Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2018, Az. 6 AZR 8/17

6. Senat | REWIS RS 2018, 14989

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Insolvenzforderung - Zahlung aus ERA-Anpassungsfonds


Leitsatz

Rechtsgeschäfte, die zur Abwicklung der bereits für den Schuldner begründeten Verpflichtungen erforderlich sind und die keine Mehrung der Masse bewirken, stellen grundsätzlich keine Handlungen des Insolvenzverwalters iSv. § 55 Abs 1 Nr 1 Alt 1 InsO dar und begründen daher grundsätzlich keine Masseverbindlichkeiten. Löst ein solches Rechtsgeschäft einen Anspruch aus, mit dem eine bereits vor Insolvenzeröffnung erbrachte Arbeitsleistung entgolten wird, liegt eine Insolvenzforderung iSv. § 38 InsO vor.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Oktober 2016 - 8 [X.]/16 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des [X.] - Kammern [X.] - vom 12. Mai 2016 - 12 [X.]/16 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die insolvenzrechtliche Einordnung der Zahlung aus dem [X.].

2

Die Klägerin war als Sachbearbeiterin bei der Schuldnerin, über deren Vermögen am 1. Juli 2015 unter Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in [X.] Anwendung. Die Schuldnerin hatte im Jahr 2007 die [X.] eingeführt.

3

Im Tarifvertrag [X.] der Metallindustrie [X.]/[X.], [X.] und [X.] vom 18. Dezember 2003 ([X.]) ist auszugsweise bestimmt:

        

§ 2   

        

Präambel

        

Der [X.] dient der Sicherstellung eines gleitenden Übergangs vom heutigen Tarifsystem auf das [X.] für alle Beteiligten. Insbesondere sollen durch die vorübergehende Einbehaltung nicht ausgezahlter [X.] und deren spätere Verwendung entweder

                 
                 

-       

zum Ausgleich von betrieblichen Kosten, die eine bestimmte Schwelle überschreiten,

        

oder   

                 

-       

zur unmittelbaren Auszahlung an die Beschäftigten nach der betrieblichen ERA-Einführung

        

spätere Verwerfungen bei der Umstellung vermieden werden.

        

§ 3     

        

Aufbau und Verwendung des [X.]

        

In den [X.] der [X.] (Nordwürttemberg/[X.], Südwürttemberg-Hohenzollern, Südbaden) vom 15.05.2002 wurden die Erhöhungen des [X.] auf zwei Komponenten verteilt. Eine Komponente dient der dauerhaften Erhöhung der Tabellenwerte der jeweiligen Entgelte (Löhne und Gehälter, ‚lineares Volumen’). Die andere Komponente (‚restliches Erhöhungsvolumen’) fließt in [X.], die in der ersten [X.] ausgezahlt, in den folgenden [X.]n jedoch noch nicht fällig werden.

        

...     

        

§ 4     

        

[X.] und [X.]

        

Die in den [X.], dort jeweils § 2.1 a.E., vereinbarten [X.] werden wie folgt ermittelt und verwendet:

        

a)    

Erstmalige Auszahlung von [X.]

                 

In der [X.], in der sie erstmals entstehen, werden die jeweiligen [X.] individuell nach den Grundsätzen des [X.]s vom 15. Mai 2002 (siehe dort § 4.2) als Teil der Vergütung ermittelt und zu den dort genannten sowie weiteren, für die künftigen [X.] tariflich noch festzulegenden Stichtagen zur Auszahlung an die Beschäftigten fällig.

                 

...     

        

b)    

In den jeweils folgenden [X.]n nach ihrer erstmaligen Begründung/Entstehung werden die jeweiligen [X.] aus den vorhergehenden [X.]n zwar ebenfalls als Teil der Vergütung ermittelt, aber nicht ausgezahlt, sondern zunächst einbehalten und dem [X.] zugeführt. Die bei der betrieblichen ERA-Einführung in den [X.] befindlichen Beträge müssen entweder zur Deckung betrieblicher Mehrkosten aus der ERA-Einführung oder zur Auszahlung an die Beschäftigten verwendet werden.

