Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2015, Az. III ZR 547/13

III. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16330

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 547/13
vom

29. Januar 2015

in dem Rechtsstreit

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Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am 29.
Januar 2015
durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und Reiter

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 21.
November 2013 gemäß § 544 Abs.
7 ZPO aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 150.000

Gründe:

I.

Die Klägerin und ihr Ehemann erwarben im September 2008 eine ver-mietete Eigentumswohnung in [X.] zu einem Kaufpreis von 66.988,50

, in vollem Umfang
finanziert durch
zwei Bankdarlehen. Vorausgegangen waren ein Gespräch in der Wohnung der Klägerin und ihres Ehemanns mit einem Mitar-beiter der T.

GmbH, die von der S.

Wirtschaftsberatung GmbH
(im Folgenden: S.

GmbH)
mit der Werbung potentieller Anleger beauftragt war, sowie zwei Gespräche am 6. und 13.
September 2008 in den Räumen der [X.] insolventen S.

GmbH, mit der die Klägerin und ihr Ehemann einen 1
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Dienstleistungsvertrag abgeschlossen hatten. Die Gespräche
über den Ankauf der fraglichen Wohnung
führte der Beklagte. Er übergab dabei eine "Berech-nung einer Immobilieninvestition", nach der der Erwerb einer fremdfinanzierten Immobilie gegen Zuzahlungen von monatlich
zwischen 156

in den Jahren 2008 bis 2012 möglich sein sollte. Aufgrund dieser Gespräche [X.] sich die Klägerin und ihr
Ehemann zum Erwerb der fraglichen Eigen-tumswohnung.

Die Klägerin macht aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehe-manns gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung geltend; der Beklagte habe seine
Beratungspflichten verletzt. Hierzu hat sie
vorgetragen, der Beklagte habe bei dem Gespräch am 6.
September 2008 wahrheitswidrig versprochen, es bestehe
jederzeit die Möglichkeit, aus der Finanzanlage auszusteigen und diese zu kündigen; die Rückführung der
Darlehen
stelle kein Problem dar, die Kapitalanlage werde sich auf Basis seiner Berechnungen durch die Steuervergünstigungen und die Mieteinnahmen
bis auf eine kleine,
konstante monatliche Zuzahlung von selbst tragen.
Zudem
habe er weder von sich aus noch auf eine konkrete Nachfrage
darauf hingewiesen, dass die für den Abschluss des Kaufvertrags zu leistende Innenprovision den Wert von 15
% deutlich überstiegen habe. Ausweislich der Provisionsabrech-nung
vom 15.
September 2008 der S.

GmbH gegenüber der Verkäuferin habe die Provision 23,6
% bezogen auf die Provisionsbasis beziehungsweise
den Kaufpreis betragen. Dies sei dem Beklagten auch bekannt gewesen,
denn
die Höhe derartiger Provisionen
habe gerade
das Geschäftsmodell der S.

GmbH ausgemacht.

Die auf Rückzahlung ihrer Investitionen gerichtete Klage blieb
ebenso wie die gegen beide Eheleute gerichtete Widerklage des Beklagten auf Heraus-2
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gabe einer Kopie des zwischen ihnen und der S.

GmbH geschlossenen
Dienstleistungsvertrags
in
beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Berufungsge-richt hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie möchte mit der beabsichtigten Revision ihre bisherigen Anträge weiter verfolgen.

II.

Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie zur Zurückverweisung der Sa-che an die Vorinstanz. Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde mit Recht rügt, in einem entscheidungserheblichen Punkt
das Grundrecht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG) verletzt.

1.
Die angefochtene Entscheidung ist unter anderem damit begründet, dass zwischen den Parteien weder ein Beratungs-
noch ein Auskunftsvertrag zu-stande gekommen seien. Der Beklagte sei nicht Vertragspartner geworden,
denn er habe erkennbar nur
als
Mitarbeiter
der S.

GmbH gehandelt. Aus dem in zweiter Instanz unstreitig gewordenen Abschluss eines Dienstleistungs-vertrags zwischen der Klägerin, ihrem Ehemann
und
der S.

