Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.01.2024, Az. V ZB 63/22

5. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 665

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Gegenstand

Amtstätigkeit des Notars: Gewährung von Einsicht in die Nebenakte nach Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht


Leitsatz

Der Notar, der von der Pflicht zur Verschwiegenheit befreit worden ist, entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und in welchem Umfang er einem Beteiligten Einsicht in die Nebenakte gestattet; er ist zur Gewährung der Einsicht in die Nebenakte berechtigt, aber nicht verpflichtet.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 16. November 2022 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten sind Geschwister und die befreiten Vorerben ihrer am 5. August 2016 verstorbenen Mutter (nachfolgend: Erblasserin). Am 2. Juni 2016 beurkundete der Notar einen Grundstücksübertragungsvertrag, mit dem die Erblasserin der Beteiligten zu 2 eine Eigentumswohnung schenkte ([X.]. 721/2016 MV). Mit notarieller Urkunde vom selben Tag erteilte die Erblasserin der Beteiligten zu 2 eine Generalvollmacht ([X.]. 722/2016 MV). Die Beteiligten streiten vor dem [X.] darüber, ob der Grundstücksübertragungsvertrag wegen Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin unwirksam ist. Das [X.] ordnete die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens an. Beide Beteiligten erklärten, den Notar von seiner Verschwiegenheit auch im Hinblick auf die Einsicht in die [X.] zu befreien. Die Präsidentin des [X.]s als Aufsichtsbehörde erteilte anstelle der Erblasserin dem Notar am 6. Juli 2020 die Befreiung von der Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 18 Abs. 2 Halbs. 2 [X.] zu der [X.] Nr. 721/2016 MV (Grundstücksübertragungsvertrag), soweit dies erforderlich ist, um den Beweisbeschluss des [X.]s zum Zustand und zur Medikation der Erblasserin im Mai/Juni 2016 auszuführen.

2

Der Beteiligte zu 1 hat bei dem Notar beantragt, ihm die Einsichtnahme in die [X.] zu dem Grundstücksübertragungsvertrag insoweit zu gewähren, als daraus Umstände und Wahrnehmungen zur Geschäftsfähigkeit der Erblasserin hervorgingen. Ferner hat er den Notar aufgefordert, [X.] darüber erteilen, ob sich in den [X.] schriftliche Aufzeichnungen bzw. Vermerke über den Gesundheitszustand der Erblasserin und über die Art und Weise der Feststellung der Geschäftsfähigkeit befinden, sowie die vorbezeichneten Aufzeichnungen zur Einsicht zu geben. Schließlich hat er die umfassende Einsicht in die auf den Grundstücksübertragungsvertrag bezogene [X.] sowie die Erteilung einer beglaubigten Ablichtung verlangt. Der Notar hat mit Entscheidung vom 5. August 2021 die Anträge abgelehnt. Der dagegen gerichteten Beschwerde, mit der der Beteiligte zu 1 seine Anträge auf Einsicht und [X.] auf die [X.] zu der [X.] Nr. 722/2016 MV (Generalvollmacht) erstreckt hat, hat der Notar nicht abgeholfen und ergänzend erklärt, dass er in die [X.] zu dem Grundstücksübertragungsvertrag einen Vermerk über Feststellungen zu der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin nicht aufgenommen habe; es finde sich dort lediglich seine handschriftliche Notiz „voll geschäftsfähig“. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 sämtliche Anträge weiter.

II.

3

Das Beschwerdegericht verneint einen Anspruch des Beteiligten zu 1 gegen den Notar auf Einsicht in dessen [X.] aus § 51 Abs. 3 [X.]. Der Beteiligte zu 1 sei als Rechtsnachfolger der Erblasserin zwar anspruchsberechtigte Person im Sinne dieser Vorschrift. Soweit er die Einsicht in die kompletten [X.] verlange, liege aber schon die dafür erforderliche Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Erblasserin nicht vor. Soweit der Notar hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin von der Verschwiegenheitspflicht entbunden worden sei, bestehe keine Pflicht zur Gewährung der Einsicht in die [X.]. § 51 Abs. 3 [X.] regele ein Recht auf Einsicht in die notarielle [X.] nicht. Der Notar sei bei Vorliegen des Einverständnisses aller Beteiligten nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, die Einsichtnahme in die [X.] zu gestatten. Etwas anderes folge nicht aus der Entscheidung des [X.] vom 2. Juli 1992 ([X.] 1992, 220) zu dem Einsichtsrecht eines [X.] bei Niederlegung von Feststellungen des Notars zu der Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten in einem Aktenvermerk statt in der Nie[X.]chrift. Der Beteiligte zu 1 sei nicht Urkundsbeteiligter. Der Notar habe zudem erklärt, in der [X.] nur handschriftlich notiert zu haben, dass die Erblasserin voll geschäftsfähig sei. Daraus ergebe sich kein Recht auf Einsichtnahme in weitere Bestandteile der [X.].

