Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2012, Az. X ZR 108/10

X. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1269

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
X [X.]
Verkündet am:

20. November 2012

Anderer

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Ges[X.]häftsstelle
in dem Re[X.]htsstreit

Na[X.]hs[X.]hlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Friedhofserweiterung
BGB §§
133 E, 157
A; VOB/A §
26 Nr.
1 Bu[X.]hst.
[X.] aF, §
17 Abs.
1 Nr. 3 nF
a)
Der Erklärungswert der vom öffentli[X.]hen Auftraggeber vorformulierten Vergabeun-terlagen ist gemäß den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden, auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter [X.] zu ermitteln.
b)
Der gestellten Vergabebedingung einer "re[X.]htsverbindli[X.]hen" Unterzei[X.]hnung des Angebots kommt ledigli[X.]h der Erklärungsgehalt zu, dass der Unterzei[X.]hner bei Angebotsabgabe über die erforderli[X.]he Vertretungsma[X.]ht verfügt haben muss.
[X.])
Wann die Aufhebung einer Auss[X.]hreibung wegen "deutli[X.]her" Übers[X.]hreitung des vertretbar ges[X.]hätzten [X.] re[X.]htmäßig ist, ist aufgrund einer umfassen-den Interessenabwägung zu ents[X.]heiden, bei der insbesondere zu [X.] ist, dass einerseits den öffentli[X.]hen Auftraggebern ni[X.]ht das Risiko einer deut-li[X.]h überhöhten Preisbildung zugewiesen werden, die Aufhebung andererseits aber au[X.]h kein Instrument zur Korrektur der in Auss[X.]hreibungen erzielten [X.] sein darf (Weiterführung von [X.], Urteil vom 8. September 1998 -
X [X.], [X.]Z 139, 259 und Urteil vom 12. Juni 2001 -
X [X.], [X.] 2001, 293).
[X.], Urteil vom 20. November 2012 -
X [X.] -
OLG Mün[X.]hen

[X.]

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Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündli[X.]he [X.] vom 20.
November 2012 dur[X.]h [X.] Dr.
MeierBe[X.]k, [X.], die Ri[X.]hterin [X.], den [X.] und die Ri[X.]hterin S[X.]huster

für Re[X.]ht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das am 5. Juli 2010 verkündete Urteil des 21. Zivilsenats des [X.].

Die Sa[X.]he wird zu neuer Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten der Revision, an den 1. Zivilsenat des Berufungs-geri[X.]hts zurü[X.]kverwiesen.

Von Re[X.]hts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin beteiligte si[X.]h an der öffentli[X.]hen Auss[X.]hreibung der [X.] Gemeinde für eine Friedhofserweiterung mit Neubau der Friedhofsmauer und Aussegnungshalle. Die von der [X.]n
gestellten Vordru[X.]ke für das [X.] wiesen ein Feld für eine "re[X.]htsverbindli[X.]he Unters[X.]hrift"
und einen Stempel des Bieters auf und enthielten daneben den Hinweis:
"Wird das Angebotss[X.]hreiben ni[X.]ht an dieser Stelle [X.] unters[X.]hrieben, gilt das Angebot als ni[X.]ht abgegeben."
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Die Klägerin gab ein Angebot ab, das unter Berü[X.]ksi[X.]htigung eines Preisna[X.]hlasses mit einer Angebotssumme von 261.368,78

war von einer Angestellten ohne einen [X.] unterzei[X.]hnet und mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen.
Das Angebot der Klägerin war, na[X.]hdem die [X.] ein verspätet ab-gegebenes Angebot eines Wettbewerbers aus der Wertung nehmen musste, das preisgünstigste Angebot. Mit der Begründung, die Finanzierung sei ni[X.]ht gesi[X.]hert, hob die [X.] das Vergabeverfahren auf und ging bei identis[X.]hem Leistungsverzei[X.]hnis zur bes[X.]hränkten Auss[X.]hreibung über, ohne die Klägerin daran zu beteiligen. Den Zus[X.]hlag erhielt ein Bewerber mit einem [X.] von 242.000

