Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.01.2012, Az. 17 W (pat) 84/07

17. Senat | REWIS RS 2012, 9873

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – vom Patentschutz ausgeschlossenes Verfahren zur Aufbereitung von Dokumenten –


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2005 019 434.6-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.-Phys. Dr. [X.], der Richterin [X.], der Richterin [X.] und des [X.] Dipl.-Phys. Dr. Forkel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung welche die innere Priorität einer Anmeldung vom 4. April 2005 in Anspruch nimmt, wurde am 25. April 2005 beim [X.] eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung:

2

„Verfahren zur Aufbereitung, Analyse und Auswertung von Dokumenten“.

3

Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für [X.] des [X.]es mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Lehre des Patentanspruchs 1 unter das [X.] falle, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf eine geschäftliche Tätigkeit als solche gerichtet sei und daher dem Patentschutz nicht zugänglich sei.

4

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

5

Der Anmelder stellt den Antrag,

6

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte

7

Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

8

gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 – 9,

9

gemäß Hilfsantrag 1 mit Patentansprüchen 1 – 9,

gemäß Hilfsantrag 2 mit Patentansprüchen 1 – 9,

sämtliche Anträge vom 20. Januar 2012 und

jeweils mit noch [X.] Beschreibung Seiten 1 – 3

vom Anmeldetag.

Ferner regt der Anmelder die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu der Rechtsfrage an, ob die Lehre der neu vorgelegten Ansprüche zur Lösung eines technischen Problems dienlich ist oder eine Aufforderung zum technischen Handeln ist.

Hauptantrag, hier mit einer möglichen geänderten Gliederung versehen, lautet:

([X.]) „Verfahren zum automatischen Erkennen zur Auswertung und Überprüfung von Daten aus Informationen eines von einem Gutachter zur Behebung von Schadensfällen erstellten Dokumentes, dessen Daten eine gering ausgeprägte Strukturierung aufweisen können, mit folgenden Verfahrensschritten:

([X.]) Automatische Erkennung und Erfassung der in den Dokumenten enthaltenen Daten mittels einer Erfassungseinrichtung anhand der festgelegten Formulierungen, Begriffe und/oder [X.], auf die ein Computerprogramm Zugriff hat;

([X.]) Auswertung und Korrektur der so erfassten Daten hinsichtlich Fehler, Ungenauigkeiten, Unrichtigkeiten und prüfungsrelevanter Merkmale durch Einbeziehung von Daten eines gespeicherten [X.] in einem programmierten Plausibilitätsverfahren, welches dafür notwendige Prüfregeln und [X.] verarbeitet; und

([X.]) automatische Auswahl der Daten von [X.] auf der Grundlage bestimmter Kriterien der abgespeicherten Daten bezüglich der realen Lohn- und Materialverrechnungssätze der Reparaturbetriebe, die sich in einem vorgegebenen Umkreis des Anspruchstellers befinden.“

Zum nebengeordneten Patentanspruch 9 und zu den [X.] 2 bis 8 wird auf die Akte verwiesen.

Hilfsantrag 1, hier mit einer an den Hauptantrag angepassten Gliederung versehen, lautet:

([X.]) „Verfahren zum automatischen Erkennen zur Auswertung und Überprüfung von Daten aus Informationen eines von einem Gutachter zur Behebung von Schadensfällen erstellten Dokumentes, dessen Daten eine gering ausgeprägte Strukturierung aufweisen können, mit folgenden Verfahrensschritten:

([X.]) Automatische Erkennung und Erfassung der in den Dokumenten enthaltenen Daten mittels einer Erfassungseinrichtung anhand der festgelegten Formulierungen, Begriffe und/oder [X.], auf die ein Computerprogramm Zugriff hat;

([X.]) Auswertung und Korrektur der so erfassten Daten hinsichtlich Fehler, Ungenauigkeiten, Unrichtigkeiten und prüfungsrelevanter Merkmale durch Einbeziehung von Daten eines gespeicherten [X.] in einem programmierten Plausibilitätsverfahren, welches dafür notwendige Prüfregeln und [X.] verarbeitet; wobei

