Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.08.2010, Az. VII ZB 101/09

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4218

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[X.]BESCHLUSS [X.]/09 vom 5. August 2010 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 850d Abs. 1 Satz 2 Bei der Bemessung des pfandfreien Betrages sind die gesetzlichen Unterhalts-pflichten des Schuldners in Höhe des dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Betrages zu berücksichtigen, auch wenn der Schuldner seiner Unterhaltspflicht nicht in vollem Umfang genügt. [X.], Beschluss vom 5. August 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 5. August 2010 durch [X.] Dr. [X.], [X.] Kuffer, den [X.], die Richterin [X.] und [X.] Eick beschlossen: Dem Schuldner wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand we-gen der Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 25. März 2009 gewährt. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der vorbezeichne-te Beschluss aufgehoben, soweit bei Bestimmung des pfandfreien Betrages nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO die weitere Unterhalts-pflicht lediglich in Höhe des tatsächlich geleisteten [X.] worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Schuldners wird [X.]. Gegenstandswert: 1.062 • - 3 - Gründe: [X.] 1 Der Gläubiger betreibt wegen seiner Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner, seinen Vater, die Zwangsvollstreckung. Er hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, in dem der dem Schuldner monatlich verbleibende pfandfreie Betrag auf 800 • festgesetzt worden ist. Der Schuldner ist noch einem weiteren Kind kraft Gesetzes zum Unterhalt verpflichtet, und zwar nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in Höhe von 250 • monatlich. Außerdem zahlt er in monatlichen Raten von 100 • eine Geldstrafe ab. Wegen dieser sowie weiterer, hier nicht interessierender Beträge hat er [X.], den pfandfreien Betrag auf 1.200 • zu erhöhen. Mit Beschluss vom 2. Februar 2009 hat der Rechtspfleger den pfandfreien Betrag auf 983 • festge-setzt und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Er hat dabei die Zahlung auf die Geldstrafe nicht und die weitere Unterhaltsverpflichtung des Schuldners nur in Höhe von 172,20 • anerkannt, da der Schuldner nur diesen Betrag monatlich im Durchschnitt tatsächlich geleistet hat. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Das Be-schwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und hierzu in den Gründen ausgeführt, die Frage, ob im Rahmen des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO der gesetzliche Umfang der Unterhaltspflicht oder der tatsächlich geleistete Be-trag maßgeblich sei, sei noch nicht höchstrichterlich entschieden. Der Schuldner hat für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde am 15. Mai 2009 um Prozesskostenhilfe nachgesucht und in der Begründung [X.], die Rechtsbeschwerde stütze sich darauf, dass das Beschwerdegericht § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO fehlerhaft angewandt habe. Der [X.] hat mit [X.] vom 15. Oktober 2009, zugestellt am 21. Oktober 2009, für die [X.] - 4 - beschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt. Mit seiner am 27. Oktober 2009 unter Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags eingelegten und am 18. November 2009 ebenfalls unter Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags begründeten Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner, den pfandfreien Betrag auf 1.160 • heraufzusetzen. I[X.] 1. Dem Schuldner war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gemäß § 233 ZPO zu gewähren. Er war aus finanziellen Gründen ohne sein Verschulden verhindert, diese Fristen einzuhalten und hat die versäumten Rechtshandlungen rechtzeitig nachgeholt. 3 2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde dagegen wendet, dass das Be-schwerdegericht die vom Schuldner zu leistenden monatlichen Raten von 100 • auf die Geldstrafe nicht gemäß § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO bei der [X.] berücksichtigt hat, ist sie nicht statthaft, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Insoweit hat das Beschwerdegericht die Rechtsbe-schwerde nicht zugelassen. 4 Die Zulassung wird im Tenor der angefochtenen Entscheidung zwar oh-ne Beschränkung ausgesprochen. Wie bei der Revision kann aber auch bei der Rechtsbeschwerde die Beschränkung der Zulassung in den Gründen der Ent-scheidung erfolgen ([X.], Beschluss vom 30. Januar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 932, 933). Das Beschwerdegericht führt in den Gründen unter Bezugnahme auf § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO aus, die Rechtsbeschwerde werde zugelassen, da die Frage, ob der gesetzliche Umfang der Unterhaltspflicht oder 5 - 5 - der tatsächlich geleistete Betrag maßgeblich sei, noch nicht höchstrichterlich entschieden sei. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde geht daraus mit ausreichender Klarheit hervor, dass das Beschwerdegericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf diesen Teil des Streitstoffs beschränken wollte. Eine weitergehende Zulassung war ersichtlich nicht beabsichtigt. Dieses Verständnis der Zulassungsentscheidung liegt auch dem Prozesskostenhilfeantrag des Schuldners zugrunde. Die Beschränkung ist wirksam; sie bezieht sich auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen abtrennbaren Teil des [X.]. 6 3. