Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.07.2016, Az. B 9 V 22/16 B

9. Senat | REWIS RS 2016, 8589

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - nicht vorschriftsmäßige Besetzung - Rüge gegen Übertragung der Sache auf den Einzelrichter - Auslegung eines Befangenheitsantrags - Zurückweisung des Antrags durch verfahrensleitenden Beschluss - Anfechtbarkeit nur bei Willkür oder Manipulation - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 26. Januar 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] einen Anspruch des im Juni 1945 geborenen [X.] auf Beschädigtenversorgung nach dem [X.] ([X.]) verneint, weil ein Zusammenhang der im Jahr 2009 als Schädigungsfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Hirnschädigung, Epilepsie, Sprachstörung, Gelenks- und Wirbelsäulenschäden) und den vom Kläger angegebenen potentiell schädigenden Handlungen gegenüber seiner schwangeren Mutter im [X.] (Vergewaltigungen, Tritte in den Bauch und Misshandlungen durch [X.] und [X.] Soldaten) nicht hergestellt werden könne. Dabei hat das [X.] nach Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter mit Beschluss vom 10.3.2015 in der mündlichen Verhandlung vom [X.] durch [X.] am [X.] N. als Vorsitzenden zusammen mit den ehrenamtlichen [X.]n [X.] und [X.] entschieden. Zuvor hatte der Senat des [X.] die für den 18.3.2015 anberaumte mündliche Verhandlung wegen eines Ablehnungsgesuchs des [X.] vom selben Tag unter dem Vorsitz von [X.] am [X.] N. und Mitwirkung der Berufsrichter Dr. Br. und [X.] sowie von zwei ehrenamtlichen [X.]n vertagt. Mit Beschluss vom 29.10.2015 hat das [X.] das Ablehnungsgesuch ua bezüglich des [X.]s am [X.] N. zurückgewiesen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in vorgenannten Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt und das Vorliegen eines [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) geltend gemacht, weil eine Verletzung von § 153 Abs 5 [X.] und zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen [X.] nach Art 101 Abs 1 S 2 GG gerügt werde.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des [X.] nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]).

4

Macht ein Kläger das Vorliegen eines [X.] geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so muss er bei der Bezeichnung des [X.] wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des [X.] (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun ([X.] § 160a [X.], 24, 34 und 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht ([X.] § 160a [X.] und 36), es sei denn, es werden absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 [X.] iVm § 547 ZPO der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird ([X.] 4, 281, 288; [X.] § 136 [X.] 8).

5

Ungeachtet des Umstandes, ob die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] das erforderliche Mindestmaß der Geordnetheit des Vortrags erfüllt (vgl hierzu [X.]-1500 § 160a [X.] mwN), legt dieser eine vermeintliche Überschreitung des Ermessens des [X.] im Rahmen der Übertragung der Sache auf den Berichterstatter nach § 153 Abs 5 [X.] als Verstoß gegen den gesetzlichen [X.] (Art 101 Abs 1 S 2 GG) und damit einen wesentlichen Verfahrensfehler iS von § 202 [X.] iVm § 547 [X.] 1 ZPO nicht hinreichend dar. Generell handelt es sich insoweit um einen absoluten Revisionsgrund, der immer zur Aufhebung des Urteils des [X.] führt (vgl [X.], [X.]], [X.] 2007, 328, 333). Trotz der Beschränkung der Prüfungsbefugnis des BSG nach § 202 [X.] iVm § 557 Abs 2 ZPO legt der Kläger allerdings nicht ausreichend dar, dass er bereits vor dem [X.] die Übertragung auf den Berichterstatter als unzulässig gerügt habe. Vielmehr legt er lediglich dar, vor dem [X.] mit Gesuchen vom 18.3. und [X.] am [X.] N. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt zu haben, weil dieser in seinem Schreiben vom 3.11.2014 ua das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme in unsachlicher Weise vorweggenommen habe mit dem Hinweis, dass er angesichts "der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ( … ) für die Berufung keine Aussicht auf Erfolg" sehe. Infolgedessen hätten die [X.] des Senats bei der Beschlussfassung vom 10.3.2015 nicht die Sicht der Beteiligten bei ihrer Ermessensentscheidung nach § 153 Abs 5 [X.] berücksichtigt. Ungeachtet des Umstands, dass das [X.] das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 29.10.2015 gegen ua den [X.] am [X.] N. zurückgewiesen hat, liegt in diesem [X.] keine Rüge der Übertragung der Sache vor dem [X.] auf den Berichterstatter als unzulässig. Insoweit hätte es auch im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde weiterer Auseinandersetzungen zu den hier relevanten Ermessenskriterien bedurft, weshalb eine ordnungsgemäße Senatsbesetzung trotz des vorliegenden Übertragungsbeschlusses aller Berufsrichter des Senats nicht gegeben sein soll. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, ob die nach der Übertragung des Rechtsstreits auf den Berichterstatter vom Senat wegen des zuvor eingegangenen Ablehnungsgesuchs in voller Besetzung am 18.3.2015 durchgeführte Sitzung mit Vertagung des Rechtsstreits unzulässig war (vgl hierzu: [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 153 Rd[X.] 25a ff). Schließlich fehlt es auch an jeglicher Auseinandersetzung des [X.] mit der zu § 547 [X.] 1 ZPO ergangenen Rechtsprechung.