([X.]) das automatische Verfahren zur Prüfung der Plausibilität der Gutachten die Prüfungen

- Anordnung von Bauteilen am Fahrzeug und die schlüssige Notwendigkeit zu deren Reparatur;

- Vollständigkeit von Ersatzteilen oder Maßnahmen;

- Fehlen von notwendigen Arbeiten;

- Fehler beim Umfang oder in der Ausführung von Lackierarbeiten;

- Fehlerhafte Ausstattungsmerkmale;

- Notwendigkeit von De- und Montagearbeiten;

- Beurteilung der [X.] durch Vergleich des [X.] zu den Reparaturkosten;

- Beurteilung der Reparaturdauer

umfasst; und

([X.]) automatische Auswahl der Daten von [X.] auf der Grundlage bestimmter Kriterien der abgespeicherten Daten bezüglich der realen Lohn- und Materialverrechnungssätze der Reparaturbetriebe, die sich in einem vorgegebenen Umkreis des Anspruchstellers befinden.“

Zum nebengeordneten Patentanspruch 9 und zu den [X.] 2 bis 8 wird auf die Akte verwiesen.

Hilfsantrag 2, hier ebenfalls mit einer an den Hauptantrag angepassten Gliederung versehen, lautet:

([X.]) „Verfahren zum automatischen Erkennen zur Auswertung und Überprüfung von Daten aus Informationen eines von einem Gutachter zur Behebung von Schadensfällen erstellten Dokumentes, dessen Daten eine gering ausgeprägte Strukturierung aufweisen können, mit folgenden Verfahrensschritten:

([X.]) Automatische Erkennung und Erfassung der in den Dokumenten enthaltenen Daten mittels einer Erfassungseinrichtung anhand der festgelegten Formulierungen, Begriffe und/oder [X.], auf die ein Computerprogramm Zugriff hat;

(C3) Auswertung und Korrektur der so erfassten Daten hinsichtlich Fehler, Ungenauigkeiten, Unrichtigkeiten und prüfungsrelevanter Merkmale durch Einbeziehung von Daten eines gespeicherten [X.] in einem programmierten Plausibilitätsverfahren, welches dafür notwendige Prüfregeln und [X.] verarbeitet; wobei

([X.]) das automatische Verfahren zur Prüfung der Plausibilität der Gutachten die Prüfungen

- Anordnung von Bauteilen am Fahrzeug und die schlüssige Notwendigkeit zu deren Reparatur;

- Vollständigkeit von Ersatzteilen oder Maßnahmen;

- Fehlen von notwendigen Arbeiten;

- Fehler beim Umfang oder in der Ausführung von Lackierarbeiten;

- Fehlerhafte Ausstattungsmerkmale;

- Notwendigkeit von De- und Montagearbeiten;

- Beurteilung der [X.] durch Vergleich des [X.] zu den Reparaturkosten;

- Beurteilung der Reparaturdauer

umfasst; und

([X.]) dass nach der Auswertung und einer Fehlerkennzeichnung der [X.] durch das vorprogrammierte, Expertenwissen verarbeitende Plausibilitätsverfahren automatisch die programmtechnisch vorgegebene Korrektur der [X.] durchgeführt wird; und

([X.]) Automatische Erzeugung der Daten von [X.] auf der Grundlage von abgespeicherten Daten bezüglich der realen Lohn- und Materialverrechnungssätze der Reparaturbetriebe, die sich in einem vorgegebenen Umkreis des Anspruchstellers befinden.“

Zum nebengeordneten Patentanspruch 9 und zu den [X.] 2 bis 8 wird wieder auf die Akte verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2011 führte der Senat mit Verweis auf die Entscheidung des [X.] „Webseitenanzeige“ ([X.], 610 - Webseitenanzeige) aus, dass die mit der Beschwerdebegründung eingereichte Fassung des Patentanspruchs 1 dem Patentschutz gemäß § 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 [X.] nicht zugänglich sein dürfte, da es sich bei der beanspruchten Lehre um ein „Computerprogramm für Datenverarbeitungsanlagen als solches“ handelt.

