Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.05.2010, Az. 7 AZR 728/08

7. Senat | REWIS RS 2010, 6932

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Gegenstand

Vergütungsansprüche im restmandatierten Betriebsrat


Leitsatz

1. Betriebsratsmitglieder haben auch im Restmandat keinen Anspruch auf Vergütung ihrer Betriebsratstätigkeit.Für die nach der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse zur Erfüllung ihrer Betriebsratsaufgaben geleisteten Freizeitopfer können sie kein Entgelt verlangen.§ 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG kommt weder unmittelbar noch analog zur Anwendung.

2. Die Mitgliedschaft im restmandatierten Betriebsrat endet durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht.§ 24 Nr. 3 BetrVG findet auf den Betriebsrat im Restmandat keine Anwendung.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 14. Mai 2008 - 2 [X.]/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision haben der Kläger und die Klägerin jeweils zur Hälfte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche für Tätigkeiten in einem restmandatierten Betriebsrat.

2

Die Beklagte erbringt Postdienstleistungen. Sie unterhielt eine Serviceniederlassung Immobilien in S. Diese wurde von der Beklagten zum 1. Januar 2002 geschlossen. In der Niederlassung waren die beiden verbeamteten Kläger beschäftigt. Der Kläger war seit Juli 1999 freigestelltes Mitglied des in der Niederlassung errichteten Betriebsrats und zuletzt dessen Vorsitzender. Er wurde zum 31. Dezember 2001 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Die seit November 1999 freigestellte Klägerin, die mit Ablauf des 31. Dezember 2002 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand versetzt wurde, nahm zuletzt die Funktion der stellvertretenden Vorsitzenden wahr. Beide übten ihr Amt nach Schließung der Niederlassung weiter aus. Ihre Tätigkeit betraf insbesondere die Durchführung von Betriebsratssitzungen sowie zahlreiche zwischen den Betriebsparteien geführte Beschlussverfahren.

3

Mit ihrer Klage haben die Kläger zuletzt Vergütung für Betriebsratstätigkeiten im Restmandat in der [X.] vom 1. Januar 2002 bis zum 10. April 2007 verlangt. Sie haben die Auffassung vertreten, die im Restmandat aufgewendete Freizeit sei analog § 37 Absatz 3 Satz 3 [X.] durch eine angemessene Vergütung auszugleichen. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass der Kläger zum 31. Dezember 2001 und die Klägerin zum 31. Dezember 2002 in den Ruhestand versetzt worden seien. Eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse wirke sich nicht auf die Mitgliedschaft im restmandatierten Betriebsrat aus.

4

Die Kläger haben - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen,

        

an den Kläger 33.330,40 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.825,70 Euro seit dem 12. März 2005, aus 28.773,70 Euro seit dem 11. Juni 2005 und aus 33.330,40 Euro seit Rechtshängigkeit,

        

sowie an die Klägerin 31.663,50 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.164,20 Euro seit dem 12. März 2005, aus 26.944,20 Euro seit dem 11. Juni 2005 und aus 31.663,50 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Vergütungsansprüche der Kläger bestünden schon deshalb nicht, weil das Betriebsratsamt mit deren Versetzung in den Ruhestand geendet habe. Aber auch wenn die Mitgliedschaft der Kläger im restmandatierten Betriebsrat nicht geendet haben sollte, gebe es keine Anspruchsgrundlagen für die geltend gemachten Vergütungsansprüche. Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.] lägen nicht vor. Da die Niederlassung seit 1. Januar 2002 geschlossen sei, fehle es bereits an einer Arbeitspflicht, von der eine Arbeitsbefreiung nach dieser Bestimmung überhaupt erst in Betracht komme.

6

Das Arbeitsgericht hat - nach wiederholtem Wechsel der Verfahrensart - die bei ihm von den Klägern noch mit einem gemeinsamen [X.] verfolgte Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Zwar führte die Versetzung der Kläger in den Ruhestand nicht zum Erlöschen ihrer Mitgliedschaft im restmandatierten Betriebsrat. Sie haben aber keinen Anspruch auf Vergütung der dort geleisteten [X.]tätigkeit.

8

I. Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen zulässig.

9

1. Der Senat hat nach § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG nicht zu prüfen, ob der von den Klägern beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist. Eine entsprechende Prüfung wäre nur veranlasst, wenn wegen der Rüge einer Partei eine Vorabentscheidung des Arbeitsgerichts geboten gewesen wäre([X.] 21. April 2009 - 3 [X.]/07 - Rn. 16, [X.] BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 20; 23. Januar 2007 - 3 [X.] - Rn. 24, [X.]E 121, 36). Eine derartige Rüge ist nicht erhoben worden.

