Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.10.2015, Az. 30 W (pat) 530/14

30. Senat | REWIS RS 2015, 3854

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Stroke Unit Plus" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 037 117.8

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung am 15. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Gründe

I.

1

Die am 19. Juni 2013 angemeldete Bezeichnung

2

Stroke Unit Plus

3

soll für die Dienstleistungen

4

„[X.]:

5

wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen;

6

Klasse 44:

7

medizinische Dienstleistungen“

8

in das Markenregister eingetragen werden.

9

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 44 des [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 20. März 2014 zurückgewiesen. Dem angemeldeten Zeichen stehe in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen bereits ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.

Das Zeichen bestehe aus einer Kombination der [X.] Begriffe „Stroke Unit“ (= Spezialeinrichtungen für Schlaganfall-Patienten) sowie der Angabe „plus“. Letztere sei ein werbeüblicher Begriff, der „etwas Zusätzliches“ bzw. „besondere oder verbesserte Eigenschaften oder zusätzliche Vorteile“ bezeichne. In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen vermittele das angemeldete Zeichen daher lediglich einen beschreibenden Hinweis auf eine verbesserte Qualität bzw. auf ein vorhandenes Mehr gegenüber den bisherigen angebotenen bzw. erbrachten Leistungen einer Stroke Unit. Diese Qualitätssteigerung bzw. Verbesserungen könnten sich zum einen auf eine noch bessere Ausstattung der entsprechenden Spezialeinrichtungen beziehen, z. B. mit neu entwickelten Gerätschaften oder zusätzlichen Apparaten und Instrumenten auf dem aktuellsten Stand der medizinischen Technik und Forschung, welche insbesondere im Rahmen der beanspruchten Dienstleistungen der [X.] entwickelt würden. Zum anderen könne „plus“ sich auch auf einen verbesserten Service im Rahmen der medizinischen Dienstleistungen beziehen, wie eine noch umfassendere oder intensivere Behandlung als bisher sowie die Berücksichtigung oder Einbeziehung der neuesten Forschungserkenntnisse auf diesem Gebiet. Das angemeldete Zeichen stelle demnach eine unmittelbar beschreibende Angabe hinsichtlich der Bestimmung der verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen dar und unterliege somit dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Darüber hinaus stehe der Eintragung der angemeldeten Marke auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen, da es sich in Bezug auf die betreffenden Dienstleistungen um eine unmittelbar beschreibende Sachangabe handele, dem die angesprochenen Verkehrskreise keinerlei Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb entnähmen.

Soweit sich die Anmelderin auf ihrer Ansicht nach vergleichbare [X.] mit dem Bestandteil „Plus“ berufe, sei anzumerken, dass [X.] weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes geeignet seien, einen Eintragungsanspruch zu begründen. Zudem sei bei der Beurteilung des beschreibenden Charakters des [X.] „plus“ eine deutlich aktuellere Rechtsprechung berücksichtigt worden, als sie die Anmelderin in ihrer Stellungnahme vortrage.

Stroke Unit Plus kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zukomme. Selbst wenn der [X.] Verkehr den Begriff „Stroke Unit“ als „Schlaganfall-Einrichtung“ verstehe, ergebe sich das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft aus dem zusätzlichen [X.] „Plus“. Denn dieser Markenbestandteil sei gerade wegen seiner möglichen begrifflichen Bedeutung im Sinne von „Mehrwert“ für die angemeldete Marke nicht nur rein beschreibend. Ein „Plus“ bei medizinischen oder wissenschaftlichen Dienstleistungen gebe es nämlich nicht. Im Bereich dieser Dienstleistungen gebe es keine Abstufungen bei der Reichweite einer Behandlung oder Forschung im Sinne eines „Normalpaketes“ oder „[X.]“. Insbesondere im Bereich der [X.] richteten sich - unabhängig von der Art der Krankenversicherung des Patienten - sowohl medizinische Behandlungen als auch wissenschaftliche Forschungen allein nach der medizinischen Notwendigkeit bzw. den gewünschten Forschungszielen aus, welche kein „plus“ vorsähen. Zum Wesen jeder Stroke Unit gehöre es, im umfassendsten Sinne auf die Erkrankung der Patienten zu reagieren und diese möglichst schnell und möglichst qualifiziert zu behandeln. Das „Zusätzliche“, was das Wort „Plus“ in einem anderen Zusammenhang suggerieren könnte, sei einer Stroke Unit immanent.