Der Anmelder reichte daraufhin mit Hauptantrag und [X.] 1 und 2 neue Patentansprüche 1 – 9 ein.

Er trägt dazu vor, dass die tatsächliche Leistung der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchten Lehre darin liege, in kurzer Zeit eine Überprüfung eines von einem Gutachter angefertigten Schadensgutachtens durchzuführen. Eine solche Überprüfung sei mit herkömmlicher menschlicher Verstandestätigkeit nicht zu bewältigen. Die beanspruchte Lehre beinhalte eine softwarebasierte Überprüfung von Gutachten nach objektiven Gesichtspunkten mit technischen Mitteln, so dass die Überprüfung und die überprüften Gutachten rechtlich weniger angreifbar würden, was einen Beitrag zur Rechtssicherheit bedeute. Der Anmeldung liege somit die konkrete technische Problemstellung zugrunde, ein bestehendes, von einem Gutachter angefertigtes Gutachten mit technischen Mitteln einer objektiven Überprüfung zu unterziehen, welche weitgehend frei von subjektiver Beurteilung sei, um damit rechtlichen Angriffen eher widerstehen zu können. Das beanspruchte Verfahren ermögliche die Überprüfung einer großen Menge von Gutachten. Anhand der in einem Gutachten erfassten Begriffe werde ein beschriebener Schaden auf ein virtuelles Modell abgebildet. Hierfür sei eine Datenbank mit einem Regelwerk vorhanden, das Informationen über Bauteile und zusammenhängende, eindeutige [X.] enthalte, die die jeweiligen aus betriebswirtschaftlicher Sicht optimierten Sollreparaturabläufe beschreiben würden. Mit Hilfe des hier gespeicherten, auf technischem Wissen beruhenden [X.] würden die aus den Gutachten entnehmbaren Schadenskonstellationen zur Unterstützung einer Nachbearbeitung der Gutachten auf die gespeicherten Sollreparaturwege abgebildet, was eine Vermeidung falscher Schadensgutachten unterstütze. Durch Mängel auffällig gewordene Gutachten, d. h. Gutachten, welche falsche Bauteile, inkonsistente [X.] oder aber zu hohe Kosten ausweisen, würden automatisch korrigiert oder einer manuellen Nachbearbeitung zugeführt.

Weiterhin führt der Anmelder aus, dass unter Berücksichtigung der Entscheidung des [X.] „Glasflaschenanalysesystem“ ([X.], 660 – Glasflaschenanalysesystem) die zum Patent angemeldeten Gegenstände dem Patentschutz zugänglich seien. Jedes Gutachten werde als „Produkt“ per OCR einer Messung unterworfen, deren Ergebnis mit hinterlegten Informationen verglichen werde. Das erzielbare Ergebnis sei ohne technische Mittel nicht durchführbar und bringe nicht nur eine Zeitersparnis und eine hohe Treffsicherheit für eine Vielzahl von Dokumenten bzw. Gutachten mit sich sondern trage auch wesentlich zu einer Verringerung der Kosten im Versicherungswesen bei. Nach allem stelle die Lehre nach dem Patentanspruch 1 eine Lehre zum technischen Handeln dar, welche dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich sei.

II.

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil die im geltenden Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und nach den beiden [X.] beanspruchte Lehre gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 [X.] vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Aufbereitung, Analyse und Auswertung von Dokumenten.