4

Das [X.]sverlangen des Beteiligten zu 1 habe der Notar mit der Erklärung, in der [X.] fände sich lediglich seine handschriftliche Notiz „voll geschäftsfähig“, erfüllt. Ein Anspruch auf Erteilung einer Ablichtung der [X.] stehe dem Beteiligten zu 1 ebenfalls nicht zu. Da den Notar keine Pflicht zur Gewährung von Einsicht in die [X.] treffe, sei er erst recht nicht zur Erteilung von Ablichtungen verpflichtet.

III.

5

Die infolge der Zulassung statthafte (§ 70 Abs. 1, Abs. 2 FamFG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] und § 54 Abs. 2 Satz 2 [X.]) Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). Sie hat in der Sache keinen Erfolg. Ein im Rahmen der Notarbeschwerde allein zu [X.] pflichtwidriges Handeln des Notars (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2021 - [X.], [X.] 2022, 271 Rn. 5) liegt nicht vor.

6

1. Das Beschwerdegericht lehnt es zu Recht ab, den Notar zur Gewährung der Einsicht in die [X.] zu verpflichten.

7

a) Das Recht auf Einsicht beschränkt sich nach § 51 Abs. 3 [X.] auf die Urschrift derjenigen Urkunden, von denen die in § 51 Abs. 1 [X.] bezeichneten Personen Ausfertigungen oder Abschriften verlangen können. Ob daneben ein Recht auf Einsicht in die [X.] des Notars besteht, ist gesetzlich nicht geregelt; § 13 FamFG, in dem - wie früher in § 34 [X.] - die Einsichtnahme in Gerichtsakten geregelt ist, ist nicht anwendbar (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 168/12, [X.] 2013, 711 Rn. 17 zu § 22 Abs. 1 [X.]; [X.], Urteil vom 30. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 260, 273 zu § 34 [X.]).

8

b) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, der Notar sei deshalb verpflichtet, dem Beteiligten zu 1 Einsicht in die [X.] zu gewähren, weil er umfassend, jedenfalls aber im Hinblick auf die Frage nach der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin, von der Pflicht zur Verschwiegenheit entbunden worden sei.

9

aa) Richtig ist im Ausgangspunkt, dass die [X.] des Notars (§ 40 NotAktVV) von der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 18 [X.] erfasst ist (näher Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - [X.], [X.] 2013, 711 Rn. 20 mwN). Deshalb besteht Einigkeit darüber, dass der Notar den in § 51 Abs. 1 [X.] bezeichneten Personen Einsicht in Dokumente der Notarakte gewähren darf, wenn alle Beteiligten, denen gegenüber er gemäß § 18 Abs. 1 [X.] zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, ihr Einverständnis erklären. Fehlt die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht aber, darf die Einsicht nicht gewährt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 168/12, [X.] 2013, 711 Rn. 18; [X.], Urteil vom 30. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 260, 273; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 51 Rn. 6; BeckOGK/Regler, [X.] [1.10.2023], § 51 Rn. 63; BeckOK [X.]/[X.] [1.9.2023], § 51 Rn. 26; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 18 Rn. 50; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 51 Rn. 45; [X.]/[X.], [X.] [2023], Rn. 649; [X.]/[X.], DNotO/NotAktVV, 14. Aufl., § 22 [X.] Rn. 13), und der Notar darf und muss diese verweigern.