                 

…       

        

d)    

Ermittlung und ‚Führung‘ der einbehaltenen und nicht ausgezahlten [X.]

                 

In den der [X.] folgenden [X.]n werden die [X.] pauschal (d.h. nicht individuell) zunächst wie folgt ermittelt:

                 

Das Volumen der im vorangegangenen Geschäftsjahr einbehaltenen und nicht ausgezahlten [X.] wird berechnet, indem der Teil der Bruttolohn- und -gehaltssumme, der bei der Berechnung der letzten ausgezahlten [X.] vor dem Zuführungsmonat zugrunde gelegt wurde (Bezugsbasis), mit den folgenden Faktoren multipliziert wird:

                 

…       

                 

Der so ermittelte Betrag wird am Ende des Geschäftsjahrs auf das betriebliche [X.] gebucht.

                 

…       

        

e)    

Spätere Verwendung der Mittel aus dem [X.]

                 

Die auf dem [X.] befindlichen Beträge sind eine Verbindlichkeit des Arbeitgebers aus tariflichen Entgelten, die in früheren [X.]n entstanden sind, aber nicht ausgezahlt wurden. Die Beträge dürfen nach diesen verbindlichen Vereinbarungen nur für die in § 2 genannten Zwecke verwendet werden. …

                 

Im Einzelnen gilt Folgendes:

                 

Die Auszahlung ist in einer Betriebsvereinbarung zu regeln.

                 

Eine Auszahlung (auch von Teilbeträgen) vor der betrieblichen ERA-Einführung ist unzulässig.

                 

Zu Anspruchsberechtigten können nur diejenigen Beschäftigten bestimmt werden, die zum Aufbau des [X.] beigetragen haben und zum Zeitpunkt der späteren Auszahlung in einem Arbeitsverhältnis im Betrieb stehen.

                 

Individuelle Ansprüche auf Beträge aus dem [X.] bestehen vor In-Kraft-Treten dieser Betriebsvereinbarung nicht. Individuelle Konten werden nicht geführt.

                 

Es ist die Auszahlung des Volumens an [X.] zu vereinbaren, das sich zum Stichtag nach den obigen Berechnungen auf dem [X.] befindet. …“

4

Am 11. November 2013 wurde für das Land [X.] ein neuer [X.] mit Wirkung zum 1. März 2014 vereinbart (im Folgenden [X.]). Nach dessen § 2 gelten die §§ 2 und 4 des [X.] vom 18. Dezember 2003 weiter.

5

Am 29. Oktober 2015 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat der Schuldnerin eine Betriebsvereinbarung über die Auszahlung des [X.]. Danach sind die nicht verbrauchten Mittel des [X.] von 76.407,00 Euro zu gleichen Teilen an die 36 Mitarbeiter auszuzahlen, die die Voraussetzungen des § 4 Buchst. e [X.] erfüllten. Zu diesem Personenkreis gehört auch die Klägerin.

6

Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 begehrt die Klägerin die Auszahlung des auf sie entfallenden Anteils am [X.]. Auf das [X.] im [X.] habe noch kein individueller Anspruch der einzelnen Arbeitnehmer bestanden. Der Auszahlungsanspruch sei erst mit Abschluss der Betriebsvereinbarung entstanden und darum eine Masseverbindlichkeit.

7

Die Klägerin hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.122,42 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2015 zu zahlen.

8

Der Beklagte hat zur Begründung seines Antrags auf Abweisung der Klage vorgetragen, Rechtsgrund für die streitbefangene Forderung sei die tarifliche Regelung im [X.] und die tatsächliche, von der Klägerin vor Insolvenzeröffnung erbrachte Arbeitsleistung. Soweit die Tarifvertragsparteien festgelegt hätten, dass vor Abschluss einer Betriebsvereinbarung keine individuellen Ansprüche entstünden, diene das nur der Vermeidung von Leistungsklagen einzelner Arbeitnehmer. Der Auszahlungsanspruch der Klägerin sei daher eine Insolvenzforderung.