2. Die Zulässigkeit der von den Klägern im Berufungsverfahren vorgenommenen Klageänderung unterliegt nach § 268 ZPO ebenso keiner Überprüfung durch das Revisionsgericht(vgl. [X.] 21. April 2009 - 3 [X.]/07 - Rn. 20, [X.] BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 20; [X.] 25. Oktober 2007 - [X.]/06 - zu II 2 der Gründe, NJW-RR 2008, 262).

3. Die [X.] sind, wie sich aus den vom [X.] in Bezug genommenen Schriftsätzen ergibt, hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben, handelt es sich bei den zuletzt geltend gemachten Ansprüchen um eine abschließende Gesamtforderung auf Vergütung der in der [X.] vom 1. Januar 2002 bis zum 10. April 2007 von den Klägern geleisteten [X.]tätigkeit.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Soweit die Klägerin - in geringem Umfang - einen Vergütungsanspruch für das [X.], in dem ihr Arbeitsverhältnis noch bestand, geltend macht, ist dieser Anspruch, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, bereits deshalb nicht schlüssig dargetan, weil es an jeglichem nach § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.] erforderlichen Vortrag dazu fehlt, dass die Klägerin die insoweit wahrgenommene [X.]tätigkeit außerhalb der für sie maßgeblichen Dienstzeit ausüben musste und ein Freizeitausgleich nicht möglich war.

2. Die von der Klägerin ganz überwiegend und vom Kläger ausschließlich geltend gemachten Vergütungsansprüche für die nach der Beendigung der Dienstverhältnisse im Ruhestand geleistete [X.]tätigkeit im restmandatierten Betriebsrat sind unbegründet, weil es an der erforderlichen gesetzlichen Anspruchsgrundlage fehlt.

a) Zugunsten des [X.] konnte davon ausgegangen werden, dass dieser trotz der mit Ablauf des 31. Dezember 2001 erfolgten Versetzung in den Ruhestand noch Mitglied des restmandatierten [X.] in der nach den Feststellungen des [X.]s „zum 1. Januar 2002“ stillgelegten Serviceniederlassung geworden und nicht bereits vor der Entstehung des [X.] aus dem Betriebsrat ausgeschieden ist. Es bedurfte im Streitfall keiner abschließenden Beurteilung, ob der Betrieb im Sinne von § 21b [X.] zum 31. Dezember 2001, zum 1. Januar 2002 oder - wie vom Kläger im Revisionsverfahren behauptet - bereits früher durch Stilllegung untergegangen ist.

b) Die Ansprüche der Kläger scheitern nicht an einer Beendigung ihrer Mitgliedschaft in dem restmandatierten Betriebsrat. Die Kläger sind entgegen der Auffassung der Beklagten durch ihre Versetzung in den Ruhestand nicht nach § 24 Nr. 3 [X.] iVm. § 24 Abs. 2 Satz 1 PostPersRG aus dem restmandatierten Betriebsrat ausgeschieden. Nach der Begründung des [X.] iSv. § 21b [X.] endet die Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht mehr durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Ende des Arbeitsverhältnisses Folge der Betriebsstilllegung ist oder ob das Arbeitsverhältnis nach dem Untergang des Betriebs aus einem anderen Grund, etwa durch Ablauf einer Befristung oder wegen Erreichens der Altersgrenze, geendet hätte. Dies gilt auch, wenn es sich um Beamte handelt, die nach § 24 Abs. 2 Satz 1 PostPersRG für die Anwendung des [X.] als Arbeitnehmer gelten.

aa) Nach § 21b [X.] bleibt der Betriebsrat, dessen Betrieb durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung untergeht, solange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist. Das [X.] ist die Fortsetzung des originären Mandats. Es entsteht mit dem Wegfall der betrieblichen Organisation und ist von dem Betriebsrat auszuüben, der zu diesem [X.]punkt im Amt war. Die [X.]mitglieder im [X.] führen die Geschäfte nach § 22, § 13 Abs. 2 Nr. 2 [X.] weiter, solange im Zusammenhang mit der Betriebsstilllegung oder Zusammenlegung noch Verhandlungsgegenstände offen sind(vgl. [X.] 6. Dezember 2006 - 7 [X.] - Rn. 23 - 26 mwN, [X.] [X.] 1972 § 21b Nr. 5). Das [X.] kann deshalb über das Ende der regelmäßigen Amtszeit hinausgehen ([X.] 1. April 1998 - 10 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe mwN, [X.]E 88, 247).