Eine für den Verkehr nachvollziehbare Aussage werde daher mit dem Wortbestandteil „Plus“ nicht getroffen. Um diesen mit den angemeldeten Dienstleistungen in Verbindung zu bringen, bedürfe es vielmehr einer Reihe weiterer spekulativer und analytischer Überlegungen, in dem Sinne, dass beispielsweise die Dienstleistungen von einer entsprechend qualifizierten Person angeboten bzw. erbracht werden. Zu einer solchen Verknüpfung neige der Verkehr jedoch nicht.

Stroke Unit Plus mache als Wortschöpfung daher keinen Sinn für eine Einrichtung zur Behandlung von Schlaganfallpatienten. Der Gesamtbegriff existiere weder in der [X.] noch in einer anderen gängigen Fremdsprache, so dass der Betrachter zunächst gezwungen sei, ihn in seine Bestandteile "Stroke", „Unit“ und "Plus" aufzuspalten, den Sinngehalt dieser zu ermitteln, um schließlich der Gesamtkreation eine Bedeutung zuordnen zu können. Selbst bei Unterstellung der von der Markenstelle angenommenen Bedeutung des [X.] im Sinne von "ein Mehr an Spezialeinrichtung" stelle sich für die hier angesprochenen [X.] die Frage, worin diese Besonderheit denn konkret bestehe bzw. wodurch sie realisiert werde.

Dementsprechend differenziere auch die Rechtsprechung danach, zu welchem zusätzlichen Bestandteil „Plus“ hinzugefügt werde, was in einer Reihe von vergleichbaren Fällen zur Eintragung von Zeichen mit dem Bestandteil „Plus“ geführt habe, wie die Entscheidung [X.], 880 - [X.] sowie die vom [X.] als schutzfähig erachteten Wortkombinationen „büroplus“, „[X.] [X.]“, „[X.]“, „Fußball plus“ und „wellness [X.]“ verdeutlichten.

Da der Verkehr dem angemeldeten Zeichen keinen unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen könne, fehle es auch an einem Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.] vom 20. März 2014 aufzuheben.

Ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nach Terminsladung und Übersendung von Recherchebelegen des Senats zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da es der angemeldeten Wortmarke „Stroke Unit Plus“ in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen bereits an Unterscheidungskraft  nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt.

Zwar hat die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss die Zurückweisung der Anmeldung vorrangig mit einem Freihaltungsbedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] begründet.  Sie hat die Zurückweisung aber auch ausdrücklich auf das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] gestützt. Mithin ist der Senat nicht gehindert, das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorrangig zu berücksichtigen.

a. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.] 2012, 610 (Nr. 42) - [X.]; [X.], 608, 611 (Nr. 66) – [X.]; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) - [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.] 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – [X.]; [X.], 608, 611 (Nr. 66) - [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 8) –[X.] economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; [X.] 2012, 270, 271, Nr. 11 - [X.] economy; [X.] 2009, 952, 953, Nr. 10 - [X.]; [X.] 2006, 850, 854, Nr. 19 - [X.]; [X.] 2005, 417, 418 - [X.]; [X.] 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] 2006, 850, 854, Nr. 19 - [X.]; [X.] 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.] 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen) zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2010, 1100, Nr. 23 - [X.]!; [X.] 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - [X.]).

