Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2011, Az. VI ZB 33/10

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1024

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]/10

vom

29. November
2011

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 114, § 233 (B)
Ist dem Berufungskläger, der innerhalb der Berufungsbegründungsfrist lediglich die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt, aufgrund einer bereits vorliegenden Entscheidung bekannt, dass das Berufungsgericht seine Angaben zur Bedürftigkeit für unzureichend hält, muss er, sofern er dem Mangel nicht abhilft, mit der Verweige-rung der Prozesskostenhilfe ernsthaft rechnen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kann in [X.] nicht bewilligt werden.

[X.], Beschluss vom 29. November 2011 -
VI [X.]/10 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 29. November
2011 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und [X.], die Richterin
[X.] und den Richter Stöhr

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerden des [X.]n gegen die Beschlüsse des 11. Zivilsenats des [X.] vom 7. Mai 2010 und vom 11. Juni 2010 werden auf Kosten des [X.]n als unzulässig verworfen.
Der Antrag des [X.]n, ihm für die Durchführung der Rechts-beschwerden Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird [X.].

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt den [X.]n, der zwischen den Jahren 1999 und 2002 Mitglied des Vorstandes des [X.] und verschiedener Gesellschaften der H.

-Gruppe war, aus eigenem und aus abgetretenem Recht auf
Schadensersatz in Anspruch.
Das [X.] hat dem [X.]n mit Beschluss vom 27.
März 2006 Prozesskostenhilfe gewährt, soweit er sich gegen die den Betrag von 1
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877.377,03

übersteigende Klageforderung verteidigt, und den Antrag auf Be-willigung von Prozesskostenhilfe im Übrigen zurückgewiesen. Die sofortige Be-schwerde des [X.]n hat das Beschwerdegericht durch Beschluss vom 23.
August 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der [X.] trotz mehrfacher Aufforderung seine Vermögensverhältnisse bzw. den Verbleib vor-handen gewesenen Vermögens nicht nachvollziehbar dargelegt habe.
Mit
inzwischen rechtskräftig gewordenem
Teilurteil vom 9.
Mai 2008 hat das [X.] den [X.]n zur Zahlung von 654.185,89

den Kläger verurteilt.
Mit Schlussurteil vom 18.
November 2008 hat das [X.] den [X.] zur Zahlung weiterer 893.945,57

nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der [X.] hat fristgemäß Berufung gegen das Schlussurteil eingelegt und zugleich beantragt, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren. Er hat die Berufung in der Berufungsbegrün-dungsfrist nicht begründet.
Mit Beschluss vom 30.
April 2009 hat das Berufungsgericht die [X.]en darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung gegen das [X.] als unzulässig zu verwerfen, weil diese nicht fristgerecht begründet worden sei.
Mit Beschluss vom 8.
Juni 2009 hat das Berufungsgericht den
[X.]antrag
des [X.]n für die zweite Instanz mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. In dem Beschluss hat das Berufungsgericht ausgeführt, der [X.] könne die Begründung der Berufung gegen das Schlussurteil nach der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag innerhalb der [X.] nachholen. Der [X.] hat fristgemäß Wiedereinsetzung in den 3
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vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt und zugleich die Berufung begründet.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 7.
Mai 2010 hat das Berufungs-gericht den Antrag des [X.]n auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und darauf hingewiesen, dass es
beabsichtige, die Berufung des [X.]n gegen das Schlussurteil als unzulässig zu verwerfen.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, der [X.] habe die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt. Zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung gehöre, dass die [X.] ein vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe vorlege und annehmen dürfe, bedürftig im Sinne der Krite-rien zur Beurteilung der Prozesskostenhilfe zu sein. Da das Berufungsgericht bereits die sofortige Beschwerde des [X.]n gegen den zum Teil [X.] versagenden Beschluss des [X.]s mit der Begründung zu-rückgewiesen habe, dieser habe trotz mehrfacher Aufforderung den Verbleib vorhanden gewesenen Vermögens nicht nachvollziehbar dargelegt, habe der [X.] nicht davon ausgehen können und dürfen, seine
pauschale Angabe zur Existenz eines Kontos genüge den Anforderungen, die an einen vollständi-gen Prozesskostenhilfeantrag zu stellen seien.
Weiter hat das Berufungsgericht ausgeführt, selbst wenn man eine [X.] und deren Darlegung unterstelle, sei diese für die Fristversäumung nicht kausal gewesen. In dem gegen das Schlussurteil gerichteten Verfahren seien infolge der Berufungseinlegung des [X.]n die Verfahrensgebühren für den Rechtsanwalt und für das Gericht bereits angefallen. Da der [X.] die Berufung gegen das Teilurteil fristgerecht begründet habe, hätte er näher darlegen müssen, warum in dem Berufungsverfahren gegen das Schlussurteil 7
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nun aufgrund Bedürftigkeit innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keine Be-gründung habe eingereicht werden können.
Mit dem weiteren angefochtenen Beschluss vom 11.
Juni 2010 hat das Berufungsgericht die Berufung des [X.]n gegen das Schlussurteil als unzu-lässig verworfen.
Gegen die Beschlüsse vom 7.
Mai 2010 und vom 11.
Juni 2010 wendet sich der [X.] mit seinen Rechtsbeschwerden, mit denen er die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und die Zurückverweisung der Sache zur erneu-ten Entscheidung anstrebt. Er beantragt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerden.

