Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2011, Az. VIII ZR 17/09

8. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4864

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Gegenstand

Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers: Berücksichtigung von Stamm- oder Mehrfachkundengeschäften bei Folgekäufen von nicht mehr fabrikneuen Fahrzeugen durch nahe Angehörige des Erstkäufers; Ausgleichsminderung bei Weiternutzung des Kundenstamms infolge Fortführung einer Vertragswerkstatt


Leitsatz

1. Der Annahme eines bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters (Vertragshändlers) berücksichtigungsfähigen Stamm- oder Mehrfachkundengeschäfts steht es nicht entgegen, wenn der Folgekauf durch den Ehegatten oder einen nahen Angehörigen des Erstkäufers erfolgt. Einer häuslichen Gemeinschaft zwischen dem Erst- und dem Zweitkäufer bedarf es hierfür nicht (Fortführung von BGH, Urteil vom 5. Juni 1996, VIII ZR 7/95, NJW 1996, 2302 unter B II 2 a) .

2. Ein für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters (Vertragshändlers) zu berücksichtigendes Neuwagengeschäft liegt auch dann vor, wenn das Fahrzeug zwar nicht fabrikneu im Sinne der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 7. Juni 2006, VIII ZR 180/05, WM 2006, 2008 Rn. 10 f. mwN), aber nicht gebraucht ist .

3. Bei der Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB a.F. (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB n.F.) kann ausgleichsmindernd berücksichtigt werden, dass der vormalige Vertragshändler einen Vertragswerkstattbetrieb fortführt und damit die Möglichkeit behält, seinen Kundenstamm weiter zu nutzen (Fortführung von BGH, Urteil vom 27. Februar 1981, I ZR 39/79, VersR 1981, 832 unter II 2 c mwN) .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Kartellsenats des [X.] vom 16. Dezember 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin die Klage betreffend den Ausgleichsanspruch der Klägerin in Höhe von 154.317,62 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions- und des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin war seit vielen Jahren als Vertragshändlerin der Beklagten tätig. Nach einer ordentlichen Kündigung durch die Beklagte zum 31. Oktober 2002 einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 31. Dezember 2002. Die Klägerin schloss mit der Beklagten zum 1. Januar 2003 einen Vertragswerkstattvertrag, der einvernehmlich zum 30. Juni 2004 aufgelöst wurde.

2

Am 13. Februar 2003 vereinbarte die Klägerin mit der [X.]  , einer Vertragshändlerin der Beklagten, dass die Klägerin für die [X.]   den Verkauf von Volvo-Neufahrzeugen vermitteln und dafür von dieser eine Provision erhalten solle. Die Klägerin bewarb in der Folgezeit Volvo-Neufahrzeuge.

3

Mit der Klage hat die Klägerin, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, einen Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB in Höhe von 255.194,25 € nebst Zinsen geltend gemacht. Das [X.] hat die Beklagte unter Berücksichtigung einer in Höhe von 3.294,26 € erfolgreichen Hilfsaufrechnung zur Zahlung von 68.550,13 € nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten deren Zahlungsverpflichtung - ebenfalls unter Berücksichtigung der in Höhe von 3.294,26 € erfolgreichen Hilfsaufrechnung - auf einen Betrag von 65.022,16 € nebst Zinsen herabgesetzt. Dagegen richtet sich die vom Senat beschränkt zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese einen weiteren Ausgleichsanspruch nur noch in Höhe von 154.317,62 € nebst Zinsen geltend macht.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Der Klägerin stehe analog § 89b Abs. 1 HGB ein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung dieser Bestimmung auf die Klägerin als Vertragshändlerin seien im Berufungsverfahren ebenso wenig in Frage gestellt worden wie die rechtzeitige Anmeldung des Anspruchs; auch lägen keine Ausschlussgründe nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 und 2 HGB vor.

7

Die Klägerin habe im letzten Vertragsjahr 21 Neufahrzeuge an Stammkunden verkauft. Aus diesen [X.] errechne sich für das letzte Vertragsjahr eine Stammkundenprovision (individueller Rohertrag ohne Boni) von 20.431,49 €. Die von der [X.] bei [X.] gewährten Großabnehmerzuschüsse, Mietwagenzuschüsse und [X.] in Höhe von 33.600,08 € seien hinzuzurechnen, da diese einem berücksichtigungsfähigen Provisionsverlust gleichkämen. Für das letzte Verkaufsjahr ergebe sich damit für [X.] ein individueller Rohertrag einschließlich Zusatzleistungen von 54.031,57 €.

