Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.12.2017, Az. X B 91/17

10. Senat | REWIS RS 2017, 1349

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Mitwirkung eines abgelehnten Richters an einer mündlichen Verhandlung - Verletzung rechtlichen Gehörs durch Überraschungsentscheidung


Leitsatz

1. NV: Ein abgelehnter Richter darf vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs gemäß § 47 ZPO nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten.

2. NV: Ist ein Ablehnungsgesuch zu Recht zurückgewiesen worden, wird ein eventueller Verstoß des abgelehnten Richters gegen die Wartepflicht geheilt. In diesem Fall steht nämlich fest, dass der verfassungsmäßig garantierte Richter die Entscheidung getroffen hat.

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des [X.], [X.], vom 30. Mai 2017  6 K 1922/15 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.], [X.], zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die [X.]läger und [X.]eschwerdeführer ([X.]läger) werden zusammen veranlagt. Der [X.]läger ist als Rechtsanwalt selbstständig tätig, die [X.]lägerin ist angestellte Heilpädagogin. In dem finanzgerichtlichen [X.]erfahren wandten sich die [X.]läger u.a. gegen die fehlende [X.]erücksichtigung einzelner Aufwendungen in ihrem Einkommensteuerbescheid für 2012. Während des [X.]erfahrens ergingen mehrere Aufklärungsanordnungen des Finanzgerichts ([X.]) gemäß § 79b der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) bzw. gemäß § 79 [X.]O. Im Rahmen von deren [X.]eantwortung machte der [X.]läger mit Schriftsatz vom 25. November 2016 auch Handwerkerdienstleistungen in Höhe von 196,49 € geltend und fügte die Ablichtung einer Rechnung des [X.]ezirkskaminkehrermeisters ([X.]) vom 18. August 2012 bei.

2

Das [X.] lud zur mündlichen [X.]erhandlung am 14. Februar 2017, verschob den Termin aber wegen eines Arzttermins des [X.]lägers, der gleichzeitig auch [X.] der [X.]lägerin ist, auf den 28. März 2017. Diesen Termin konnte der [X.]läger wegen einer schweren [X.]nieverletzung, die er mittels mehrerer Atteste glaubhaft machte, ebenfalls nicht wahrnehmen. Dabei bat er um eine Terminierung nicht vor dem 24. April 2017. Der [X.]orsitzende des Senats ([X.]) bestimmte am 2. Mai 2017 den Termin zur mündlichen [X.]erhandlung auf den 30. Mai 2017. Der [X.]läger teilte daraufhin mit Schreiben vom 8. Mai 2017, beim [X.] eingegangen am 17. Mai 2017, mit, er befinde sich in der [X.] vom 19. Mai 2017 bis zum 2. Juni 2017 einschließlich in seinem bislang einzigen Jahresurlaub. Er fügte eine [X.]uchungsbestätigung vom 16. Januar 2017 hinsichtlich einer Unterkunft in der [X.] für die [X.] vom 19. bis zum 29. Mai 2017 bei und wies darauf hin, dass er anschließend noch (mindestens) vier Tage in [X.] oder [X.] verbringen werde. Die [X.]uchungsbestätigung enthielt keinen Namen; [X.]organgs- und [X.]undennummern sowie die Telefonnummer der Sachbearbeiterin waren geschwärzt. Der [X.]läger bat um telefonische [X.]estätigung der Terminsaufhebung bis zum 18. Mai 2017 um 15:00 Uhr.

