Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2011, Az. III ZR 84/10

III. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7008

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 84/10 Verkündet am: 5. Mai 2011 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2011 durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.]n zu 2 wird das Urteil des 11. Zivil-senats des [X.] vom 5. März 2010 aufgehoben mit Ausnahme der Feststellung, dass der [X.] zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten zu er-statten, die ihr durch die Erhebung der Klage gegen die [X.] zu 1 entstehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand Die Klägerin verlangt von dem [X.]n zu 2 unter dem Vorwurf fehler-hafter Kapitalanlageberatung Schadensersatz. 1 Aufgrund eines am 29. Juli 2002 geführten Gesprächs mit dem Zeugen [X.], einem (damaligen) Mitarbeiter des [X.]n zu 2, zeichnete die 2 - 3 - Klägerin zwei - jeweils über Treuhänder gehaltene - Kommanditbeteiligungen an geschlossenen Fonds, nämlich zum einen an der [X.] (im Folgenden: [X.]) mit einer durch Bankdarlehen finanzierten Einlage von 30.000 • zuzüglich 5 % Agio und zum anderen an der [X.] Innovative Fondskonzepte AG & Co. B. S.

KG (im Folgenden: [X.]) mit einer - in monatlichen Ratenzahlungen zu je 82,50 • aufzubringenden - [X.] von 15.000 • zuzüglich 5 % Abwicklungsgebühr. Der Inhalt des Gesprächs vom 29. Juli 2002 und die Frage, ob der Klägerin hierbei die jeweiligen Emissionsprospekte übergeben wurden, sind zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin hat geltend gemacht, der [X.] zu 2 habe die ihm aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrag erwach-senen Pflichten zur [X.] und objektgerechten Beratung verletzt. Sie habe von dem Zeugen [X.] keine an ihren individuellen Verhältnissen und Anlage-zielen orientierte Beratung und insbesondere auch keine ordnungsgemäße Auf-klärung über die personellen Verflechtungen zwischen den Fondsbetreibern und den Verantwortlichen der finanzierenden Bank, über die Werthaltigkeit, Sicher-heit und die realistischen Renditeaussichten der Kapitalanlage erhalten. [X.] hinaus habe der Zeuge [X.] es pflichtwidrig unterlassen, sie über die Höhe der Provisionen aufzuklären, die dem [X.]n zu 2 im Falle der erfolg-reichen Empfehlung der Kapitalanlage von Seiten der Fondsgesellschaften zu-fließen. 3 Nach - inzwischen rechtskräftiger, insoweit auf das Fehlen der [X.] gestützter - Abweisung der Klage gegen die [X.] zu 1 durch Teil-urteil und Vernehmung der Zeugen N. K. und F. [X.] hat das [X.] in seinem Schlussurteil festgestellt, dass der [X.] zu 2 ver-4 - 4 - pflichtet ist, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die ihr durch die Erhebung der Klage gegen die [X.] zu 1 entstehen, und die weitergehende Klage gegen den [X.]n zu 2 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Ober-landesgericht den [X.]n zu 2 demgegenüber antragsgemäß in vollem [X.] zum Schadensersatz verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelas-senen Revision erstrebt der [X.] zu 2 die Wiederherstellung des erstin-stanzlichen Schlussurteils. Entscheidungsgründe Die Revision des [X.]n zu 2 hat Erfolg. Sie führt im Umfang der An-fechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 5 [X.] Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt: 6 Es könne dahinstehen, ob die Klägerin die in erster Instanz behauptete fehlerhafte Aufklärung habe beweisen können, denn ihr stehe ein [X.] mit Rücksicht darauf zu, dass der [X.] zu 2 über die von ihm erhaltene Provision in Höhe von 11 % der [X.] nicht aufgeklärt habe. Zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag zustande ge-kommen. Aus diesem Verhältnis sei der [X.] zu 2 verpflichtet gewesen, die Klägerin unaufgefordert über die Höhe der ihm zufließenden Provision für die 7 - 5 - erfolgreiche Empfehlung der Fondsanlagen aufzuklären. Insoweit gelte nichts anderes als für die entsprechende Aufklärungspflicht einer Bank gegenüber ih-rem Kunden. Der Anlageberater sei ebenso wie eine Bank zur Wahrung der Interessen seines eine Kapitalanlage suchenden Auftraggebers verpflichtet und daher gehalten, vertragswidrige Interessenkonflikte in ihrem konkreten Ausmaß aufzudecken. Dies sei jedenfalls dann geboten, wenn die Provision - wie hier - einen Umfang von immerhin 11 % der [X.] erreiche. Diese Auf-klärungspflicht habe der [X.] zu 2 schuldhaft verletzt; insbesondere könne er sich nicht mit Erfolg auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Die Pflichtverletzung sei für die Anlageentscheidung der Klägerin kausal geworden. Auch wenn die Klägerin ihrer Mitteilung nach davon ausgegangen sei, dass der [X.] zu 2 eine Provision erhalten werde, da er ja "von etwas leben" müsse, sei ihr nicht klar gewesen, welchen Umfang die Provision ausmache; dies habe sie auch den [X.] nicht entnehmen können. Der [X.] sei nicht verjährt und im geltend gemachten Umfange berechtigt.