GmbH ergebe sich
zusätzlich, dass sich weder der Beklagte noch dieses Unternehmen zu Be-ratungsleistungen hätten verpflichten wollen.
Deshalb bestünden auch keine Schutz-
oder Rücksichtnahmepflichten des Beklagten, zumal er nach dem Er-gebnis der Beweisaufnahme weder ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen habe noch als ausgewiesener Fachmann aufgetreten sei.
Für eine deliktische Haftung fehle es an einer Täuschungshandlung, weil die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht den Nachweis dafür habe führen können, dass dem Beklagten vorsätzlich fehlerhafte Tatsachenan-4
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gaben zur Last fielen. Eine Täuschung über den Wert der Immobilie, einen [X.] nach zehn Jahren, jederzeitige Kündigungsmöglichkeiten oder eine nur zehnjährige Laufzeit der Kapitalanlage sei nicht nachgewiesen.

2.
a) Diese Würdigung beruht
hinsichtlich eines möglichen deliktischen [X.]s auf der Übergehung
streitigen, unter Beweis gestellten
Sachvortrags
der Klägerin. Zwar ist die Auffassung des Berufungsgerichts, zwischen den [X.] sei kein Vertragsverhältnis zustande gekommen, so dass vertragliche An-sprüche wegen Verletzung von Beratungs-
bzw. Auskunftspflichten nicht [X.], frei von [X.]. Demgegenüber hatte die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zu einem möglichen deliktischen [X.] aus §
823 Abs. 2 BGB iVm §
263
Abs. 1
StGB oder §
826 BGB ausrei-chend vorgetragen
und Beweis angeboten, so dass dem hätte nachgegangen
werden müssen. Dies betrifft das behauptete Verschweigen der
Höhe der für den Abschluss des Kaufvertrags zu leistenden
Innenprovision, die nach [X.] der Klägerin bereits in der Klageschrift deutlich
über 15
%
gelegen habe. Ausweislich der [X.] vom 15.
September 2008 der S.

GmbH gegenüber der Verkäuferin habe die Provision 14.702,62

23,6
% von der Provisionsbasis beziehungsweise
dem Kaufpreis ausgemacht, so dass der Beklagte nach ihrer Auffassung verpflichtet gewesen sei, dies [X.] auf ihre
konkrete Nachfrage zu
offenbaren. Stattdessen habe er zugesi-chert, dass dies nicht der Fall sei. Zum Beweis
hat
die Klägerin die Verneh-mung des Zeugen S.

J.

, ihres Ehemanns, angeboten. In einem
weiteren Schriftsatz vom 29.
Mai 2012 hat
die Klägerin zudem vorgetragen, dem [X.] sei bekannt gewesen, dass die S.

GmbH eine Provision von über 17
% erhalten habe. Denn dies sei bei [X.] im Vertrieb dieses Unternehmens
tätigen Mitarbeitern eine
bekannte Tatsache, zumal sich die Honorierung des [X.] aus eben dieser Provision speise. Zum Beweis für diese Behauptung der 6
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Klägerin hat
sie den
ehemaligen Geschäftsführer
der S.

GmbH als Zeugen benannt. In der Berufungsbegründung hat die Klägerin sodann diesen Vortrag erneut aufgenommen und das Übergehen des
Beweisantritts in der ersten In-stanz
ausdrücklich
gerügt. Zudem hat
sie vorgetragen, dass sie das Geschäft nicht
abgeschlossen hätte, wenn ihr die Höhe der
Provision bekannt gewesen wäre. Im Schriftsatz vom 13.
Juni 2013 hat sie diesen Sachvortrag abermals
wiederholt. Der Beklagte ist
diesem Vorbringen entgegengetreten. Er hat
für seine
gegenteilige Behauptung seine Parteivernehmung angeboten.

Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Behauptungen, die es in seinen Gründen zu A erwähnt hat,
nicht
auseinandergesetzt und dementsprechend die angebotenen Beweise
(Vernehmung des Ehemanns der Klägerin, des ehemali-gen Geschäftsführers der S.