3

[X.] lehnte den [X.] am 18. Mai 2017 ab, da der Urlaub nicht glaubhaft gemacht worden sei. [X.]ei einem erneuten Urlaub sei eine [X.]estätigung erforderlich, aus der der Name der buchenden Reisenden hervorgehe und die aktuell sei. Angesichts der schweren Erkrankung sei eine Stornierung von Reisen nicht unwahrscheinlich. [X.]ersuche, das Schreiben des [X.] dem [X.]läger per Fax zu übermitteln, scheiterten. Mit am 22. Mai 2017 beim [X.] eingegangenem Schreiben vom 19. Mai 2017 teilte der [X.]läger dem Gericht mit, er habe bislang weder eine schriftliche noch eine telefonische Antwort auf seinen Antrag bekommen. [X.]ei einer telefonischen Nachfrage kurz vor seinem Urlaubsantritt habe er die Auskunft erhalten, dass der Termin nicht aufgehoben worden sei. Wegen seiner gravierenden gesundheitlichen Probleme seit [X.]eginn des Jahres und der nur eingeschränkten Arbeitsfähigkeit sei er urlaubsreif und benötige diesen Urlaub von gerade einmal zwei Wochen dringend. Aufgrund dieser persönlichen Umstände bitte er erneut darum, den Termin aufzuheben und dies seiner [X.]anzlei bis zum 24. Mai 2017 zumindest vorab telefonisch zu bestätigen, da er seinen Urlaub sicher nicht unterbrechen und vorzeitig aus [X.] heimkommen werde. Daraufhin wurde seitens des [X.] nochmals vergeblich versucht, das Schreiben des [X.] vom 18. Mai 2017 der [X.]anzlei des [X.]lägers per Telefax zuzuleiten. Wegen technischer Probleme des dortigen Faxgerätes scheiterte dies. Daraufhin wurde ein Mitarbeiter der [X.]anzlei des [X.]lägers telefonisch über die fehlende Glaubhaftmachung des [X.]s informiert.

4

Mit beim [X.] am 26. Mai 2017 eingegangenem Schreiben stellte der [X.]läger [X.]efangenheitsanträge sowohl gegen [X.] als auch gegen den [X.]erichterstatter des [X.]erfahrens ([X.]). Es widerspreche ihrer richterlichen Objektivität und begründe die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit, dass sie offensichtlich den Termin am 30. Mai 2017 in seiner Abwesenheit durchführen und so die Gewährung des rechtlichen Gehörs verhindern wollten. Es findet sich auf dem Schreiben zudem der handschriftliche Zusatz, dass "jetzt auch noch Lügen (Stornierung) unterstellt" würden. Der [X.]läger beantragte, vor einer Entscheidung über diesen Antrag die dienstlichen Äußerungen [X.] dem [X.]läger mit ausreichender Fristsetzung zur Stellungnahme zu übersenden. Dieses Schreiben trägt die Unterschrift des [X.]lägers mit dem Hinweis, es sei vor dem Urlaub diktiert und unterzeichnet worden.

5

Das [X.] lehnte mit [X.]eschluss vom 29. Mai 2017 --ohne [X.]eteiligung der betroffenen [X.] und [X.]-- den [X.]efangenheitsantrag des [X.]lägers ab. Der Antrag sei rechtsmissbräuchlich, jedenfalls aber unbegründet. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Ablehnungsschreiben des [X.] zu einer [X.]efangenheit des nicht an der Ablehnung beteiligten [X.] führen könne. In [X.]ezug auf [X.] sei die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit ebenfalls nicht gegeben. [X.] habe mit der Ablehnung des [X.]ertagungsantrags, verbunden mit der Aufforderung, ggf. eine aussagekräftige [X.]escheinigung vorzulegen, von seiner ihm nach der [X.]erfahrensordnung zustehenden [X.]efugnis in einem dem Gesetzeszweck entsprechenden Maß Gebrauch gemacht. Dies ergebe sich aus den [X.]esonderheiten des Streitfalls ([X.]uchungsbestätigung ohne Namen; eine Reservierungsbestätigung, die nicht den Tag der mündlichen [X.]erhandlung umfasse; der fehlende Nachweis, dass ein Aufenthalt am Tag der mündlichen [X.]erhandlung vor der Terminierung bereits verbindlich gebucht worden sei, da der [X.]läger vorgetragen habe, dass er entweder nach [X.] oder [X.] habe fahren wollen). Das [X.] habe keine Zweifel daran, dass es bei dem [X.]efangenheitsantrag des [X.]lägers nur darum gehe, die Terminsverlegung ohne Glaubhaftmachung eines vor der Terminierung gebuchten Urlaubs durchzusetzen. Unter diesen Umständen seien die [X.]efangenheitsanträge missbräuchlich, jedenfalls aber unbegründet. Eine dienstliche Äußerung [X.] sei nicht erforderlich, da die entscheidungserheblichen Tatsachen aus den Akten ersichtlich seien und feststünden.