I[X.] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. 8 1. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsge-richts, dass der [X.] zu 2 verpflichtet gewesen sei, die Klägerin unaufge-fordert über die genaue Höhe der ihm zufließenden Provision für die erfolgrei-che Empfehlung der Beteiligungen an dem [X.] und an dem [X.] aufzuklären. Dabei bedarf es insoweit keiner abschließenden Beurtei-lung, ob der [X.] als Anlageberater, wovon das Berufungsgericht [X.] - 6 - gangen ist, oder, wie dies die Revision für richtig hält, nur als Anlagevermittler tätig geworden ist. Denn auch nach Abschluss eines Anlageberatungsvertrags wäre der [X.] zu 2 nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin ungefragt über die von ihm erwarteten Provisionen aufzuklären. a) In seinen - nach Erlass der Entscheidung des Berufungsgerichts er-gangenen - Urteilen vom 15. April 2010 ([X.], [X.], 185) und vom 3. März 2011 ([X.], [X.], 607) hat der erkennende [X.] ausgesprochen, dass wegen der Besonderheiten der vertraglichen Beziehung zwischen einem Anleger und einem freien, nicht bankmäßig gebundenen [X.] - soweit nicht § 31d des Wertpapierhandelsgesetzes eingreift - [X.] dann keine Verpflichtung für den Berater besteht, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wenn der [X.] selbst keine Provision an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kos-ten für die [X.] ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden. Der [X.] hat in diesen Ent-scheidungen des Näheren ausgeführt, dass sich die vorerwähnte Gestaltung der Anlageberatung durch einen freien Anlageberater - bei gebotener typisie-render Betrachtungsweise - grundlegend von der Anlageberatung durch eine Bank unterscheidet ([X.]surteile vom 15. April 2010 aaO Rn. 11 ff und vom 3. März 2011 aaO Rn. 18 ff). Für den Anleger besteht regelmäßig kein schüt-zenswertes Vertrauen darauf, dass der freie, von ihm selbst nicht vergütete [X.] keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhält; vielmehr sind dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des Beraters durch den [X.] als auch der damit (möglicherweise) verbundene Interessenkonflikt bewusst. Soweit es um die genaue Höhe der gerade dem Anlageberater zu-kommenden Provision geht, ist es bei gebotener Abwägung der gegenüberste-henden Interessen der Vertragsparteien Sache des Anlegers - dem das [X.] - 7 - relle Provisionsinteresse des Beraters bekannt ist -, dieserhalb bei dem [X.] nachzufragen ([X.]surteile vom 15. April 2010 aaO Rn. 13 und vom 3. März 2011 aaO Rn. 21). Hiervon unberührt bleibt die generelle Pflicht des Anlageberaters, im Rahmen der objektgerechten Beratung unaufgefordert über Vertriebsprovisionen Aufklärung zu geben, wenn diese eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten, und etwaige irreführende oder unrichtige Angaben zu Vertriebsprovisionen zu unter-lassen beziehungsweise rechtzeitig richtigzustellen (s. [X.]surteil vom 3. März 2011 aaO Rn. 16, 22 mwN). An dieser Rechtsprechung hält der [X.] fest. 11 b) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht zu Unrecht ange-nommen, dass der [X.] zu 2 seine Aufklärungspflicht verletzt habe, weil sein Mitarbeiter keine Mitteilungen zur Provision gemacht habe und die [X.] keine Angaben über die genaue Höhe der dem jeweiligen, den [X.] zum Abschluss der Beteiligung bewegenden Anlageberater zufließenden Provisionen enthalten. 12 Der nicht bankmäßig gebundene [X.] zu 2 erhielt von der Klägerin selbst kein Entgelt und keine Provision. In den [X.] sind offen ein Agio beziehungsweise eine "Abwicklungsgebühr" für die Fondsbeteiligungen ausgewiesen, und die Klägerin war ihrem eigenen Bekunden nach davon aus-gegangen, dass der [X.] zu 2 von der [X.] eine Provision erhal-ten werde, da er ja "von etwas leben" müsse. Bei dieser Lage war der [X.] zu 2 nach den vorstehend beschriebenen Rechtsprechungsgrundsätzen nicht gehalten, die Klägerin unaufgefordert über die (genaue) Höhe der ihm zuflie-ßenden Provisionen in Kenntnis zu setzen. Dabei ist es unerheblich, dass die 13 - 8 - Provision für den [X.]n zu 2 insgesamt 11 % der [X.] betragen und damit das Agio beziehungsweise die "Abwicklungsgebühr" in [X.] von jeweils 5 % des [X.] überstiegen hat. Anhaltspunkte für irre-führende oder unrichtige Angaben zu Vertriebsprovisionen oder für ein Über-schreiten der [X.] hat die Klägerin in den Vorinstanzen nicht vorgetra-gen. 2. Das Berufungsurteil ist mithin aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO); hiervon ausgenommen bleibt der unange-fochtene Feststellungsausspruch des [X.]s, dass der [X.] zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die ihr durch die Erhebung der Klage gegen die [X.] zu 1 entstehen. Der [X.] kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der weiteren, von der Klägerin geltend gemachten Pflichtverletzun-gen - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat und die Sache daher nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). 14 a) Das Berufungsgericht hat es ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die Klägerin die von ihr in erster Instanz behauptete fehlerhafte Aufklärung hat [X.] können; insoweit fehlen eigene Feststellungen des Berufungsgerichts. Gleiches gilt für die Frage der anlegergerechten Beratung der Klägerin; hierzu hat das Berufungsgericht lediglich "Bedenken" geäußert, aber keine (abschlie-ßende) tatrichterliche Würdigung vorgenommen. 15 b) Das Berufungsgericht hat Gelegenheit, sich mit dem weiteren Vorbrin-gen der Parteien im [X.] auseinanderzusetzen. Hierzu weist der [X.] auf Folgendes hin: 16 - 9 - aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] trägt [X.], der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, hierfür die Darlegungs- und Beweislast; die mit dem Nachweis einer negativen Tat-sache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darle-gen muss, wie im einzelnen beraten beziehungsweise aufgeklärt worden sein soll; dem Anspruchsteller obliegt sodann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (s. [X.], Urteile vom 24. Januar 2006 - [X.], [X.]Z 166, 56, 60 Rn. 15 und vom 14. Juli 2009 - [X.], [X.], 3429, 3432 Rn. 38, jeweils mwN sowie Beschluss vom 17. September 2009 - [X.], [X.], 471 Rn. 4; [X.], Urteil vom 11. Mai 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 1345, 1346 Rn. 7 sowie Beschluss vom 30. November 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 775, 776 Rn. 5). Diese Grundsätze gelten nach dieser Rechtsprechung auch für behauptete [X.] im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage. 17 Nach diesen Maßgaben wird das Berufungsgericht zu würdigen haben, ob die Parteien ihren jeweiligen Darlegungslasten Genüge getan haben und die Klägerin gegebenenfalls den ihr obliegenden Beweis erbringen kann. 18 [X.]) Soweit das Berufungsgericht zur Annahme einer dem [X.]n zu 2 anzulastenden Pflichtverletzung gelangen sollte, ist ihm darin beizupflichten, dass der Umstand, dass der Anleger den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen hat, für sich allein genommen nicht genügt, um im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von Auskunfts- oder Beratungsfehlern zu begründen; dies hat der erkennende [X.] nach Erlass des angefochtenen Berufungsurteils inzwischen mehrfach so 19 - 10 - entschieden ([X.]surteile vom 8. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 152, 162 ff Rn. 29 ff; vom 22. Juli 2010 - [X.], [X.] 2011, 68 Rn. 13 und [X.] Rn. 17 ff und vom 22. Juli 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1623, 1624 f Rn. 15 ff). [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 11.07.2008 - 322 O 189/07 - O[X.], Entscheidung vom 05.03.2010 - 11 U 138/08 -

Meta

III ZR 84/10

05.05.2011

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2011, Az. III ZR 84/10 (REWIS RS 2011, 7008)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7008

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III ZR 84/10 (Bundesgerichtshof)

Haftung aus Kapitalanlageberatung: Pflicht des bankexternen Anlageberaters zur ungefragten Aufklärung über Provisionen


III ZR 389/12 (Bundesgerichtshof)

Prospekthaftung bei Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds: Inhaltliche Anforderungen an den Prospekt; Eignung zur ergänzenden …


III ZR 245/10 (Bundesgerichtshof)

Kapitalanlageberatung: Aufklärungspflicht des bankmäßig ungebundenen Beraters über seine Provisionen


III ZR 170/10 (Bundesgerichtshof)


II ZR 277/09 (Bundesgerichtshof)

Unterbeteiligungsvertrag zu Kapitalanlagezwecken: Vorvertragliche Aufklärungspflicht über Vertriebsprovisionen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 84/10

III ZR 196/09

III ZR 170/10

III ZR 249/09

III ZR 99/09

III ZR 203/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.