Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.04.2019, Az. 7 AZR 324/17

7. Senat | REWIS RS 2019, 7988

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Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2017 - 9 [X.] 1154/16 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung.

2

Der Kläger war zunächst in der [X.] vom 6. April 1998 bis zum 31. Januar 1999 bei der [X.] beschäftigt. Mit Wirkung zum 19. Mai 2014 stellte die Beklagte den Kläger erneut auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 14. Mai 2014 ein. Dieser Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

        

„1.     

Tätigkeit, Arbeitsort und Beginn des Arbeitsverhältnisses

        

1.1     

Wir stellen Sie als Produktionshelfer in unsere Abteilung Fertigung Leiterplatten Steuergeräte ([X.]) ein.

                 

Die Einstellung erfolgt befristet nach § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 19. Mai 2014 und endet am 30. September 2014, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

        

1.2     

Wir sind berechtigt, Ihnen andere zumutbare Aufgaben zu übertragen. Sie können auch in einen anderen Betrieb unseres Unternehmens versetzt werden.“

3

Mit schriftlichen Verträgen vom 23. September 2014, 4. März 2015 und 13. Oktober 2015 vereinbarten die Parteien jeweils eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses, zuletzt bis zum 31. März 2016. Mit Wirkung zum 1. Dezember 2015 war der Kläger als Qualitätsprüfer in die Abteilung „[X.][X.]“ versetzt worden.

4

Mit der am 15. April 2016 bei Gericht eingegangenen, der [X.] am 21. April 2016 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 31. März 2016 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 [X.] gerechtfertigt.

5

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 13. Oktober 2015 vereinbarten Befristung am 31. März 2016 beendet worden ist.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das frühere Arbeitsverhältnis stehe der sachgrundlosen Befristung zum 31. März 2016 nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht entgegen, da das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bei der erneuten Einstellung mehr als 15 Jahre zurückgelegen habe. Zudem sei der Kläger an unterschiedlichen Arbeitsplätzen tätig gewesen. Unabhängig davon sei die letzte Befristung durch einen Sachgrund gerechtfertigt. Der Kläger sei im Bereich [X.][X.]694 als Vertreter für eine erkrankte Arbeitnehmerin tätig gewesen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.]eklagten ist unbegründet. Das [X.] hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der zuletzt vereinbarten [X.]efristung am 31. März 2016 geendet.

9

I. Die [X.]efristung ist unwirksam. Sie ist nicht nach § 14 [X.] gerechtfertigt.

1. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die zuletzt vereinbarte [X.]efristung des am 14. Mai 2014 begründeten Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2016 nicht nach § 14 Abs. 2 [X.] gerechtfertigt ist. Zwar wurden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] genannten Grenzen mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren und der dreimaligen Vertragsverlängerung eingehalten. Der Wirksamkeit der [X.]efristung steht jedoch § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die sachgrundlose [X.]efristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Nach den Feststellungen des [X.]s bestand zwischen den Parteien bereits in der [X.] vom 6. April 1998 bis zum 31. Januar 1999 ein Arbeitsverhältnis. An diese von der [X.]eklagten nicht angegriffene Feststellung ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden (zur [X.]indungswirkung tatsächlicher Feststellungen in den Entscheidungsgründen vgl. [X.] 10. März 2015 - 3 [X.] - Rn. 44 mwN). Dieses erste zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis stand der Vereinbarung einer sachgrundlosen [X.]efristung des zum 19. Mai 2014 begründeten Arbeitsverhältnisses entgegen, obwohl zwischen dem Ende des ersten und der [X.]egründung des neuen Arbeitsverhältnisses ein [X.]raum von mehr als drei Jahren lag.

a) Der Senat hatte § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] in seiner jüngeren Rechtsprechung verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass die Vorschrift der sachgrundlosen [X.]efristung eines Arbeitsvertrags nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als drei Jahre zurückliegt (vgl. [X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 23 ff., [X.]E 139, 213; ähnlich [X.] 6. April 2011 - 7 [X.] - Rn. 27, [X.]E 137, 275: „verfassungsorientierte Auslegung“).

