Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2014, Az. I ZR 228/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 156

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 228/12
vom
18. Dezember 2014
in dem Rechtsstreit

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Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 18. Dezember 2014 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Koch, Dr.
Löffler und die Richterin Dr.
Schwonke

beschlossen:

Die Anhörungsrüge
gegen das [X.]urteil vom 18.
September 2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß §
321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhö-rungsrüge der Beklagten ist nicht begründet.
Zu Unrecht meint die Anhörungs-rüge, das [X.]urteil stelle sich als eine das rechtliche Gehör der Beklagten verletzende Überraschungsentscheidung dar.

[X.] Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) gewährleistet das Recht der Verfahrensbeteiligten, vor einer gerichtlichen Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können ([X.] 84, 188, 190). Auf einen Gesichts-punkt, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht, darf das Gericht ohne vor-herigen Hinweis oder Erörterung mit den [X.]en nicht abstellen ([X.] 86, 133, 144; [X.] 98, 218, 263).
Das Gericht ist nach
Art.
103 Abs.
1 GG al-lerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, vor einer Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen ([X.] 74, 1, 6; 84, 188, 190).
Die [X.] hat 1
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auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst ([X.], Beschluss vom 3.
April 2014 -
I
ZR 237/12, [X.] 2014, 343 Rn. 2 -
BAVARIA).

I[X.] Eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtli-chen Gehörs liegt nicht vor.

1. Entgegen der Meinung der Anhörungsrüge liegt keine das rechtliche Gehör der Beklagten verletzende Überraschungsentscheidung darin, dass der Senat zu der Auffassung gelangt ist, eine gesteigerte Kennzeichnungskraft
einer abstrakten Farbmarke sei nicht notwendige Voraussetzung für die An-nahme einer markenmäßigen Verwendung des angegriffenen Farbtons. Für einen gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten war erkennbar, dass es sich bei der Frage der markenmäßigen Verwendung um eine der zentralen Rechtsfragen des Verfahrens handelte. Hierzu haben sich die [X.]en im ge-samten Rechtsstreit umfassend geäußert. Der Senat war deshalb nicht gehal-ten, die Beklagte auf diesen Gesichtspunkt und die Bedeutung einer normalen Kennzeichnungskraft der Klagemarke für die Annahme einer markenmäßigen Benutzung der beanstandeten Benutzungsformen ausdrücklich hinzuweisen.

a) Das Berufungsgericht hat die Farbmarke Gelb der Klägerin als [X.] angesehen. Auf der Grundlage normaler Kennzeichnungskraft der Klagemarke hat es eine markenmäßige Verwendung der gelben Farbe in den angegriffenen Verwendungsformen der Beklagten be-jaht. Dabei hat es maßgeblich auf die Verkehrsauffassung abgestellt, die durch die Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Markt der Sprachlernprodukte und die Verwendung des gelben Farbtons durch die [X.] in Art einer Hausfarbe bestimmt wird. Dem Umstand, dass es keine ge-steigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke festgestellt hat, hat das Beru-3
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fungsgericht dagegen keine streitentscheidende Bedeutung beigemessen. [X.] musste die Beklagte im Revisionsverfahren von sich aus in die Beurtei-lung einbeziehen, dass auch ohne gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klage-marke eine markenmäßige Verwendung der angegriffenen Benutzungsformen in Betracht kam. Für dieses Ergebnis spricht weiter, dass die Frage der Maß-geblichkeit der Verkehrsauffassung und der sie beeinflussenden Kennzeich-nungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Markt für die Beurteilung der markenmäßigen Verwendung aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] und des [X.] zu den maßgeblichen Grundsätzen gehört (vgl. [X.], Urteil vom 25.
Januar 2007
48/05, [X.], 318 Rn.
23 = [X.], 299
[X.]/[X.]; vgl. zu Art.
3 Abs.
3 auch [X.], Urteil vom 6.
Mai 2003
104/01, [X.]. 2003, 3793 = GRUR 2003, 604 Rn.
62

