Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11.10.2016, Az. 1 ABR 51/14

1. Senat | REWIS RS 2016, 4202

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Restmandat des Betriebsrats - funktionaler Aufgabenbezug


Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 29. Juli 2014 - 6 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über einen [X.]sanspruch des Betriebsrats.

2

Die Arbeitgeberin ist ein Private-Equity-Unternehmen und beschäftigte in ihrem Betrieb in [X.] 27 Arbeitnehmer. Diesen Betrieb legte sie zum 31. [X.]ärz 2011 still; die letzten Arbeitnehmer schieden zum 30. Juni 2011 aus. Ein zwischen den Betriebsparteien vereinbarter Sozialplan enthält keine Regelung über eine variable Vergütung.

3

Im ersten Quartal 2011 zahlte die Arbeitgeberin ihren Beschäftigten eine variable Vergütung in unterschiedlicher Höhe für das [X.]. Entsprechende Zahlungen erfolgten auch in den Vorjahren. Der Vorsitzende des Betriebsrats forderte die Arbeitgeberin nach Stilllegung des Betriebs - ua. [X.] - mehrmals erfolglos auf, über die für das [X.] gezahlte variable Vergütung [X.] zu erteilen.

4

Dieses Begehren hat der Betriebsrat mit seinem am 7. Januar 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, die begehrten Auskünfte seien erforderlich, damit er im [X.] nach § 21b [X.] sein [X.]itbestimmungsrecht iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] wahrnehmen könne. Das [X.] solle verhindern, dass ein Arbeitgeber Beteiligungsrechte des Betriebsrats durch eine Stilllegung des Betriebs unterlaufe.

5

Der Betriebsrat hat - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - sinngemäß beantragt,

        

der Arbeitgeberin aufzugeben, zu Händen seines Vorsitzenden schriftlich [X.] zu erteilen, an welche Arbeitnehmer iSd. § 5 [X.] im Betrieb in der Niederlassung [X.] in dem [X.] eine variable Vergütung ausgezahlt worden ist, wobei anzugeben ist, in welcher Höhe und Form dies geschehen ist und welche Kriterien jeweils angelegt wurden betreffend der Bestimmung der jeweiligen Höhe und betreffend des Ausschlusses von Arbeitnehmern von diesen Zulagen.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das [X.] hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Dieser verfolgt mit seiner Rechtsbeschwerde das [X.]sbegehren weiter.

8

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das [X.] die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Der Antrag ist unbegründet.

9

I. Der Antrag ist zulässig, bedarf aber einer Klarstellung. Bei [X.] Verständnis verlangt der Betriebsrat eine schriftliche [X.] hinsichtlich des [X.], der Höhe und der [X.] einer „in“ dem [X.] gezahlten variablen Vergütung. Aus der Antragsbegründung und dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten folgt aber, dass sich die verlangte [X.] auf die im ersten Quartal 2011 gezahlte variable Vergütung „für“ das [X.] bezieht.

II. Der Antrag ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass der vom Betriebsrat erhobene [X.]sanspruch nicht im Wege eines [X.]s verfolgt werden kann.

1. Nach § 21b [X.] bleibt der Betriebsrat, dessen Betrieb durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung untergeht, so lange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden [X.]itwirkungs- und [X.]itbestimmungsrechte erforderlich ist. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass die Amtszeit des Betriebsrats vorzeitig endet, wenn die betriebliche Organisation, für die er gebildet ist, wegfällt und er deshalb außerstande ist, die mit der Änderung der betrieblichen Organisation einhergehenden Beteiligungsrechte wahrzunehmen ([X.] 1. April 1998 - 10 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe mwN, [X.]E 88, 247). Um hieraus resultierende Schutzlücken zu schließen, hat der Gesetzgeber mit dem durch das [X.]-ReformG eingefügten § 21b [X.] die zuvor ergangene Rechtsprechung des [X.] zum [X.] des Betriebsrats gesetzlich verankert ([X.]. 14/5741 S. 39). Der Betriebsrat soll noch so lange im Amt verbleiben, wie dies seine hierbei zu beachtenden Beteiligungsrechte gebieten. Das [X.] setzt daher einen funktionalen Bezug zu den durch die Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung ausgelösten Aufgaben des Betriebsrats voraus (vgl. [X.] 22. [X.]ärz 2016 - 1 [X.] - Rn. 31; 8. Dezember 2009 - 1 [X.] - Rn. 16 mwN, [X.]E 132, 324). Es ist kein Vollmandat ([X.] 24. September 2015 - 2 [X.] - Rn. 64, [X.]E 152, 345) und entsteht mit dem Wegfall der betrieblichen Organisation; zu diesem Zeitpunkt wandelt sich das originäre Vollmandat des Betriebsrats in ein - vom Umfang her beschränktes - [X.] nach § 21b [X.] (vgl. [X.] 6. Dezember 2006 - 7 [X.] - Rn. 25). In ihm ist angelegt, dass im originären Vollmandat bestehende [X.]itbestimmungsrechte, die in keinem funktionalen Bezug zu den in § 21b [X.] angeführten Tatbeständen stehen, nicht mehr ausgefüllt werden können.

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Betriebsrat die streitbefangene [X.] nicht verlangen. [X.]it der Stilllegung des Betriebs hat sein [X.]andat geendet. Sein [X.]sverlangen hat hierzu keinen funktionalen Bezug. Die variable Vergütung wurde nicht wegen der oder im Hinblick auf die Betriebsstilllegung gezahlt. Ein funktionaler Zusammenhang folgt auch nicht aus einer Verletzung eines [X.]itbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] bei der Verteilung einer variablen Vergütung. Das [X.] des § 21b [X.] dient nicht der Sanktion eines betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers. Vielmehr weitet es die Befugnisse des Betriebsrats über seine Amtszeit hinaus aus, jedoch beschränkt auf solche Gegenstände, die gerade durch eine Betriebsschließung bedingt sind, aber wegen deren faktischen Umsetzung nicht mehr während der regulären Amtszeit geregelt werden können.

3. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats ist es weder rechtsmissbräuchlich noch verstößt es gegen § 2 Abs. 1 [X.], dass sich die Arbeitgeberin auf die Beschränkungen des [X.]s beruft. Verfügt ein Betriebsrat nicht mehr über eine gesetzliche Legitimation, fehlt es an einem Gremium, demgegenüber der Arbeitgeber zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet wäre und mit dem er Abreden gleich welcher Art treffen könnte.

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    K. Schmidt     

        

        

        

    Fritz     

        

    N. Schuster     

                 

Meta

1 ABR 51/14

11.10.2016

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG München, 19. November 2013, Az: 14 BV 4/13, Beschluss

§ 2 Abs 1 BetrVG, § 21b BetrVG, § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11.10.2016, Az. 1 ABR 51/14 (REWIS RS 2016, 4202)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4202

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

7 ABR 21/21 (Bundesarbeitsgericht)

Restmandatierter Betriebsrat - Auflösung


7 AZR 728/08 (Bundesarbeitsgericht)

Vergütungsansprüche im restmandatierten Betriebsrat


7 ABR 17/21 (Bundesarbeitsgericht)

Schwerbehindertenvertretung - vorzeitiges Amtszeitende - Beendigung der auf einem Verselbständigungsbeschluss beruhenden Dienststellenfiktion


3 TaBV 47/21 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


7 ABR 20/13 (Bundesarbeitsgericht)

Zuordnungstarifvertrag - Feststellungsantrag - Betriebsrat


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.