8

Aus diesem Betrag seien zur Herstellung der Vergleichbarkeit mit der Vermittlungsprovision eines Handelsvertreters die Rabattbestandteile herauszurechnen, die der Händler als Gegenleistung für händlertypische Tätigkeiten und Risiken erhalte. Dazu sei der gesamte Rohertrag einschließlich Zusatzleistungen um 29 % zu reduzieren. Weiter sei ein Abschlag für die verwaltende, vermittlungsfremde Tätigkeit des Handelsvertreters und damit auch des Händlers in Höhe von 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den [X.] vorzunehmen. Danach verbleibe ein Betrag von 23.637,25 €.

9

Da das letzte Vertragsjahr keinen atypischen Verlauf genommen habe, könne es als Basis für die Hochrechnung auf einen Prognosezeitraum von fünf Jahren dienen.

Der danach errechnete Betrag von 118.186,27 € sei gemäß § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB (aF) aus Billigkeitsgründen um 45 % herabzusetzen. Hiervon entfielen 25 % auf die Sogwirkung der Marke. Ein weiterer Abschlag von 5 % sei vorzunehmen, weil die Klägerin nach Beendigung ihrer Vertragshändlertätigkeit als Vertragswerkstatt der [X.] tätig gewesen sei. Ihr seien hierdurch Vorteile aus dem von ihr geworbenen Kundenstamm erhalten geblieben. Eine weitere Kürzung um 5 % erscheine billig, da die Klägerin auch nach der Beendigung ihres Vertragshändlervertrags mit der [X.] im Rahmen ihrer Tätigkeit für die [X.]weiterhin [X.]-Neufahrzeuge beworben habe und insoweit ihre bisherigen Kundenkontakte habe weiternutzen sowie Provisionen erzielen können. Letztlich sei der Ausgleichsanspruch im Hinblick darauf um 10 % herabzusetzen, dass ein nicht unerheblicher Teil der [X.] mit der [X.]    S.    Autovermietung zustande gekommen sei. Diese sei zwar rechtlich selbständig, aber mit der Klägerin verbunden, weil Inhaber des Mietwagenunternehmens der Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin sei. Angesichts dieser Verbindung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Geschäfte zwischen der   S.      Autovermietung und der [X.] im Prognosezeitraum unverändert hoch geblieben sei.

Nach Abzinsung und unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer verbleibe ein Betrag von 68.316,42 €, der sich durch die in Höhe von 3.294,26 € erfolgreiche Hilfsaufrechnung auf 65.022,26 € reduziere.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ist nicht frei von [X.].

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89b HGB auf die Klägerin als ehemalige Vertragshändlerin der [X.] vorliegend erfüllt sind (vgl. [X.]surteile vom 13. Januar 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1263 Rn. 15 mwN; vom 6. Oktober 2010 - [X.], NJW 2011, 848 Rn. 17, und [X.], NJW-RR 2011, 389 Rn. 18), der Anspruch nicht nach § 89b Abs. 3 HGB ausgeschlossen ist (vgl. [X.]surteil vom 16. Februar 2011 - [X.], [X.], 620 Rn. 14 ff.) und fristgemäß (§ 89b Abs. 4 HGB) geltend gemacht wurde.

2. Frei von [X.] ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] flössen aus der Geschäftsverbindung mit von der Klägerin neu geworbenen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile zu (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB, vgl. hierzu [X.]surteile vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO Rn. 16 ff.; vom 6. Oktober 2010 - [X.], aaO Rn. 18 ff., und [X.], aaO Rn. 19 ff.). Hierbei hat das Berufungsgericht zutreffend nur die Vergütungen berücksichtigt, die die Klägerin im letzten Vertragsjahr für Umsätze mit von ihr während der Vertragslaufzeit neu geworbenen Stammkunden erhalten hat (vgl. [X.]surteile vom 12. Januar 2000 - [X.], [X.], 1413 unter [X.] mwN; vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO Rn. 16; vom 6. Oktober 2010 - [X.], aaO Rn. 19). Allerdings sind - wie die Revision zutreffend geltend macht - dem Berufungsgericht bei der Bestimmung der Anzahl der in diesem Zeitraum von der Klägerin getätigten Neuwagenverkäufe an Stammkunden Rechtsfehler unterlaufen.

a) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine Einstufung des Geschäfts Nr. 4 (Kunde [X.]    ) als Stammkundengeschäft nicht verneint werden.

