) Der [X.] hat zur Abmilderung des Schuldspruchs von gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 StGB) auf (einfache) Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zutreffend ausgeführt:

ʺDie Annahme einer gefährlichen Körperverletzung durch das Beibringen eines anderen gesundheitsschädlichen Stoffes gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken, da das [X.] nur feststellt, dass der Angeklagte den Geschädigten [X.]zum Konsum einer Line Kokain veranlasst hat. Es verhält sich weder zur Gesundheitsschädlichkeit noch zu den etwaigen Folgen des Konsums ([X.] 7).ʺ

3

Auch wenn Kokain keine weiche Droge ist, muss ein Gelegenheitskonsum das körperliche Wohlbefinden nicht notwendigerweise beeinträchtigen; daher waren Feststellungen zu den konkreten Auswirkungen beim Nebenkläger erforderlich (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 2003 - 3 [X.] Rn. 9, [X.]St 49, 34, 37 f. mwN). Neue Erkenntnisse, die solche Feststellungen tragen könnten, sind in einem neuen Rechtsgang nicht zu erwarten.

4

b) Zur hiernach gebotenen Schuldspruchänderung hat der [X.] wie folgt Stellung genommen:

ʺDie Feststellungen tragen jedoch einen Schuldspruch wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB, da der Angeklagte dem Geschädigten [X.]mit dem Fuß ins Gesicht trat sowie ihm zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht schlug ([X.] 7). Die Körperverletzung ist auch vollendet, da der Geschädigte [X.]durch den Fußtritt jedenfalls eine Schwellung im Gesicht und Schmerzen erlitt ([X.] 7). Soweit das [X.] zugunsten des Angeklagten in der Strafzumessung erwägt, der Geschädigte habe keine körperlichen Schäden erlitten ([X.] 19), bezeichnet es so nur den Umstand, dass es zu keinen bleibenden physischen Schäden gekommen ist. Wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ist auch ein Einschreiten von Amts wegen geboten, § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB

5

c) Auch dem schließt sich der [X.] an. § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Denn auch der Fußtritt und das Schlagen mit der flachen Hand waren Gegenstand der Anklage; im Übrigen ist nicht ersichtlich, wie sich der geständige Angeklagte hiergegen wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

6

d) Insbesondere angesichts der Schwere des Tatbilds, das von der sexuellen Erniedrigung des [X.] geprägt ist, der Vielfältigkeit der abgenötigten Handlungen (u.a. [X.]), der Dauer der Tat von über zwei Stunden und der gravierenden psychischen Folgen für den Nebenkläger schließt der [X.] aus (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend), dass das [X.] eine niedrigere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hätte, wenn es von dem geringfügig abgeänderten Schuldspruch ausgegangen wäre.

7

2. Da der Angeklagte den Nebenkläger zwang, das Kokain einzunehmen, ist die Tatbestandsvariante des Verabreichens einschlägig (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b) Alternative 1 BtMG; vgl. [X.], Urteil vom 29. April 2009 - 1 StR 518/08, [X.]St 53, 288 Rn. 11) und der Schuldspruch entsprechend zu berichtigen.

8

3. Im Übrigen bemerkt der [X.] ergänzend zur Antragsschrift des [X.]s:

9

a) Dass das [X.] den Angeklagten nicht wegen Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 StGB) verurteilt hat, beschwert diesen nicht.

b) Die Vorschrift des § 241 StGB wird hier beim länger andauernden Geschehen nicht von den Vorschriften des § 177 StGB (dazu [X.], Beschluss vom 2. Juli 2019 - 2 StR 130/19 Rn. 4 f.), des § 239 StGB (dazu [X.], Beschluss vom 16. Juni 2021 - 3 [X.] Rn. 6 mwN) oder des § 240 StGB (dazu [X.], Beschluss vom 29. September 2020 - 5 StR 304/20 Rn. 3 mwN) verdrängt. Denn der Angeklagte sprach jedenfalls mit dem Androhen, die Leiche des [X.] zu zerstückeln, eine Bedrohung aus, die nicht dem Herbeiführen eines Nötigungserfolgs diente und mithin kein Nötigungsmittel war. Diese Androhung hat in dem mehraktigen Tatablauf ihre selbständige Bedeutung behalten.

Raum     

        

Jäger     

        

Bellay

        

Hohoff     

        

Leplow     

        

Meta

1 StR 286/21

08.09.2021

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kempten, 31. März 2021, Az: 2 KLs 350 Js 17242/20

§ 223 Abs 1 StGB, § 224 Abs 1 Nr 1 Alt 2 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2021, Az. 1 StR 286/21 (REWIS RS 2021, 2779)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2779

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2 StR 130/19

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