Die Klägerin hat [X.] auf Erstattung ihres positiven Interesses in Höhe von 5.001

widerklagend die Feststellung begehrt, dass der Klägerin au[X.]h kein weiterer S[X.]hadensersatz zusteht. Das [X.] hat die Klage dem Grunde na[X.]h für gere[X.]htfertigt erklärt. Es hat angenommen, dass der Klägerin zwar kein [X.] auf Erstattung des positiven Interesses zustehe, wohl aber ein sol[X.]her auf Ersatz des negativen Interesses aufgrund der Ni[X.]htbeteiligung an der zwei-ten Auss[X.]hreibung. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgeri[X.]ht hat unter Zurü[X.]kweisung des Re[X.]htsmittels der Klägerin die Klage insgesamt abgewiesen und na[X.]h dem [X.] erkannt.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurü[X.]kweisung die [X.] beantragt, verfolgt die Klägerin den geltend gema[X.]hten Anspru[X.]h auf das positive Interesse und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.
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Ents[X.]heidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgeri[X.]ht hat seine
Ents[X.]heidung sinngemäß im [X.] wie folgt begründet: Ein S[X.]hadensersatzanspru[X.]h der Klägerin setze die Abgabe eines formal wirksamen Angebots voraus. Daran fehle es vor dem [X.] des von der [X.]n aufgestellten Erfordernisses einer re[X.]htswirk-samen Unters[X.]hrift. Dieses stelle klar, dass das Angebot wirksam zu sein habe und so gefasst sein müsse, dass es nur no[X.]h angenommen zu werden brau-[X.]he, um den Auftraggeber von Ungewissheiten und Verzögerungen freizustel-len, die mit der Unterzei[X.]hnung dur[X.]h einen Vertreter ohne Vertretungsma[X.]ht verbunden sein könnten. Es sei zu respektieren, wenn der Auftraggeber si[X.]h den daraus mögli[X.]herweise erwa[X.]hsenden S[X.]hwierigkeiten ni[X.]ht stellen wolle und deshalb über ein ledigli[X.]h "unters[X.]hriebenes"
Angebot hinaus die [X.] fordere. Für die Klägerin habe [X.] die Angestellte ohne Ges[X.]häftsführerin oder Prokuristin zu sein und ohne Vertretungskennzei[X.]hen gehandelt. Dass sie als Sekretärin mit der Bear-beitung von Auss[X.]hreibungsunterlagen betraut gewesen und na[X.]h dem [X.] der landgeri[X.]htli[X.]hen Beweisaufnahme intern au[X.]h zur Unters[X.]hriftsleistung ermä[X.]htigt gewesen sei, genüge den Vorgaben der [X.]n ni[X.]ht. Dieser sei ni[X.]ht zuzumuten, erst dur[X.]h weitere Na[X.]hfors[X.]hungen zu klären, ob [X.] vorgelegen habe.
I[X.] Diese Begründung hält der re[X.]htli[X.]hen Na[X.]hprüfung ni[X.]ht stand. Die Klägerin hatte ein wirksames Angebot abgegeben.
1.
Das Berufungsgeri[X.]ht hat Inhalt und Bedeutung der [X.] ni[X.]ht re[X.]htsfehlerfrei ermittelt.
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a)
Mit der [X.] hat die [X.] als Vergabestelle eine vorformulierte Vergabebedingung gestellt. Wel[X.]her Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukommt, ist na[X.]h den für die Auslegung von Willens-erklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) unter Berü[X.]ksi[X.]htigung des Umstands zu ermitteln, dass die Vergabeunterlagen von der Vergabestelle vorformuliert sind ([X.], Urteil vom 10. Juni 2008 -
X [X.], [X.] 2008, 782 Rn. 10

[X.]). Maßgebli[X.]h für das [X.] ist dabei der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter ([X.], Ur-teil vom 11. November 1993