II.
1. Die
Rechtsbeschwerden sind statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 i.V.m. §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO), aber unzulässig. Der von dem [X.]n geltend gemachte [X.] der Sicherung einer [X.] Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO) liegt nicht vor; insbe-sondere verstoßen die angefochtenen Beschlüsse nicht gegen das Willkürver-bot.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Bewilligung von [X.] beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag als ohne sein Verschulden an der Einlegung des Rechtsmittels verhindert anzusehen, wenn er nicht nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise mit der Ab-lehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste; ihm ist nach der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe regelmäßig wegen der Ver-10
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säumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. Senatsbeschluss vom 27.
November 2007 -
VI
ZB 81/06, [X.], 400 Rn.
14; [X.], Beschlüsse vom 3.
Dezember 2003 -
VIII
ZB 80/03, NJW-RR 2004, 1218, 1219; vom 8.
Mai 2007 -
VIII
ZB 113/06, [X.]. 2007, 625, 626; vom 16.
November 2010 -
VIII
ZB 55/10, NJW-RR 2011, 230 Rn.
16; [X.]/[X.], ZPO, 8.
Aufl., §
233 Rn.
30; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., §
233 Rn.
23 "Prozesskostenhilfe"). Nichts anderes gilt, wenn der Rechtsmittelführer trotz seiner Mittellosigkeit einen Rechtsanwalt findet, der zwar bereit ist, schon vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Rechtsmittel -
formularmäßig
-
einzulegen, nicht aber, auch eine Berufungsbegründung zu fertigen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3.
Dezember 2003 -
VIII
ZB 80/03, NJW-RR 2004, 1218, 1219; vom 8.
Mai 2007 -
VIII
ZB 113/06, [X.]. 2007, 625, 626).
Wenn dem Rechtsmittelkläger bereits für den ersten Rechtszug [X.] bewilligt worden ist, kann er bei im Wesentlichen gleichen Angaben zu den Vermögensverhältnissen erwarten, dass auch das Gericht des zweiten [X.] ihn als bedürftig ansieht. Die [X.] braucht nicht damit zu [X.], dass das Rechtsmittelgericht strengere Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit stellt als das Erstgericht (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Fe-bruar 2000 -
XII
ZB 221/99, [X.], 1387; Musielak/[X.], ZPO, 8.
Aufl., §
233 Rn.
30; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
234 Rn.
9).
War die Erwartung der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gerecht-fertigt, weil die [X.] selbst oder ihr Prozessbevollmächtigter erkennen konnte, dass die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht erfüllt oder nicht ausreichend dargetan waren, so kann die Wiedereinsetzung nicht erteilt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 27.
November 2007 -
VI
ZB 81/06, [X.], 400 Rn.
14; [X.], Beschlüsse vom 26.
November 1957
-
VIII
ZB 14/57, [X.]Z 26, 99, 101; vom 26. Juni 1991 -
XII
ZB 49/91, NJW-RR 14
15
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7
-

1991, 1532, 1533; Musielak/[X.], ZPO, 8.
Aufl., §
233 Rn.
30). Mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu rechnen, wenn das Rechtsmittelgericht auf Zweifel hinsichtlich der Bedürftigkeit der Prozesspartei hingewiesen hat und diese vernünftigerweise davon ausgehen musste, dass sie die Zweifel nicht ausräumen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Januar 2010 -
XII
ZB 108/09, NJW-RR 2010, 424 Rn.
5).
b) Nach
diesen
Grundsätzen
stellen die angefochtenen Entscheidungen sich nicht als fehlerhaft
dar. Das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss vom 7.
Mai 2010 anhand der Umstände des Streitfalls begründet, warum die Erwartung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen das Schlussurteil nicht gerechtfertigt und der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet waren; die Verwerfung der Berufung als unzulässig im Beschluss vom 11.
Juni 2010 war die Konsequenz
daraus.
Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es die sofortige Be-schwerde des [X.]n gegen den Prozesskostenhilfe zum Teil versagenden Beschluss des [X.]s vom 27.
März 2006 mit Beschluss vom 23.
August 2006 (vgl. die Fassung im [X.]) mit der Begründung zu-rückgewiesen habe, der [X.] habe trotz mehrfacher Aufforderung den [X.] vorhanden gewesenen Vermögens nicht nachvollziehbar dargelegt. [X.] habe der [X.] in seiner Erklärung über die persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnisse nur erklärt, dass er über ein Bank-, Giro-
oder Spar-konto verfüge, ohne nähere Einzelheiten mitzuteilen. Unter diesen Umständen konnte der [X.] trotz teilweiser Bewilligung von Prozesskostenhilfe im [X.] Rechtszug nicht erwarten, dass das Gericht des zweiten Rechtszugs ihn als bedürftig ansehen würde.

Auf Vorgänge nach dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist kann der [X.] einen Vertrauenstatbestand nicht mit Erfolg stützen. Diese Vorgänge 16
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können für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ursächlich gewesen sein.
2. Ob das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, für den Fall, dass man eine Bedürftigkeit und deren Darlegung unterstelle, sei diese für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ursächlich gewesen, kann dahinstehen. Da diese Erwägung eine Hilfsbegründung darstellt und nicht ent-scheidungserheblich ist, kann der [X.] die Zulässigkeit der Rechtsbe-schwerde nicht auf diese Frage stützen (vgl. [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
543 Rn.
15, 27; Musielak/Ball, ZPO, 8.
Aufl., §
543 Rn.
9k; [X.]/[X.], ZPO, 28.
Aufl., §
574 Rn.
13a, §
543 Rn.
6a).
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die [X.] ist zurückzuweisen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor. Die

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Rechtsbeschwerden sind unzulässig. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§
114 ZPO).

Galke
Zoll
[X.]

[X.]
Stöhr

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.11.2008 -
311 [X.]/04 -

OLG [X.], Entscheidung vom 07.05.2010 -
11 [X.] -

Meta

VI ZB 33/10

29.11.2011

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2011, Az. VI ZB 33/10 (REWIS RS 2011, 1024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1024

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