bb) Die Mitgliedschaft im restmandatierten Betriebsrat endet nicht durch die Beendigung der Arbeitsverhältnisse seiner einzelnen Mitglieder. § 24 Nr. 3 [X.] ist auf den restmandatierten Betriebsrat nicht anwendbar. Die Anwendung der Vorschrift wäre mit dem Sinn und Zweck des [X.] nicht vereinbar. Dies gilt sowohl dann, wenn die Beendigung der Arbeitsverhältnisse Folge des Untergangs des Betriebs ist, als auch dann, wenn sie aus anderen Gründen eintritt.

(1) Das [X.] regelt nicht ausdrücklich, ob und inwieweit die Regelung in § 24 [X.] auch auf den Betriebsrat im [X.] anwendbar ist. Die Frage lässt sich für die unterschiedlichen in § 24 Nr. 1 bis 6 [X.] genannten [X.] nicht einheitlich beantworten. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Anwendung der [X.] unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des [X.] gerechtfertigt ist. Hiernach ist ersichtlich für den Erlöschenstatbestand des § 24 Nr. 1 [X.] im [X.] kein Raum. Auch eine Ausgliederung aus dem Betrieb, die beim originären Mandat zum Verlust der Wählbarkeit und damit nach § 24 Nr. 4 [X.] zum Erlöschen der Mitgliedschaft führt, hat diese Rechtsfolge im [X.], das gerade an den Untergang des [X.] anknüpft, nicht. Dagegen ist § 24 Nr. 2 [X.] auch im [X.] anwendbar, da kein [X.]mitglied gezwungen werden kann, sein Amt gegen seinen Willen fortzuführen([X.] 12. Januar 2000 - 7 [X.] - zu [X.] d dd der Gründe, [X.] [X.] 1972 § 24 Nr. 5 = EzA [X.] 1972 § 24 Nr. 2).

(2) Der Erlöschenstatbestand des § 24 Nr. 3 [X.] ist nach Sinn und Zweck des [X.] auf die Mitgliedschaft im restmandatierten Betriebsrat nicht anwendbar.

(a) Für die stilllegungsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht das [X.] selbstverständlich von der Unanwendbarkeit des § 24 Nr. 3 [X.] auf den Betriebsrat im [X.] aus(vgl. [X.] 28. Oktober 1992 - 10 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.] [X.] 1992 § 112 Nr. 63 = EzA [X.] 1972 § 112 Nr. 60; 14. August 2001 - 1 [X.] [X.] c der Gründe, [X.] [X.] 1972 § 21b Nr. 1 = EzA [X.] 1972 § 24 Nr. 3; ebenso [X.] [X.] 12. Aufl. § 21b Rn. 4, § 24 Rn. 23; [X.]/[X.] 10. Aufl. § 21b [X.] Rn. 4; [X.]/[X.] [X.] 12. Aufl. § 21b Rn. 13 mwN; Auktor NZA 2003, 950, 951). Andernfalls hätte die durch § 15 Abs. 4 [X.] ausdrücklich eröffnete Möglichkeit der betriebsbedingten Kündigung für sämtliche [X.]mitglieder den Wegfall des durch § 21b [X.] gerade vorgesehenen [X.] zur Folge.