Laut Beschreibungseinleitung (Absätze [0001] und [0002] der [X.]) liege die Hauptanwendung des beschriebenen Verfahrens im Bereich der Erstellung von Gutachten, insbesondere von Gutachten zur Schadensbearbeitung für Versicherungsfälle. Für die Erstellung solcher Dokumente würden derzeit noch Ausdrucke zur Anwendung kommen, welche in Papier oder elektronischer Textform aufbereitet seien. Die Auswertung der Daten der Gutachten erfolge anschließend mit Hilfe von Analyse- und Kalkulationsverfahren. Dabei seien die Dokumente in der Regel nur wenig oder gar nicht strukturiert, so dass je nach Umfang und Inhalt des durch ein Gutachten beurteilten Falles unterschiedliche Werte und Ausdrücke an verschiedenen Positionen im Text erschienen. Die bekannten klassischen Texterkennungsprogramme seien aufgrund der gering ausgeprägten bzw. fehlenden Strukturierung der Gutachten zur Erkennung der [X.] ungeeignet, so dass die Daten der Gutachten für Nachkalkulation und Überprüfung manuell neu erfasst werden müssten.

Aufgabe zugrunde liegen, ein Verfahren zu schaffen, das manuelle Tätigkeiten bei der Aufbereitung, Analyse und Auswertung von Dokumenten zur Bearbeitung von Gutachten durch automatische Abläufe ersetzt, die Bearbeitungszeiten verkürzt, die Genauigkeit und Treffsicherheit der Gutachten erhöht sowie die Kosten der Versicherungswirtschaft für die Analyse und Überprüfung der Gutachten für die Gutachten senkt (siehe [X.] Absatz [0006]).

Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein Verfahren zur Aufbereitung, Analyse und Auswertung von Dokumenten zu verbessern, ist ein Programmierer oder Informatiker anzusehen, welcher eine mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Programmierung von [X.] besitzt, welche Eingaben auswerten, Datenbanken als Wissensbasis abfragen und logische Schlussfolgerungen ziehen können.

2. Zum Hauptantrag

Das auf dem Gebiet der Technik liegende Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig, weil es gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 [X.] vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

2.1 2.1 Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag schlägt seinem Wortlaut nach zur Lösung der Aufgabe ein Verfahren zum automatischen Erkennen zur Auswertung und Überprüfung von Daten aus Informationen eines von einem Gutachter zur Behebung von Schadensfällen erstellten Dokumentes vor. Das Verfahren dient demnach der automatischen Überprüfung von Dokumenten, die Schadensgutachten beinhalten (Merkmal ([X.])).

([X.])) wird vorgeschlagen, die in den Dokumenten enthaltenen Daten mit Hilfe einer Erfassungseinrichtung zu erfassen und zu erkennen. Dies wird unter Berücksichtigung von in den Dokumenten enthaltenen festgelegten Formulierungen, Begriffen und/oder [X.] vorgenommen. Ein Computerprogramm kann auf die erfassten Daten bei der weiteren Verarbeitung zugreifen.

([X.])).

([X.]) enthaltene Anweisung bezieht sich auf eine automatische Auswahl von [X.] aus einer Datenbank, welche für die Behebung des im jeweiligen Schadensgutachten beurteilten [X.] in Frage kommen. Die Auswahl der Betriebe orientiert sich dabei im Wesentlichen an den zu erwartenden auf realen Lohn- und Materialverrechnungssätzen beruhenden Reparaturkosten sowie an der geographischen Lage der Betriebe relativ zum Ort des Anspruchstellers.

Resultat dieses Verfahrens ist die Angabe einer Anzahl von nach festgelegten Kriterien ausgewählten [X.], die die Reparatur des Schadensfalls auf Basis des überprüften und ggfs. nachgebesserten Gutachtens vornehmen können. Das Verfahren wird auf einem (üblichen) Rechner bzw. Netzwerk durchgeführt; es ist keine an das Verfahren angepasste spezielle Rechnerarchitektur ausgewiesen.

