Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 06.04.2012, Az. 1 BvQ 12/12

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2012, 7408

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung: Tanzverbot am Karfreitag - Subsidiarität (mangelnde Rechtswegerschöpfung) bei Möglichkeit der Beschwerde zum VGH - zudem mangels besonders schweren Nachteils keine Vorabentscheidung gem § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG geboten


Gründe

1

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft eine für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der [X.], mit der der Antragstellerin verboten wurde, am 6. April 2012, [X.], 18:30 Uhr bis 21:30 Uhr eine Versammlung mit dem [X.] "Demonstration/Mahnwache gegen das Tanzverbot" auf dem [X.] in [X.] durchzuführen.

2

Ihre Verbotsverfügung begründete die Stadt [X.] mit einem zu erwartenden Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 3 [X.] als einfachgesetzliche Ausprägung des Sonn- und Feiertagsschutzes aus Art. 140 [X.] in Verbindung mit [ref=f07182b1-438f-4728-[X.]. 139 WRV[/ref], nachdem die Antragstellerin zu einem Tanzen gegen das Tanzverbot unter Abspielen und gemeinsamem Hören von Tanzmusik aufgerufen habe und in einem vorhergehenden Kooperationsgespräch am 3. April 2012 die Durchführung der Veranstaltung in Form einer stillen Mahnwache ohne Tanz und Musik abgelehnt habe.

3

Den hierauf beim Verwaltungsgericht [X.] gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen die Verbotsverfügung eingelegten Widerspruchs lehnte das Verwaltungsgericht im Ergebnis mit der Begründung ab, dass an der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine Zweifel bestünden. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin gemäß ihrem eigenen Sachvortrag am Donnerstag, den 5. April 2012 um 16:57 Uhr zugegangen.

4

2. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt die Antragstellerin die Aufhebung der Verbotsverfügung und hilfsweise die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Sie beruft sich insofern auf ihr Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 [X.]. Zur Frage der Eilbedürftigkeit trägt sie, ohne dies näher zu begründen, vor, dass aufgrund des Zeitablaufes eine rechtskräftige Entscheidung im Verwaltungsrechtsweg vor Einschaltung des [X.]nicht mehr möglich sei, so dass die Voraussetzungen des § 32 BVerf[X.] vorlägen.

5

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war abzulehnen, da er bereits unzulässig ist.

6

Er wird dem Grundsatz der Subsidiarität nicht gerecht.

7

Von diesem Grundsatz ist insbesondere das sich aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerf[X.] unmittelbar ergebende Gebot der Rechtswegerschöpfung in [X.] umfasst, er kommt jedoch in bestimmten Fallkonstellationen auch als allgemeiner Gesichtspunkt der Subsidiarität verfassungsrechtlicher Rechtsbehelfe zur Anwendung, wenn eine angemessene vorläufige Regelung in der [X.]noch erreichbar erscheint (vgl. [X.] 86, 46 <49>).

8

Vorliegend stand der Antragstellerin vor Anrufung des [X.] gegen die ablehnende Entscheidung des [X.]noch das Rechtsmittel der Beschwerde zum [X.] Verwaltungsgerichtshof zur Verfügung. Von diesem Rechtsmittel hat sie keinen Gebrauch gemacht, obwohl sie über dieses Rechtsmittel ordnungsgemäß belehrt wurde und nach dem Beschwerdevortrag keine Gründe dafür ersichtlich sind, weshalb ihr die Einlegung dieses Rechtsmittels nicht mehr möglich und zumutbar gewesen wäre.

9

Auch der Rechtsgedanke des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerf[X.] rechtfertigt eine sofortige Entscheidung des [X.]nicht, da der Antragstellerin kein besonders schwerer Nachteil im Sinne dieser Vorschrift entsteht (vgl. [X.] 9, 120 <121>). Denn vorliegend geht es in der Sache um die schwierige, noch ungeklärte Rechtsfrage, inwieweit die Versammlungsfreiheit an einem Feiertag aufgrund dessen religiös geprägten Charakters eingeschränkt werden kann. Die Klärung dieser Frage wäre aber ohnehin nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglich, sondern müsste gegebenenfalls einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Auch wendet sich die Antragstellerin im Ergebnis gegen die Verfassungsmäßigkeit eines förmlichen Parlamentsgesetzes. Insoweit aber sind die Anforderungen an den besonders schweren Nachteil für die Begründung vorläufigen Rechtsschutzes besonders hoch (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 10. August 2009 - 1 BvQ 34/09 -, juris, Rn. 7). Danach ist vorliegend von einem besonders schweren Nachteil im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerf[X.] nicht auszugehen. Auch wenn ein triftiger inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem beabsichtigen Versammlungszeitpunkt und dem Versammlungsthema besteht, kann der mit der Versammlung verfolgte [X.] vorliegend grundsätzlich auch an einem anderen Tag erreicht werden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvQ 12/12

06.04.2012

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvQ

Art 8 Abs 1 GG, Art 8 Abs 2 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG, § 8 Abs 1 Nr 3 FeiertG HE, § 15 Abs 1 VersammlG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 06.04.2012, Az. 1 BvQ 12/12 (REWIS RS 2012, 7408)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7408

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Wird zitiert von

1 BvR 640/13

1 BvQ 70/17

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