Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.05.2011, Az. III ZR 84/10

3. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6998

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Gegenstand

Haftung aus Kapitalanlageberatung: Pflicht des bankexternen Anlageberaters zur ungefragten Aufklärung über Provisionen


Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 5. März 2010 aufgehoben mit Ausnahme der Feststellung, dass der Beklagte zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die ihr durch die Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 1 entstehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von dem [X.]n zu 2 unter dem Vorwurf fehlerhafter Kapitalanlageberatung Schadensersatz.

2

Aufgrund eines am 29. Juli 2002 geführten Gesprächs mit dem Zeugen [X.], einem (damaligen) Mitarbeiter des [X.]n zu 2, zeichnete die Klägerin zwei - jeweils über Treuhänder gehaltene - Kommanditbeteiligungen an geschlossenen Fonds, nämlich zum einen an der D.      Renditefonds GmbH & Co. E.      R.     KG (im Folgenden: [X.]) mit einer durch Bankdarlehen finanzierten Einlage von 30.000 € zuzüglich 5 % Agio und zum anderen an der [X.] [X.] (im Folgenden: [X.]) mit einer - in monatlichen Ratenzahlungen zu je 82,50 € aufzubringenden - [X.] von 15.000 € zuzüglich 5 % Abwicklungsgebühr. Der Inhalt des Gesprächs vom 29. Juli 2002 und die Frage, ob der Klägerin hierbei die jeweiligen Emissionsprospekte übergeben wurden, sind zwischen den Parteien streitig.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, der [X.] zu 2 habe die ihm aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrag erwachsenen Pflichten zur [X.] und objektgerechten Beratung verletzt. Sie habe von dem Zeugen [X.]       keine an ihren individuellen Verhältnissen und Anlagezielen orientierte Beratung und insbesondere auch keine ordnungsgemäße Aufklärung über die personellen Verflechtungen zwischen den Fondsbetreibern und den Verantwortlichen der finanzierenden Bank, über die Werthaltigkeit, Sicherheit und die realistischen Renditeaussichten der Kapitalanlage erhalten. Darüber hinaus habe der Zeuge [X.]    es pflichtwidrig unterlassen, sie über die Höhe der Provisionen aufzuklären, die dem [X.]n zu 2 im Falle der erfolgreichen Empfehlung der Kapitalanlage von Seiten der Fondsgesellschaften zufließen.

4

Nach - inzwischen rechtskräftiger, insoweit auf das Fehlen der Passivlegitimation gestützter - Abweisung der Klage gegen die [X.] zu 1 durch Teilurteil und Vernehmung der Zeugen [X.]      und F.       [X.]      hat das [X.] in seinem Schlussurteil festgestellt, dass der [X.] zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die ihr durch die Erhebung der Klage gegen die [X.] zu 1 entstehen, und die weitergehende Klage gegen den [X.]n zu 2 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] den [X.]n zu 2 demgegenüber antragsgemäß in vollem Umfange zum Schadensersatz verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der [X.] zu 2 die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Schlussurteils.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des Beklagten zu 2 hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Es könne dahinstehen, ob die Klägerin die in erster Instanz behauptete fehlerhafte Aufklärung habe beweisen können, denn ihr stehe ein Schadensersatzanspruch mit Rücksicht darauf zu, dass der Beklagte zu 2 über die von ihm erhaltene Provision in Höhe von 11 % der [X.] nicht aufgeklärt habe. Zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Aus diesem Verhältnis sei der Beklagte zu 2 verpflichtet gewesen, die Klägerin unaufgefordert über die Höhe der ihm zufließenden Provision für die erfolgreiche Empfehlung der Fondsanlagen aufzuklären. Insoweit gelte nichts anderes als für die entsprechende Aufklärungspflicht einer Bank gegenüber ihrem Kunden. Der Anlageberater sei ebenso wie eine Bank zur Wahrung der Interessen seines eine Kapitalanlage suchenden Auftraggebers verpflichtet und daher gehalten, vertragswidrige Interessenkonflikte in ihrem konkreten Ausmaß aufzudecken. Dies sei jedenfalls dann geboten, wenn die Provision - wie hier - einen Umfang von immerhin 11 % der [X.] erreiche. Diese Aufklärungspflicht habe der Beklagte zu 2 schuldhaft verletzt; insbesondere könne er sich nicht mit Erfolg auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Die Pflichtverletzung sei für die Anlageentscheidung der Klägerin kausal geworden. Auch wenn die Klägerin ihrer Mitteilung nach davon ausgegangen sei, dass der Beklagte zu 2 eine Provision erhalten werde, da er ja "von etwas leben" müsse, sei ihr nicht klar gewesen, welchen Umfang die Provision ausmache; dies habe sie auch den [X.] nicht entnehmen können. Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt und im geltend gemachten Umfange berechtigt.