9

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.]eklagten ist begründet. Der Anspruch der Klägerin nach § 4 [X.]uchst. e [X.] auf Auszahlung des auf sie entfallenden Anteils der am 29. Oktober 2015 auf dem [X.] befindlichen [X.]eträge ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen eine Insolvenzforderung. Die Klage ist darum unbegründet.

I. Entgegen der Annahme des [X.] ist der Auszahlungsanspruch der Klägerin aus dem [X.] keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 [X.]. Er ist nicht durch eine Handlung des [X.]eklagten begründet worden. Der Abschluss der [X.]etriebsvereinbarung vom 29. Oktober 2015 durch den [X.]eklagten war zwar Voraussetzung für den individuellen Auszahlungsanspruch der Klägerin. Die [X.]etriebsvereinbarung löste den Zahlungsanspruch, dessen Rechtsgrund bereits durch den [X.] gelegt war, jedoch nur noch aus. Nach der tariflichen Ausgestaltung war die [X.]etriebsvereinbarung lediglich Teil der Abwicklung der bereits vor Verfahrenseröffnung für die Schuldnerin begründeten Verpflichtungen. Verbindlichkeiten der Masse entstanden daraus nicht.

1. Eine Insolvenzforderung (§ 38 [X.]) liegt vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist. Das ist insolvenzrechtlich betrachtet der Fall, wenn das Schuldverhältnis bereits vor Verfahrenseröffnung bestand, selbst wenn sich eine Forderung daraus erst nach Verfahrenseröffnung ergibt ([X.] 12. September 2013 - 6 [X.] - Rn. 35, [X.]E 146, 64; [X.] 15. September 2016 - [X.]/15 - Rn. 17). Unerheblich ist daher, ob die Forderung selbst im Zeitpunkt der Eröffnung schon entstanden oder fällig war. Es genügt, dass die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs vor Eröffnung entstanden ist ([X.] 22. September 2011 - IX Z[X.] 121/11 - Rn. 3), also ihr Rechtsgrund bei Eröffnung gelegt war ([X.]VerwG 26. Februar 2015 - 3 [X.] 8.14 - Rn. 14, [X.]VerwGE 151, 302; MüKo[X.]/Ehricke 3. Aufl. § 38 Rn. 16; [X.]/[X.] 14. Aufl. § 38 [X.] Rn. 30). [X.]ildhaft ausgedrückt muss der „Schuldrechtsorganismus“, der die Grundlage des Anspruchs bildet, bereits bestanden haben (vgl. [X.] 24. September 2003 - 10 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 108, 1; [X.]VerwG 26. Februar 2015 - 3 [X.] 8.14 - aaO; [X.]FH 2. November 2010 - I E 8/10 - Rn. 14; [X.]SG 18. Dezember 2003 - [X.] 11 AL 37/03 R - zu 3.2 der Gründe, [X.]SGE 92, 82; MüKo[X.]/Ehricke aaO). Dagegen fallen erst künftig entstehende Ansprüche nicht unter § 38 [X.] ([X.] 13. Oktober 2011 - IX Z[X.] 80/10 - Rn. 7).

2. Nach diesem Maßstab war die Auszahlung aus dem [X.] im Zeitpunkt der Eröffnung der Insolvenz nicht nur in Aussicht genommen und damit kein erst künftig entstehender Anspruch (vgl. dazu [X.] in [X.] [X.] § 38 Rn. 89). Der Abschluss der [X.]etriebsvereinbarung war Teil der Abwicklung der für die Schuldnerin begründeten Verpflichtungen durch den [X.]eklagten. Er löste den Anspruch auf die Auszahlung aus dem Fonds, der nach der tariflichen Ausgestaltung bereits mit dem Einbehalt eines Teils der tariflichen Vergütung und der Zuführung an den [X.] iSv. § 38 [X.] begründet war, nur noch aus.