(b) § 24 Nr. 3 [X.] ist auf die Mitgliedschaft im restmandatierten Betriebsrat auch dann unanwendbar, wenn das Arbeitsverhältnis eines [X.]mitglieds nach Entstehung des [X.] unabhängig von dem Untergang des Betriebs endet oder geendet hätte(ebenso [X.]/[X.] § 21b Rn. 13). Auch dies entspricht dem Zweck des [X.], durch das sichergestellt werden soll, dass die bei der Abwicklung des Betriebs noch bestehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte sachgerecht wahrgenommen werden. Die Erreichung dieses Zwecks wäre gefährdet, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen als stilllegungsbedingten Gründen zum Erlöschen der Mitgliedschaft im restmandatierten Betriebsrat führen würde. Der mit § 24 Nr. 3 [X.] verbundenen Gefahr einer personellen Ausdünnung des [X.] wird im Vollmandat durch die Regelungen in § 22, § 13 Abs. 2 Nr. 2 [X.] begegnet. Diese Bestimmungen sind auf den Betriebsrat im [X.] nicht anwendbar. Hier kommt mangels Fortbestands des Betriebs eine Neuwahl des [X.] nicht in Betracht. Im Übrigen ist es im Hinblick auf den Zweck des [X.], die Verwirklichung der noch bestehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des [X.] zu ermöglichen, weder geboten noch gerechtfertigt, die [X.]mitglieder, deren Arbeitsverhältnis aus anderen als Stilllegungsgründen - etwa wegen Erreichens einer Altersgrenze oder Ablauf einer Befristung - anders zu behandeln als die stilllegungsbedingt gemäß § 15 Abs. 4 [X.] gekündigten Arbeitnehmer. In beiden Fällen üben die [X.]mitglieder ihr [X.] aus, obwohl es an dem im originären Mandat erforderlichen arbeitsvertraglichen Band zum Arbeitgeber fehlt.

c) Wie das [X.] zutreffend erkannt hat, haben die Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung von [X.]tätigkeiten im [X.] in der [X.] 1. Januar 2002 bis zum 10. April 2007. Nimmt ein [X.]mitglied sein nach § 37 Abs. 1 [X.] unentgeltliches Ehrenamt nach einer Stilllegung des Betriebs und Beendigung des Arbeitsverhältnisses im restmandatierten Betriebsrat wahr, kommt eine Befreiung von der dem Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsleistung bei Fortzahlung des Entgelts oder ein Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 2, 3 [X.] nicht mehr in Betracht. Das [X.]mitglied kann in diesem Fall auch keine Vergütung für das mit der [X.]tätigkeit verbundene [X.] verlangen. Ein anderes Ergebnis widerspräche dem Ehrenamtsprinzip.

aa) § 37 Abs. 2, 3 [X.] begründet unmittelbar keinen Anspruch auf Vergütung von [X.]arbeit im restmandatierten Betriebsrat. Der Freistellungsanspruch bei Entgeltfortzahlung aus § 37 Abs. 2 [X.] sowie der Vergütungsanspruch für aufgewendete Mehrarbeit nach § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.], die aus betriebsbedingten Gründen nicht innerhalb der Frist des § 37 Abs. 3 Satz 2 [X.] ausgeglichen werden kann, setzen eine Arbeitspflicht des [X.]mitglieds voraus. Daran fehlt es nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

bb) Ein Anspruch auf die Vergütung von [X.]arbeit ist auch mit einer analogen Anwendung des § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.] nicht zu begründen.

(1) Eine den Wortsinn übersteigende Gesetzesanwendung durch Analogie ist geboten, wenn der [X.] nicht erfasste Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie ein [X.] erfasster Fall([X.] 29. September 2004 - 1 [X.] [X.] 2 b der Gründe, [X.]E 112, 100). Eine Gesetzesanwendung über den Wortsinn hinaus bedarf einer besonderen Legitimation. Die Analogie setzt das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke voraus. Hat sich der Gesetzgeber hingegen bewusst für die Regelung oder Nichtregelung eines bestimmten Sachverhalts entschieden, sind die Gerichte nicht befugt, sich über diese gesetzgeberische Entscheidung durch eine Auslegung der Vorschrift gegen ihren Wortlaut hinwegzusetzen ([X.] 11. November 2009 - 7 [X.] - Rn. 22, EzA [X.] 2001 § 80 Nr. 11).

(2) Das Fehlen einer Vorschrift über die Vergütung für [X.]tätigkeiten während des [X.] stellt - jedenfalls dann, wenn die [X.]tätigkeit nicht mit einem Vermögensnachteil, sondern nur mit einem [X.] verbunden ist - keine planwidrige Gesetzeslücke dar, die durch eine entsprechende Anwendung des § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.] zu schließen wäre. Sofern und solange das Arbeitsverhältnis eines Mitglieds des restmandatierten [X.] fortbesteht, hat dieses regelmäßig nach § 37 Abs. 2 [X.] einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Aber auch in Fällen, in denen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ansprüche nach § 37 Abs. 3 Satz 1 bis 3 [X.] unmittelbar nicht mehr in Betracht kommen, besteht für die lediglich mit einem [X.] verbundene [X.]tätigkeit keine gesetzliche Regelungslücke. Nach der Gesamtkonzeption des [X.] besteht jedenfalls grundsätzlich kein Entgeltanspruch für die von [X.]mitgliedern erbrachten [X.]. Dies folgt insbesondere aus dem in § 37 Abs. 1 [X.] normierten Ehrenamtsprinzip, den Regelungen in § 37 Abs. 2 und 3 [X.] sowie dem in § 78 Satz 2 geregelten Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot.