6

In der mündlichen [X.]erhandlung, die am 30. Mai 2017 ohne die [X.]läger stattfand, hat der Senat --unter Mitwirkung der [X.] und [X.]-- ausweislich des Protokolls der [X.]ertreterin des [X.]eklagten und [X.]eschwerdegegners (Finanzamt --FA--) den [X.]eschluss vom 29. Mai 2017 übergeben und erklärt, dem [X.]läger werde der [X.]eschluss zusammen mit dem Protokoll übersandt. Im Ergebnis hat das [X.] die [X.]lage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Ablehnungsbeschluss vom 29. Mai 2017 wurde den [X.]lägern erst zusammen mit dem nachfolgenden Urteil zugestellt.

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende [X.]eschwerde der [X.]läger, die sie mit [X.]erfahrensfehlern gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O begründen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die [X.]eschwerde der [X.]läger hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen [X.]erhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 [X.]O).

9

Das [X.] konnte zwar verfahrensfehlerfrei die mündliche [X.]erhandlung am 30. Mai 2017 durchführen (unter 1. bis 3.), in der Ablehnung des Abzugs der [X.]aminkehrerkosten gemäß § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG) liegt jedoch eine Überraschungsentscheidung, die zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils führt (unter 4.).

1. Die [X.]läger rügen, an der mündlichen [X.]erhandlung und Entscheidung am 30. Mai 2017 habe zumindest ein [X.] mitgewirkt, der wegen der [X.]esorgnis der [X.]efangenheit abgelehnt worden sei, da über den gegen ihn gerichteten [X.]efangenheitsantrag noch nicht wirksam entschieden worden sei. Der [X.]eschluss des [X.] vom 29. Mai 2017, mit dem der [X.]efangenheitsantrag abgelehnt worden sei, sei am 1. Juni 2017 versandt worden und habe erst dann den [X.] des Gerichts verlassen.

a) Den [X.]lägern ist darin zuzustimmen, dass das [X.] zu [X.]eginn der mündlichen [X.]erhandlung am 30. Mai 2017 noch nicht abgeschlossen war und somit im [X.]punkt des [X.]eginns der mündlichen [X.]erhandlung noch nicht festgestanden hat, ob das Gericht vorschriftsmäßig besetzt gewesen ist (vgl. § 119 Nr. 1 [X.]O). Ausweislich des Protokolls der mündlichen [X.]erhandlung ist der [X.]eschluss über die Ablehnung des Antrags der [X.]läger vom 29. Mai 2017 dem [X.] in der mündlichen [X.]erhandlung übergeben worden. Hierdurch ist das [X.]erfahren über das Ablehnungsgesuch abgeschlossen worden, denn erst zu diesem [X.]punkt war das Gericht an seine Entscheidung gebunden (vgl. auch [X.]eschluss des [X.] --[X.]FH-- vom 17. Juli 2008 I [X.] 22/08, juris, unter II.2. zum Abschluss des [X.]s im [X.]punkt der Absendung der Entscheidung durch die Geschäftsstelle).

