Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2015, Az. 1 StR 629/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 15651

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 629/14
vom
11. Februar
2015
in der Strafsa[X.]he
gegen

wegen versu[X.]hten Tots[X.]hlags u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 11.
Februar 2015 gemäß §
349 Abs.
2 und 4, § 357 [X.] bes[X.]hlossen:

Auf die Revision des Angeklagten L.

M.

wird das Urteil des [X.] vom 28.
Juli 2014 im Straf-ausspru[X.]h, au[X.]h soweit es den Angeklagten B.

M.

be-trifft, aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sa[X.]he zu neuer Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten des Re[X.]htsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurü[X.]kverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Na[X.]h Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten der Angeklagten hat das [X.] sie wegen versu[X.]hten Tots[X.]hlags in Tateinheit mit gefährli[X.]her Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von jeweils vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet si[X.]h der Angeklagte L.

M.

mit seiner auf die [X.] sa[X.]hli[X.]hen Re[X.]hts gestützten Revision. Das Re[X.]htsmittel hat den aus der [X.] ersi[X.]htli[X.]hen Teilerfolg, der auf den Mitangeklagten zu er-stre[X.]ken ist.
1. a) Na[X.]h den Feststellungen der [X.] entwi[X.]kelten si[X.]h im [X.] 2011 Streitigkeiten zwis[X.]hen den Angeklagten und dem Ges[X.]hädigten. 1
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-
Als die angeklagten Brüder ihn im September 2011 auf ihrem Na[X.]hhauseweg sahen, fassten sie deswegen den Ents[X.]hluss, ihm aufzulauern und ihm sodann eine Abreibung zu verpassen. In Umsetzung dieses Vorhabens passten sie ihn an einem Straßenübergang ab. Sie stiegen aus ihrem Fahrzeug aus, wobei der Angeklagte B.

M.

mit Kenntnis seines Bruders einen hölzernen Knüppel mit si[X.]h führte, und setzten dem Ges[X.]hädigten na[X.]h. Na[X.]hdem sie ihn eingeholt hatten, s[X.]hubste der Angeklagte L.

M.

den Ges[X.]hädigten gezielt in Ri[X.]htung seines Bruders, des Angeklagten B.

M.