b. Die Kombination der [X.] Begriffe „stroke“ - welcher im medizinischen Bereich mit „Schlaganfall“ zu übersetzen ist - und „unit“ (= Einheit) bedeutet in wörtlicher Übersetzung „Schlaganfalleinheit“. In dieser Bedeutung diente die englischsprachige Wortkombination im [X.] (Fach-)Sprachgebrauch auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der schlagwortartigen Bezeichnung von stationären (neurologischen) Sondereinrichtungen von Kliniken/Krankenhäusern für Schlaganfall-Patienten, wie die Recherche der Markenstelle ([X.] 4 – 6 VA) belegt. Soweit vereinzelt die [X.] Bedeutung erklärt wird bzw. der Begriff übersetzt wird (vgl. z. B. http://www.mz-ac.de/leistungsschwerpunkte/stroke-unit; http://www.klinikum-duisburg.de/leistungs-spektrum/fachabteilungen/ neurologie -stroke-unit-neurologische-fruehrehabilitation /stroke-unit.html), ändert dies nichts an der umfassenden sachbezogenen Benutzung dieses Begriffs im Inland. Nicht nur der (medizinische) Fachverkehr, sondern auch weite Teile des allgemeinen Verkehrs werden daher die Wortkombination „stroke unit“ als Bezeichnung einer solchen speziellen Einrichtung verstehen, wobei auf Seiten des allgemeinen Verkehrs diese Bedeutung angesichts der belegten umfangreichen Verwendung nicht nur Schlaganfall-Patienten bekannt sein dürfte. Auf eine lexikalische Nachweisbarkeit dieser Wortkombination kommt es angesichts dieser Umstände nicht an.

In Bezug auf „wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen; medizinische Dienstleistungen“ entnimmt der Verkehr der Wortkombination „stroke unit“ daher lediglich den sachbezogenen Hinweis, dass diese für eine solche Einrichtung bestimmt sind bzw. dem Betrieb einer  solchen „stroke unit“ dienen oder auch in einer solchen Einrichtung erbracht werden.

Der Bestandteil "Plus" bedeutet sowohl im [X.] als auch im [X.] „zuzüglich, und, Mehrbetrag, Überschuss, Vorteil, Vorzug, [X.]“ (vgl. [X.] -Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011 zu „plus“) und zählt als gängige Anpreisung und Qualitätsberühmung in den unterschiedlichsten Waren- und Dienstleistungsbereichen zum elementaren Grundwortschatz der Werbesprache im Sinne eines „irgendwie gearteten, positiven Überschusses oder zusätzlichen Vorteils“ bzw. im Sinne eines "Mehr an Qualität oder Komfort" im Vergleich zum üblichen Standard, den die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen bieten. Entsprechende Wortkombinationen mit dem Bestandteil „Plus“ sind in zahlreichen Entscheidungen im Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen als schutzunfähig angesehen worden (vgl. 33 W (pat) 131/01 Finanzplus; 26 W (pat) 081/07 „[X.] [X.]“; 32 W (pat) 019/00 „Komfort Plus“; 24 W (pat) 051/04 „PROTECTION [X.]“; 33 W (pat) 046/04 „Risikoplus“; 29 W (pat) 351/99 „[X.]“; 32 W (pat) 103/99 „VOLUME [X.]“; 30 W (pat) 258/96 „[X.] [X.]“; 28 W (pat) 503/10 – „Premium [X.]+“; 28 W (pat) 2/10 – „Naturplus“). Der Verbraucher kennt "plus" im Zusammenhang mit vielfältigen Produkten und Dienstleistungen daher als allgemeinen Hinweis darauf, dass hierbei ein "mehr" an Inhalt, Leistungen oder Neuerungen geboten wird. Dies gilt auch für den medizinischen Bereich (vgl. [X.] 30 W (pat) 310/03 „medizin plus“, veröffentlicht in [X.]). Auch insoweit findet „plus“ als allgemeiner Hinweis auf verbesserte Leistungen, Service etc. umfangreich Verwendung, wie die der Anmelderin mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung als Anlage 2 übermittelten Belege verdeutlichen.