2.2 Das auf dem Gebiet der Technik liegende Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig, da es gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 [X.] vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

Gemäß der Rechtsprechung des [X.] ist „bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 [X.]). Danach ist zu prüfen, ob dieser Gegenstand lediglich ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches darstellt und deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Der [X.] greift nicht ein, wenn diese weitere Prüfung ergibt, dass die Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen“ ([X.], a. a. [X.] - Webseitenanzeige).

2.2.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 liegt auf dem Gebiet der Technik gemäß § 1 Abs. 1 [X.].

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 liegt schon deshalb zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet, weil er eine bestimmte Nutzung der Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage lehrt und damit eine Anweisung zum technischen Handeln gibt (vgl. [X.] [X.] 2010, 326 - Dynamische Dokumentengenerierung).

2.2.2 Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist vom Patentschutz ausgeschlossen, da keine Anweisungen erkannt werden können, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen.

Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (vgl. [X.] [X.] 2005, 77 – Anbieten interaktiver Hilfe).

Im vorliegenden Fall liegt die tatsächliche Leistung der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchten Lehre darin, die an sich in Gutachten enthaltenen Informationen einer elektronischen Datenverarbeitung zugänglich zu machen und insbesondere den Prozess zur Auswertung, Überprüfung und Entscheidung über eine ggfs. erforderliche Korrektur unter Verwendung eines gespeicherten [X.] so zu strukturieren und aufzubereiten, dass die Ausführung eines solchen Prozesses unter Verwendung herkömmlicher Datenverarbeitungsmittel automatisiert werden kann.

Das objektive Problem besteht demnach darin, zum Zweck einer Automatisierung die ursprünglich gedanklichen Anweisungen und manuellen Tätigkeiten zur Aufbereitung, Analyse und Auswertung der in den Gutachten enthaltenen Daten in computergerechte Anweisungen zu überführen.

Dieses Problem ist ein reines Problem der Datenverarbeitung, und zwar der Bereitstellung von Informationen, deren Aufbereitung, Abruf und Auswertung; es hat keinen Bezug zur Welt der Technik.

Die Lösung durch Verwendung einer (semantischen) Analyse sowie eines Expertensystems in solcher Weise, dass die Daten der Gutachten überprüft und ggfs. korrigiert werden können, verlangt keine technischen Überlegungen. Auch der Vorschlag, die im Datenbestand enthaltenen Datensätze zu Fachwerkstätten nach Kriterien zu filtern, ist eine reine Softwaremaßnahme, die keinerlei technische Überlegungen erfordert.

Der technische Charakter der angeführten Erfassungseinrichtung steht dabei ebenso außer Zweifel wie die [X.] der zur Datenverarbeitung verwendeten Systemkomponenten. Hieraus ergibt sich aber noch kein technisches Problem, welches mit den Merkmalen des beanspruchten Verfahrens gelöst würde.

Weiterhin lassen sich die automatische Erkennung und Erfassung der [X.], deren Auswertung und Korrektur sowie die automatische Auswahl der Reparaturbetriebe lediglich dem allgemeinen Problem zuordnen, die für das wirtschaftliche Ergebnis einer Kostensenkung relevanten Daten mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung selbsttätig zu ermitteln und bereitzustellen. Dies ist aber kein konkretes technisches Problem im Sinne der Rechtsprechung, sondern geht nicht über die allgemeine Zielsetzung hinaus, sich zur Erreichung eines außertechnischen Ergebnisses der elektronischen Datenverarbeitung zu bedienen ([X.] GRUR 2005, 143 – [X.]). Dementsprechend enthält der Patentanspruch 1 auch kein Lösungsmittel, das über die Anweisung an den Fachmann hinausginge, die Datenermittlung und –verarbeitung „automatisch“ vorzunehmen.