II.

8

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

9

1. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Beklagte zu 2 verpflichtet gewesen sei, die Klägerin unaufgefordert über die genaue Höhe der ihm zufließenden Provision für die erfolgreiche Empfehlung der Beteiligungen an dem [X.] und an dem [X.] aufzuklären. Dabei bedarf es insoweit keiner abschließenden Beurteilung, ob der Beklagte als Anlageberater, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, oder, wie dies die Revision für richtig hält, nur als Anlagevermittler tätig geworden ist. Denn auch nach Abschluss eines Anlageberatungsvertrags wäre der Beklagte zu 2 nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin ungefragt über die von ihm erwarteten Provisionen aufzuklären.

a) In seinen - nach Erlass der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangenen - Urteilen vom 15. April 2010 ([X.], [X.], 185) und vom 3. März 2011 ([X.], [X.], 607) hat der erkennende [X.] ausgesprochen, dass wegen der Besonderheiten der vertraglichen Beziehung zwischen einem Anleger und einem freien, nicht bankmäßig gebundenen Anlageberater - soweit nicht § 31d des Wertpapierhandelsgesetzes eingreift - jedenfalls dann keine Verpflichtung für den Berater besteht, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wenn der Anleger selbst keine Provision an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die [X.] ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden. Der [X.] hat in diesen Entscheidungen des Näheren ausgeführt, dass sich die vorerwähnte Gestaltung der Anlageberatung durch einen freien Anlageberater - bei gebotener typisierender Betrachtungsweise - grundlegend von der Anlageberatung durch eine Bank unterscheidet ([X.]surteile vom 15. April 2010 aaO Rn. 11 ff und vom 3. März 2011 aaO Rn. 18 ff). Für den Anleger besteht regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass der freie, von ihm selbst nicht vergütete Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhält; vielmehr sind dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des Beraters durch den Kapitalsuchenden als auch der damit (möglicherweise) verbundene Interessenkonflikt bewusst. Soweit es um die genaue Höhe der gerade dem Anlageberater zukommenden Provision geht, ist es bei gebotener Abwägung der gegenüberstehenden Interessen der Vertragsparteien Sache des Anlegers - dem das generelle Provisionsinteresse des Beraters bekannt ist -, dieserhalb bei dem Anlageberater nachzufragen ([X.]surteile vom 15. April 2010 aaO Rn. 13 und vom 3. März 2011 aaO Rn. 21). Hiervon unberührt bleibt die generelle Pflicht des Anlageberaters, im Rahmen der objektgerechten Beratung unaufgefordert über Vertriebsprovisionen Aufklärung zu geben, wenn diese eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten, und etwaige irreführende oder unrichtige Angaben zu Vertriebsprovisionen zu unterlassen beziehungsweise rechtzeitig richtigzustellen (s. [X.]surteil vom 3. März 2011 aaO Rn. 16, 22 mwN).

An dieser Rechtsprechung hält der [X.] fest.

b) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte zu 2 seine Aufklärungspflicht verletzt habe, weil sein Mitarbeiter keine Mitteilungen zur Provision gemacht habe und die Anlageprospekte keine Angaben über die genaue Höhe der dem jeweiligen, den Anleger zum Abschluss der Beteiligung bewegenden Anlageberater zufließenden Provisionen enthalten.

