Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.12.2013, Az. 30 W (pat) 510/12

30. Senat | REWIS RS 2013, 62

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Angio-Plus-Therapie" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 047 179.4

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Winter und des [X.] Jacobi

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

[X.]-Plus-Therapie. Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis lautet nach einer Einschränkung im Beschwerdeverfahren:

2

„Arzneimittel, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie biologische und chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Veranstaltungen von Seminaren und Fortbildungen im medizinisch-pharmazeutischen Bereich, Gesundheitserziehung, Betrieb von [X.] und [X.], Gymnastikunterricht, Kurberatung; Dienstleistungen eines Arztes und Tierarztes, Dienstleistungen eines Krankenhauses, Sanatoriums und einer Klinik, Dienstleistungen von Erholungsheimen und Genesungsheimen, Pflegedienste und Krankenpflegedienste, Betrieb von Pflegeheimen, physiotherapeutische Behandlungen, Dienstleistungen eines Physiotherapeuten, Dienstleistungen eines Logopäden“.

3

Die Markenstelle für Klasse 44 des [X.] hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] beanstandet, weil sie in der Bedeutung „Gefäßtherapie mit einem Mehr (Plus) an medizinischer Therapie/Leistung/Neuerung/Verbesserung“ beschreibend auf Art, Eignung, Bestimmung sowie die inhaltlich/thematische Ausrichtung der beanspruchten Waren/Dienstleistungen hinweise. Nachdem eine Stellungnahme der Anmelderin nicht zu den Akten gelangte, hat dieselbe Markenstelle die Anmeldung mit Beschluss vom 29. November 2011 unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid zurückgewiesen.

4

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit zu betrachten sei, und meint, dass die Trennung des Begriffs „[X.]therapie“ durch das dazwischen eingefügte Wort „Plus“ der Marke Unterscheidungskraft verleihe. Zudem ergäben Lexika auch keine Definition für den Begriff „[X.]therapie“. Die von der Markenstelle herangezogenen Fundstellen beträfen verschiedene Verfahren, die jeweils mit gesonderten Begriffen der Erklärung bedürften, da sie durch „[X.]therapie“ nicht ausreichend gekennzeichnet seien. Die Anmelderin hat ferner auf die Eintragung der Marken 1 076 299 und 1 173 994 „[X.]“ für Waren der Klasse 10 hingewiesen.

5

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

6

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.] vom 29. November 2011 aufzuheben.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

8

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet; die angemeldete Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 und 5 [X.]).

9

1. Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Nr. 66 f. - [X.]; [X.], 825, 826 Nr. 13 - [X.]; [X.], 935 Nr. 8 - Die Vision; [X.], 850, 854 Nr. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 Nr. 45 - Standbeutel; [X.], 229, 230 Nr. 27 - [X.]; [X.] a. a. [X.] - [X.]; [X.] 2008, 710 Nr. 12 - [X.]; [X.], 949 Nr. 10 - [X.]; a. a. [X.] - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] - [X.]; [X.], 411 Nr. 8 - [X.]; [X.], 778, 779 Nr. 11 - [X.]; a. a. [X.] - [X.]; a. a. [X.] - [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise. Hierbei ist auf die Wahrnehmung des Handels sowie des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ([X.] [X.], 411, 412 Nr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 Nr. 24 - SAT 2; [X.] - Die Vision; a. a. [X.] - [X.]; a. a. [X.] - [X.]).

Hiervon ausgehend besitzen Wortzeichen keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, 678 Nr. 86 - Postkantoor; [X.] 2012, 270, 271 Nr. 11 - Link Economy; [X.], 952, 953 Nr. 10 - [X.]; a. a. [X.] Nr. 19 - [X.]; a. a. [X.] - [X.]; a. a. [X.] - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.], 1100 Nr. 23 - [X.]!; a. a. [X.] Nr. 28 f. - [X.]).

[X.]-Plus-Therapie jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Die angemeldete Marke ist erkennbar gebildet aus „[X.]“, „Plus“ und „Therapie“. „[X.]“ ist -  wie schon die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat - ein Wortteil mit der Bedeutung „Gefäß, Blutgefäß“; „[X.]logie“ ist die Lehre von den Blutgefäßen und ihren Krankheiten, die sich als Teilgebiet der Inneren Medizin mit der Entstehung, Epidemiologie, Diagnose, Therapie, Rehabilitation und Prävention von Erkrankungen der Arterien, Venen und Lymphgefäße befasst (vgl. [X.], Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe, 8. Aufl.; [X.], 116; [X.], 2006, [X.]; 430; [X.] zum Stichwort „[X.]logie“). Einige Gefäßkrankheiten können lebensbedrohlich werden, wenn sie zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen, wie im Internetauftritt der Anmelderin ausgeführt (vgl. [X.], Anlage zum Protokoll).