a) Der Abschluss der in § 4 [X.]uchst. e TV [X.]-APF vorgesehenen [X.]etriebsvereinbarung war zwar im schuldrechtlichen Sinn anspruchsbegründend für den Anspruch auf Auszahlung der auf dem [X.] befindlichen [X.]eträge (vgl. für den inhaltsgleichen [X.] [X.] 14. November 2012 - 5 [X.] - Rn. 17). Vor Abschluss einer solchen [X.]etriebsvereinbarung bestanden keine individuellen Entgeltansprüche der Arbeitnehmer iSv. § 194 [X.]G[X.]. Eine Stundung lag nicht vor (vgl. für den inhaltsgleichen [X.] Küste [X.] 27. Juni 2012 - 5 [X.] - Rn. 14). Die schuldrechtliche Grundlage für diesen Anspruch war jedoch aufgrund der Regelungen des [X.] bereits vor Insolvenzeröffnung durch den Einbehalt eines Teils der tariflichen Vergütung entstanden.

aa) Um nach der Einführung des einheitlichen Entgeltsystems für Arbeiter und Angestellte durch das Entgeltrahmenabkommen ([X.]) Kostenneutralität zu erreichen, wurden die tariflichen Entgelterhöhungen seit 2002 in einen tabellenwirksamen Teil (lineares Volumen, § 3 Satz 2 [X.]) und einen nicht tabellenwirksam werdenden Zahlbetrag (restliches Erhöhungsvolumen, § 3 Satz 3 TV [X.]-APF) aufgespalten (vgl. [X.] 14. November 2012 - 5 [X.] - Rn. 16 f.). Das „restliche Erhöhungsvolumen“ floss in sog. Strukturkomponenten. Diese wurden gemäß § 4 [X.]uchst. d TV [X.]-APF nicht individuell, sondern pauschal mit einem tariflich festgesetzten Faktor der [X.]ruttolohn- und -gehaltssumme berechnet (vgl. dazu [X.] 27. Juni 2012 - 5 [X.] - Rn. 14). Gleichwohl wurden sie gemäß § 4 [X.]uchst. b TV [X.]-APF als Teil der Vergütung ermittelt. Jede [X.]-Strukturkomponente war integraler [X.]estandteil der Tariflohnerhöhung. Die nicht ausgezahlten [X.]eträge waren Teil der tariflichen Vergütung (vgl. [X.] 14. November 2012 - 5 [X.] - Rn. 16; 9. November 2005 - 5 [X.] - Rn. 20).

bb) Dieser Vergütungsbestandteil war jedoch mit Ausnahme des ersten Jahres seiner Entstehung gemäß § 3 Satz 3 [X.] noch nicht fällig, sondern wurde zunächst einbehalten und gemäß § 4 [X.]uchst. b [X.] dem [X.] zugeführt. Die auf dem [X.] befindlichen [X.]eträge sind darum gemäß § 4 [X.]uchst. e TV [X.]-APF eine Verbindlichkeit des Arbeitgebers aus tariflichen Entgelten, die in früheren Tarifperioden entstanden sind, aber nicht ausgezahlt wurden. [X.]leiben die durch die [X.]-Einführung entstandenen Mehrkosten innerhalb des tariflich vorausgesetzten Rahmens, müssen die auf dem [X.] verbliebenen [X.]eträge gemäß § 4 [X.]uchst. e [X.] an die [X.]eschäftigten ausgezahlt werden, die zum Aufbau des Fonds beigetragen haben und die im Zeitpunkt der Auszahlung noch in einem Arbeitsverhältnis zum [X.]etrieb stehen (zum [X.]-System vgl. Herzig/[X.]ohn [X.][X.] 2006, 1551; Frey [X.][X.] 2005, 1044). Dabei ist eine Auszahlung von Teilbeträgen des Fonds vor der [X.]-Einführung unzulässig. Individuelle Konten werden nicht geführt. Die Auszahlung ist in einer [X.]etriebsvereinbarung zu regeln. Vor Inkrafttreten einer solchen [X.]etriebsvereinbarung besteht kein individueller Anspruch auf [X.]eträge aus dem Fonds.

b) Nach dieser tariflichen Ausgestaltung war die für die Entstehung des schuldrechtlichen Anspruchs auf die Auszahlung aus dem [X.] erforderliche [X.]etriebsvereinbarung lediglich ein tariflich vorgeschriebener Teil der Abwicklung der bereits für die Schuldnerin begründeten Verpflichtungen. Nach dem Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] war der Abschluss der [X.]etriebsvereinbarung vom 29. Oktober 2015 deshalb keine Handlung des [X.]eklagten, die zur [X.]egründung einer Masseverbindlichkeit führte.

