Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2006, Az. 5 StR 405/05

5. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2282

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5 [X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 8. August 2006 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Volksverhetzung - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.], an der teilgenommen haben: [X.] [X.] als Vorsitzender, [X.], [X.]in [X.], [X.] Dr. Brause, [X.] Dr. [X.] als beisitzende [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger für den Angeklagten

[X.], Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger für den Angeklagten [X.], Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklag-ten gegen das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2004 werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen not-wendigen Auslagen der Angeklagten. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. [X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e Das [X.] hat die Angeklagten wegen Volksverhetzung [X.] nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. a und b vierte Variante StGB [X.] verurteilt, den Angeklagten [X.] zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 10 •, den Angeklagten [X.]zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 10 •. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen jeweils eine Schuldspruchänderung, nämlich eine Verurteilung der Angeklagten nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB, und eine Aufhe-bung der Strafaussprüche. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg. 1 Das [X.] hat festgestellt: 2 Die Angeklagten O. und [X.]

bildeten zusammen mit dem früheren Mitangeklagten [X.] das sogenannte —[X.] 3 - 4 - [X.], das sie als ein —Denkorgan des [X.]n [X.] bezeichneten. Als —[X.]s [X.] veröffentlichten sie im [X.] einen [X.] von ihnen un-terzeichneten [X.] Text mit dem Titel —[X.]s Kolleg. Ausrufung des [X.] der [X.] Dieser Text wurde vom früheren Mitangeklagten [X.] in das [X.] eingestellt und war für jedermann ab dem 15. Okto-ber 2000 zumindest unter folgenden [X.]adressen abruf- und lesbar: www.w. , [X.].

, www.d. . Der Text beruhte auf einer Idee des Angeklagten

[X.]. Die veröffentlichte Endfassung des Textes wurde vom [X.] Mitangeklagten [X.] und dem Angeklagten O.