[X.], [X.]Z 124, 64; [X.], [X.] 2008, 782 Rn. 10; [X.], Urteil vom 3. April 2012 -
X [X.], [X.] 2012, 724 Rn. 10 -
Straßenausbau).
b)
Dem Berufungsurteil ist ni[X.]ht zu entnehmen, dass das Berufungsge-ri[X.]ht geprüft hat, wie das Erfordernis einer "re[X.]htsverbindli[X.]hen Unters[X.]hrift"
aus Si[X.]ht der potenziellen Bieter zu verstehen war. Es s[X.]heint die Klausel dahin zu verstehen, dass sie ni[X.]ht nur eine wirksame, den Bieter re[X.]htli[X.]h bindende Unterzei[X.]hnung des Angebots verlangt, sondern dass au[X.]h na[X.]hgewiesen oder zumindest erkennbar sein muss, dass der Unterzei[X.]hner über gesetzli[X.]he oder re[X.]htsges[X.]häftli[X.]he Vertretungsma[X.]ht verfügt. Denn seine Feststellung, dass die Unterzei[X.]hnerin des von der Klägerin abgegebenen Angebots "intern zur Unters[X.]hrift bere[X.]htigt"
gewesen sei, kann ni[X.]ht anders verstanden werden, als dass die Unterzei[X.]hnerin des Angebots die Klägerin kraft ihr erteilter Vollma[X.]ht vertreten konnte. Seine Annahme, dass dies den Vorgaben der auss[X.]hreiben-den Stelle ni[X.]ht genüge, begründet das Berufungsgeri[X.]ht jedo[X.]h nur mit der Erwägung, es sei der [X.]n ni[X.]ht zuzumuten, die Vertretungsbere[X.]htigung des Unterzei[X.]hners erst dur[X.]h weitere Na[X.]hfors[X.]hungen zu klären. [X.] ist jedo[X.]h ni[X.]ht, was der [X.]n zuzumuten ist, sondern wel[X.]he Erklä-rungen die Bieter den Vergabeunterlagen als ihnen abverlangt entnehmen konnten.
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2.
Da weitere Feststellungen weder erforderli[X.]h no[X.]h zu erwarten sind, kann der Senat die Auslegung der [X.] selbst vornehmen (vgl. [X.], [X.] 2012, 724 Rn. 10 -
Straßenausbau). Na[X.]h den maßgebli[X.]hen [X.] der mit der Auss[X.]hreibung angespro[X.]henen Bieter-kreise ist ihr der Erklärungsgehalt beizulegen, dass der Unterzei[X.]hner bei [X.] über die erforderli[X.]he Vertretungsma[X.]ht verfügt haben muss (in diesem Sinne bereits [X.], [X.], 789, 791; ebenso [X.]/A-Komm./[X.] § 21 Rn. 6 ff.). Der Gesi[X.]htspunkt einer inte-ressengere[X.]hten Auslegung re[X.]htfertigt kein abwei[X.]hendes Ergebnis.
Soweit das Berufungsgeri[X.]ht das Risiko vollma[X.]htloser Vertretung bei Handeln einer Person, deren Vertretungsma[X.]ht ni[X.]ht dem Inhalt des Handels-registers entspre[X.]he und die si[X.]h au[X.]h ni[X.]ht dur[X.]h eine Vollma[X.]htsurkunde legi-timiere, für den öffentli[X.]hen Auftraggeber anspri[X.]ht, ist s[X.]hon fragli[X.]h, inwieweit die etwaige Erhebung dieses Einwands eines Bieters, der den Vertrag ni[X.]ht erfüllen will,
bei wirkli[X.]hkeitsnaher Betra[X.]htung erfolgverspre[X.]hend und wahr-s[X.]heinli[X.]h wäre. Jedenfalls wäre es mit dem Gebot der klaren und eindeutigen Abfassung von Vergabeunterlagen (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juni 2008