GmbH und Parteivernehmung des Beklagten)
nicht erhoben. Dies wäre angesichts des substantiierten Vorbringens der Kläge-rin
aber erforderlich gewesen.

b) Nach der Rechtsprechung
des [X.] besteht im Rah-men eines vertraglichen Anlagevermittlungs-
oder Anlageberatungsverhältnis-ses die generelle Pflicht des Beraters oder Vermittlers, im Rahmen der objekt-gerechten Beratung unaufgefordert über [X.] Aufklärung zu geben, wenn diese eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern ein-zubringenden Kapitals überschreiten,
und etwaige irreführende oder unrichtige Angaben zu [X.] rechtzeitig richtigzustellen. Dem liegt die Er-wägung zugrunde, dass [X.] solchen Umfangs Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit und Rentabilität der Kapitalanlage eröffnen und dies wiederum einen für die Anlageentscheidung derart bedeutsamen [X.] darstellt, dass der [X.] hierüber informiert werden muss
(vgl. nur Senatsurteil vom 3.
März 2011 -
III
ZR 170/10, NJW-RR 2011, 913 7
8
-

7

-

Rn.
16, 22
mwN). Generell müssen
Angaben, egal, ob geschuldet oder nicht, der Wahrheit entsprechen
(vgl. z.B. [X.], Urteil vom 29. Juni 2010 -
XI [X.], NJW-RR 2011, 270, Rn. 36
mwN).

Auch im Rahmen möglicher deliktischer Haftung, insbesondere
unter den Voraussetzungen
des § 826 BGB,
können das Verschweigen einer derart ho-hen Provision oder unrichtige Angaben dazu einen Schadensersatzanspruch des
Anlegers
begründen, wenn dem
Berater oder Vermittler die 15 % überstei-gende [X.] bekannt ist. Der Beklagte, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
im Streitfall
zumindest als Vermittler für die S.

GmbH aufgetreten ist, hätte danach, das Vorbringen der Klägerin als zutreffend unter-stellt,
spätestens
auf ihre
konkrete Nachfrage
zutreffende
Auskünfte erteilen müssen.
Dies ist nach
der
Behauptung
der Klägerin jedoch gerade nicht ge-schehen.
Seine insoweit bestehende Kenntnis
von der
weit über 15 % liegen-den Provision
hatte
die Klägerin ebenfalls behauptet und entsprechend unter Beweis gestellt. Das Berufungsgericht hat sich jedoch ebenso wenig wie das [X.] mit einem ungefragt zu bereinigenden
insoweit bestehenden Infor-mationsdefizit oder einer jedenfalls auf Nachfrage erforderlichen, den Gege-benheiten entsprechenden
Information
hierüber
befasst.

c) Das
insoweit übergangene Vorbringen der Klägerin ist
entscheidungs-erheblich. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht einen deliktischen Anspruch der Klägerin
gemäß
§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m.
§ 263 Abs.
1 StGB
und
aus § 826 BGB
bejahen würde, wenn es auf der Grundlage der
dargestellten
Behauptungen der Parteien und einer entsprechenden Be-weisaufnahme
zu dem Ergebnis
kommt, dass der Beklagte unzutreffende An-gaben über die Provision gemacht
beziehungsweise notwendige Angaben hier-zu
verschwiegen hat, zumal sich dem Vorbringen der Parteien auch nicht ent-9
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8

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nehmen lässt, dass die Klägerin
aus einem Prospekt entsprechende konkrete Aufklärung erhalten hat und nur dies
trotz des Verhaltens des Beklagten für sie von ausschlagender Bedeutung gewesen ist. Sollte sich deshalb das Vorbrin-gen der Klägerin als zutreffend erweisen,
ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs gegeben sind.
Das Berufungsgericht wird deshalb in diesem Punkt eine weitere Aufklärung des Sachverhalts vorzunehmen,
die angebotenen Beweise zu erheben
und das Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten deliktischen Anspruchs
daran zu messen haben.

[X.]

[X.]

[X.]

Remmert
Reiter
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 14.11.2012 -
3 O 13/12 -

KG [X.], Entscheidung vom 21.11.2013 -
1 [X.] -

Meta

III ZR 547/13

29.01.2015

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2015, Az. III ZR 547/13 (REWIS RS 2015, 16330)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16330

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