[X.]) Wie weit die Entbindung des Notars von der Verschwiegenheitspflicht durch die Präsidentin des [X.]s als Aufsichtsbehörde für die Erblasserin gemäß § 18 Abs. 2 Halbs. 2 [X.] (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 20. April 2009 - [X.] 23/08, [X.] 2009, 876 Rn. 6) reicht, kann dahinstehen. Denn jedenfalls hat der Notar die Einsicht in die [X.] insgesamt verweigert. Ein pflichtwidriges Verhalten, das der Notarbeschwerde zum Erfolg verhelfen könnte, liegt darin nicht.

(1) Ob der Notar bei Einverständnis aller Beteiligten lediglich berechtigt oder auch verpflichtet ist, Einsicht in die [X.] zu gewähren, hat der [X.] bislang offengelassen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - [X.], [X.] 2013, 711 Rn. 17; [X.], Urteil vom 30. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 260, 273). Das wird unterschiedlich beurteilt. Die ganz überwiegende Ansicht verneint grundsätzlich eine Pflicht des Notars, einem Beteiligten bzw. dessen Rechtsnachfolgern die Einsicht in die notarielle [X.] zu gestatten. Die Gewährung der Einsicht, auch hinsichtlich ihres Umfangs, stehe im Ermessen des Notars (BeckOGK/Regler, [X.] [1.10.2023], § 51 Rn. 62 f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 51 Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 18 Rn. 28; [X.]/[X.]/[X.], aaO § 22 [X.] Rn. 16; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] [2023], § 18 Rn. 24; [X.], [X.], 21. Aufl., § 51 Rn. 37; [X.], R[X.] 2013, 57, 68 f.; [X.], [X.] 2002, 524 f.; Regler, [X.] 2022, 205, 207 f.). Insbesondere bestehe kein Einsichtsrecht in die komplette Akte und auch nicht hinsichtlich der von dem Notar selbst gefertigten Aufzeichnungen, Anmerkungen und Vermerke (vgl. BeckOGK/Regler, aaO Rn. 63; [X.], aaO Rn. 26). Nur vereinzelt wird ein Anspruch eines Beteiligten auf Einsicht in die notarielle [X.] in analoger Anwendung von § 51 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.], [X.], 5. Aufl., § 22 [X.] Rn. 7; an[X.] allerdings [X.]., [X.], 5. Aufl., § 51 Rn. 15) oder aus § 18 [X.] (vgl. [X.]/[X.] [2022], § 40 NotAktVV Rn. 15) hergeleitet.

(2) Die zuerst genannte Ansicht trifft zu. Der Notar, der von der Pflicht zur Verschwiegenheit befreit worden ist, entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und in welchem Umfang er einem Beteiligten Einsicht in die [X.] gestattet; er ist zur Gewährung der Einsicht in die [X.] berechtigt, aber nicht verpflichtet.

(a) Im Ausgangspunkt gilt für die [X.] des Notars seit dem 29. Oktober 2020 die Vorschrift des § 40 NotAktVV (vgl. Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung über die Führung notarieller Akten und Verzeichnisse sowie zur Änderung der Verordnung über die notarielle Fachprüfung vom 13. Oktober 2020, [X.] I 2246), die die frühere Vorschrift des § 22 [X.] ersetzt. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 NotAktVV kann der Notar [X.] führen; soweit dies zur Vornahme eines [X.] geboten ist, muss eine [X.] geführt werden (§ 40 Abs. 1 Satz 2 NotAktVV). [X.] enthalten diejenigen Unterlagen, die im sachlichen Zusammenhang mit einem Amtsgeschäft anf[X.], aber nicht Bestandteil der Urkundensammlung werden (vgl. BeckOK [X.]/[X.] [1.8.2023], § 40 NotAktVV Rn. 2; [X.]/[X.] [2022], § 44 NotAktVV Rn. 1). Die Grundsätze der Aktenführung ergeben sich aus § 35 [X.]. Der Notar muss die Verfügbarkeit, die Integrität und die Transparenz der Akten gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 18/10607 [X.]). Damit die [X.] zu einem späteren Zeitpunkt nach Abschluss des [X.] zur Verfügung stehen, sind sie zu archivieren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 NotAktVV). Der Notar führt die [X.] im Rahmen dieser Vorgaben in eigener Verantwortung und in pflichtgemäßem Ermessen. Welche Unterlagen er in die [X.] aufnimmt, entscheidet er danach, welche Informationen für das jeweilige Amtsgeschäft von Bedeutung sind (vgl. BeckOGK/Regler, [X.] [1.10.2023], § 51 Rn. 61, 62; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 40 NotAktVV Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 40 NotAktVV Rn. 48; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 22 [X.] Rn. 3; [X.]/[X.] [2022], § 40 NotAktVV Rn 1; Regler, [X.] 2022, 205, 207). § 40 Abs. 2 NotAktVV enthält lediglich eine unverbindliche und nicht abschließende Aufzählung möglicher Inhalte. Neben den in dem Katalog des § 40 Abs. 2 NotAktVV genannten personenbezogenen Daten sowie dem Schriftverkehr mit Beteiligten und [X.] zählen dazu insbesondere auch Entwürfe oder Anmerkungen, die dem Notar als Gedächtnisstütze und zur Selbstkontrolle dienen. Alle diese Unterlagen sind in erster Linie für interne Zwecke und nicht zur Einsicht eines Beteiligten bestimmt (vgl. BeckOK [X.]/[X.] [1.9.2023], § 40 NotAktVV Rn. 1; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 22 [X.] Rn. 3).