X
ZR
78/07, [X.] 2008, 782 Rn. 10

[X.]; [X.], [X.] 2012, 724 Rn. 9) unvereinbar, der Klausel aufgrund der Hinzufügung des Attributs
"re[X.]htsverbindli[X.]h"
(unters[X.]hrieben) na[X.]h dem Empfängerhorizont den Erklärungsgehalt beizulegen, mit dem Angebot müsse die [X.] dokumentiert werden, wenn ni[X.]ht die gesetzli[X.]hen Vertreter oder Prokuristen des bietenden Unternehmens unters[X.]hrieben haben (dagegen au[X.]h [X.],
aaO Rn. 12).
Der mit der vom Berufungsgeri[X.]ht zitierten Ents[X.]heidung des Oberlan-desgeri[X.]hts Düsseldorf vom 22. Dezember 2004 ([X.] 2005, 222) ent-s[X.]hiedene Fall wies die Besonderheit auf, dass si[X.]h die Vertretungsbefugnis des Bieters, eines städtis[X.]hen Eigenbetriebs, aus einer gesetzli[X.]hen Vors[X.]hrift, 11
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der Gemeindeordnung des [X.], ergab und das Ange-bot ni[X.]ht von der dana[X.]h vertretungsbere[X.]htigten Person unters[X.]hrieben war. Für die S[X.]hlussfolgerung, dass das Angebot eines Formkaufmanns (§
6 HGB) nur dann im Sinne der [X.] "re[X.]htsverbindli[X.]h"
unters[X.]hrieben ist, wenn es die Unters[X.]hrift des gesetzli[X.]hen Vertreters oder eines Prokuristen aufweist, oder ein Dritter seiner Unters[X.]hrift zumindest einen [X.] hinzugefügt hat, bietet die Ents[X.]heidung dieses Falles keine Grundlage. Das Gesetz sieht bei
Formkaufleuten eine "re[X.]htswirksame", ni[X.]ht aus dem [X.] ersi[X.]htli[X.]he Vertretung dur[X.]h andere Personen als die gesetzli[X.]hen Vertreter und Prokuristen vor (§ 54 Abs. 1 HGB) und unters[X.]heidet generell zwis[X.]hen dem Bestehen von Vertretungsma[X.]ht und deren Na[X.]hweis. Der vom Berufungsgeri[X.]ht erwähnte [X.] ist ni[X.]ht konstitutiv für die Wirk-samkeit der Erklärung einer zur Vertretung bevollmä[X.]htigten Person, sondern allenfalls für die Frage von Bedeutung, ob ihr Vertretungswille hinrei[X.]hend her-vortritt. Im Streitfall war der Wille, für die Klägerin zu handeln, na[X.]h den Um-ständen (Firmenstempel im [X.] einer die Klägerin als Bieterin [X.] Urkunde) offensi[X.]htli[X.]h (§ 164 Abs.
1 BGB).
II[X.]
Das Berufungsurteil ist hierna[X.]h aufzuheben und die Sa[X.]he zur [X.] der weiteren Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gema[X.]hten S[X.]hadensersatzanspru[X.]hs an das Berufungsgeri[X.]ht zurü[X.]kzuverweisen. Dabei ma[X.]ht der Senat von der Mögli[X.]hkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrau[X.]h.
IV.
Für die erneute Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Ein auf das positive Interesse geri[X.]hteter S[X.]hadensersatzanspru[X.]h eines Bieters setzt na[X.]h ständiger Re[X.]htspre[X.]hung voraus, dass dem Bieter bei [X.] Verlauf des Vergabeverfahrens der Zus[X.]hlag hätte erteilt wer-den müssen und dass der ausges[X.]hriebene oder ein diesem wirts[X.]haftli[X.]h glei[X.]hzusetzender Auftrag vergeben worden ist ([X.], Urteil vom 8. September 14
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1998