gemein-sam verfasst. Nach einem Streit darüber, ob von einem —Fortbestand des [X.]n [X.] oder von einer —Wiedereinsetzung des [X.]n Rei-chesfi auszugehen sei, wurde im letzten Teil des Textes ein —100-Tage-Programmfi für eine künftige —[X.] formuliert, in dem sich u. a. folgende Programmpunkte finden: —– A. – 1. Beendigung der Ausländerbeschäftigung. 2. Ausschluss ausländischer Arbeitnehmer aus der Arbeitslosenversiche-rung. 3. Pflicht zur Meldung aller von Ausländern besetzten Arbeitsplätze beim Arbeitsamt als freie Arbeitsplätze, die an volksdeutsche Bewerber verge-ben werden müssen, die das Arbeitsamt als geeignet bezeichnet. 4. Einstellungsverbot für ausländische und volksfremde Arbeitskräfte am [X.] Arbeitsmarkt, und zwar auch für Arbeitsplätze, die ausländi-sches Eigentum sind. - 5 - 5. Beschäftigungsverbot für ausländische und volksfremde Arbeitskräfte am [X.] Arbeitsmarkt ein Jahr nach Erlass des Einstellungsverbotes. B. – 1. Hohe Geld- und Arbeitsstrafen für unerlaubten Aufenthalt. – 3. Ausweisung aller arbeitslos gewordenen Ausländer.
4. Ausweisung aller zum Straf- oder Sozialfall gewordenen Ausländer. – 10. Freiräumung aller Asylantenunterkünfte und Ausweisung der Asylbewer-ber. – E. – 6. Verbot von Ausländerorganisationen in [X.], – – [X.] – 10. Entlastung der [X.] Volksschule von Hilfs- und Fremdschülern, um sie der [X.] Kultur zurückzugeben. –[X.] Die Revisionen der Angeklagten versagen. Das Urteil enthält keinen sachlichrechtlichen Fehler zu ihrem Nachteil. 4 1. Zu Recht hat das [X.] darin, dass die Angeklagten den genannten Text in das [X.] stellten, eine gemeinschaftlich [X.] Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. a und [X.] gefunden. 5 a) Der in das [X.] eingestellte Text steht nach § 11 Abs. 3 StGB den Schriften im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB gleich (vgl. [X.]St 46, 212, 216; Tröndle/[X.], StGB 53. Aufl. § 11 Rdn. 36, 36 a). 6 - 6 - Mit der Einstellung in das [X.] wurde der Text im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. a StGB verbreitet und im Sinne von lit. b der genannten Vorschrift öffentlich zugänglich gemacht. 7 b) Der veröffentlichte Text stachelt durch die Summierung der oben genannten Postulate zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, nämlich gegen die in [X.] lebenden Ausländer, partiell darunter insbesondere die Asylbewerber, auf. Der Aufruf geht zunächst dahin, alle Ausländer von jeder bestehenden oder künftigen Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis in [X.] und parallel von der Arbeitslosenversicherung auszuschlie-ßen und sie alsdann [X.] zum —[X.] geworden [X.] auszuweisen. Die [X.] sollen von —[X.] entlastet werden. Mit der Forderung einer —Freiräumung aller Asylunterkünfte und Ausweisung der Asylbewerberfi wird die umfassende Missachtung des Asylrechts reklamiert. Mit alledem wird die Gesamtheit der in [X.] lebenden Ausländer [X.] wie das [X.] es zutreffend bewertet hat [X.] als bloße —Vertreibungsmassefi, die —[X.] es gelte, gekennzeichnet. Eine solche Stigmatisierung stachelt zum Hass gegen den betroffenen Bevölkerungsteil auf (vgl. von [X.] in [X.]. § 130 Rdn. 25 m. [X.] der [X.].). 8 Dem stehen die Einwendungen der Revisionen der Angeklag-ten nicht durchgreifend entgegen: Dass die veröffentlichte Schrift nur —politi-sche Utopiefi sei, —deren Umsetzung völlig außerhalb der derzeitigen [X.] liege, schließt die genannte Tatbestandsmäßigkeit nicht aus. Gleiches gilt für das Argument der Beschwerdeführer, dass —etwa 90 % der [X.] sich nicht auf Ausländer, sondern auf zahlreiche andere Bevölkerungsgruppen beziehen. Auch angesichts [X.] kommt den die Ausländer betreffenden Programmpunkten ein eigener Erklärungswert zu. 9 c) Nicht etwa stehen der vorbezeichneten Tatbestandsmäßig-keit verfassungsrechtliche Gesichtspunkte entgegen. Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) findet seine Schranke 10 - 7 - in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), zu denen auch § 130 StGB gehört. Hier ergibt sich keine Besonderheit daraus, dass die allgemeinen Gesetze im Lichte der Grundrechte auszulegen sind. d) Vom Vorsatz der Angeklagten hat das [X.] sich rechtsfehlerfrei überzeugt. Für einen etwaigen Verbotsirrtum gibt es keinen hinreichenden Anhalt. 11 2. Die Überzeugung von der Mittäterschaft des Angeklagten [X.]hat das [X.] rechtsfehlerfrei gewonnen. Es hat hierbei auf die Mitgliedschaft des Angeklagten [X.]im —[X.]n [X.], seine Eigen-schaft als —Mitunterzeichner des veröffentlichten Textesfi und auf die [X.] nicht unterzeichnete [X.] Durchschrift eines in seiner Wohnung gefundenen Schrei-bens vom 30. Mai 2001 an einen K. abgestellt. In dem [X.] heißt es: —™Der [X.] enthält nicht unsere Reichsordnung, sondern das 100-Tage-Programm. Dieses ™straffe™ Regiment – oder meinetwegen diese Diktatur brauchen wir, um den [X.] aus-zumisten. Wenn [X.] das zu scharf ist, kannst Du ja derweil eine 100-tägige Auslandsreise machen. [X.] wir die Ausländer eben alleine raus.fi Der aus alledem gezogene Schluss des [X.]s auf die Mittäterschaft des Angeklagten [X.]war [X.] was genügt [X.] möglich, darüber hinaus sogar na-heliegend. Soweit die hiergegen erhobenen Einwendungen der Revision des Angeklagten [X.]urteilsfremden Charakter haben, sind sie ohnehin unbe-achtlich. 12 II. Auch die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben erfolglos. Eine Eignung der Tat zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne des § 130 Abs. 1 StGB ergibt sich aus den Feststellungen nicht. 13 - 8 - Anerkannt ist, dass zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals eine bereits eingetretene Störung des öffentlichen Friedens nicht erforderlich ist. Es genügt vielmehr, dass berechtigte [X.] mithin konkrete [X.] Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern, sei es auch nur bei der Bevölkerungsgruppe, gegen die er sich richtet ([X.]St 16, 49, 56; 29, 26; 46, 212, 218 f.; [X.], Urt. v. 15. Dezember 2005 [X.] 4 StR 283/05; von [X.] aaO Rdn. 13 bis 15 m.w.[X.]). Allerdings hat der [X.] die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens verschiedentlich schon darin gefunden, dass die [X.] nach den konkreten Umständen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden kann ([X.]St 29, 26, 27; 46, 212, 219; [X.], Urt. v. 14. Januar 1981 [X.] 3 StR 440/80, insoweit in NStZ 1981, 258 nicht abgedruckt). Es kann da-hingestellt bleiben, ob dem uneingeschränkt zu folgen ist. Bedenken ergeben sich namentlich unter dem Gesichtspunkt, dass angesichts der inflationären Einstellung fast jeder Nachricht in das [X.] deren Abrufbarkeit für [X.] besteht, so dass dem Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens [X.] auf die Wahrnehmbarkeitsbreite der Nachricht reduziert [X.] nahezu jede eigene Bedeutung genommen würde. Jedenfalls [X.] hier besondere Umstände hinzu: 14 Zum einen liegt eine Besonderheit darin, dass mit der veröf-fentlichten Schrift nicht Postulate aufgestellt werden, die in allernächster Zeit realisiert werden sollten. Vielmehr wird ein —100-Tage-Programmfi für die [X.] Monate einer —[X.] eines wiederentstandenen —Deut-schen [X.] entworfen. Eine solche absurde Fantasie, von der Verteidi-gung euphemistisch als —politische Utopiefi bezeichnet, vermag [X.] wenngleich im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB zum Hass gegen Teile der Bevölke-rung aufstachelnd [X.] den öffentlichen Frieden in der [X.] nicht zu stören. 15 Zum anderen ist auszuschließen, dass die veröffentlichte Schrift [X.] angesichts ihres Inhalts und seiner Verfasser, unter denen sich der 16 - 9 - mit seinem Lebenslauf allgemein bekannt gewordene [X.] befindet [X.] vom aufgeschlossenen Teil der Öffentlichkeit in der Weise [X.] werden könnte, dass hieraus etwa eine Störung des öffentlichen Frie-dens zu resultieren vermöchte. Auch sonst enthält das angefochtene Urteil keinen sachlich-rechtlichen Fehler zum Vorteil der Angeklagten. 17 [X.] Häger Gerhardt Brause [X.]

Meta

5 StR 405/05

08.08.2006

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2006, Az. 5 StR 405/05 (REWIS RS 2006, 2282)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2282

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