aa) Die Eingehung von Masseverbindlichkeiten dient der ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung und der Verteilung der Masse. Der Gesetzgeber hat ihren Kreis bewusst eng gefasst ([X.] 2. Februar 2006 - [X.]/05 - Rn. 14). Gemäß § 1 Satz 1 [X.] ist es Ziel des Insolvenzverfahrens, alle Gläubiger des Schuldners im Regelfall gemeinschaftlich zu befriedigen. Wäre der Verwalter aber nicht in der Lage, Verträge zu erfüllen, die er zur Erhaltung, Vermehrung und Verwertung der Masse schließt oder fortsetzt, wäre die Verwaltung und Verwertung des [X.] zum Zweck der [X.]efriedigung der Insolvenzgläubiger nicht möglich. Darum sind Masseverbindlichkeiten vor den [X.] zu befriedigenden Insolvenzgläubigern in voller Höhe aus der Masse zu begleichen ([X.] in [X.] [X.] § 55 Rn. 5; MüKo[X.]/Hefermehl 3. Aufl. § 55 Rn. 1; [X.]erscheid jurisPR-InsR 8/2011 [X.]. 5 zu [X.] 2.1.1). Daraus folgt, dass die Annahme einer Insolvenzforderung die Regel ist, die [X.]egründung einer Masseverbindlichkeit jedoch die Ausnahme (vgl. [X.] 27. Juli 2017 - 6 [X.] - Rn. 28).

bb) Ausgehend von diesem Zweck sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] grundsätzlich nur dann anzuerkennen, wenn der Insolvenzverwalter mit dem Ziel handelt, der Masse etwas zuzuführen. Kennzeichen der Masseverbindlichkeit ist, dass die von der Masse aufzubringende Leistung das Äquivalent für die ihr zufließende Gegenleistung darstellt. Rechtsgeschäfte, die lediglich zur Abwicklung der bereits für den Schuldner begründeten Verpflichtungen erforderlich sind und die keine Mehrung der Masse bewirken, stellen daher grundsätzlich keine Handlungen des Insolvenzverwalters iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 [X.] dar ([X.]SG 30. November 2011 - [X.] 11 AL 22/10 R - Rn. 13; MüKo[X.]/Hefermehl 3. Aufl. § 55 Rn. 14, 18; [X.]erscheid jurisPR-InsR 8/2011 [X.]. 5 zu [X.] 2.1.1).

cc) Durch den Abschluss der [X.]etriebsvereinbarung und die dadurch ausgelösten Ansprüche auf die Auszahlung der auf dem [X.] befindlichen [X.]eträge floss der Masse keine Gegenleistung zu.

(1) Die Tarifvertragsparteien haben im [X.] die Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die dem [X.] zuzuführenden [X.]eträge nicht eingeschränkt. Sie haben in § 4 [X.]uchst. d [X.] lediglich festgelegt, dass diese [X.]eträge auf das „betriebliche [X.]“ zu buchen sind. Die auf diesem Konto separierten [X.]eträge, dessen Inhaberin allein die Schuldnerin war, gehörten zur Insolvenzmasse (vgl. [X.] 24. September 2003 - 10 [X.] - zu II 2 b der Gründe, [X.]E 108, 1).

