Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.02.2019, Az. VIII B 89/18

8. Senat | REWIS RS 2019, 10458

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Gegenstand

Sachaufklärungspflicht des FG bei ausländischen Beweismitteln


Leitsatz

NV: Beschafft der Kläger Beweismittel zu ausländischen Sachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO (verschuldet oder unverschuldet) nicht, darf das FG den ihm vorliegenden Sachverhalt ohne Berücksichtigung des ausländischen Beweismittels nach freier Überzeugung würdigen. Es kann in diesem Fall grundsätzlich auch zum Nachteil des Klägers von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Klägers und seiner Verantwortung für die Aufklärung des ausländischen Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 9. Mai 2018  2 K 47/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Die Revision ist nicht wegen der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügten Verstöße gegen die Sachaufklärungspflichten gemäß § 76 Abs. 1 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zuzulassen.

3

a) Der Kläger sieht einen Verstoß des Finanzgerichts ([X.]) gegen die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 [X.]O darin, dass es dem in der mündlichen Verhandlung schriftlich gestellten Beweisantrag nicht nachgekommen sei. Er hat in der mündlichen Verhandlung sinngemäß beantragt, zur streitigen Inhaberschaft des [X.] Festgeldkontos Beweis durch Beiziehung von Unterlagen zur Kontoeröffnung in [X.] zu erheben. Das [X.] sei zu dieser Beweiserhebung verpflichtet. Er habe auch seine Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) zur Beschaffung dieser Unterlagen entgegen der Würdigung des [X.] nicht verletzt. Ihm sei es nicht möglich, weitere Beweismittel und die notwendigen Unterlagen in [X.] zu beschaffen. Das [X.] sei daher zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen verpflichtet.

4

b) Der gerügte Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht ist nicht gegeben.

5

aa) Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O hat das [X.] den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dabei die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 Satz 2 [X.]O) zu erheben. Es ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 [X.]O). Das gilt aber nur in dem Sinne, dass das [X.] von sich aus auch Beweise erheben kann, die von den Beteiligten nicht angeboten worden sind (z.B. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 22. Juni 2016 III B 134/15, [X.], 1571, Rz 11; vom 14. März 2018 IV B 46/17, [X.], 728, Rz 12).

6

bb) [X.] des [X.] ist aber nicht von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten gemäß § 76 Abs. 1 [X.]O losgelöst (vgl. [X.] vom 21. Juli 2017 X B 167/16, [X.], 1447, Rz 4). Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 4 [X.]O i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.] ist ein Beweismittel zu einem ausländischen Sachverhalt von den Beteiligten zu beschaffen. Bezieht sich die mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügte unterbliebene Sachaufklärung des [X.] auf ein solches Beweismittel, ist daher in der Beschwerde darzulegen, dass der Beschwerdeführer seiner abgabenrechtlichen Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 [X.] genügt, d.h. das Beweismittel beschafft hat (s. zu [X.] vom 25. April 2006 X B 38/05, [X.], 1444, unter 3.; vom 27. Oktober 2015 I B 124/14, [X.], 207, Rz 10; s. zur Mitwirkungsverpflichtung bei ausländischen Bankguthaben [X.] vom 21. September 2005 II R 56/03, [X.], 522, [X.], 875, unter [X.]; vom 18. Februar 2008 II B 109/06, [X.], 1163, unter [X.]).

7

cc) Auf dieser Grundlage war das [X.] weder aufgrund des Beweisantrags noch von Amts wegen zur weiteren Sachverhaltsaufklärung im Ausland verpflichtet. Zwar hat der Kläger dargelegt, er habe trotz mehrerer Anfragen in [X.] keine Unterlagen zur Eröffnung des [X.] Kontos mehr erhalten und somit das ihm Mögliche zur Beschaffung des Beweismittels getan, sodass er die Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 2 [X.] nicht verletzt habe. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, bedeutet dies jedoch nicht, dass das [X.] --wie der Kläger meint-- in diesem Fall aufgrund seines Beweisantrags oder von Amts wegen zur Sachverhaltsaufklärung im Ausland verpflichtet ist. § 76 Abs. 1 Satz 4 [X.]O i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.] enthält vielmehr eine Darlegungs- und Beweislastregelung, an der sich der Kläger festhalten lassen muss ([X.] vom 28. November 2017 V B 60/17, [X.], 353, Rz 5). [X.] er Beweismittel gemäß § 90 Abs. 2 [X.] (verschuldet oder unverschuldet) nicht, darf das [X.] den ihm vorliegenden Sachverhalt ohne Berücksichtigung des ausländischen Beweismittels nach freier Überzeugung würdigen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 5. August 2011 III B 144/10, [X.] 2011, 1915, Rz 11; in [X.], 207, Rz 10; vom 2. September 2016 IX B 66/16, [X.], 52). Es kann in diesem Fall grundsätzlich auch zum Nachteil des [X.] von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des [X.] und seiner Verantwortung für die Aufklärung des ausländischen Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. z.B. [X.] in [X.], 1163, unter [X.]; vom 17. November 2010 III B 158/09, [X.] 2011, 299, Rz 13; in [X.], 353, Rz 5). Daher hat das [X.] die weitere Sachverhaltsaufklärung in [X.] zu Recht abgelehnt.