(a) Nach § 37 Abs. 1 [X.] führen die Mitglieder des [X.] ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Das Ehrenamtsprinzip wahrt die innere und äußere Unabhängigkeit der [X.]mitglieder. Es stärkt maßgeblich das Vertrauen der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer darauf, dass die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte durch den Betriebsrat nicht durch die Gewährung oder den Entzug materieller Vorteile für die [X.]mitglieder beeinflussbar sind(vgl. [X.] 5. März 1997 - 7 [X.] - zu II 4 b bb der Gründe, [X.]E 85, 224; 11. November 2008 - 1 [X.] - Rn. 21, [X.] BGB § 611 Kirchendienst Nr. 51 = EzA TzBfG § 4 Nr. 19). Mit dem Ehrenamtsprinzip ist es insbesondere nicht vereinbar, dass [X.]mitglieder durch ihre [X.]tätigkeit zusätzliche Vergütungsansprüche erwerben ([X.] 12. Dezember 2000 - 9 [X.] - zu I 2 c aa der Gründe, [X.]E 96, 344).

(b) Zugleich sorgen die Regelungen in § 37 Abs. 2 und 3 [X.] dafür, dass den [X.]mitgliedern durch ihre [X.]tätigkeit keine Vermögensnachteile entstehen. Dementsprechend sind die [X.]mitglieder nach § 37 Abs. 2 [X.] im erforderlichen Umfang ohne Minderung des Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] hat ein [X.]mitglied Anspruch auf entsprechende bezahlte Arbeitsbefreiung, wenn es [X.]tätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen hat. Wenn der Freizeitausgleich innerhalb eines Monats aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist, muss der Arbeitgeber die aufgewendete [X.] gem. § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.] wie Mehrarbeit vergüten. Mitglieder des [X.] erhalten danach weder eine Amtsvergütung noch ist die [X.]tätigkeit eine zu vergütende Arbeitsleistung. Vielmehr gilt das Lohnausfallprinzip. Dieses wird durch § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht durchbrochen. Der dort geregelte Freizeitausgleich für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte [X.]tätigkeit betrifft lediglich die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass [X.]tätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat. Es handelt sich im Ergebnis um ein zeitlich verschobenes Arbeitsentgelt für eine sonst in der persönlichen Arbeitszeit anfallende [X.]tätigkeit, die nur infolge eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Umstands in die Freizeit verlegt worden ist(vgl. [X.] 5. März 1997 - 7 [X.] - zu II 4 b aa der Gründe, [X.]E 85, 224 zu § 37 [X.] in seiner bis zum 27. Juli 2001 geltenden Fassung; zuletzt zu § 19 des Kirchengesetzes über die Mitarbeitervertretung in der [X.] idF vom 19. Dezember 2003 [X.] 11. November 2008 - 1 [X.] - Rn. 20, [X.] BGB § 611 Kirchendienst Nr. 51 = EzA TzBfG § 4 Nr. 19). Soweit § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.] ausnahmsweise eine Vergütung der aufgewendeten [X.] wie Mehrarbeit vorsieht, ist damit weder ein anderes gesetzliches Regelungskonzept noch die Aufgabe des Lohnausfallprinzips verbunden. Der in § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.] vorgesehene Vergütungsanspruch für die außerhalb der Arbeitszeit aufgewendete [X.] ist vielmehr lediglich eine Kompensation dafür, dass der in § 37 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorgesehene gerade nicht auf eine zusätzliche Vergütung gerichtete Freizeitausgleich aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, zeitnah nicht möglich ist. Ein von dem Grundsatz des unentgeltlichen Ehrenamts abweichender gesetzlicher Regelungsplan, dass [X.] durch die Zahlung einer angemessenen Vergütung auszugleichen wären, liegt darin nicht.