Das Berufungsgericht hat den Kunden [X.]    nicht als Stammkunden gewertet, weil die Klägerin nicht ausreichend dargelegt habe, dass der maßgebliche [X.] - wie sie behaupte - am 17. Februar 1997 und damit weniger als fünf Jahre vor dem Folgekauf am 7. Februar 2002 erfolgt sei. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin komme ein Kaufvertrag zustande, wenn die Klägerin das Angebot des Kunden entweder durch eine schriftliche Auftragsbestätigung innerhalb der vierwöchigen Bindungsfrist oder durch Auslieferung des Fahrzeugs angenommen habe. Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin, dessen Richtigkeit unterstellt werde, habe der Kunde [X.]    beim Erstkauf keine schriftliche Auftragsbestätigung erhalten. Damit müsse der Vertrag durch Auslieferung des Fahrzeugs geschlossen worden sein. Es könne aber nicht beurteilt werden, ob die Auslieferung am 17. Februar 2002 noch innerhalb der Bindungsfrist erfolgt sei, da die Klägerin das Datum der Auftragserteilung durch den Kunden nicht genannt habe. Wenn die Auslieferung nicht innerhalb der Bindungsfrist erfolgt wäre, wäre der Vertrag nicht zustande gekommen und der Kunde hätte die Abnahme des Fahrzeugs verweigern können.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung zwar zu Recht davon ausgegangen, dass zur Annahme einer Stammkundeneigenschaft von Kunden eines Kraftfahrzeug-[X.] in der Regel eine Nachbestellung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erstkauf erforderlich ist ([X.]surteil vom 26. Februar 1997 - [X.], [X.] 1997, 852 unter [X.]; [X.], Urteil vom 2. Juli 1987 - [X.], [X.], 1462 unter [X.] b). Es hat aber verkannt, dass vorliegend eine wegen Ablaufs der vierwöchigen Bindungsfrist möglicherweise verspätete Annahme der Klägerin im Wege der Auslieferung des Fahrzeugs gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot zu sehen wäre, welches jedenfalls durch die Entgegennahme durch den Kunden am 17. Februar 1997 - und damit innerhalb des maßgeblichen [X.] - angenommen worden wäre. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die einen Vertragsschluss im Wege des Angebots durch den Kunden und der fristgebundenen Annahme durch die Klägerin vorsehen, stehen dem nicht entgegen. Das von der Klägerin behauptete Geschehen, von dem im Revisionsverfahren mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, ist als konkludente Individualabrede zu qualifizieren, die nach § 305b BGB Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 305b Rn. 5 mwN).

b) Von [X.] beeinflusst ist weiter die Auffassung des Berufungsgerichts, das Geschäft Nr. 72 (Kunde     [X.]    ) sei nicht als Stammkundengeschäft zu qualifizieren, da die Klägerin nicht hinreichend vorgetragen habe, dass der den Erstkauf tätigende [X.] des Folgekäufers nicht nur die gleiche Rechnungsanschrift habe wie sein Vater, sondern auch mit diesem in häuslicher Gemeinschaft lebe.

Das Berufungsgericht hat insoweit zu hohe Anforderungen an das Vorliegen der Stammkundeneigenschaft gestellt. Der [X.] hat entschieden, dass ein berücksichtigungsfähiger Mehrkundenverkauf auch dann vorliegt, wenn das zweite Fahrzeug auf den Ehegatten oder einen nahen Angehörigen des Käufers des [X.] zugelassen wurde, da derartige Gestaltungen in erster Linie durch steuerliche oder versicherungsrechtliche Überlegungen bestimmt seien (vgl. [X.]surteil vom 5. Juni 1996 - [X.], NJW 1996, 2302 unter B [X.] a). Diese im Bereich der Zulassung angenommene Privilegierung des besonderen [X.] lässt sich übertragen auf den Fall, dass nicht nur die Zulassung des zweiten Fahrzeugs auf den Ehegatten oder nahen Angehörigen erfolgt, sondern dieser bereits den Kaufvertrag über das Fahrzeug schließt. Denn der Kaufentschluss des [X.] kann angesichts seiner engen familiären Verbindung mit dem [X.] auf die dem Abschluss des Kaufvertrags mit diesem vorangegangene Tätigkeit des [X.] zurückzuführen sein. Anders als das Berufungsgericht meint, ist hierfür eine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Erst- und dem [X.] nicht erforderlich.

c) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch eine Qualifizierung des unter der [X.] (Kunde St.     ) aufgeführten Geschäfts als Stammkundengeschäft nicht verneint werden.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass es um den Kauf eines Neufahrzeugs gegangen sei, da zwischen der Auslieferung des Fahrzeugs an die Klägerin und dessen Verkauf an den Kunden ein Zeitraum von über einem Jahr gelegen habe. Das ist nicht richtig.