b) An dieser Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] kann nach dem [X.]eschluss des [X.] vom 6. Juni 2018 (- 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 -) nicht festgehalten werden (vgl. ausführlich [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 18). Allerdings gilt entgegen der Ansicht des [X.]s das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung im Falle einer erneuten Einstellung nach einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber nicht unbeschränkt. Auch das [X.] verlangt eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 62 f.).

aa) Die Vorschrift schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte [X.]erufsfreiheit und die Vertragsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Diese [X.]eeinträchtigungen wiegen schwer. Sie erweisen sich jedoch in der Abwägung mit dem Schutz der [X.]eschäftigten im Arbeitsverhältnis (Art. 12 Abs. 1 GG) und den im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen grundsätzlich als zumutbar. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] bezweckten Schutzes tatsächlich bedürfen, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der [X.]eschäftigten und auch eine Gefahr für die [X.] Sicherung durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform besteht ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 53). Die mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] einhergehenden [X.]eeinträchtigungen der Rechte der [X.] und der Arbeitgeber, erneut einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, stehen auch nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zwecken, da die Arbeitsgerichte die Anwendung der Norm in verfassungskonformer Auslegung auf Fälle ausschließen können, in denen dies für die [X.]eteiligten unzumutbar wäre ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 55).

Ein Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber ist danach unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der [X.]eschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfolgte Schutzzweck kann in diesen Fällen das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten [X.]eschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 62). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 63). So liegt es nach Ansicht des [X.] etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit (vgl. [X.]auer [X.], 241, 243; [X.] 2001, 254; [X.] 2011, 2808, 2810), bei [X.] und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer [X.]erufsqualifizierung (vgl. dazu [X.] 6. April 2011 - 7 [X.] - Rn. 2, [X.]E 137, 275) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der [X.], die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht (vgl. [X.]/Preis [2016] § 620 Rn. 182; ähnlich [X.] 2001, 254 f.).

bb) Der Entscheidung des [X.] kommt nach § 31 Abs. 2 iVm. § 13 Nr. 11 [X.]G Gesetzeskraft zu. Jedenfalls dann, wenn der Tenor - wie hier - ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe [X.]ezug nimmt, erstreckt sich die [X.]indungswirkung auch auf die Ausführungen des [X.] zu der verfassungskonformen Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm (vgl. [X.] 30. Juni 1976 - 2 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 42, 258; 10. Juni 1975 - 2 [X.]vR 1018/74 - zu [X.] I 3 der Gründe, [X.]E 40, 88; [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 22 mwN).

c) Danach liegen die Voraussetzungen einer verfassungskonformen [X.]eschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] im vorliegenden Fall nicht vor, so dass die Entscheidung des [X.]s im Ergebnis zutreffend ist.

aa) Das [X.] hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer war. Dies ist unter [X.]erücksichtigung des Grundes für die verfassungskonforme Auslegung, den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf Fälle, in denen das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung unzumutbar wäre, einzuschränken, sowie unter [X.]erücksichtigung der vom [X.] genannten [X.]eispielsfälle zu beurteilen. Letztlich bedarf es hierzu einer Würdigung des Einzelfalls ([X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 24; [X.] 2018, 36, 38; [X.] Anm. AP [X.] § 14 Nr. 170).

bb) Danach ist vorliegend das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung nicht unzumutbar.