(c) Im Einklang mit dem Ehrenamts- und dem [X.] bestimmt § 78 Satz 2 [X.], dass die Mitglieder des [X.] wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Diese Bestimmung dient, ebenso wie das Ehrenamtsprinzip, der inneren und äußeren Unabhängigkeit der [X.]mitglieder([X.] 25. Februar 2009 - 7 [X.] - Rn. 17 mwN). Daraus folgt ebenfalls, dass die [X.]mitglieder für ihre Tätigkeit im Vergleich zu den von ihnen vertretenen Arbeitnehmern keine zusätzliche Vergütung erhalten dürfen. Zugleich dürfen sie diesen gegenüber durch Wahrnehmung der nicht in ihrem Belieben stehenden, sondern aufgrund ihres Amts geschuldeten Tätigkeit keine Vermögenseinbußen erleiden.

(3) Nach diesem gesetzlichen Regelungskonzept ist § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.] nicht entsprechend auf Fallgestellungen anwendbar, in denen [X.]mitglieder im [X.] nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses [X.]tätigkeit leisten, die nicht mit einem Entgeltausfall oder einem sonstigen Vermögensopfer verbunden ist. Allein das in einem solchen Fall mit der [X.]tätigkeit verbundene [X.] rechtfertigt die analoge Anwendung des § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.] nicht. Eine Vergütung für die ohne Vermögenseinbußen aufgewendete Freizeit widerspräche vielmehr dem Ehrenamtsprinzip. Auch das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 [X.] gebietet keine Vergütung der von einem [X.]mitglied aufgewendeten Freizeit. Vielmehr geriete die Zuerkennung eines Entgelts an die [X.]mitglieder in Konflikt mit dem Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 [X.]. Die [X.]mitglieder erhielten dann eine Vergütung, auf welche die Arbeitnehmer ohne [X.]mandat keinen Anspruch hätten. Gerade im [X.] wäre damit die Gefahr der „Kommerzialisierung“ des [X.]amts verbunden.

(4) Die von dem Kläger angeführte Entscheidung des [X.] des [X.]s vom 14. Oktober 1982(- 2 [X.] - [X.]E 41, 72) gebietet keine Anfrage beim [X.] nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG. Der erkennende Senat weicht nicht im Sinne von § 45 Abs. 2 ArbGG von der Entscheidung des [X.] ab. Es spricht bereits viel dafür, dass die Erwägung des [X.], es reiche aus, die von [X.]mitgliedern nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für [X.]aufgaben aufgewendete [X.] in entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 3 [X.] als Mehrarbeit zu vergüten, für dessen Entscheidung nicht selbständig tragend war, zumal der [X.] den Rechtsstreit, in dem es um die Wirksamkeit einer nach § 15 Abs. 4 [X.] ausgesprochenen Kündigung ging, auch ohne diese Erwägung in gleicher Weise entschieden hätte. Das kann jedoch dahinstehen. Die Entscheidung des [X.] erging vor der Kodifizierung des § 21b [X.] und betraf damit eine andere Gesetzeslage.

cc) Hiernach haben die Kläger keinen Anspruch auf Entgelt für die [X.], in der sie nach ihrer Versetzung in den Ruhestand [X.]aufgaben wahrgenommen haben. Die Kläger erhielten in dieser [X.] Versorgungsbezüge, die durch die Ausübung ihrer [X.]tätigkeit im [X.] nicht geschmälert wurden. Sie erlitten somit durch die Wahrnehmung ihres Amts keine Vermögenseinbußen. Eine Vergütung dieser Tätigkeit wäre mit dem Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 [X.] und dem Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 [X.] unvereinbar. Der Rechtsstreit verlangt keine Entscheidung des Senats darüber, ob Mitglieder eines [X.] im [X.] einen Ausgleich für Vermögensopfer verlangen können, die dadurch entstehen, dass sie von einem neuen Arbeitgeber unbezahlt für Tätigkeiten im restmandatierten Betriebsrat des alten Betriebs freigestellt werden.

III. [X.] beruht auf § 97 iVm. § 100 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Hoffmann    

        

    Deinert    

                 

Meta

7 AZR 728/08

05.05.2010

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Saarbrücken, 8. Juni 2007, Az: 64 Ca 110/07, Urteil

§ 21b BetrVG, § 24 Nr 3 BetrVG, § 37 Abs 1 BetrVG, § 37 Abs 2 BetrVG, § 37 Abs 3 S 1 BetrVG, § 37 Abs 3 S 2 BetrVG, § 37 Abs 3 S 3 BetrVG, § 78 S 2 BetrVG, § 24 Abs 2 S 1 PostPersRG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.05.2010, Az. 7 AZR 728/08 (REWIS RS 2010, 6932)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6932

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12 Sa 35/16

12 Sa 682/13

3 TaBV 47/21

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