(b) Das Gesetz sieht ein Einsichtsrecht eines [X.] in die notarielle [X.] nicht vor. Aus der eigenverantwortlichen Führung der [X.] folgt im Gegenteil, dass der Notar auch über die Gewährung von Einsicht eines Beteiligten in die [X.] eigenverantwortlich entscheidet; eine Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht trifft ihn nicht.

(aa) § 51 Abs. 3 [X.] ist auf die [X.] des Notars nicht entsprechend anwendbar. Es fehlt an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Eine der Vorschrift des § 51 Abs. 3 [X.] entsprechende Regelung hat der Gesetzgeber für die [X.] bewusst nicht geschaffen. Er hat vielmehr mit Inkrafttreten des [X.]undungsgesetzes die das Einsichtsrecht eines Beteiligten in die Akten des Notars regelnde Vorschrift des Art. 22 Abs. 1 des [X.] Notariatsgesetzes vom 9. Juni 1899 (Bereinigte Sammlung des [X.] Landesrechts, [X.]) aufgehoben (vgl. Drucks. V/3282 S. 15 unter § 60 Ziff. 7) und zuletzt auch bei der Neuregelung von § 40 NotAktVV davon abgesehen, ein solches Einsichtsrecht (wieder) einzuführen.

([X.]) Das Einverständnis aller Beteiligten, denen gegenüber der Notar gemäß § 18 [X.] zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, zur Einsichtnahme in die [X.] alleine genügt nicht, um einen Anspruch auf Einsicht zu begründen. Ein solcher Anspruch kann entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht damit begründet werden, der Notar werde im Auftrag der [X.] tätig und die notarielle Verschwiegenheitspflicht gemäß § 18 [X.] diene nur deren Schutz. Der Notar steht, obwohl § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] von dem „Auftraggeber“ des Notars spricht, zu den Beteiligten nicht in einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis. An[X.] als der Rechtsanwalt nimmt der Notar seine Amtsgeschäfte aufgrund seiner Eigenschaft als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege wahr (§ 1 [X.]; vgl. dazu [X.], Urteil vom 30. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 260, 273 mwN). Das gilt nicht nur für die [X.], sondern auch für die sonstige Amtstätigkeit des Notars.

