Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2008, Az. VI ZB 16/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1474

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[X.] vom 14. Oktober 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessual beauftragten Privat-sachverständigen kann auch dann bestehen, wenn bei Erteilung des [X.] ausreichende Anhaltspunkte für einen versuchten Versicherungsbetrug gege-ben waren und das im Einzelnen nicht angegriffene Gutachten aufzeigt, dass Ersatz von Schäden begehrt wurde, die durch den Unfall nicht entstanden sein können. [X.], Beschluss vom 14. Oktober 2008 - [X.]/08 - [X.]

LG Leipzig - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 14. Oktober 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll beschlossen: [X.] gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des [X.] vom 18. Februar 2008 wird auf Kosten des [X.], der auch die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten zu tragen hat, zurückgewiesen. Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 769,34 • Gründe: [X.] Der Kläger hat behauptet, der [X.] zu 1 sei am 28. April 2006 mit ei-nem Pkw [X.] (Fahrleistung ca. 199.000 km, annähernd neun Jahre alt) auf den Pkw [X.] Benz des [X.] aufgefahren. Er hat mit Anwalts-schreiben vom 11. Mai 2006 der [X.]n zu 2, dem Haftpflichtversicherer des vom [X.]n zu 1 gefahrenen Fahrzeugs, die Kopie einer vom [X.]n zu 1 handschriftlich gefertigten Erklärung mit Datum des [X.] vorgelegt, mit welcher der [X.] zu 1 bestätigt hat, den Unfall verursacht zu haben. Die Unfallbeteiligten hatten auf eine polizeiliche Unfallaufnahme verzichtet. [X.] Zeugen gab es nicht. Die Halterin des [X.]s hatte die Prämie für die 1 - 3 - etwa 2½ Monate zuvor abgeschlossene Haftpflichtversicherung bis dahin nicht bezahlt. 2 Auf der Grundlage eines außergerichtlichen Gutachtens begehrte der Kläger Erstattung von Reparaturkosten für den [X.] Benz in Höhe von 12.306,61 • nebst den Kosten für das Gutachten von 1.042,76 • und einer Aus-lagenpauschale von 25 •. Mit Anwaltsschreiben vom 1. Juni 2006 verlangte er ferner die Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 1.638 •. Weil die [X.] zu 2 den Verdacht hegte, es könne ein versuchter [X.] vorliegen, beauftragte sie am 2. Juni 2006 ihrerseits einen Sachverständigen mit der Prüfung, ob die vom Kläger geltend gemachten [X.] an seinem Pkw durch den Unfall verursacht worden sein könn-ten. In seinem Gutachten vom 25. Juli 2006 kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass ein Auffahren des Passats auf den [X.] des [X.] nicht ausgeschlossen werden könne. Es sei aber unmöglich, dass sämtliche [X.], die in dem Gutachten des [X.] als unfallbedingt aufgeführt seien, durch den behaupteten Auffahrunfall verursacht worden seien. Darauf teilte die [X.] zu 2 dem Kläger mit Schreiben vom 4. August 2006 mit, dass sie die von ihm gestellten Ansprüche zurückweise und außergerichtlich keine Zahlungen leisten werde. 3 Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2006 erhob der Kläger Klage auf [X.] seines Schadens zum [X.]. Die [X.] zu 2 beantragte unter Berufung auf das von ihr eingeholte Privatgutachten Klageabweisung. Im Hinblick auf den von ihm zu erbringenden Kostenvorschuss nahm der Kläger die Klage zurück. Das [X.] legte dem Kläger die Kosten des [X.] auf. 4 - 4 - 5 Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31. Juli 2007 hat die Rechtspflegerin auch die Kosten des vorprozessual von der [X.]n zu 2 eingeholten Gutachtens in Höhe von 769,34 • gegen den Kläger festge-setzt. Mit seiner sofortigen Beschwerde hat der Kläger eingewendet, die Kosten dieses Gutachtens seien nicht erstattungsfähig, weil die [X.] zu 2 das [X.] in Auftrag gegeben und erhalten habe, bevor eine Klage auch nur [X.] gewesen sei. Das Gutachten sei nicht prozessbezogen, seine Richtigkeit habe die [X.] zu 2 nicht bewiesen. Der Sachverständige habe nicht aus-schließen können, dass die Beschädigungen durch den Unfall verursacht [X.] seien. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das Beschwerdegericht, dem der Einzelrichter die Sache zur Entscheidung übertragen hat, hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen [X.] sich der Kläger mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbe-schwerde. I[X.] 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Ansicht, die Sach-verständigenkosten seien im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe fest-zusetzen, im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger müsse nach Rücknahme der Klage die dem Gegner erwachsenen Kosten des Rechtsstreits erstatten. Zwar könnten die Kosten vorprozessual erstatteter Privatgutachten nur dann aus-nahmsweise Kosten des Rechtsstreits sein, wenn das Gutachten prozessbezo-gen eingeholt worden sei. Eine derartige Prozessbezogenheit sei anzunehmen, wenn der an der Rechtmäßigkeit eines Schadensersatzverlangens zweifelnde Haftpflichtversicherer sein Gutachten zu einem Zeitpunkt in Auftrag gegeben habe, zu dem die Klage bereits angedroht gewesen sei oder wenn das Gutach-ten nach Klageandrohung erstattet worden sei. Ausnahmsweise seien die [X.] - 5 - ten eines Gutachtens auch unabhängig von einer ausdrücklichen Klageandro-hung dann zu erstatten, wenn sich der Verdacht auf einen Versicherungsbetrug aufgedrängt habe. Dem in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer bleibe, wenn andere Erkenntnismöglichkeiten fehlten, nur ein Gutachten zur [X.] der Plausibilität des behaupteten Unfallhergangs und der dadurch angeb-lich verursachten Schäden, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Der Auftrag an den Sachverständigen sei notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverteidi-gung gewesen, weil eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende [X.] die Maßnahme ex [X.] als sachdienlich habe ansehen dürfen. Die [X.] zu 2 habe aufgrund des Vortrags des [X.] berechtigte Zweifel an dem geschilderten Unfallablauf und an der Höhe des geltend gemachten Schadens gehabt und keine ausreichende Sachkenntnis besessen, um eine Verursachung der Schäden durch den Unfall auszuschließen. Es sei daher zweckmäßig ge-wesen, sich beraten zu lassen. Darauf, ob das Gutachten den Verdacht bestä-tigt habe, komme es nicht an. Entscheidend sei die objektive Erforderlichkeit und Eignung aus der Sicht der [X.], die hier anzunehmen seien. Zudem habe der Sachverständige festgestellt, dass jedenfalls ein Großteil der Schäden nicht durch den behaupteten Unfall verursacht worden sei. 2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. 7 [X.] ist zwar statthaft (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 104 Abs. 3, 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 575, 551 Abs. 2 Satz 5, 577 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. 8 a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. [X.] 153, 235 ff.; Beschlüsse vom 23. Mai 2006 - [X.] ZB 7/05 - [X.], 1236 f. und vom 4. März 2008 - [X.] ZB 72/06 - [X.], 801 f.) können die Kosten für ein vorprozessual erstattetes Privatgutachten nur ausnahmsweise als "Kosten des Rechtsstreits" im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden. Insoweit ge-9 - 6 - [X.] es nicht, wenn das Gutachten irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet wird, sondern das Gutachten muss sich auf den konkreten Rechtsstreit bezie-hen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein. Deshalb sind diejenigen Aufwendungen, die veranlasst werden, bevor der Rechtsstreit sich einigermaßen konkret abzeichnet, regelmäßig nicht erstattungsfähig. Damit soll verhindert werden, dass eine [X.] ihre allgemeinen Unkos-ten oder prozessfremde Kosten auf den Gegner abzuwälzen versucht und so den Prozess verteuert. Die [X.] hat grundsätzlich ihre Einstandspflicht und ihre Ersatzberechtigung in eigener Verantwortung zu prüfen und den dabei ent-stehenden Aufwand selbst zu tragen. Deshalb ge[X.] die Vorlage eines in die-sem Zusammenhang erstellten Gutachtens allein grundsätzlich nicht. Die Tätig-keit des [X.] muss vielmehr in unmittelbarer Beziehung zu dem sich konkret abzeichnenden Rechtsstreit stehen. 