Verstehen daher sowohl der Fachverkehr als auch erhebliche Teile des allgemeinen Verkehrs den jeweiligen Sinngehalt der Wortbestandteile, werden sie der Kombination der Sachangabe „Stroke Unit“ mit „Plus“ in Bezug auf die „medizinischen Dienstleistungen“ der Klasse 44 lediglich einen beschreibenden Hinweis auf ein vorhandenes „Mehr“ i. S. einer Verbesserung bzw. einer Qualitätssteigerung der in einer „stroke unit“ zu erbringenden „medizinischen Dienstleistungen“ entnehmen.

einen Arzt selbst zu erbringenden Behandlungsdienstleistungen (in einer Schlaganfallstation) sich allein nach den Regeln der ärztlichen Kunst unter Beachtung des aktuellen Stands der Wissenschaft und Forschung zu richten haben; insoweit gibt es kein „mehr“ oder „weniger“. Die beanspruchten „medizinischen Dienstleistungen“ der Klasse 44 erschöpfen sich jedoch nicht in allein einem Arzt vorbehaltenen Behandlungsmaßnahmen. Sie umfassen darüber hinaus insbesondere auch bei einer „stroke unit“ eine Vielzahl von nicht notwendigerweise durch einen Arzt zu erbringenden medizinischen Dienstleistungen z. B. im Bereich der Prophylaxe sowie der Nachbehandlung oder einer Rehabilitation. Solche medizinischen Dienstleistungen können ebenso wie die im Rahmen solcher Dienstleistungen eingesetzten Geräte und Hilfsmittel bis hin zu den verwendeten Medikamenten aber ohne Weiteres eine höhere Qualität, einen größeren Umfang sowie eine höhere Intensität als üblicherweise angeboten aufweisen (vgl. dazu auch [X.] 30 W (pat) 310/03 „medizin plus“). So kann sich ein höherer Standard aus einer Ausstattung der entsprechenden Spezialeinrichtungen mit neu entwickelten Gerätschaften oder zusätzlichen Apparaten und Instrumenten auf dem aktuellsten Stand der medizinischen Technik und Forschung ergeben. Weiterhin kann sich ein „plus“ auch aus einem verbesserten oder erweiterten Service im Rahmen der medizinischen Dienstleistungen ergeben, z. B. in Form von zusätzlichen Angeboten zur Aufrechterhaltung der Gesundheit oder aber auch in Bezug auf Ambiente und Atmosphäre der jeweiligen Einrichtung (vgl. http://www.klinikum-friedrichshafen.de/fuer-patienten/komfortplus.html: „Die [X.] bieten Privat- und Wahlleistungspatienten ein "Plus" an Service und Komfort. In allen Zimmern genießen Sie eine ansprechende, hochwertige Einrichtung in außergewöhnlichem Ambiente.“; der Anmelderin als Anlage 4 zu Ladung übermittelt).

Das mit „Plus“ gekennzeichnete „Mehr“ im Vergleich zum üblichen Standard kann sich weiterhin auf den Bereich von Zusatzleistungen im medizinischen Bereich beziehen in Richtung einer ganzheitlichen medizinischen Behandlung, die mehr als die bloße Behebung der Funktionsstörung erreichen will, sowie ferner auf Service und Betreuung z. B. von Angehörigen, welche gerade bei Schlaganfall-Patienten oftmals mit die Lebensumstände nachhaltig verändernden und psychisch belastenden Folgen der Erkrankung konfrontiert werden.

In Bezug auf „wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen“ der Klasse 42 erweitert der [X.]“ die Bezeichnung „Stroke Unit“ nach allgemeinem Sprachverständnis dahingehend, dass die betreffenden Dienstleistungen zu einem „Mehr an Qualität oder Komfort" einer „stroke unit“ führen bzw. darauf ausgerichtet sind. Möglich ist auch, dass die Dienstleistungen der [X.] selbst den zusätzlichen, mit „Plus“ umschriebenen Vorteil z. B. in Form einer eigenen Forschungsabteilung einer „stroke unit“ ausmachen.

Der Einwand der Anmelderin, dass sich auch wissenschaftliche Forschungen allein nach den gewünschten Forschungszielen ausrichteten, welche ebenfalls kein „plus“ vorsähen, ist in Bezug auf „wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen“ der [X.] bereits deshalb unerheblich, weil es nicht darum geht, ob diese selbst ein „Mehr“ aufweisen, sondern darum, ob diese Dienstleistungen zu einer Verbesserung bzw. Qualitätssteigerung einer „stroke unit“ beitragen bzw. selbst den weiteren, zusätzlichen Vorteil begründen.