(1) Im [X.]punkt der erneuten Einstellung des [X.] lag seine Vorbeschäftigung entgegen der Ansicht der [X.]eklagten nicht so lange zurück, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfassungsrechtlich geboten wäre. Nach der Entscheidung des [X.] genügt es nicht, dass das Vorbeschäftigungsverhältnis lang zurückliegt, es muss vielmehr sehr lang zurückliegen. Das kann bei einem [X.]raum von etwas mehr als 15 Jahren - ohne das Hinzutreten besonderer Umstände - grundsätzlich nicht angenommen werden. Allein aufgrund dieses [X.]ablaufs ist das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung für die Arbeitsvertragsparteien nicht unzumutbar. Zwar dürfte bei dieser [X.]spanne eine Gefahr der Kettenbefristung nicht bestehen. Allerdings würde die Möglichkeit der sachgrundlosen [X.]efristung bei einer erneuten Einstellung 15 Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung allein wegen des [X.]ablaufs den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren [X.] Sicherung und insbesondere auch die Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, sind auf langfristige und unbefristete Arbeitsverhältnisse angewiesen ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 46). Die sachgrundlose [X.]efristung soll daher nach der gesetzgeberischen Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als Regelfall der [X.]eschäftigung zu erhalten ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 49). Dies ist auch bei der [X.]eurteilung, ob das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber für die Arbeitsvertragsparteien unzumutbar ist, zu berücksichtigen, denn die von den Gerichten ggf. im Wege verfassungskonformer Auslegung vorzunehmende Einschränkung des Anwendungsbereichs des in § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] normierten Verbots muss im Einklang mit dem sozialpolitischen Zweck des Schutzes der unbefristeten [X.]eschäftigung als Regelfall stehen ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 33).

[X.]ei der Frage, ob der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] einer verfassungskonformen Einschränkung bedarf, ist daher zu beachten, dass die sachgrundlose [X.]efristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber auf Ausnahmefälle beschränkt ist. Das wäre nicht gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach Ablauf von 15 Jahren erneut einen Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen [X.]efristung abschließen könnten. Da ein Erwerbsleben bei typisierender [X.]etrachtung mindestens 40 Jahre umfasst (vgl. [X.] 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 27, [X.]E 147, 279), könnte ein Arbeitgeber jedenfalls drei sachgrundlos befristete Arbeitsverträge von jeweils zweijähriger Dauer mit demselben Arbeitnehmer - zu [X.]eginn, in der Mitte und am Ende seines Erwerbslebens - schließen. Damit wäre die sachgrundlose [X.]efristung nicht mehr die Ausnahme. Dadurch würde das angestrebte Ziel einer langfristigen und dauerhaften [X.]eschäftigung gefährdet. Gegen die Annahme, in diesem Zusammenhang einen sehr langen [X.]raum bereits nach Ablauf von 15 Jahren anzunehmen, spricht auch, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Dauer der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 [X.]G[X.] die längste Kündigungsfrist erst nach einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von 20 Jahren und nicht bereits nach 15 Jahren hat eingreifen lassen.

(2) Die vom Kläger während seiner Vorbeschäftigung geschuldeten Tätigkeiten waren auch keine ganz anderen als jene, die der Kläger ab dem 19. Mai 2014 zu erbringen hatte. Entgegen der Ansicht der [X.]eklagten genügt es nicht, dass der Kläger an unterschiedlichen Arbeitsplätzen im [X.]etrieb beschäftigt war. Nach den vom [X.] aufgezählten [X.]eispielsfällen (vgl. [X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 63) ist es regelmäßig erforderlich, dass die im neuen Arbeitsverhältnis geschuldete Tätigkeit Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert, die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich waren. Dies war vorliegend nicht der Fall. Der Kläger wurde im streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis als Produktionshelfer eingestellt. Die [X.]eklagte hat - auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - nicht geltend gemacht, dass der Kläger während seiner Vorbeschäftigung in einer ganz anderen Funktion tätig war, die Kenntnisse oder Fähigkeiten erforderte, die sich von denjenigen der [X.]eschäftigung ab Mai 2014 wesentlich unterschieden.

(3) Die Vorbeschäftigung war auch nicht von sehr kurzer Dauer im Sinne der Rechtsprechung des [X.]. Die Laufzeit betrug knapp zehn Monate. Ein Arbeitnehmer erwirbt gemäß § 1 Abs. 1 KSchG bereits nach Ablauf von sechs Monaten Kündigungsschutz. Mit einer vorübergehenden Aushilfe kann gemäß § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 [X.]G[X.] einzelvertraglich keine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist vereinbart werden, wenn das Arbeitsverhältnis über die [X.] von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird. Im Hinblick auf diese Fristen ist ein [X.]raum von mehr als neun Monaten im vorliegenden Zusammenhang nicht als sehr kurz anzusehen (vgl. [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 25).