Zwar sind nach der Rechtsprechung des [X.]s für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nur [X.] zu berücksichtigen ([X.]surteil vom 5. Juni 1996 - [X.], NJW 1996, 2298 unter [X.]). Ein Neuwagengeschäft ist jedoch nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil zwischen der Auslieferung des Fahrzeugs an den Vertragshändler und dessen Verkauf an den Kunden ein Zeitraum von über einem Jahr liegt und das verkaufte Fahrzeug somit bei Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr fabrikneu ist (vgl. zu letzterem [X.]surteil vom 7. Juni 2006 - [X.], [X.], 2008 Rn. 10 f. mwN). Vielmehr kann von einem Neuwagengeschäft nur dann nicht mehr gesprochen werden, wenn das Fahrzeug bereits gebraucht war.

3. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Reduzierung des Rohertrags der Klägerin um die händlertypischen Anteile ist in einem entscheidenden Punkt ebenfalls von [X.] beeinflusst.

Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der [X.]srechtsprechung ([X.]surteile vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO Rn. 28 mwN; vom 6. Oktober 2010 - [X.], aaO Rn. 29, und [X.], aaO Rn. 29) von den - bei wirtschaftlicher Betrachtung an die Stelle der Provisionen eines Handelsvertreters tretenden - Händlerrabatten diejenigen Teile herausgerechnet, die der Vertragshändler auf Grund seiner vom Handelsvertreter abweichenden Stellung für Leistungen erhält, die der Handelsvertreter nicht zu erbringen hat. Hierzu gehören Aufwendungen für die personelle und sächliche Ausstattung des Betriebs sowie für Werbung, Präsentation, Lagerhaltung und Vorführfahrzeuge. Das Berufungsgericht hat den Anteil für diese von ihm explizit benannten Aufwendungen rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen mit 29 % des [X.] angesetzt (vgl. [X.]surteile vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO Rn. 44 ff.; vom 6. Oktober 2010 - [X.], aaO Rn. 43, und [X.], aaO Rn. 38).

Zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht die rechtsfehlerfrei ermittelte Quote von 29 % von dem Rohertrag der Klägerin einschließlich der [X.] und Mietwagenzuschüsse sowie [X.] in Abzug gebracht hat. Denn bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs sind nur Entgeltleistungen, die für händlertypische Aufgaben gezahlt werden, außer Betracht zu lassen. Die genannten Zuschüsse sind aber - anders als die vom Händler gewährten Preisnachlässe selbst - nicht als händlertypisch einzuordnen. Wenn das Berufungsgericht nun den gesamten Rohertrag einschließlich der Zuschüsse um 29 % kürzt, setzt es sich damit in Widerspruch zu seiner rechtsfehlerfrei gewonnenen Auffassung, die genannten Zuschüsse seien gerade nicht als Entgelt für händlertypische Tätigkeiten gezahlt worden. Ein Abzug für händlertypische Aufgaben wäre bei diesen Zuschüssen daher nur gerechtfertigt, wenn und soweit mit ihnen auch händlertypische Leistungen (Werbung, Vorführwagen, Ausstellungsraum, Einsatz geschulter Verkäufer) abgegolten werden sollten (vgl. [X.]surteile vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO Rn. 49; vom 6. Oktober 2010 - [X.], aaO Rn. 44, und [X.], aaO Rn. 39). Dass auch in diesen Zusatzleistungen jeweils ein Anteil für händlertypische Leistungen enthalten ist, der dem Verhältnis der - konkreten Zwecken zugeordneten - [X.] zum [X.] (= 29 %) entspricht, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt (vgl. [X.]surteil vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO).

4. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist der nach Herausrechnung der händlertypischen Vergütungsbestandteile verbleibende Händlerrabatt in einem weiteren Schritt um den Anteil zu reduzieren, den der Händler für solche Leistungen erhält, die ihm, wäre er Handelsvertreter, nicht als Entgelt für seine werbende (vermittelnde) Tätigkeit, sondern für "verwaltende" (vermittlungsfremde) Tätigkeiten gezahlt würden. Diesen Anteil hat das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach § 287 Abs. 2 ZPO auf 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den [X.] geschätzt (vgl. [X.]surteile vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO Rn. 50; vom 6. Oktober 2010 - [X.], aaO Rn. 45, und [X.], aaO Rn. 40; vom 16. Februar 2011 - [X.], aaO Rn. 33). Der Einwand der Revision, sämtliche von der Rechtsprechung anerkannten "verwaltenden" und "handelsvertreteruntypischen" Kosten seien bereits im ersten Schritt, der Kürzung des [X.] um 29 %, anspruchsmindernd berücksichtigt worden, weswegen ein weiterer Abzug nicht vorzunehmen sei, bleibt ohne Erfolg. Die vom Berufungsgericht zur Begründung des Abzugs von 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den [X.] unter anderem herangezogene Tätigkeit der Buchführung ist in der Reduzierung des [X.] um 29 % nicht enthalten. Letztere beschränkt sich nach den Ausführungen des Berufungsgerichts auf Abzüge für Vorführwagen, Werbung, Ausstellungsraum und Verkaufspersonal.

5. Auch die Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs um 45 % aus Billigkeitsgründen lässt keine Rechtsfehler erkennen.

Die Würdigung der im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB aF (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB nF) zu berücksichtigenden Umstände obliegt dem Tatrichter, wobei er einen entsprechenden Abzug im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO vornehmen kann (st. Rspr., vgl. [X.]surteile vom 6. Oktober 2010 - [X.], aaO Rn. 47, und [X.], aaO Rn. 41; vom 16. Februar 2011 - [X.], aaO Rn. 35 mwN). Rechtsfehler der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich.

a) Dass das Berufungsgericht einen Billigkeitsabschlag für die Sogwirkung der Marke [X.] nicht, wie die Revision erstrebt, in Höhe von allenfalls 10 %, sondern in Höhe von 25 % für angemessen erachtet hat, hält sich innerhalb des ihm eingeräumten weiten tatrichterlichen Ermessensspielraums und ist vom [X.] auch in den Parallelverfahren nicht beanstandet worden (vgl. [X.]surteile vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO Rn. 51 ff.; vom 6. Oktober 2010 - [X.], aaO Rn. 46 f., und [X.], aaO Rn. 41; vom 16. Februar 2011 - [X.], aaO Rn. 36).

aa) Es entspricht ständiger [X.]srechtsprechung, dass die Förderung der Verkaufsbemühungen des Händlers durch die von der Marke ausgehende Sogwirkung einen Billigkeitsabschlag rechtfertigen kann ([X.]surteil vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO Rn. 52 mwN). Dies gilt entgegen der Ansicht der Revision auch dann, wenn die Sogwirkung der Marke bereits in die Rabattbemessung einfließt ([X.]surteil vom 5. Juni 1996 - [X.], aaO unter [X.] 4 b).

bb) Die Abwägung der Ursächlichkeit von werbender Tätigkeit des Händlers und Sogwirkung der Marke gehört zum Kernbereich tatrichterlichen Schätzungsermessens. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter ausreichende Feststellungen zu den für seine Schätzung maßgeblichen Umständen getroffen hat ([X.]surteil vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO). Dies ist hier trotz der stark verkürzten Begründung des Berufungsgerichts noch der Fall.

cc) Die Revision rügt, das Berufungsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, der [X.] habe in seiner Entscheidung vom 2. Juli 1987 ([X.], NJW-RR 1988, 42 unter [X.] c) einen Abschlag von 25 % als "Regelwert" für den Markeneinfluss aufgestellt. Dies trifft bei näherer Betrachtung nicht zu. Zwar hat das Berufungsgericht in der Tat den - so nicht zutreffenden - Begriff "Regelwert" gebraucht, es hat damit aber nur zum Ausdruck gebracht, dass es diesen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang als höchsten Abschlag für die Sogwirkung einer Marke anerkannten Wert zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht hat (vgl. [X.]surteil vom 13. Januar 2010 - [X.], aaO Rn. 53).