(2) Leistungsvoraussetzungen und -inhalt der [X.] sind bereits durch die Tarifvertragsparteien bestimmt worden. Danach sind Leistungen aus dem [X.] Entgelt für bereits geleistete Arbeit ([X.] 16. August 2011 - 1 [X.] - Rn. 17). Dabei handelt es sich um eine in früheren Tarifperioden entstandene Verbindlichkeit des Arbeitgebers. Das stellt der erste Unterabsatz des § 4 [X.]uchst. e [X.] ausdrücklich klar. Der nicht zur Deckung von Mehrkosten aus der [X.]-Einführung verbrauchte [X.]etrag auf dem [X.] muss gemäß § 4 [X.]uchst. e TV [X.]-APF an die anspruchsberechtigten [X.]eschäftigten ausgezahlt werden. Der [X.] ist damit von den Tarifvertragsparteien gelegt. Die [X.]etriebsparteien haben nach dieser tariflichen Ausgestaltung nur noch die Aufgabe, nach Maßgabe der tariflich vorgegebenen Voraussetzungen die Auszahlung des auf dem [X.] verbliebenen Volumens an [X.]-Strukturkomponenten zu vereinbaren ([X.] 16. August 2011 - 1 [X.] - Rn. 16, 18). Der dafür erforderliche Abschluss der [X.]etriebsvereinbarung ist nur ein - tariflich vorgeschriebener - Teil der Abwicklung der bereits bei Verfahrenseröffnung bestehenden Verpflichtungen, den ohne die Insolvenz die Schuldnerin selbst hätte vornehmen müssen (vgl. [X.] 13. Dezember 1978 - [X.] 1/77 - zu Teil III [X.] 2 a der Erwägungen des [X.], [X.]E 31, 176). Der [X.]eklagte hat dadurch entgegen der Ansicht der Vorinstanzen keine Masseverbindlichkeit begründet, sondern nur den Anspruch auf die Auszahlung des vor Insolvenzeröffnung erdienten, aber einbehaltenen Entgelts ausgelöst. Dieser Anspruch ist daher eine Insolvenzforderung. Insoweit gilt nichts anderes als für eine vom Insolvenzverwalter erklärte Kündigung, die den tariflichen Anspruch auf eine Abfindung ([X.] 27. April 2006 - 6 [X.] - Rn. 15, [X.]E 118, 115) oder den Anspruch auf die Rückzahlung eines Eingliederungszuschusses ([X.]SG 30. November 2011 - [X.] 11 AL 22/10 R - Rn. 12 ff.) auslöst.

c) Der Einordnung als Insolvenzforderung steht nicht entgegen, dass der zur Auszahlung gelangende Entgeltbestandteil bis zum Abschluss der [X.]etriebsvereinbarung vom 29. Oktober 2015 seiner Höhe nach nicht bestimmbar war (vgl. [X.] in [X.] [X.] § 38 Rn. 89). Entgegen der Ansicht des [X.] folgt auch daraus, dass gemäß § 4 [X.]uchst. e [X.] vor Abschluss der [X.]etriebsvereinbarung kein individueller Anspruch auf [X.]eträge aus dem [X.] besteht, nicht, dass es sich bei dem Auszahlungsanspruch um eine erst nach der Eröffnung entstandene Forderung handelt. Damit wollen die Tarifvertragsparteien offenkundig lediglich sicherstellen, dass nicht einzelne [X.]eschäftigte, insbesondere solche, die aus dem [X.]etrieb ausscheiden wollen, ihren Anteil aus dem [X.] verlangen und ggf. einklagen können, bevor die [X.]-Einführung abgeschlossen ist. Nur so lässt sich der tarifliche Leistungszweck erreichen, mit den [X.]eträgen auf dem [X.] vorrangig die Kosten zu decken, die künftig durch die [X.]-Einführung entstehen (vgl. [X.] 27. Juni 2012 - 5 [X.] - Rn. 14).

d) Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die insolvenzrechtliche [X.]ehandlung von Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen zur Einordnung der streitbefangenen Forderung nicht herangezogen werden. Dabei handelt es sich um Masseverbindlichkeiten, weil der Urlaub keine Gegenleistung für eine bestimmte Arbeitsleistung ist und sich darauf richtet, von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. Sie können deshalb keinem bestimmten insolvenzrechtlichen Zeitraum zugeordnet werden ([X.] 15. Februar 2005 - 9 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 113, 371; 18. November 2003 - 9 [X.] - zu [X.] II 2 b der Gründe, [X.]E 108, 357).