b) In der vor Abschluss des [X.]s liegenden Eröffnung der mündlichen [X.]erhandlung durch [X.] könnte aber ein [X.]erstoß gegen das Mitwirkungsverbot eines abgelehnten [X.]s gemäß § 47 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) liegen, eine [X.]orschrift, die auch für das finanzgerichtliche [X.]erfahren gilt (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Ein abgelehnter [X.] hat danach vor Erledigung des [X.] nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Die Wartepflicht des § 47 ZPO kann jedoch nicht mehr gerügt werden, wenn das Ablehnungsgesuch --wie im [X.] im Ergebnis erfolglos bleibt (vgl. [X.] vom 14. August 2007 XI S 13/07 (P[X.]H), [X.]FH/N[X.] 2007, 2139, unter II.2.c, und vom 17. Juli 2008 I [X.] 22/08, juris, unter II.2.; [X.]eschluss des [X.] vom 8. November 2004 II Z[X.] 41/03, [X.], 389, unter II.2., m.w.N.). Ist ein Ablehnungsgesuch zu Recht zurückgewiesen worden, wird ein eventueller [X.]erstoß des abgelehnten [X.]s gegen die Wartepflicht geheilt (vgl. [X.]eschluss des [X.]undesverfassungsgerichts --[X.][X.]erfG-- vom 30. November 1987  1 [X.]vR 1033/87, [X.]schrift für Wirtschaftsrecht 1988, 174, unter 2.). Denn in diesem Fall steht fest, dass der verfassungsmäßig garantierte [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes --GG--) die Entscheidung getroffen hat ([X.] in [X.]FH/N[X.] 2007, 2139, unter II.2.c).

2. Soweit die [X.]läger geltend machen, der [X.]eschluss des [X.] vom 29. Mai 2017, mit dem die [X.]efangenheitsanträge gegen [X.] und [X.] abgelehnt worden sind, beruhe auf einer in wesentlichen Teilen offensichtlich bewusst falschen Darstellung der Tatsachen im Zusammenhang mit der Glaubhaftmachung der gebuchten Urlaubsreise nach [X.] und unterschlage zudem die ausdrückliche [X.]ehauptung des [X.], dass ihm von [X.] "jetzt auch noch Lügen unterstellt würden", können sie keine Zulassung der Revision erreichen.

a) [X.]eschlüsse gegen die Ablehnung von [X.] können nach § 128 Abs. 2 [X.]O nicht mit der [X.]eschwerde angefochten werden. Da dem Endurteil vorangegangene Entscheidungen, die nach der [X.]O unanfechtbar sind, nicht der [X.]eurteilung der Revision unterliegen (§ 124 Abs. 2 [X.]O), kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines [X.]efangenheitsgesuchs gestützt werden. Geltend gemacht werden können nur solche [X.]erfahrensmängel, die als Folge der Ablehnung des [X.]efangenheitsgesuchs dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein Zulassungsgrund liegt daher nur vor, wenn die Ablehnung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein [X.]erfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) oder den gesetzlichen [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Das [X.]erfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen [X.] greift jedoch nur bei willkürlichen [X.]erstößen gegen [X.]erfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine [X.]esetzungsrüge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem [X.]eschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der [X.]eschluss über die Zurückweisung des [X.] nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (ständige [X.]FH-Rechtsprechung, vgl. [X.]eschlüsse vom 13. Januar 2003 III [X.] 51/02, [X.]FH/N[X.] 2003, 640, unter 3.b; vom 28. Mai 2003 III [X.] 87/02, [X.]FH/N[X.] 2003, 1218, unter 1.a).

b) Solche schwerwiegenden [X.]erfahrensverstöße enthält die [X.]eschwerdebegründung der [X.]läger nicht. Sie behaupten zwar, das Gericht habe bewusst entscheidungserhebliche Tatsachen bei seiner Entscheidung unbeachtet gelassen. Dazu tragen sie aber keine Umstände vor, aus denen sich eine greifbar gesetzwidrige Zurückweisung des [X.] und damit eine [X.]erletzung des Rechts auf den gesetzlichen [X.] ergeben könnte.