. Dieser versetzte ihm mindestens zwei mit großer Wu[X.]ht geführte S[X.]hläge auf den Kopf. Beide Angeklagte nahmen dabei den Tod des Ges[X.]hädigten billigend in Kauf. Aufgrund der S[X.]hläge erlitt der Ges[X.]hädigte zwei S[X.]hädelfrakturen, die eine akute Lebensgefahr auslösten, und eine offene Wunde am Kopf. Aufgrund dieser Verletzungen kam er zu Fall. Er stürzte auf sein Gesi[X.]ht, wodur[X.]h er si[X.]h eine
Kiefer-
und Jo[X.]hbeinfraktur sowie S[X.]hürfwunden im Gesi[X.]ht zuzog. Die Angeklagten, die erkannten, dass die Kopfverletzungen tödli[X.]h sein konnten (UA S.
8), flü[X.]hteten.
b) Das [X.] hat si[X.]h vor allem im Hinbli[X.]k auf die bei den S[X.]hlä-gen aufgewandte
"ganz erhebli[X.]he Krafteinwirkung" vom Vorliegen eines be-dingten Tötungsvorsatzes bei beiden Angeklagten überzeugt. Es ist daher vom versu[X.]hten Tots[X.]hlag in Tateinheit mit gefährli[X.]her Körperverletzung in den Be-gehungsvarianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB ausgegangen.
Im Rahmen der Strafzumessung hat es -
für beide Angeklagte glei[X.]hlau-tend
-
zunä[X.]hst geprüft, ob ein minder s[X.]hwerer Fall der gefährli[X.]hen Körper-verletzung vorliegt, einen sol[X.]hen aber au[X.]h wegen der besonderen Rohheit der Tatausführung abgelehnt. Sodann hat es das Vorliegen eines minder s[X.]hweren Falls des Tots[X.]hlags na[X.]h "§ 213 StGB" geprüft, dies aber ebenfalls 3
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abgelehnt. Dabei hat es sowohl auf die S[X.]hwere der Verletzungen und die [X.] Folgen für den Ges[X.]hädigten abgestellt, als au[X.]h auf die s[X.]hon bei der Prüfung der Voraussetzungen des minder s[X.]hweren Falls der Körperverlet-zung erörterten Aspekte. Sodann hat es den Strafrahmen gemäß §
23 Abs.
2, §
49 Abs.
1 StGB gemildert. Bei den dann folgenden Zumessungserwägungen innerhalb des so gefundenen Strafrahmens hat es au[X.]h den "geänderten S[X.]huldspru[X.]h berü[X.]ksi[X.]htigt".
2. [X.] hält sa[X.]hli[X.]h-re[X.]htli[X.]her Prüfung stand. Die Be-weiswürdigung des [X.], au[X.]h soweit es si[X.]h vom Handeln mit beding-tem Tötungsvorsatz überzeugt hat, weist keinen den Angeklagten bes[X.]hweren-den Re[X.]htsfehler auf. Soweit die Revision beanstandet, das [X.] habe den bedingten Tötungsvorsatz auf den "Bewusstseinszustand bei dem an-s[X.]hließenden Unterlassen" gegründet und re[X.]htsfehlerhaft ni[X.]ht die Vorausset-zungen einer Unterlassensstrafbarkeit geprüft, geht sie fehl. Denn als [X.] knüpft das [X.] an die S[X.]hläge mit dem Knüppel, mithin an [X.], an. Auf diesen Zeitpunkt bezieht es au[X.]h die Prüfung des Wissens-
und Willenselements
des bedingten Vorsatzes.
Das unmittelbare Na[X.]htatverhalten, das Zurü[X.]klassen des auf dem Boden liegenden, ersi[X.]htli[X.]h erhebli[X.]h verletzten Ges[X.]hädigten, hat es ledigli[X.]h bei der für die Prüfung erforderli[X.]hen
Gesamt-s[X.]hau aller
objektiven und subjektiven Tatumstände
(vgl. [X.], Urteile vom 4.
November 1988 -
1 [X.], [X.]St 36, 1, 9 f.; vom 21.
Dezember 2011
-
1 [X.], [X.], 105
und vom 22.
März 2012 -
4 [X.], [X.]St 57, 183, 186 f.) eingestellt.
Einen Rü[X.]ktritt vom Versu[X.]h des Tots[X.]hlags hat das [X.] re[X.]hts-fehlerfrei verneint und das Vorliegen einer tateinheitli[X.]h begangenen gefährli-5
6
-
5
-
[X.]hen Körperverletzung (§
224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB) ohne Re[X.]htsfehler bejaht.
Au[X.]h steht §
373 Abs.
2 Satz
1 [X.] der -
gegenüber dem Vorverfahren (jeweils Verurteilung wegen gefährli[X.]her Körperverletzung)
-
Vers[X.]härfung des S[X.]huldspru[X.]hs ni[X.]ht entgegen. Das in dieser Vors[X.]hrift enthaltene Verbot der S[X.]hle[X.]hterstellung bei Wiederaufnahme zugunsten des Angeklagten entspri[X.]ht dem Regelungsgehalt der §
331, §
358 Abs.
2 [X.] ([X.], Urteil vom 29.
November 1972 -
2 StR 498/72, [X.] 1973, 191 bei [X.]; [X.], [X.], 57.
Aufl.,
§
373 Rn.
13). Dana[X.]h ri[X.]htet si[X.]h das Verbot ni[X.]ht gegen eine ungünstigere Beurteilung der S[X.]huldfrage (RG, Urteil vom 25.
Juni 1925 -
II 166/25, [X.], 291, 292; [X.], Urteil vom 14. Oktober 1959 -
2
StR 291/59, [X.]St 14, 5, 7 und vom 13. Februar 1985 -
3 [X.], [X.], 206, 209 bei [X.]/[X.]).
3. Jedo[X.]h kann der Strafausspru[X.]h keinen Bestand haben.
a) Das [X.] hat die gebotene Prüfungsreihenfolge ni[X.]ht bea[X.]htet. Sieht das Gesetz einen minder s[X.]hweren Fall vor und ist -
wie hier gemäß §
23 Abs.
2, §
49 Abs.
1 StGB
-
au[X.]h ein gesetzli[X.]h vertypter [X.] ge-geben, muss bei der [X.] zunä[X.]hst vorrangig geprüft werden, ob ein minder s[X.]hwerer Fall vorliegt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Vermögen sie die Annahme eines minder s[X.]hweren Falls allein zu tragen, stehen die den gesetz-li[X.]h vertypten [X.] verwirkli[X.]henden Umstände no[X.]h für eine (wei-tere) Strafrahmenmilderung na[X.]h §
49 StGB zur Verfügung. Ist na[X.]h einer Ab-wägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines min-der s[X.]hweren Falls abzulehnen, sind au[X.]h die den gesetzli[X.]h vertypten Straf-milderungsgrund verwirkli[X.]henden Umstände in die Bewertung einzubeziehen. 7
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6
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Erst wenn der Tatri[X.]hter dana[X.]h weiterhin keinen minder s[X.]hweren Fall für ge-re[X.]htfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzli[X.]h vertypten [X.]es gemilderten Regel-strafrahmen zugrunde legen ([X.], Bes[X.]hluss vom 8.
August 2012
-
2
StR
279/12, [X.], 7, 8; Urteil vom 28.
Februar 2013 -
4 [X.]; Bes[X.]hlüsse vom 8. Juli 2014 -
2 [X.] und vom 5.
August 2014
-
3 [X.]).
Dem wird das angefo[X.]htene Urteil ni[X.]ht gere[X.]ht. Indem das [X.] für die Verneinung eines minder s[X.]hweren Falls ledigli[X.]h allgemeine Strafzu-messungsgründe gewürdigt hat, hat es die Prüfung versäumt, ob ni[X.]ht wegen Vorliegens des vertypten [X.]es na[X.]h §
23 Abs.
2 StGB ein sonsti-ger minder s[X.]hwerer
Fall des Tots[X.]hlags na[X.]h §
213 Alt. 2 StGB vorliegt, der einen dem Angeklagten günstigeren Strafrahmen eröffnet.
b) Die über die Bezugnahme in die Prüfung au[X.]h des minder s[X.]hweren Falls des Tots[X.]hlags eingestellte Berü[X.]ksi[X.]htigung der besonderen Rohheit der Tatausführung begegnet hier im Hinbli[X.]k auf §
46 Abs. 3 StGB Bedenken. Das [X.] erläutert den strafs[X.]härfend berü[X.]ksi[X.]htigten Umstand ni[X.]ht näher. Sollte es hiermit -
was nahe liegt
-
allein den erhebli[X.]hen Kraftaufwand bei [X.] erfasst haben, wäre damit ein den Tötungsvorsatz maßgebli[X.]h begründender Faktor und die zur Umsetzung dieses Vorsatzes er-forderli[X.]he Gewalt no[X.]hmals na[X.]hteilig berü[X.]ksi[X.]htigt.
[X.]) Der [X.] kann weder auss[X.]hließen, dass das [X.] von einem anderen Strafrahmen ausgegangen wäre, no[X.]h dass es dann zu niedrigeren Strafen gelangt wäre.
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7
-
4. Na[X.]h §
357 Satz 1 [X.] ist die Aufhebung auf den ni[X.]ht revidierenden Mitangeklagten B.