Libertel; [X.], Urteil vom 4.
September 2003
I
ZR
23/01, [X.]Z 156, 126, 136

Farbmarkenverletzung
I), die die Beteiligten eines Rechtsstreits von sich aus in ihre Beurteilung einbeziehen müssen. Hiervon ausgehend haben die [X.]en im Nichtzulassungsbeschwerde-
und Revisionsverfahren zu der [X.] im [X.] mit der Frage der markenmäßigen Verwendung des angegriffenen [X.] kontrovers vorgetragen. Die Beklagte konnte angesichts der bisherigen Rechtsprechung des [X.] nicht sicher davon ausgehen, dass eine marken-mäßige Verwendung der angegriffenen Farbe nur in Betracht kommt, wenn die Klagemarke über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt.

b) Im Übrigen ist die Frage, ob die kennzeichenmäßige Verwendung der Farbe Gelb in den beanstandeten Verwendungsformen eine gesteigerte [X.] voraussetzt, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gewesen. Der [X.]vorsitzende hat bei der [X.] in den Sach-
und Streitstand in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Frage aufgeworfen, ob die Annahme einer markenmäßigen [X.]
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dung des angegriffenen gelben Farbtons zwingend voraussetzt, dass die [X.] über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt, oder ob die tatsächli-chen Feststellungen des Berufungsgerichts zu den [X.] auf dem betroffenen Warensektor auch bei durchschnittlicher Kennzeich-nungskraft die Annahme einer markenmäßigen Verwendung der Farbe Gelb auf Seiten der Beklagten rechtfertigen können. Dabei sind auch Gegenstand der Erörterung die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gewesen, die Verkehrsgewohnheiten bei zweisprachigen Wörterbüchern strahlten auf den Markt der Sprachlernsoftware aus und die Beklagte habe die Farbe Gelb als Wiedererkennungszeichen verwendet. Hierzu haben sich die [X.]en in der mündlichen Verhandlung äußern können und haben dies auch getan.

2. Die Anhörungsrüge macht ohne Erfolg geltend, auch die Entschei-dung, das markenrechtliche Verletzungsverfahren nicht bis zum Abschluss des beim Senat anhängigen Löschungsverfahrens (I
ZB
61/13) auszusetzen, sei überraschend und verletze den Anspruch
der Beklagten auf Gewährung rechtli-chen Gehörs.

a) Die mit dem Ziel der Fortführung des Verfahrens eingelegte Anhö-rungsrüge kann mit dieser Begründung schon deshalb keinen Erfolg haben, weil damit eine Entscheidung des Senates herbeigeführt werden soll, mit der das vorliegende Verfahren gemäß §
148 ZPO bis zur Erledigung des Lö-schungsverfahrens ausgesetzt
wird. Das Löschungsverfahren ist zwischenzeit-lich durch den die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurückweisenden Be-schluss des Senates vom 23.
Oktober 2014 (I
ZB 61/13

Langenscheidt Gelb) beendet worden. Damit fehlt es an einem anderen anhängigen Verfahren, das Voraussetzung für eine Aussetzungsanordnung im vorliegenden Rechtsstreit wäre.

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b) Im Übrigen liegt ein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß nicht da-rin, dass der Senat die Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] "[X.]" (Urteil vom 19.
Juni 2014
217/13 und 218/13, GRUR 2014,
776 = [X.], 940
Deutscher Sparkassen-
und Giroverband/[X.]) nicht zum Anlass genommen hat, den vorliegenden
Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Löschungsantrag auszusetzen.

Voraussetzung für eine Verfahrensaussetzung nach §
148 ZPO ist, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke im registerrechtli-chen Verfahren besteht, die die mit der Aussetzung verbundene Prozessverzö-gerung rechtfertigt (vgl. [X.], Urteil vom 28.
August 2003
I
ZR
257/00, [X.]Z 156, 112, 119
Kinder
I). Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Löschungsentscheidung hat der Senat nicht
feststellen können. Darauf, dass die Beklagte insoweit einen anderen Rechtsstandpunkt vertritt, kommt es nicht

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an. Das Verfahren der Anhörungsrüge nach §
321a ZPO dient nicht dazu, die [X.]entscheidung nochmals inhaltlich zur Überprüfung zu stellen oder einer [X.] die Möglichkeit zu eröffnen, mit dem Senat nach dessen Entscheidung ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt zu diskutieren.

Büscher
Schaffert
Koch

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.01.2012 -
31 O 352/11 -

O[X.], Entscheidung vom 09.11.2012 -
6 [X.] -

Meta

I ZR 228/12

18.12.2014

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2014, Az. I ZR 228/12 (REWIS RS 2014, 156)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 156

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

I ZR 277/14

Zitiert

I ZR 228/12

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