Der [X.]eschluss des [X.] war in keinem Falle willkürlich, da die Ablehnungsgesuche der [X.]läger kein [X.]orbringen enthielten, welches geeignet gewesen wäre, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines der betroffenen [X.] zu rechtfertigen. So hat das [X.] zutreffend festgestellt, es könne dem [X.] nicht angelastet werden, dass [X.] mit Schreiben vom 18. Mai 2017 dem erneuten Terminsverlegungsantrag der [X.]läger nicht entsprochen habe. Auch ist nicht erkennbar, warum [X.] durch seine Entscheidung, den Termin der mündlichen [X.]erhandlung nicht zu verschieben, befangen gewesen sein sollte. Das [X.] hat hierzu ausführlich und zutreffend Stellung genommen und ist zum Ergebnis gekommen, die Ablehnungsgesuche der [X.]läger seien rechtsmissbräuchlich, jedenfalls unbegründet. Zur [X.]ermeidung von Wiederholungen kann hierauf [X.]ezug genommen werden.

Es sind weder sachfremde Erwägungen erkennbar noch wurden entscheidungserhebliche Tatsachen vom [X.] nicht berücksichtigt. Soweit die [X.]läger in diesem Zusammenhang Umstände vorbringen, die die Schwierigkeiten der Übermittlung des Schreibens des [X.] vom 18. Mai 2017 und der nachfolgenden [X.]ommunikation zwischen dem [X.]läger, einem Mitarbeiter seiner [X.]anzlei und dem [X.] betreffen, sind diese entweder in die Entscheidung des [X.] eingeflossen oder sie waren nicht ausschlaggebend für die Einschätzung des [X.], bei den [X.]efangenheitsanträgen sei es den [X.]lägern nur darum gegangen, die Terminsverlegung ohne Glaubhaftmachung eines vor der Terminierung gebuchten Urlaubs durchzusetzen. Dies gilt auch in [X.]ezug auf den --laut [X.] vom [X.] in der [X.]eurteilung des [X.] nicht ausdrücklich gewürdigten [X.]orwurf, dem [X.]läger seien von [X.] "jetzt auch noch Lügen (Stornierung) unterstellt" worden. Eine solche Unterstellung kann dem Schreiben objektiv nicht entnommen werden, da [X.] in dem Schreiben vom 18. Mai 2017 lediglich auf Anforderungen hinweist, deren Erfüllung im Streitfall zur Glaubhaftmachung einer [X.]erhinderung notwendig sein könnte.

3. [X.], es liege eine [X.]erletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 [X.]O) und des Rechts auf Teilnahme an der mündlichen [X.]erhandlung (§ 119 Nr. 4 [X.]O) vor, weil das [X.] ihren Antrag auf [X.]erlegung des Termins der mündlichen [X.]erhandlung abgelehnt hat, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Das [X.] hat den Anspruch der [X.]läger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 [X.]O) mit der Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung und der nachfolgenden Durchführung der mündlichen [X.]erhandlung nicht verletzt.

a) Gemäß § 155 [X.]O i.[X.].m. § 227 Abs. 1 ZPO ist [X.]oraussetzung für eine Terminsverlegung, dass hierfür erhebliche Gründe vorliegen. Die erheblichen Gründe sind auf [X.]erlangen des [X.]orsitzenden glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Die Glaubhaftmachung erfordert zwar nicht den vollen [X.]eweis, wohl aber die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Umstände, aus denen der erhebliche Grund abgeleitet wird, tatsächlich vorliegen (vgl. [X.] vom 14. Oktober 2013 III [X.] 58/13, [X.]FH/N[X.] 2014, 356, Rz 10, m.w.N.). Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, hat das [X.] anhand sämtlicher ihm bekannter Umstände zu beurteilen. Dabei kann es auch das [X.]erhalten des Prozessbevollmächtigten während des [X.]erfahrens und die Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten oder andere Umstände berücksichtigen, die auf das [X.]estehen einer Prozessverschleppungsabsicht schließen lassen (ständige [X.]FH-Rechtsprechung, vgl. z.[X.]. jüngst [X.]eschluss vom 4. September 2017 IX [X.] 84/17, [X.]FH/N[X.] 2017, 1619, Rz 4, m.w.N.). Einem Antrag auf Terminsverlegung ist hingegen regelmäßig aufgrund [X.]orliegens eines erheblichen Grundes stattzugeben, wenn der [X.]eteiligte infolge eines vor Anberaumung des Termins geplanten Urlaubs ortsabwesend ist, wenn eine [X.]ertretung nicht in [X.]etracht kommt und die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins als nicht zumutbar erscheint (vgl. [X.] in [X.]FH/N[X.] 2017, 1619, Rz 5, m.w.N.). Es muss sich aber um einen im [X.]punkt der Zustellung der Ladung bereits verbindlich geplanten Urlaub handeln, der außerdem in seiner Planung so ausgestaltet sein muss, dass die Wahrnehmung des Termins während dieser [X.] nicht zumutbar erscheint (Senatsbeschluss vom 16. September 2008 X [X.] 224/06, juris, unter 1.a, s.a. Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 91 Rz 4, Stichwort Ortsabwesenheit, m.w.N. aus der [X.]FH-Rechtsprechung).