X [X.], [X.]Z 139, 259; Urteil vom 26. Januar 2010

[X.], [X.] 2010, 855 Rn. 16

Abfallentsorgung
I). Die letztere Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Dana[X.]h kann die Klägerin ihr positives Interesse erstattet verlangen, wenn die [X.] das erste Vergabeverfahren ni[X.]ht vergabere[X.]hts-konform hätte aufheben dürfen, weil die Voraussetzungen aus §
26 Nr. 1 Bu[X.]hst. [X.] VOB/[X.] ni[X.]ht vorlagen.
1.
Ob es si[X.]h so verhält, wird na[X.]h Lage des Falles in erster Linie da-von abhängen, ob die Differenz zwis[X.]hen den ges[X.]hätzten Kosten einerseits und den Angebotspreisen der ersten Auss[X.]hreibung andererseits eine Aufhe-bung na[X.]h §
26 Nr. 1 Bu[X.]hst.
[X.] VOB/[X.] gestatteten.
a)
Wie der Bundesgeri[X.]htshof bereits ents[X.]hieden hat, kann es einen s[X.]hwerwiegenden Grund zur Aufhebung darstellen, wenn die vor der Aus-s[X.]hreibung vorgenommene Kostens[X.]hätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar er-s[X.]heint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutli[X.]h darüber liegen ([X.], Urteil vom 8. September 1998

[X.], [X.]Z 139, 280).
b)
Für die S[X.]hätzung muss die Vergabestelle oder der von ihr gegebe-nenfalls beauftragte Fa[X.]hmann Methoden wählen, die ein wirkli[X.]hkeitsnahes S[X.]hätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.
Die Gegenstände der S[X.]hätzung und der ausges[X.]hriebenen Maßnahme müssen de[X.]kungsglei[X.]h sein. Maßgebli[X.]h dafür sind im Ausgangspunkt die Po-sitionen des Leistungsverzei[X.]hnisses, das der konkret dur[X.]hgeführten Aus-s[X.]hreibung zugrunde liegt. Das Ergebnis der S[X.]hätzung ist verwertbar, soweit sie mit diesem Leistungsverzei[X.]hnis übereinstimmt. Es ist gegebenenfalls [X.], soweit die der S[X.]hätzung zugrunde gelegten Preise oder Preisbe-17
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messungsfaktoren im Zeitpunkt der Bekanntma[X.]hung des Vergabeverfahrens ni[X.]ht mehr aktuell waren und si[X.]h ni[X.]ht unerhebli[X.]h verändert hatten.
[X.])
Wann ein vertretbar ges[X.]hätzter Auftragswert so "deutli[X.]h"
über-s[X.]hritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Auss[X.]hreibung na[X.]h §
26 Nr. 1 Bu[X.]hst.
[X.] VOB/[X.]/§ 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/[X.] gere[X.]htfertigt ist, lässt si[X.]h ni[X.]ht dur[X.]h allgemeinverbindli[X.]he Werte na[X.]h Höhe oder Prozentsätzen festlegen. Vielmehr ist na[X.]h der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzuneh-men (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juni 2001 -
X
[X.], [X.] 2001, 293, 298). Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits den öffentli[X.]hen [X.] ni[X.]ht das Risiko einer deutli[X.]h überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren S[X.]hätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in sol[X.]hen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens be-re[X.]htigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des [X.] ni[X.]ht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instru-ment zur Korrektur der
in öffentli[X.]hen Auss[X.]hreibungen bzw. offenen Verfahren erzielten [X.] geraten
darf. Außerdem ist zu [X.], dass §
26 Nr. 1 VOB/[X.] (§ 17 Abs. 1 VOB/[X.]) na[X.]h Sinn und Zwe[X.]k der Regelung eng auszulegen ist ([X.], Urteil vom 8.
September 1998