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet, soweit sie sich da-gegen wendet, dass das Beschwerdegericht im Rahmen von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners gegenüber seinem wei-teren Kind nur in der tatsächlich geleisteten Höhe berücksichtigt hat. 7 a) Das Beschwerdegericht führt insoweit aus, dass § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO zwar von laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten spreche, dass dieser Wortlaut aber nur dazu diene, die gesetzlichen Unterhaltspflichten von vertragli-chen abzugrenzen; nur erstere sollten Berücksichtigung finden. Zudem müssten dem Unterhaltsberechtigten die dem Schuldner belassenen Beträge auch zugu-te kommen. Der Schuldner habe bisher durchschnittlich monatlich 172,20 • [X.], um die Unterhaltsansprüche zu erfüllen. Dafür, dass er in Zukunft mehr bezahle, bestünden keine Anhaltspunkte, weshalb ihm auch nicht ein dar-über hinausgehender Betrag zu belassen sei. 8 b) Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 9 Bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO sind gesetzliche Unterhaltspflichten in Höhe des vollen dem [X.] - 6 - rechtigten zustehenden [X.] zu berücksichtigen und nicht nur in Höhe desjenigen Betrags, den der Schuldner tatsächlich leistet. 11 aa) In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit, dass die gesetzliche Unterhaltspflicht nur berücksichtigt werden kann, wenn der Unterhalt tatsächlich geleistet wird ([X.]/[X.], ZPO, 7. Aufl., § 850d Rn. 7 und [X.][X.], ZPO, § 850d Rn. 29; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 850d Rn. 37; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 850d Rn. 22; [X.]/Walker/Kessal-Wulf, ZPO, 4. Aufl., § 850d Rn. 8). Umstritten ist, ob die Berücksichtigung nur in Höhe der tatsächlichen Unterhaltszahlungen erfolgen kann (so [X.]/[X.], 3. Aufl., § 850d Rn. 27; vgl. auch [X.], [X.] 1976, 661) oder in Höhe des gesetzlichen Anspruchs (so Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1098, 1102 und bei [X.], ZPO, 28. Aufl., § 850d Rn. 11, 11a; vgl. auch [X.], NJW-RR 2000, 220, [X.], Rpfleger 2000, 340). [X.]) Die zweite Ansicht ist richtig. 12 Dafür sprechen Wortlaut sowie Sinn und Zweck von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO. 13 Dem Schuldner ist "so viel zu belassen, als er – zur Erfüllung seiner lau-fenden gesetzlichen Unterhaltspflichten – bedarf". Die Ansicht des Beschwer-degerichts, damit sollten lediglich die gesetzlichen Unterhaltspflichten von ver-traglichen abgegrenzt werden, greift zu kurz. Die Norm stellt ohne Einschrän-kung auf den Bedarf für die Erfüllung der den Schuldner treffenden Unterhalts-verpflichtung ab. Ihr kann nicht entnommen werden, dass für die Bestimmung des pfandfreien Betrags nur der Betrag maßgebend sein soll, den der Schuld-ner tatsächlich leistet. 14 - 7 - Zweck der Regelung des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO ist, dass die dem vollstreckenden Unterhaltsgläubiger vorrangigen oder gleichstehenden Gläubi-ger durch die Vollstreckung nicht benachteiligt werden ([X.]/[X.], 3. Aufl., § 850d Rn. 27). Durch die Berücksichtigung des pfandfreien Betrags soll diesen weiteren Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit eröffnet werden, ihren Unterhaltsanspruch in größtmöglichem Umfang realisieren zu können, entweder durch freiwillige Leistungen des Schuldners oder im Wege der Zwangsvollstreckung. Beides ist nur dann gewährleistet, wenn dem Schuld-ner der für die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht erforderliche Betrag unge-schmälert zur Verfügung steht. Auch wenn er tatsächlich nur weniger leistet, muss den weiteren Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit erhalten bleiben, ih-ren Unterhaltsanspruch durchzusetzen. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass das nicht der Fall wäre, wenn nur der tatsächlich geleistete Unterhalt bei der Bemessung des pfandfreien Betrags angesetzt würde. Denn dann wäre der Differenzbetrag zwischen dem geschuldeten und dem geleiste-ten Unterhalt der Pfändung unterworfen. Dadurch würde der die [X.] betreibende Unterhaltsgläubiger bevorzugt, obwohl § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO eine gleichmäßige Befriedigung aller gleichberechtigten Unterhalts-gläubiger gewährleisten soll (vgl. [X.]/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 850d Rn. 11a). 15 cc) Ob sich die Höhe der gesetzlichen Unterhaltspflichten des [X.] nach dem angemessenen Unterhalt im Sinne von § 1610 Abs. 1 BGB rich-tet (so Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1098, 1100) oder nach dem notwendigen Unterhalt (so [X.]/[X.], ZPO, 7. Aufl., § 850d Rn. 7 und [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 850d Rn. 37), muss der [X.] nicht entscheiden. Das gleiche gilt für die Frage, ob die Berücksichtigung weiterer Unterhaltsberechtigter voraussetzt, dass der Schuldner diesen tatsächlich [X.] teilweise Unterhalt gewährt (vgl. [X.], ZPO, 22. Aufl., § 850d Rn. 22 und [X.], [X.], 365) und für die Frage, ob 16 - 8 - Unterhaltsberechtigte jedenfalls dann nicht berücksichtigt werden müssen, wenn feststeht, dass sie ihre Ansprüche nicht geltend machen. 17 4. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Festsetzung des [X.] an das Be-schwerdegericht zurückzuverweisen. [X.] Kuffer Bauner [X.] Eick Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 02.02.2009 - 11 M 13995/08 - [X.], Entscheidung vom [X.]/09 Ma -

Meta

VII ZB 101/09

05.08.2010

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.08.2010, Az. VII ZB 101/09 (REWIS RS 2010, 4218)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4218

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