b) Nach diesen Maßstäben begegnet die Zurückweisung des Antrags auf Terminsverlegung durch das [X.] keinen rechtlichen [X.]edenken. Das [X.] hat in nicht zu beanstandender Weise die von dem [X.]läger vorgelegte Urlaubsbestätigung vom 16. Januar 2017 als nicht ausreichende Glaubhaftmachung eines erheblichen Hinderungsgrundes gewürdigt. Insoweit kann auf die überzeugende [X.]egründung des [X.] in dem Urteil vom 30. Mai 2017 unter [X.] verwiesen werden, dessen Argumente der angerufene Senat vollumfänglich teilt.

4. Die Rüge der [X.]erletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) greift jedoch aus einem anderen Grund. Das [X.] hat eine Überraschungsentscheidung getroffen, weil es die [X.]osten für den [X.]aminkehrer --ohne vorherigen Hinweis-- mit der [X.]egründung nicht berücksichtigt hat, ein Zahlungsnachweis auf das [X.]onto des [X.] der Leistung liege nicht vor.

a) Die [X.]erletzung der richterlichen Hinweispflicht gemäß § 76 Abs. 2 [X.]O bedeutet regelmäßig die [X.]erletzung rechtlichen Gehörs (s. [X.] vom 4. Oktober 2016 II [X.] 24/16, [X.]FH/N[X.] 2017, 164). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet den [X.]eteiligten das Recht, sich vor der Entscheidung des Gerichts zum entscheidungserheblichen Sachverhalt und zur Rechtslage ausreichend äußern zu können. Das Gericht verletzt daher das Recht auf Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 GG, wenn die [X.]erfahrensbeteiligten von einer Entscheidung überrascht werden, weil das Urteil auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gegründet ist, zu denen sie sich nicht geäußert haben und zu denen sich zu äußern sie nach dem vorherigen [X.]erlauf des [X.]erfahrens auch keine [X.]eranlassung hatten. Art. 103 Abs. 1 GG schützt daher die [X.]eteiligten davor, von neuen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten überfahren zu werden, die dem Rechtsstreit eine Wendung geben, mit der auch ein kundiger [X.]eteiligter nach dem bisherigen [X.]erlauf des [X.]erfahrens nicht zu rechnen brauchte (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. statt vieler [X.]ammerbeschluss des [X.][X.]erfG vom 8. Juli 1993  2 [X.]vR 218/92, [X.] 1993, 595; [X.]FH-Urteil vom 21. Januar 1998 III R 31/97, [X.]FH/N[X.] 1998, 732, unter [X.], m.w.N.).