8

2. Das [X.] hat entgegen der [X.] des [X.] seine Entscheidung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens geschöpft und die Vorgaben des § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O nicht missachtet. Zudem hat es den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 96 Abs. 2 [X.]O nicht verletzt.

9

a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O hat das [X.] seine Überzeugung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bilden, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen. Insbesondere muss es den Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Beteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei berücksichtigen. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O ist verletzt, wenn das [X.] seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem schriftlich festgehaltenen Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht oder wenn eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt bleibt (vgl. z.B. [X.] vom 28. Februar 2018 V B 145/16, [X.], 636, Rz 3; vom 8. Mai 2017 X B 78/16, [X.], 1061).

Hingegen liegt dieser Verfahrensfehler nicht vor, wenn vom Beschwerdeführer ein Sachverhalt vorgetragen wird, der von dem durch das [X.] festgestellten Sachverhalt abweicht und er eine von der Auffassung des [X.] abweichende Würdigung von Tatsachen und Akteninhalten geltend macht ([X.] vom 5. April 2017 IX B 18/17, [X.], 918, Rz 3). Dies ist hier aber der Fall. In der Beschwerdebegründung wird vom Kläger gerügt, das [X.] habe sich mit seinem Vorbringen nicht auseinandergesetzt, nicht aber, dass es von Sachverhalten ausgegangen sei, die im Widerspruch zum Vorbringen des [X.] stünden. Zudem wird vom Kläger im Einzelnen dargelegt, warum das [X.] aus seiner Sicht aus bestimmten Akteninhalten habe andere Schlussfolgerungen ziehen müssen, nicht aber, dass es im Widerspruch zu feststehenden Akteninhalten entschieden habe.

b) Ein Verfahrensfehler des [X.] aufgrund einer Verletzung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör i.S. des Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2 [X.]O liegt ebenfalls nicht vor. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das [X.], die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit [X.] des Vorbringens auseinanderzusetzen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das [X.] Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. den vom Kläger zitierten [X.] vom 10. September 2014 IX S 10/14, [X.] 2015, 47, Rz 2).

Vom Kläger wird dies nicht schlüssig dargelegt. Es ist aus seinen Ausführungen nicht erkennbar, welches Vorbringen das [X.] bei der Entscheidungsfindung nicht in Erwägung gezogen haben soll. Er macht vielmehr geltend, das [X.] habe angesichts der präsenten Beweismittel und seines Sachvortrags seinen Argumenten zur Bewertung des Akteninhalts folgen müssen. Der Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht jedoch nicht dazu, der geäußerten Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen ([X.] in [X.] 2015, 47, Rz 2).

3. Aufgrund der Rüge, das [X.] habe zu Unrecht eine Verletzung der Mitwirkungspflichten des [X.] gemäß § 90 Abs. 2 [X.] bejaht und anknüpfend daran auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes entschieden, kommt eine Zulassung der Revision im Streitfall nicht in Betracht. Mit dieser Begründung macht der Kläger Rechtsfehler des [X.] geltend ([X.] vom 11. November 2015 I B 51/15, [X.], 176). Die Zulassung der Revision ist insoweit nur unter den Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O bei Formulierung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder gemäß Nr. 2 der Vorschrift zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung denkbar. Die Voraussetzungen dieser Zulassungsgründe werden vom Kläger jedoch nicht dargelegt.

4. Mit seiner --im Stile einer Revisionsbegründung gehaltenen-- weiteren Begründung, das [X.] habe insgesamt verkannt, dass die streitigen Kapitalerträge allein seiner Ehefrau als wirtschaftlicher Inhaberin des [X.] Kontos, auf das die Zinserträge ausgezahlt worden seien, zuzurechnen seien und dass sich das [X.] für die Feststellung des Kontoinhabers des [X.] Kontos nicht maßgeblich auf den elektronischen Datensatz des Bundeszentralamts für Steuern vom 3. Juli 2014 habe stützen dürfen, rügt der Kläger weitere Rechtsfehler des [X.] im Rahmen der Tatsachen- und Beweiswürdigung. Diese sind im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich unbeachtlich.

5. Aufgrund der Einwendungen des [X.] gegen die vom [X.] getroffene Kostenentscheidung führt die Beschwerde ebenfalls nicht zur Revisionszulassung.

Gemäß § 145 [X.]O ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Aus dieser Vorschrift folgt, dass die Revision wegen eines der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 [X.]O, der allein die Kostenentscheidung betrifft, nicht zuzulassen ist. Die Rüge einer fehlerhaften Kostenentscheidung kann damit nicht zur Zulassung der Revision führen, wenn der Nichtzulassungsbeschwerde --wie hier-- in der Hauptsache der Erfolg zu versagen ist, weil insoweit eine Revisionszulassung nicht in Betracht kommt ([X.] vom 20. Mai 2016 III B 62/15, [X.], 1293, Rz 47 f.).

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 89/18

12.02.2019

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 9. Mai 2018, Az: 2 K 47/17, Urteil

§ 90 Abs 2 AO, § 76 Abs 1 S 4 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.02.2019, Az. VIII B 89/18 (REWIS RS 2019, 10458)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10458

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