6

Gleiches gilt im Ergebnis für die sinngemäße Rüge, dass der Beschluss vom 29.10.2015 "offensichtlich willkürlich ergangen" sei. Die Rüge eines [X.] ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn sie sich gegen eine unanfechtbare Vorentscheidung richtet (§ 202 [X.] iVm § 557 Abs 2 ZPO). Dies gilt für alle verfahrensleitenden Beschlüsse und Zwischenentscheidungen des [X.] (vgl [X.], aaO, [X.]). Etwas anderes kann lediglich gelten, wenn der Mangel weiter wirkt und dem unanfechtbaren Urteil des [X.] noch anhaftet ([X.] § 160 [X.] 57 S 61; [X.]-1500 § 160a [X.] 1 Rd[X.] 7 ff). Insoweit ist auch die Zurückweisung eines [X.]s typischerweise nicht überprüfbar, weil der Beschluss unanfechtbar ist (vgl § 177 [X.]). Etwas Anderes kann lediglich dann gelten, wenn die Entscheidung willkürlich manipulativ erfolgt ist, sodass die nicht ordnungsgemäße Besetzung der [X.]bank gerügt werden kann (vgl [X.] § 160 [X.] 57 S 61 mwN; [X.]-1500 § 160a [X.] 1 Rd[X.] 7 ff). Derartige willkürliche und manipulative Gründe legt der Kläger nicht dar. Die Beschwerdebegründung lässt zudem nicht erkennen, dass die Entscheidung vom 29.10.2015 Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkennt (vgl BSG Beschluss vom [X.] - [X.] KR 68/09 B - Juris). Hierfür hätte es einer ausreichenden Wiedergabe der Entscheidungsgründe bedurft. Schon daran fehlt es. Auch behauptet der Kläger nicht, nach dem Beschluss des [X.] vom 29.10.2015 (L 15 SF 97/15 AB ) rechtzeitig vor Erlass der anzufechtenden Entscheidung ein neuerliches Ablehnungsgesuch gestellt zu haben.

7

Soweit der Kläger die Beweiswürdigung des [X.] (vgl § 128 Abs 1 S 1 [X.]) kritisiert, kann er damit gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] von vornherein keine Revisionszulassung erreichen. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwendung des [X.] rügt (vgl [X.] § 160a [X.] 7 S 10).

8

Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

9

Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher [X.] (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 [X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 9 V 22/16 B

07.07.2016

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Augsburg, 7. Februar 2012, Az: S 5 VK 9/11, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 153 Abs 5 SGG, § 177 SGG, § 202 SGG, § 60 SGG, § 547 Nr 1 ZPO, § 557 Abs 2 ZPO, § 42 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.07.2016, Az. B 9 V 22/16 B (REWIS RS 2016, 8589)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8589

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