(4) Sonstige Umstände, die im vorliegenden Fall eine verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] gebieten könnten, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Auch eine Gesamtschau des [X.]raums zwischen den Arbeitsverhältnissen, der jeweils geschuldeten Tätigkeiten und der Vorbeschäftigungsdauer führt nicht zur Unzumutbarkeit der Anwendung des Verbots.

d) Der Senat kann selbst darüber entscheiden, ob die Vorbeschäftigung des [X.] bei der [X.]eklagten der streitgegenständlichen sachgrundlosen [X.]efristung entgegensteht. Zwar hat das [X.] in dem [X.]eschluss vom 6. Juni 2018 (-  1 [X.] , 1 [X.]vR 1375/14  -) andere Kriterien für die Ausnahme von dem Verbot der erneuten sachgrundlosen [X.]efristung aufgestellt als der Senat in seinen im Jahr 2011 getroffenen Entscheidungen. Die vom [X.] aufgestellten Kriterien enthalten Wertungsspielräume („sehr lang“ zurückliegend, „ganz anders“ geartet, „von sehr kurzer“ Dauer). Grundsätzlich obliegt diese [X.]ewertung den Tatsacheninstanzen. Sind alle für die [X.]ewertung maßgeblichen Tatsachen festgestellt, kann der Senat diese [X.]ewertung allerdings auch selbst vornehmen. [X.]ei der verfassungskonformen Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] handelt es sich um eine Rückausnahmevorschrift (vgl. [X.] Anm. AP [X.] § 14 Nr. 170). Der Vortrag von entsprechenden Tatsachen obliegt grundsätzlich demjenigen, der sich darauf beruft. Das ist hier die [X.]eklagte. Die Entscheidung des [X.] wurde mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert. Die [X.]eklagte hat dabei insbesondere die Auffassung vertreten, die Vorbeschäftigung liege im vorliegenden Fall bereits „ganz lang“ zurück bzw. sei nur von „sehr kurzer Dauer“ und der Kläger sei an verschiedenen Arbeitsplätzen tätig gewesen. Sie hat jedoch nicht geltend gemacht, in [X.]ezug auf die Kriterien des [X.] noch neue Tatsachen vortragen zu wollen. Einer Zurückverweisung an das [X.] zur neuen Verhandlung und Entscheidung bedarf es daher nicht.

2. Die Klage ist nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes abzuweisen. Die [X.]eklagte hat nicht geltend gemacht, den Arbeitsvertrag mit dem Kläger im Vertrauen auf die Rechtsprechung des Senats in den Urteilen vom 6. April 2011 (- 7 [X.] - [X.]E 137, 275) und vom 21. September 2011 (- 7 [X.] - [X.]E 139, 213) abgeschlossen zu haben. Sie könnte sich allerdings auch nicht mit Erfolg auf ein solches Vertrauen berufen (vgl. ausführlich [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 40 ff.).

3. Die [X.]efristung ist nicht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Das [X.] hat das Vorliegen dieses Sachgrundes mit der [X.]egründung verneint, die [X.]eklagte habe hierzu keinen schlüssigen Vortrag gehalten. Es sei schon nicht erkennbar, ob im [X.]punkt der Verlängerungsvereinbarung im Oktober 2015 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der angeblich vertretenen Arbeitnehmerin gerade für den [X.]raum vom 1. November 2015 bis zum 31. März 2016 Rückschlüsse auf den Vertretungsbedarf zuließen. Dies hat die [X.]eklagte mit ihrer Revision nicht angegriffen. Sie hat vielmehr in der Revisionsbegründung eingeräumt, das [X.]erufungsurteil sei unter prozessualen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Klose    

        

        

        

    Weber    

        

    Donath    

                 

Meta

7 AZR 324/17

17.04.2019

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Braunschweig, 28. September 2016, Az: 1 Ca 160/16, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.04.2019, Az. 7 AZR 324/17 (REWIS RS 2019, 7988)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7988

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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