Dem Anspruch auf rechtliches Gehör wird nicht allein bereits dadurch entsprochen, dass ein [X.]läger unter Hinweis auf die Folgen seines (unentschuldigten) Ausbleibens (vgl. § 91 Abs. 2 [X.]O) ordnungsgemäß zur mündlichen [X.]erhandlung geladen wird.

aa) Zwar genügt es grundsätzlich für die Gewährung rechtlichen Gehörs, den [X.]erfahrensbeteiligten ausreichend Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Es obliegt dann der [X.]erantwortung der [X.]erfahrensbeteiligten, die Gelegenheit zur [X.]erwirklichung ihres rechtlichen Gehörs auch wahrzunehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird damit durch die prozessuale Mitverantwortung der [X.]eteiligten begrenzt (Senatsbeschluss vom 12. August 2008 [X.] (P[X.]H), [X.]FH/N[X.] 2008, 2030, unter [X.] cc). Deshalb kommt das [X.] seiner [X.]erpflichtung, den [X.]eteiligten rechtliches Gehör zu gewähren, in der Regel bereits dadurch nach, dass es eine mündliche [X.]erhandlung anberaumt, die [X.]eteiligten ordnungsgemäß lädt und die mündliche [X.]erhandlung zu dem festgesetzten [X.]punkt durchführt ([X.] vom 18. Juli 2003 XI [X.] 47/01, [X.]FH/N[X.] 2004, 51, unter [X.], und vom 9. Mai 2005 [X.]I [X.] 187/04, [X.]FH/N[X.] 2005, 1364).

bb) Dies kann aber nur für bereits in das jeweilige [X.]erfahren eingeführte und den [X.]eteiligten bekannte oder bekanntgegebene Tatsachen oder Rechtsfragen gelten. Im Falle des Ausbleibens eines [X.]eteiligten hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob es gleichwohl in der Sache entscheidet oder den Termin vertagt. Es ist im Rahmen seiner Ermessensentscheidung insbesondere dann zur [X.]ertagung verpflichtet, wenn die Entscheidung nur aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte erfolgen könnte, zu denen den [X.]eteiligten bisher kein rechtliches Gehör gewährt worden war (ständige [X.]FH-Rechtsprechung, vgl. z.[X.]. Entscheidungen in [X.]FH/N[X.] 1998, 732, unter [X.]; in [X.]FH/N[X.] 2004, 51, unter [X.], und vom 31. Oktober 2012 X [X.] 9/11, [X.]FH/N[X.] 2013, 233, Rz 12).

b) Unter [X.]erücksichtigung dieser Grundsätze liegt eine Überraschungsentscheidung vor. Die [X.]läger hatten mit dem Schriftsatz vom 25. November 2016 die Rechnung des [X.] vorgelegt und diesen [X.]etrag als Handwerkerdienstleistungen steuerlich geltend gemacht. Im [X.]erfahren hat das [X.] bis zu seinem Urteil zu keinem [X.]punkt darauf hingewiesen, dass ihm die Rechnung als Nachweis des § 35a Abs. 3 und 5 EStG nicht ausreicht und noch ein [X.]eleg der [X.]anküberweisung notwendig sei.

Die vom [X.] als [X.]egründung angeführte [X.]ezugnahme auf die gesetzte Ausschlussfrist vom 9. November 2016 geht fehl. Zunächst ist den Akten keine Ausschlussfrist vom 9. November 2016 zu entnehmen. Sollte das [X.] hingegen den richterlichen Hinweis vom 29. November 2016 meinen, kann auch hierin keine ausreichende Gewährung des rechtlichen Gehörs gesehen werden, da dieser nur Unterlagen in [X.]ezug auf das Arbeitszimmer und zu der Unterbringung der Mutter der [X.]lägerin betroffen hat.

5. Da aus diesem Grunde die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.]läger Erfolg hat, ist es nicht notwendig, auf die weiteren von den [X.]lägern geltend gemachten [X.]erfahrensfehler einzugehen.

6. Für die von den [X.]lägern beantragte Zurückverweisung an einen anderen Senat des [X.] besteht im Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in den Anspruch auf den gesetzlichen [X.] kein Anlass.

7. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

8. [X.]on einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

Meta

X B 91/17

04.12.2017

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 30. Mai 2017, Az: 6 K 1922/15, Urteil

§ 51 Abs 1 FGO, § 47 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 35a Abs 3 EStG 2009, § 91 Abs 2 FGO, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.12.2017, Az. X B 91/17 (REWIS RS 2017, 1349)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1349

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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