„Plus“ (lateinisch = mehr) weist u. a. auf „einen Vorteil, einen Vorzug, ein [X.]“, also ein „Mehr“ vom Üblichen hin, entweder an Inhalt, an Leistungen oder an Neuerungen, und wird in der Rechtsprechung des [X.] seit Langem in diesem Sinn bewertet (vgl. [X.] (pat) 310/03 - medizin plus, veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts; vgl. [X.], [X.], 7. Aufl., S. 1350).

Das Wort „Therapie“ ist die gebräuchliche Bezeichnung für eine „Heilbehandlung“ (vgl. [X.], [X.], a. a. O, S. 1747).

[X.]-Plus-Therapie im Sinn von „Gefäß-Plus-Therapie“ bereitet somit dem angesprochenen Publikum keinerlei Schwierigkeiten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass mit den hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen allgemeine Verkehrskreise, aber auch [X.] angesprochen werden, wobei es sich durchweg um Produkte bzw. Angebote aus dem Bereich Medizin und Gesundheit handelt bzw. handeln kann, die mit Bedacht erworben oder nachgefragt bzw. unter Einschaltung von Fachkreisen in Anspruch genommen werden. An diesem Verständnis ändert sich entgegen der Auffassung der Anmelderin auch nichts durch der Einfügung des Wortes „Plus“ in den Begriff „[X.]therapie“; die Gesamtbezeichnung wird durch diese Einfügung des Wortes „Plus“ nicht derart verfremdet, das dies dem genannten Verständnis entgegensteht.

[X.]-Plus-Therapie allenfalls die Vorstellung verbinden, dass Waren und Dienstleistungen angeboten bzw. erbracht werden, die an Inhalt oder Leistungen gegenüber dem Üblichen zusätzliche Vorteile bei der Behandlung von Gefäßerkrankungen bieten.

Wie die Markenstelle bereits ausgeführt hat, können die beanspruchten Waren für eine solche Vorteile bietende Gefäß-Therapie geeignet und bestimmt sein; zu bedenken ist dabei, dass gerade auch gesunde Ernährung im Zusammenhang mit Gefäßkrankheiten eine wichtige Rolle spielt (Stichwort „mediterrane Ernährung“) und diese Erkrankungen in Ländern mit gesunder Ernährung am Wenigsten auftreten; deshalb können auch diesbezügliche Erzeugnisse der Klasse 5 solchermaßen geeignet und bestimmt sein. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 44 können auf eine Vorteile bietende Behandlung von Gefäßkrankheiten bezogen sein und die Dienstleistungen der [X.] können [X.] im Zusammenhang mit einer „[X.]-Plus-Therapie“ stehen.

[X.]-Plus-Therapie wird deshalb in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise als Sachhinweis bzw. als eine allgemeine Angabe mit beschreibendem Bezug verstanden, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis.

Zwar weist die Anmelderin zutreffend auf das Verbot der analysierenden Betrachtungsweise hin sowie darauf, dass bei der Prüfung der Schutzfähigkeit die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit maßgeblich ist. Jedoch ist die Verständnisfähigkeit des Publikums im Hinblick auf das auch insoweit geltende Leitbild des „aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ nicht zu gering zu veranschlagen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rdn. 30 [X.]); außerdem entbindet der Grundsatz, dass es auf die Schutzfähigkeit der Marke in ihrer Gesamtheit ankommt, auch bei einer aus mehreren Bestandteilen gebildeten Marke nicht von einer Prüfung der einzelnen Markenteile (vgl. [X.]/[X.], a. a. [X.], § 8 Rdn. 146 [X.]). Die oben genannte Bedeutung ergibt sich dabei aus der Bezeichnung in ihrer Gesamtheit. Auch aus der Neuheit eines Zeichens bzw. aus einem fehlenden lexikalischen Nachweis kann entgegen der Auffassung der Anmelderin nichts für dessen Unterscheidungskraft hergeleitet werden (vgl. [X.]/[X.], a. a. [X.], § 8 Rdn. 107 [X.]).

Soweit die Anmelderin darauf hinweist, dass die von der Markenstelle herangezogenen Fundstellen zum Begriff „[X.]therapie“ verschiedenste gefäßtherapeutische Verfahren beschreiben, berücksichtigt sie dabei nicht, dass die absoluten Schutzhindernisse des § 8 [X.] ausschließlich nach den jeweils beanspruchten konkreten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen sind (vgl. [X.]/[X.], a. a. [X.], § 8 Rdn. 27 [X.]). Im Zusammenhang damit ist auch angesichts verschiedener Therapieformen bei Gefäßerkrankungen ein anderes Verständnis des hier verwendeten Oberbegriffs als oben zugrunde gelegt nicht naheliegend.

[X.]-Plus-Therapie kann damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten, beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen. Die angemeldete Marke ist in dem hier maßgeblichen Umfang nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vorliegt.

3. Ein Eingehen auf die von der Anmelderin genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. [X.] 2012, 276, 277 Nr. 18 [X.] - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Meta

30 W (pat) 510/12

19.12.2013

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.12.2013, Az. 30 W (pat) 510/12 (REWIS RS 2013, 62)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 62

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26 W (pat) 506/18

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