M.

zu erstre[X.]ken, denn insoweit beruht die Zu-messung der Freiheitsstrafe auf demselben sa[X.]hli[X.]h-re[X.]htli[X.]hen Mangel.
5. Die Feststellungen sind re[X.]htsfehlerfrei getroffen und können deswe-gen bestehen bleiben. Die neu ents[X.]heidende [X.] ist jedo[X.]h ni[X.]ht ge-hindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die zu den bisher getroffenen ni[X.]ht in Widerspru[X.]h stehen.
6. Für das neu zuständige Tatgeri[X.]ht weist der [X.] auf Folgendes hin:
Gemäß § 52 Abs. 2 StGB ist die Strafe bei Tateinheit der Vors[X.]hrift zu entnehmen, die die s[X.]hwerste Strafe androht. Dies ist aber hier §
212 StGB, selbst bei Annahme eines minder s[X.]hweren Falls würde ni[X.]hts anderes gelten. Vorangestellte Erörterungen zur Annahme eines minder s[X.]hweren Falls der gefährli[X.]hen Körperverletzung sind daher ni[X.]ht veranlasst.
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Eine Berü[X.]ksi[X.]htigung des gegenüber dem ersten Urteil geänderten S[X.]huldspru[X.]hs erfolgt bereits über die Wahl des s[X.]hwereren Strafrahmens. Weitere strafzumessungsrelevante Umstände in diesem Zusammenhang wären inhaltli[X.]h auszufüllen.
[X.]Cirener Radtke

Mosba[X.]her

Fis[X.]her
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Meta

1 StR 629/14

11.02.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2015, Az. 1 StR 629/14 (REWIS RS 2015, 15651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15651

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1 StR 400/11

4 StR 558/11

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