Der nicht bankmäßig gebundene Beklagte zu 2 erhielt von der Klägerin selbst kein Entgelt und keine Provision. In den [X.] sind offen ein Agio beziehungsweise eine "[X.]" für die Fondsbeteiligungen ausgewiesen, und die Klägerin war ihrem eigenen Bekunden nach davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 2 von der [X.] eine Provision erhalten werde, da er ja "von etwas leben" müsse. Bei dieser Lage war der Beklagte zu 2 nach den vorstehend beschriebenen Rechtsprechungsgrundsätzen nicht gehalten, die Klägerin unaufgefordert über die (genaue) Höhe der ihm zufließenden Provisionen in Kenntnis zu setzen. Dabei ist es unerheblich, dass die Provision für den Beklagten zu 2 insgesamt 11 % der [X.] betragen und damit das Agio beziehungsweise die "[X.]" in Höhe von jeweils 5 % des [X.] überstiegen hat. Anhaltspunkte für irreführende oder unrichtige Angaben zu Vertriebsprovisionen oder für ein Überschreiten der [X.] hat die Klägerin in den Vorinstanzen nicht vorgetragen.

2. Das Berufungsurteil ist mithin aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO); hiervon ausgenommen bleibt der unangefochtene Feststellungsausspruch des [X.], dass der Beklagte zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die ihr durch die Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 1 entstehen. Der [X.] kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der weiteren, von der Klägerin geltend gemachten Pflichtverletzungen - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat und die Sache daher nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

a) Das Berufungsgericht hat es ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die Klägerin die von ihr in erster Instanz behauptete fehlerhafte Aufklärung hat beweisen können; insoweit fehlen eigene Feststellungen des Berufungsgerichts. Gleiches gilt für die Frage der anlegergerechten Beratung der Klägerin; hierzu hat das Berufungsgericht lediglich "Bedenken" geäußert, aber keine (abschließende) tatrichterliche Würdigung vorgenommen.

b) Das Berufungsgericht hat Gelegenheit, sich mit dem weiteren Vorbringen der Parteien im [X.] auseinanderzusetzen. Hierzu weist der [X.] auf Folgendes hin:

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] trägt derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, hierfür die Darlegungs- und Beweislast; die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im einzelnen beraten beziehungsweise aufgeklärt worden sein soll; dem Anspruchsteller obliegt sodann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (s. [X.], Urteile  vom 24. Januar 2006 - [X.], [X.]Z 166, 56, 60 Rn. 15 und vom 14. Juli 2009 - [X.], [X.], 3429, 3432 Rn. 38, jeweils mwN sowie Beschluss vom 17. September 2009 - [X.], [X.], 471 Rn. 4; [X.], Urteil vom 11. Mai 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 1345, 1346 Rn. 7 sowie Beschluss vom 30. November 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 775, 776 Rn. 5). Diese Grundsätze gelten nach dieser Rechtsprechung auch für behauptete [X.] im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage.

Nach diesen Maßgaben wird das Berufungsgericht zu würdigen haben, ob die Parteien ihren jeweiligen Darlegungslasten Genüge getan haben und die Klägerin gegebenenfalls den ihr obliegenden Beweis erbringen kann.

bb) Soweit das Berufungsgericht zur Annahme einer dem Beklagten zu 2 anzulastenden Pflichtverletzung gelangen sollte, ist ihm darin beizupflichten, dass der Umstand, dass der Anleger den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen hat, für sich allein genommen nicht genügt, um im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von Auskunfts- oder Beratungsfehlern zu begründen; dies hat der erkennende [X.] nach Erlass des angefochtenen Berufungsurteils inzwischen mehrfach so entschieden ([X.]surteile vom 8. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 152, 162 ff Rn. 29 ff; vom 22. Juli 2010 - [X.], [X.] 2011, 68 Rn. 13 und [X.] Rn. 17 ff und vom 22. Juli 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1623, 1624 f Rn. 15 ff).

Schlick                                     Dörr                                    [X.]

                     Seiters                                    [X.]

Meta

III ZR 84/10

05.05.2011

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 5. März 2010, Az: 11 U 138/08, Urteil

§ 280 Abs 1 BGB, § 31d WpHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.05.2011, Az. III ZR 84/10 (REWIS RS 2011, 6998)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6998

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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