Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.06.2021, Az. AnwZ (B) 3/20

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2021, 4773

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Gegenstand

Richterablehnung im anwaltgerichtlichen Verfahren: Besorgnis des Befangenheit wegen eines in früheren Verfahren erfolgreich geltend gemachten Ablehnungsgrundes


Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 18. Februar 2021 gegen [X.] am [X.] [X.]wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller hat vor dem [X.] gegen die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anspruch in [X.]ezug auf das besondere elektronische Anwaltspostfach geltend gemacht. Gegen die vom [X.] erlassenen [X.]eschlüsse hat der Antragsteller [X.]eschwerde zum [X.] erhoben.

2

Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2021 lehnte der Antragsteller den Vorsitzenden [X.] G.    wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit ab. Dies begründete er damit, dass der [X.] im Verfahren [X.] ([X.]) 4/20 unter [X.]eteiligung des abgelehnten [X.]s eine [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision abschlägig beschieden habe, ohne ihm zuvor die ersuchte Akteneinsicht gewährt zu haben. Der [X.] habe daher in jenem Verfahren ein Ablehnungsgesuch gegen den abgelehnten [X.] - was zutrifft - für begründet erklärt. Wegen der Einzelheiten des Ablaufs in jenem Verfahren und wegen der Gründe für die Entscheidung des [X.]s über das Ablehnungsgesuch wird auf den [X.]eschluss vom 29. Januar 2021 - [X.] ([X.]) 4/20, Anw[X.]l. Online 2021, 566 [X.]ezug genommen (zur Akte gereicht als Anlage zum Schriftsatz des Antragstellers vom 18. Februar 2021, [X.]l. 75 ff. [X.]I).

3

Der Antragsteller ist der Ansicht, dies begründe die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit auch in diesem Verfahren.

4

Der abgelehnte [X.] hat sich am 11. März 2021 dahingehend dienstlich geäußert, dass die Entscheidung im früheren Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde einen auf einem bedauerlichen Versehen beruhenden Verfahrensfehler darstelle.

5

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 22. März 2021 zu der dienstlichen Äußerung dahingehend Stellung genommen, dass er befürchten müsse, dass der abgelehnte [X.] die Akte auch in diesem Verfahren nicht lesen werde.

II.

6

Das zulässige Ablehnungsgesuch war als unbegründet zurückzuweisen, da kein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten [X.]s zu rechtfertigen, § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.]RAO, § 54 VwGO, § 42 Abs. 1, 2 ZPO.

7

Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines [X.]s zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht eines [X.]eteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des [X.]s zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. [X.]GH, [X.]eschlüsse vom 10. Juni 2013 - [X.] ([X.]rfg) 24/12, NJW-RR 2013, 1211 Rn. 6; vom 15. März 2012 - V Z[X.] 102/11, [X.], 1890 Rn. 10; vom 20. August 2014 - [X.] 3/13, juris Rn. 5; jeweils mwN). Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine [X.]efangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, der [X.] Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben; denn die Vorschriften über die [X.]efangenheit von [X.]n bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (vgl. [X.]VerfGE 108, 122, 126; [X.]GH, [X.]eschlüsse vom 15. März 2012 und vom 20. August 2014, jeweils aaO). Aus dem Vorliegen eines Verfahrensfehlers durch ein Gericht kann zwar nicht unmittelbar auf eine [X.]esorgnis der [X.]efangenheit geschlossen werden; jedoch können qualifizierte Verfahrensfehler die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit begründen, wenn sie sich unmittelbar zum Nachteil eines [X.]eteiligten auswirken und deswegen den Schluss zulassen, der [X.] sei nicht unparteiisch, sondern gegen den betroffenen [X.]eteiligten eingestellt (vgl. [X.]ayObLG NJW-RR 2001, 642, 643; zum Ganzen auch: [X.], [X.]eschluss vom 29. Januar 2021 - [X.] ([X.]) 4/20, Anw[X.]l. Online 2021, 566 Rn. 9).

8

Ob in früheren Verfahren erfolgreich geltend gemachte Ablehnungsgründe auch in späteren Verfahren die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit begründen können (sog. übergreifende Ablehnungsgründe), ist eine Frage des Einzelfalls und hängt vom konkreten Ablehnungsgrund ab (vgl. [X.], [X.], 291; [X.] in [X.], ZPO, 33. Aufl., § 42 Rn. 19). [X.]eruhte die erste Ablehnung etwa auf persönlicher Voreingenommenheit gegen die Person des [X.] selbst, so greift der Ablehnungsgrund regelmäßig auch in anderen Verfahren durch, jedenfalls wenn diese in engem zeitlichem Zusammenhang zum ersten Verfahren stehen ([X.]randenburgisches Oberlandesgericht, [X.]eschluss vom 15. September 1999 - 1 W 14/99, juris Rn. 10).

9

Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Verfahren die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit nicht gegeben. Zwar hat der [X.] im [X.]eschluss vom 29. Januar 2021 die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit aufgrund des Übergehens von mehrfach angebrachten [X.] bejaht. Hinweise darauf, dass dies auf einer individuellen Voreingenommenheit des abgelehnten [X.]s gegen den Antragsteller beruhen könnte, sind aber weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr hat der abgelehnte [X.] in seiner in diesem Verfahren abgegebenen dienstlichen Äußerung darauf hingewiesen, dass die verfahrensfehlerhafte Vorgehensweise in jenem Verfahren auf einem Versehen beruhte, das er bedauere. Der Antragsteller hat diese Äußerung zwar als unzureichend kritisiert, aber keine Gründe aufgezeigt, warum an der Richtigkeit der Äußerung zu zweifeln wäre. Auch der [X.] sieht hierfür keine Anhaltspunkte.

Soweit der Antragsteller geltend macht, er befürchte, der abgelehnte [X.] führe auch dieses Verfahren nicht mit der gebotenen Sorgfalt, zeigt er Hinweise auf mangelnde Sorgfalt in diesem Verfahren nicht auf noch sind sie sonst ersichtlich. Die auch in diesem Verfahren vom Antragsteller angebrachten [X.] vom 3. November 2020 und vom 23. November 2020 ([X.]l. 150 [X.] und [X.]l. 30 [X.]I) hat der abgelehnte [X.] mit Verfügung vom 27. Januar 2021 ([X.]l. 66 [X.]I) bewilligt und lediglich die Aktenübersendung an den Antragsteller abgelehnt. Ein weiteres Akteneinsichtsgesuch, angebracht durch den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 19. Februar 2021 ([X.]l. 84 [X.]I), konnte wegen des gegenständlichen Ablehnungsgesuchs, über das vorrangig zu entscheiden war, noch nicht beschieden werden.

[X.]     

      

Liebert     

      

Ettl   

      

Schäfer     

      

Lauer     

      

Meta

AnwZ (B) 3/20

22.06.2021

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Berlin, 10. August 2020, Az: II AGH 4/19, Beschluss

§ 112 BRAO, § 42 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.06.2021, Az. AnwZ (B) 3/20 (REWIS RS 2021, 4773)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4773

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XII ZB 421/11

V ZB 102/11

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