b) Auch die Vornahme eines weiteren [X.] von 5 % wegen der Tätigkeit der Klägerin als Vertragswerkstatt der [X.] lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Im Rahmen der Billigkeitsprüfung kann ausgleichsmindernd berücksichtigt werden, dass der Vertragshändler die Möglichkeit behält, seinen Kundenstamm in irgendeiner Weise weiter zu nutzen (vgl. [X.], Urteil vom 27. Februar 1981 - [X.], [X.], 832 unter [X.] c mwN). Eine derartige Weiternutzung wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte dann angenommen, wenn der vormalige Vertragshändler einen Vertragswerkstattbetrieb fortführt, da es der Lebenserfahrung entspreche, dass zumindest ein Teil der geworbenen Neukunden auch nach der Aufgabe des Händlerbetriebs ihr Fahrzeug bei dem ihnen vertrauten früheren Händler reparieren und warten lasse ([X.], Urteile vom 17. Januar 2006 - 11 U 34/05 (Kart), juris Rn. 51; vom 17. Juli 2007 - 11 U 53/06 (Kart), juris Rn. 71; [X.], [X.], 318, 320; [X.], [X.] 2009, 258, 265 f. - unter Aufgabe der früheren abweichenden Rechtsprechung im Urteil vom 31. März 2006 - 19 U 139/95, juris Rn. 47; für einen Abzug auch [X.], Vertragshändlerrecht im Automobilvertrieb, 4. Aufl., Rn. 521 ff.; [X.], [X.], 752, 762). Gegen diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

Ihr kann insbesondere nicht entgegen gehalten werden, dass der Ausgleich nach § 89b HGB lediglich für Vertriebsbemühungen und nicht für eine Tätigkeit im Werkstattbereich gezahlt werde und dass Tätigkeiten, die den Ausgleich nicht erhöhten, ihn auch nicht reduzieren dürften (so aber [X.] in [X.], 5. Aufl., § 89b Rn. 162 - Werkstatttätigkeit; vgl. auch [X.], [X.] 2009, 153, 157). Es besteht kein Grundsatz des Inhalts, dass die Weiternutzung des Kundenstamms nur dann im Rahmen der Billigkeit ausgleichsmindernd berücksichtigt werden kann, wenn sie in einer Art und Weise erfolgt, die der Nutzung während der Dauer der Vertragshändlertätigkeit entspricht. Es reicht aus, dass die Verluste, die dem Vertragshändler im Regelfall durch die Beendigung seines Vertrags entstehen, in irgendeiner Form abgemildert werden.

c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen den vom Berufungsgericht vorgenommenen Billigkeitsabschlag in Höhe von 5 % wegen der angesichts der Vermittlungstätigkeit der Klägerin für die [X.]fortbestehenden Möglichkeit, ihre bisherigen Kundenkontakte zu nutzen und hieraus Einkünfte in Form von Provisionen zu erzielen. Die dieser Herabsetzung zugrunde liegende tatrichterliche Wertung des Berufungsgerichts ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

Auch wenn sich die Situation eines Vermittlers rechtlich von der der eines [X.] unterscheidet, begründet die Aufnahme einer Vermittlertätigkeit durch den vormaligen Vertragshändler eine Konstellation, in der dieser die Möglichkeit hat, seinen bisherigen Kundenstamm weiter zu nutzen und hierdurch Einkünfte zu erzielen. Er steht damit besser als ein Vertragshändler, der nach Beendigung seines Händlervertrags in keiner Form mehr für sein früheres Unternehmen tätig wird.

d) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Berufungsgericht einen Billigkeitsabschlag von 10 % im Hinblick auf die zahlreichen Geschäfte zwischen der Klägerin und der ihr nahe stehenden    S.     Autovermietung vorgenommen hat. Die zugrunde liegende Annahme des Berufungsgerichts, angesichts der engen persönlichen Verbindung zwischen der Klägerin und der [X.]    S.      Autovermietung könne nicht angenommen werden, dass letztere trotz der Beendigung des Vertragshändlervertrags der Klägerin zukünftig in gleich bleibendem Umfang [X.]-Neufahrzeuge beziehen werde, lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. [X.]surteil vom 16. Februar 2011 - [X.], aaO Rn. 22).

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung keinen Bestand haben; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ball                                           Dr. Milger                                      Dr. Hessel

                     Dr. Fetzer                                         Dr. Bünger

Meta

VIII ZR 17/09

13.07.2011

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 16. Dezember 2008, Az: 11 U 71/07 (Kart), Urteil

§ 89b Abs 1 S 1 Nr 3 HGB vom 23.10.1989, § 89b Abs 1 S 1 Nr 2 HGB vom 31.07.2009

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2011, Az. VIII ZR 17/09 (REWIS RS 2011, 4864)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4864

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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