II. Der streitbefangene Auszahlungsanspruch ist auch keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.]. Voraussetzung dafür ist nach ständiger Rechtsprechung, dass eine Leistung mit Entgeltcharakter vorliegt, die im weitesten Sinn „für die Zeit“ nach Insolvenzeröffnung geschuldet ist. Der Anspruch muss also in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung stehen (zuletzt [X.] 12. September 2013 - 6 [X.] - Rn. 32, [X.]E 146, 64). Zwar ist der Anspruch auf die Auszahlung nach § 4 [X.]uchst. e TV [X.]-APF davon abhängig, dass das Arbeitsverhältnis noch im Zeitpunkt der Auszahlung besteht. Das allein genügt für die erforderliche synallagmatische Verknüpfung jedoch nicht. Es fehlt an der erforderlichen Zuordnung zumindest eines Teils des am 29. Oktober 2015 auf dem [X.] befindlichen [X.]etrags zur Arbeitsleistung, die die Klägerin nach der am 1. Juli 2015 erfolgten Insolvenzeröffnung erbrachte (vgl. [X.] 19. Juli 2007 - 6 [X.] 1087/06 - Rn. 25, [X.]E 123, 269). Spätestens seit dem 1. März 2014 wurde der [X.] nicht mehr aufgebaut. Der [X.] 2013 erklärt nur § 2 und § 4 des [X.] vom 18. Dezember 2003 für weiterhin anwendbar, nicht aber § 3, in dem der Aufbau des Fonds geregelt war.

III. Auch der Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit spricht dafür, die streitbefangene Forderung als Insolvenzforderung anzusehen. Anderenfalls könnten der Schuldner bzw. die [X.]etriebsparteien durch die Wahl des Zeitpunkts, in dem die zur Fälligkeit des [X.] nach § 4 [X.]uchst. e [X.] erforderliche [X.]etriebsvereinbarung geschlossen wird, den insolvenzrechtlichen Rang des [X.] beeinflussen. Sie könnten damit die Masse zum Nachteil der übrigen Insolvenzgläubiger schmälern (vgl. [X.] 27. April 2006 - 6 [X.] - Rn. 23, [X.]E 118, 115).

IV. Die Einordnung des [X.] aus dem [X.] steht im Einklang mit der steuerrechtlichen [X.]ehandlung der [X.]eträge des [X.]. Danach sind wegen der Verpflichtungen zur Auszahlung aus dem [X.] Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, weil diese Verpflichtungen wirtschaftlich vor dem [X.]ilanzstichtag verursacht worden sind. Diese Verpflichtungen finden ihren wesentlichen wirtschaftlichen [X.]ezugspunkt im [X.] und knüpfen an Vergangenes, nämlich die Tarifvereinbarung, an und gelten Vergangenes, nämlich die am [X.]ilanzstichtag nicht ausgezahlten Entgelterhöhungen, ab (Schreiben des [X.]MF vom 2. April 2007 - IV [X.] 2 - S 2137/07/0003 [X.][X.] 2007, 937; Herzig/[X.]ohn [X.][X.] 2006, 1551, 1559).

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Sieberts    

        

    [X.]. Klar    

                 

Meta

6 AZR 8/17

25.01.2018

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 12. Mai 2016, Az: 12 Ca 448/16, Urteil

§ 1 TVG, § 55 Abs 1 Nr 1 Alt 1 InsO, § 55 Abs 2 Nr 2 InsO, § 38 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2018, Az. 6 AZR 8/17 (REWIS RS 2018, 14989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14989

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 AZR 314/10 (Bundesarbeitsgericht)

Tarifvorrang - Betriebsvereinbarung über Auszahlung der Beträge aus dem ERA-Anpassungsfonds


5 AZR 778/11 (Bundesarbeitsgericht)

Einmalzahlung bei verspäteter ERA-Einführung - Insolvenz - Betriebsübergang


5 AZR 820/11 (Bundesarbeitsgericht)


5 AZR 266/12 (Bundesarbeitsgericht)

Wartezahlung bei verspäteter ERA-Einführung - fehlende Tarifbindung des Arbeitgebers zum Einführungsstichtag


5 AZR 267/12 (Bundesarbeitsgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

3 Ca 983/22

IX ZR 142/21

IX ZR 147/21

IX ZR 140/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.