Dass die in der Expertendatenbank gespeicherten Daten zu Bauteilen „technische Daten“ sein mögen, ist ebenso ohne Belang. So kann der Bedeutungsinhalt der gespeicherten und verarbeiteten Daten die Zugänglichkeit zum Patentschutz ebenfalls nicht begründen, denn die Art der Daten oder die Frage ihres Ursprungs hat für die Beurteilung der Zugänglichkeit der beanspruchten Lehre zum Patentschutz keine Relevanz ([X.], a. a. [X.] – [X.]).

Die angeführten [X.] und [X.], welche die vom Anmelder genannten [X.] abbilden, sind ebenfalls nicht geeignet, der beanspruchten Lehre die Lösung einer technischen Problemstellung mit technischen Mitteln zuzuerkennen, denn die beanspruchte Lehre befasst sich nicht mit der Frage, wie diese Regeln ermittelt werden, sondern lehrt lediglich, dass diese Regeln bereitgestellt und angewendet werden sollen.

Ferner stellt die dem Expertenwissen zugrundeliegende Datenbank allenfalls eine strukturierte Sammlung von Daten dar, auf die mit Hilfe einer Verwaltungssoftware zugegriffen werden kann. Nach [X.] GRUR 2009, 479 – [X.] handelt es sich bei den Vorgängen der Sammlung und Speicherung von Daten um außertechnische Vorgänge (vgl. [X.], a. a. [X.] Abschnitt II 3.). Die Speicherung von Daten in einer Datenbank ist daher als nicht-technisch einzustufen, unabhängig davon, ob die gespeicherten Daten technische, wirtschaftliche oder kaufmännische Größen beschreiben.

Der Anmelder ist der Ansicht, dass das beanspruchte Verfahren nach der Entscheidung „Glasflaschenanalysesystem“ ([X.], a. a. [X.] - Glasflaschenanalysesystem) dem Patentschutz zugänglich sei. Im Gegensatz hierzu ist allerdings im vorliegenden Fall schon kein Bezug zu einer Messung im Sinne des Vergleichs einer physikalischen Größe mit einer festgesetzten Einheit und der Bestimmung ihrer Maßzahl erkennbar, so dass bereits aus diesem Grund die Argumentation des Anmelders nicht zu überzeugen vermag. Dementsprechend ist dem beanspruchten Verfahren auch kein messtechnisches Mittel entnehmbar. In der o. g. Entscheidung waren es die vorrichtungsmäßig gekennzeichneten Merkmale des zu beurteilenden Patentanspruchs, insbesondere das infrarotempfindliche Sensorsystem zur Bestimmung der Energieverteilung einer von einem Produkt abgestrahlten Infrarotstrahlung, die der Lösung des Problems dienten, das dem damaligen [X.] zugrundelag. Vergleichbare Merkmale sind dem Verfahren nach dem Patentanspruch 1 jedoch nicht entnehmbar, so dass dessen vorstehender Bewertung auch nicht entgegensteht, dass dem Analysesystem aus der Entscheidung „Glasflaschenanalysesystem“ eine zugrundeliegende technische Problemstellung zugebilligt wurde.

Da nach allem ein Datenverarbeitungsproblem durch Maßnahmen aus dem Bereich der reinen Informatik gelöst wird, liegt keine „schutzwürdige Bereicherung der Technik vor“ (vgl. [X.] in [X.] 2002, 114 – Suche fehlerhafter Zeichenketten; [X.] 2004, 428 – Elektronischer Zahlungsverkehr). Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist als „Programm als solches“ gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 [X.] dem Patentschutz nicht zugänglich.

2.3 Mit dem Patentanspruch 1 fallen zwangsläufig auch die übrigen Patentansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.

3. Zum Hilfsantrag 1

Der auf dem Gebiet der Technik liegende Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 [X.] vom Patentschutz ausgeschlossen.