([X.]) Aus dem Umstand, dass die [X.] des Notars nach dem Willen des Gesetzgebers auch dem öffentlichen Interesse dient, ergibt sich ebenfalls nicht, dass ein Recht eines Beteiligten auf Einsicht besteht. Hierzu heißt es in den Gesetzesmaterialien lediglich ([X.]. 420/20 S. 60): „Die Führung von [X.] liegt im Interesse einer funktionsfähigen Rechtspflege, weil sie den Nachweis von Tatsachen erlaubt, die sich nicht unmittelbar aus der Urkunde oder anderweitig zu verwahrenden Dokumenten ergeben. Die [X.] können dadurch wertvolle Auslegungshinweise liefern und bei Bedarf Hintergründe beleuchten, die nachträglich von Interesse sind.“ Dass der Gesetzgeber den Beteiligten einen Anspruch gegen den Notar auf Einsicht in die [X.] gewähren wollte, ergibt sich daraus nicht. Dem öffentlichen Interesse wird vielmehr dadurch Genüge getan, dass der Notar verpflichtet ist, eine [X.] zu führen, wenn dies geboten ist. Die Aufsichtsbehörde (§ 93 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 [X.]) und die Notarkammer (§ 67 Abs. 1 [X.]) haben ein unbeschränktes Recht auf Einsicht in die Notarakte. Insoweit liegt die Führung von [X.] zugleich im Interesse des Notars, um ggf. nachweisen zu können, dass er seine Amtspflichten ordnungsgemäß erfüllt hat ([X.]. 420/20 S. 60; BeckOK [X.]/Hushahn [1.8.2023], § 35 Rn. 1; BeckOK [X.]/[X.] [1.9.2023], § 40 NotAktVV Rn. 1; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 5. Aufl., § 35 Rn. 2; [X.]/[X.] [2022], § 40 NotAktVV Rn. 1). Soweit es in einem Rechtsstreit auf die von dem Notar getroffenen Feststellungen ankommt, kann der von der Verschwiegenheitspflicht entbundene Notar als Zeuge vernommen werden. Die [X.] steht dem Notar zur Vorbereitung seiner Aussage zur Verfügung.

c) Der Beteiligte zu 1 kann nicht mit der Begründung Einsicht in die [X.] verlangen, diese enthielten Feststellungen des Notars zur Geschäftsfähigkeit der Erblasserin, die, wegen deren schwerer Erkrankung nach § 11 Abs. 2 [X.] in die Nie[X.]chriften hätten aufgenommen werden müssen.

aa) Nach § 11 [X.] soll die [X.]undung abgelehnt werden, falls einem Beteiligten nach Überzeugung des Notars die Geschäftsfähigkeit fehlt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Zweifel an der erforderlichen Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten soll der Notar in der Nie[X.]chrift feststellen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Ist ein Beteiligter schwer krank, so soll dies in der Nie[X.]chrift vermerkt und angegeben werden, welche Feststellungen der Notar über die Geschäftsfähigkeit getroffen hat (§ 11 Abs. 2 [X.]). Zweck des Vermerks ist in erster Linie die Beweissicherung. Bei einem späteren Rechtstreit, der die Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten zum Gegenstand hat, soll den Beteiligten die Beweisführung über das Bestehen bzw. das Fehlen der erforderlichen Geschäftsfähigkeit ermöglicht werden (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 11 Rn. 35).

[X.]) Das [X.] hat ein Einsichtsrecht eines Beteiligten in den Aktenvermerk des Notars bejaht, wenn dieser entgegen § 11 [X.] Feststellungen über die Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten anlässlich einer [X.]undung nicht in der Nie[X.]chrift, sondern in einem von der Urkunde getrennten Aktenvermerk niedergelegt hat. In diesem Fall beurteile sich das Recht auf Einsichtnahme in den Aktenvermerk ausschließlich danach, ob dem Gesuchsteller ein Recht auf Einsicht in die Urkunde selbst zustehe. Habe dieser das Recht auf Erteilung einer Ausfertigung der Urkunde nach § 51 Abs. 1 [X.], sei er auch berechtigt, eine beglaubigte Abschrift des Aktenvermerks zu verlangen. Deren Erteilung sei insbesondere nicht davon abhängig, dass in einem solchen Fall sämtliche Beteiligte den Notar von einer dann nicht bestehenden Verschwiegenheitspflicht entbänden ([X.] 1992, 220 ff.).

[X.]) Es kann dahinstehen, ob diese Ansicht zutrifft (ablehnend [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 51 Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.], aaO § 11 Rn. 44; [X.]/[X.], [X.] [2023], Rn. 339, 649; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] [2023], § 18 Rn. 25; [X.], [X.], 21. Aufl., § 51 Rn. 41; Kanzleiter, [X.] 1993, 434, 436; zustimmend [X.]/[X.], [X.]/NotAktVV, 14. Aufl., § 22 [X.] Rn.14). Um die Einsicht in den Vermerk, dessen Inhalt er kennt, geht es dem Beteiligten zu 1 nicht.