X
ZR
48/97, [X.]Z 139, 259, 263) und dass au[X.]h mit angemessener Sorgfalt dur[X.]hgeführte S[X.]hätzungen nur Prognoseents[X.]heidungen sind, von denen die na[X.]hfolgenden Auss[X.]hreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter ni[X.]ht un-erhebli[X.]h abwei[X.]hen. Das Auss[X.]hreibungsergebnis muss deshalb in der Regel ganz beträ[X.]htli[X.]h über dem S[X.]hätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu re[X.]htfertigen.
Dass der Auftrag na[X.]h der bes[X.]hränkten Auss[X.]hreibung zu einer Auf-tragssumme von 242.000

ist für die Frage, ob das wertungsfähige Submissionsergebnis der ersten Auss[X.]hreibung deutli[X.]h über-21
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teuert war, nur von einges[X.]hränktem Erkenntniswert. Denn dabei ist zu beden-ken, dass das Submissionsergebnis der vorangegangenen öffentli[X.]hen Aus-s[X.]hreibung na[X.]h Maßgabe von § 22 VOB/[X.], § 14 VOB/[X.] publik gewor-den ist und dass dies die Preisbildung im [X.] konnte. Na[X.]h den Me[X.]hanismen des Marktes wird für einen Bieter, der das Ergebnis der ersten Auss[X.]hreibung kennt, die Annahme naheliegen, diesen Preis unterbieten zu müssen, um eine realistis[X.]he Chan[X.]e auf den Zus[X.]hlag zu haben, au[X.]h wenn das Angebot mit dem geringsten Preis (rd.
244.000

t-li[X.]h ni[X.]ht gewertet werden durfte. Dass die Baumaßnahme zum Preis von 242.000

die Annahme, dass dieser Preis der Marktpreis (vgl. [X.], [X.] 2010, 96, 100) war.
d)
Erweist si[X.]h der ges[X.]hätzte Auftragswert s[X.]hon im Ausgangspunkt als ni[X.]ht vertretbar, kommt es für die Re[X.]htmäßigkeit der Aufhebung auf die Differenz zwis[X.]hen dem angemessenen Wert und dem wertungsfähigen Sub-missionsergebnis an.
2.
Soweit die
[X.] die Aufhebungsents[X.]heidung mit der ni[X.]ht ge-währleisteten Si[X.]herung der Finanzierung begründet hat, bemerkt der Senat, dass eine Aufhebung der Auss[X.]hreibung regelmäßig dann ni[X.]ht vergabere[X.]hts-konform ist, wenn die fehlende Finanzierung auf Fehler des Auftraggebers bei der Ermittlung des [X.] und der daran ans[X.]hließenden Ein-werbung der benötigten Mittel zurü[X.]kzuführen ist ([X.]Z 139, 280, 286). Zur Vermeidung irregulärer Vergabeents[X.]heidungen kann dem Auftraggeber [X.] hinaus au[X.]h ni[X.]ht gestattet sein, na[X.]h Gutdünken eine bestimmte Auf-tragssumme na[X.]hträgli[X.]h für allein no[X.]h finanzierbar zu erklären. Im Streitfall hat die [X.] na[X.]h ihrem vom Berufungsgeri[X.]ht in Bezug genommenen erst-instanzli[X.]hen Vorbringen den günstigsten Angebotspreis aus der bes[X.]hränkten Auss[X.]hreibung als letztli[X.]h finanzierbar bezei[X.]hnet. Dies rei[X.]ht ni[X.]ht aus, um 23
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den Anspru[X.]h auf entgangenen Gewinn eines Bieters mit einem höheren, aber den vertretbar ges[X.]hätzten Auftragswert ni[X.]ht deutli[X.]h übersteigenden Preis
erfolgrei[X.]h infrage zu stellen.
Meier-Be[X.]k
[X.]
[X.]

Gröning
S[X.]huster
Vorinstanzen:
[X.], Ents[X.]heidung vom 04.11.2009 -
52 O 1231/08 -

OLG Mün[X.]hen, Ents[X.]heidung vom 05.07.2010 -
21 [X.] -

Meta

X ZR 108/10

20.11.2012

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2012, Az. X ZR 108/10 (REWIS RS 2012, 1269)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1269

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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