3.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch das Merkmal ([X.]), wobei

([X.]) „das automatische Verfahren zur Prüfung der Plausibilität der Gutachten die Prüfungen

- Anordnung von Bauteilen am Fahrzeug und die schlüssige Notwendigkeit zu deren Reparatur;

- Vollständigkeit von Ersatzteilen oder Maßnahmen;

- Fehlen von notwendigen Arbeiten;

- Fehler beim Umfang oder in der Ausführung von Lackierarbeiten;

- Fehlerhafte Ausstattungsmerkmale;

- Notwendigkeit von De- und Montagearbeiten;

- Beurteilung der [X.] durch Vergleich des [X.] zu den Reparaturkosten;

- Beurteilung der Reparaturdauer

umfasst“.

([X.]) betrifft die konkrete Art der Prüfungen, wie sie zur Prüfung der Gutachten auf Plausibilität herangezogen werden sollen und ist deshalb nicht anders zu bewerten als Merkmal ([X.]) gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag (siehe Abschnitt 2.2.2). Die Bestimmung und Anwendung solcher Prüfungen fällt in den Bereich des Qualitätsmanagements, der Logistik und der Versicherungswirtschaft. Ihr liegen keine technischen Überlegungen zugrunde.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 kann deshalb nicht anders als der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beurteilt werden, weil der darüber hinaus gehenden Lehre keine Anweisungen zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln entnehmbar sind.

3.2 Mit dem Patentanspruch 1 fallen ebenfalls die Patentansprüche 2 bis 9.

4. Zum Hilfsantrag 2

Der auf dem Gebiet der Technik liegende Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 unterfällt dem Patentierungsausschluss gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 [X.].

4.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 sachlich durch das Merkmal ([X.])

([X.]) „dass nach der Auswertung und einer Fehlerkennzeichnung der [X.] durch das vorprogrammierte, Expertenwissen verarbeitende Plausibilitätsverfahren automatisch die programmtechnisch vorgegebene Korrektur der [X.] durchgeführt wird“.

([X.]) beinhaltet die Kennzeichnung von Fehlern in den Kalkulationsdaten sowie deren automatische Korrektur durch das Plausibilitätsverfahren. Die in Hinsicht auf die Arbeitsweise des verwendeten [X.] enthaltenen Anweisungen sind dabei sehr allgemein gehalten, so dass sich dem Merkmal nichts entnehmen lässt, was über die bloße Anweisung hinausgeht, eine vormals gedankliche und manuelle Maßnahme auf eine reine Softwaremaßnahme abzubilden, welche eine Fehlerkennzeichnung und –korrektur „automatisch“ durchführt.

Eine solche Maßnahme hat aber keine Lösung einer technischen Problemstellung mit technischen Mitteln zum Gegenstand (siehe Abschnitt 2.2.2).

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist demnach als „Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches“ gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 [X.] vom Patentschutz ausgeschlossen.

4.2 Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die übrigen Patentansprüche 2 bis 9.

III.

Nachdem keiner der gestellten Anträge Erfolg hatte, war die Beschwerde des Anmelders gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für [X.] des [X.]es zurückzuweisen.

IV.

Die Anregung des Anmelders auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 2 [X.] war nicht aufzugreifen.

Danach ist die Rechtsbeschwerde dann zuzulassen, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert.

Durch die vorliegende Anmeldung wird jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, zu der eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorläge.

In den angeführten Entscheidungen des [X.] ([X.], a. a. [X.] - Webseitenanzeige; [X.], a. a. [X.] - Dynamische Dokumentengenerierung; [X.], a. a. [X.] – [X.]) sind diejenigen Erfordernisse wiedergegeben, nach denen einem Verfahren der Datenverarbeitung die Zugänglichkeit zum Patentschutz zuerkannt werden kann und deren Erfüllung auch beim Gegenstand der Anmeldung zu überprüfen war. Der Senat sieht sich in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung. Eine vom vorliegenden Beschluss abweichende Rechtsprechung eines anderen Senats des [X.] ist nicht erkennbar.

Meta

17 W (pat) 84/07

24.01.2012

Bundespatentgericht 17. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.01.2012, Az. 17 W (pat) 84/07 (REWIS RS 2012, 9873)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9873

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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