(1) Entgegen der Ansicht des [X.] wäre der Beteiligte zu 1 zwar Berechtigter im Sinne des § 51 Abs. 3 [X.]. Er ist Rechtsnachfolger der Erblasserin, die ihrerseits Berechtigte im Sinne des § 51 Abs. 1 [X.] war. Bei mehreren Gesamtrechtsnachfolgern stehen jedem einzelnen die Befugnisse des § 51 [X.] zu ([X.], [X.] 2008, 139 Rn. 14; BeckOGK/Regler, [X.] [1.10.2023], § 51 Rn. 35).

(2) Der Beteiligte zu 1 verlangt aber keine Einsicht in den nach [X.] des Notars in der [X.] zu dem Grundstückskaufvertrag enthaltenen handschriftlichen Vermerk über die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin. Er meint vielmehr, der Vermerk „voll geschäftsfähig“ begründe - über ein Recht auf bloße Einsicht in diesen Vermerk hinaus - ein Recht auf vollständige Einsichtnahme in die [X.] mit [X.] die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin betreffenden Indizien, weil der Eintrag „voll geschäftsfähig“ nur den Schluss zulasse, dass die dahingehende Erkenntnis des Notars, auch bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der [X.]undung, auf anderen Einträgen in der [X.] beruhe. Diese Ansicht trifft nicht zu. Selbst wenn der Notar einen Vermerk über die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin gemäß § 11 Abs. 2 [X.] in die Nie[X.]chrift hätte aufnehmen müssen, berechtigt § 51 Abs. 3 [X.] den Beteiligten zu 1 jedenfalls nicht dazu, die komplette notarielle [X.] einzusehen und nach weiteren Inhalten zu durchsuchen, die er für die Klärung der Frage der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der [X.]undung benötigt und von denen er nicht weiß, ob es sie gibt.

2. Das Beschwerdegericht lehnt es auch zu Recht ab, den Notar anzuweisen, dem Beteiligten zu 1 [X.] darüber zu erteilen, ob und in welcher Form sich in den [X.] Vermerke über Feststellungen zu der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin befinden. Ob ein dahingehender [X.]sanspruch besteht, kann offenbleiben. Rechtsfehlerfrei nimmt das Beschwerdegericht nämlich an, dass der Notar die verlangte [X.] jedenfalls erteilt hat. Die Erklärung des Notars, dass ein Vermerk über Feststellungen zu der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin nicht in die [X.] aufgenommen worden sei, dort fände sich lediglich seine handschriftliche Notiz „voll geschäftsfähig“, ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht wi[X.]prüchlich. Hält der Notar Feststellungen nach § 11 Abs. 1 oder Abs. 2 [X.] nicht für geboten, kann er gleichwohl für rein interne Zwecke als Erinnerungsstütze einen Vermerk über die Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten in die [X.] aufnehmen. Über den Inhalt des internen Vermerks hat der Notar dem Beteiligten zu 1 [X.] erteilt. Dass die [X.] unvollständig ist, weil die [X.] weitere Vermerke über Feststellungen zu Geschäftsfähigkeit der Erblasserin enthält, vermutet der Beteiligte zu 1 nur. Anhaltspunkte dafür bestehen nicht.

3. Weil der Notar aus den unter 1. genannten Gründen (vgl. Rn. 14 ff.) nicht verpflichtet ist, dem Beteiligten zu 1 Einsicht in die [X.] zu gewähren, nimmt das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei an, dass er auch die Erteilung von Ablichtungen verweigern durfte.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.], § 54 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 84 FamFG.

Brückner                         [X.]

                    [X.]

Meta

V ZB 63/22

11.01.2024

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Essen, 16. November 2022, Az: 7 T 351/21

§ 51 Abs 3 BeurkG, § 18 Abs 1 BNotO, § 18 Abs 2 BNotO, § 40 NotAktVV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.01.2024, Az. V ZB 63/22 (REWIS RS 2024, 665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 665

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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