10 b) Der erkennende Senat hat bisher die umstrittene Frage offen gelas-sen, ob für die Annahme der Prozessbezogenheit schon ein sachlicher Zu-sammenhang zwischen Gutachten und Rechtsstreit ausreichend ist (vgl. [X.], 11 f.; [X.] 1992, 194 f.), ob [X.] ein enger zeitlicher Zusammenhang erforderlich ist (vgl. [X.] [X.] 1988, 761 f.; [X.] 1990, 1468, 1469; [X.] 1991, 1105, 1106; [X.] OLGR 1994, 142 f.; Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., § 91 Rn. 59; ablehnend Mümmler [X.] 1988, 762) oder ein langer zeitlicher Zwischen-raum sogar ein Indiz für das Fehlen eines sachlichen Zusammenhangs (vgl. [X.] [X.] 1992, 172 f.; [X.] VersR 2007, 1100, 1101) ist. Die Frage ist auch jetzt nicht zu entscheiden. 11 Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats und der Oberlan-desgerichte wird nämlich eine die Erstattungsfähigkeit auslösende [X.] - 7 - zogenheit trotz Fehlens eines engen zeitlichen Zusammenhangs in den Fällen bejaht, in denen sich der Verdacht eines [X.] aufdrängt, weil sich der Versicherer dann von vornherein auf einen [X.] einstellen muss (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - [X.] ZB 56/02 - [X.], 481, 482; KG [X.] 1989, 813; [X.] [X.], 287, 288; [X.] VersR 1996, 122; [X.] VersR 2004, 931, 932; [X.] VersR 2004, 803; [X.] [X.] 1989, 819 und [X.] 1991, 1105, 1106; [X.] zfs 2003, 145; [X.] VersR 2004, 933 und [X.] 2006, 543 f., sowie die oben genannten Stimmen in der Literatur; a.A. [X.] [X.] 2005, 656). Sind ausreichende Anhaltspunkte für den Versuch eines [X.] vorhanden, ist von Anfang an damit zu rechnen, dass es zum Prozess kommen wird, weil der Täter bei Ablehnung der Einstandspflicht versuchen wird, sein Ziel einer nicht gerechtfertigten Scha-densregulierung auch durch einen Rechtsstreit zu erreichen. In einem solchen Fall ist das Privatgutachten - unabhängig von einer ausreichenden zeitlichen Nähe zum Rechtsstreit - regelmäßig als prozessbezogen anzusehen. Die Kos-ten hierfür sind daher im Rahmen der Bestimmungen auch dann erstattungsfä-hig, wenn ein Verlust von Beweismitteln nicht zu besorgen ist. Der Versicherer besitzt nämlich in der Regel selbst nicht die erforderliche Sachkenntnis, um eine Verursachung der Schäden durch eine Straftat mit hinreichender Überzeu-gungskraft und Sicherheit auszuschließen. Er kann deshalb billigerweise nicht darauf verwiesen werden, zunächst die Einholung eines Gutachtens durch das Gericht abzuwarten. Vielmehr ist es in einem solchen Fall zweckmäßig und pro-zessökonomisch, wenn die [X.] sich sachkundig beraten lässt, ehe sie vor-trägt. Im hier zu entscheidenden Fall hat das eingeholte Gutachten den [X.] eines [X.] bestätigt. Der Kläger hat nämlich auch [X.] als unfallbedingt abgerechnet, die durch den behaupteten [X.] - 8 - fallhergang nicht entstanden sein können. Der Kläger hat sich zwar gegen die-ses Gutachten gewendet, es aber nicht mit Einwendungen im Einzelnen ent-kräftet, sondern "aus Kostengründen" die Klage zurückgenommen. 3. Nach allem ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen mit der Kosten-folge aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. 14 [X.] [X.] [X.]

Pauge Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 31.07.2007 - 9 O 4343/06 - [X.], Entscheidung vom 18.02.2008 - 10 W 1061/07 -

Meta

VI ZB 16/08

14.10.2008

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2008, Az. VI ZB 16/08 (REWIS RS 2008, 1474)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1474

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