Angesichts der umfassenden Verwendung von „Plus“ als werbemäßiger Hinweis auf ein "Mehr" an Inhalt, Leistungen oder Neuerungen nicht zuletzt auch im medizinischen Bereich ist die Kombination der englischsprachigen Wortfolge „Stroke Unit“ mit „Plus“ auch ihrem Gesamteindruck nach nicht so ungewöhnlich oder originell, als dass sie in ihrer Gesamtheit noch hinreichend individualisierend wirkt.

Stroke Unit Plus weist jedoch keine solche ungewöhnliche Struktur auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführen könnte. Die Einzelbestandteile werden entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff. Soweit dabei offen bleibt, welches „Plus“ in Bezug auf die jeweiligen Dienstleistungen erbracht wird bzw. wie genau sich dieses gestaltet, ändert dies nichts an dem beschreibenden Charakter des Zeichens. Denn eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit steht der Annahme einer beschreibenden Sachangabe nicht entgegen, da auch zusammenfassende oberbegriffsartige Ausdrücke und Wortfolgen einen beschreibenden und sachbezogenen Charakter in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen haben können (vgl. [X.], [X.] 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; 2008, 397, 398 [X.]. 15 - [X.]; [X.], 960, 962 [X.]. 15 - [X.]).

Soweit die Anmelderin unter Vorlage entsprechender [X.]-Auszüge auf eingetragene Wortkombinationen mit dem Bestandteil „Plus“ wie z. B. „büroplus“, „[X.] [X.]“ verweist – vgl. dazu die von der Anmelderin vor der Markenstelle vorgelegten [X.]-Auszüge ([X.] 15 – 22 VA) – ist zunächst anzumerken, dass diesen Eintragungen die unter b. im Zusammenhang mit der Bedeutung des Begriffs „Plus“ beispielhaft aufgeführten Entscheidungen gegenüberstehen, in denen die Kombination eines schutzunfähigen Begriffs mit der Angabe „[X.]“ als nicht eintragungsfähig angesehen wurde. Zudem fehlt es bereits an einer Vergleichbarkeit, als die Eintragungen sich auf Wort-/Bildmarken beziehen, wie z. B. bei der Marke „Wellness [X.]“ ([X.] 22 VA). Bei der von der Anmelderin weiterhin genannten Entscheidung [X.], 880 – [X.] handelte es sich um ein Verletzungsverfahren, bei der die Schutzfähigkeit der Klagemarke „[X.]“ nicht zur Überprüfung stand; abgesehen davon handelte es sich - entgegen der Darstellung der Anmelderin - nach Auffassung des [X.] bei der Klagemarke „[X.]“ um eine originär „wenig unterscheidungskräftige Bezeichnung“, welche aufgrund ihrer (isolierten) Verwendung im Geschäftsverkehr zunehmend eine herkunftshinweisende Funktion erhalten hat (vgl. [X.] a. a. O. [X.]. 13).

In rechtlicher Hinsicht ist zudem zu beachten, dass zwar etwaige Entscheidungen über ähnliche Anmeldungen, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen sind und Anlass für die Überlegung geben können, ob im gleichen Sinn zu entscheiden ist oder nicht; sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. [X.] [X.] 2009, 667 Nr. 17 und 19 – „Bild digital“ und „[X.]“). [X.] identischer oder vergleichbarer Marken, haben hinsichtlich der Schutzfähigkeit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung, weil zum einen aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden Informationen im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen werden können und zum anderen auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden darf (vgl. [X.] a. a. O. Nr. 18 – Bild digital und [X.]; [X.] 2012, 276 – „Institut der Nord[X.] Wirtschaft e.V“). Für die Entscheidung, ob der Markenanmeldung ein Eintragungshindernis entgegensteht, kommt es allein darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der gesetzlich geregelten Schutzhindernisse gegeben sind.

Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Meta

30 W (pat) 530/14

15.10.2015

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.10.2015, Az. 30 W (pat) 530/14 (REWIS RS 2015, 3854)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3854

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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