Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2005, Az. NotZ 34/05

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2005, 611

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[X.] [X.] vom 28. November 2005 in dem Verfahren Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja [X.]R: ja _____________________ [X.] §§ 4, 6, 6b Die Entscheidung der Landesjustizverwaltung ein auf der Grundlage der §§ 17 ff. [X.] in Gang gesetztes Besetzungsverfahren mit Blick auf die Ent-scheidung des [X.] vom 20. April 2004 ([X.] 110, 304), in der die Verfassungswidrigkeit der darin niedergelegten [X.] worden ist, abzubrechen, ist nicht schon deshalb ermessensfehlerhaft, weil zum Zeitpunkt des Abbruchs die Auswahlentscheidung bereits getroffen und die Ernen-nung des ausgewählten Bewerbers nur deshalb noch nicht erfolgt war, weil unterle-gene Mitbewerber Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hatten. [X.], Beschluss vom 28. November 2005 - [X.] 34/05 - [X.] - 2 -

wegen Bestellung zur Notarin - 3 -

Der [X.], [X.], hat durch den [X.], [X.] und [X.] sowie die [X.] und Justizrat Dr. Bauer am 28. November 2005 beschlossen: Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des [X.] des [X.] vom 12. Mai 2005 - 2 VA (Not) 25/04 - wird [X.]. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfah-rens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwer-deverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 • festgesetzt. - 4 -

Gründe: [X.] Die Antragstellerin - Rechtsanwältin in [X.]- bewarb sich auf eine von vier im Justizministerialblatt für das [X.] vom 1. Juni 2003 ausgeschriebenen [X.]n für den Amtsgerichtsbezirk O.

([X.]. [X.]). In der [X.], in die zahlreiche weitere Stellen in anderen Bezirken aufgenom-men sind, wird wegen der Einzelheiten der Voraussetzungen für das [X.] und des Ablaufs des Besetzungsverfahrens auf § 17 Abs. 3 und § 18 der Allgemeinen Verfügung über die Angelegenheiten der Notarin-nen und Notare ([X.]) vom 8. März 2002 ([X.]. [X.]. Mit Schreiben vom 16. Februar 2004 teilte die Präsidentin des [X.] (Antragsgegnerin) ihr mit, dass sie die Stellen besser qualifizierten Mitbewerbern, unter anderem dem Beteiligten zu 1), übertragen wolle. Auf ihren Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 111 [X.], mit dem die Antragstellerin ihre Bestellung zur Notarin be-gehrt, wurde eine der ausgeschriebenen Stellen nicht besetzt. 1 Durch Beschluss vom 20. April 2004 erklärte das Bundesverfas-sungsgericht die durch Verwaltungsvorschriften ([X.]) konkretisierte Auslegung und Anwendung der in § 6 [X.] normierten Auswahlmaß-stäbe in verschiedenen Bundesländern, die im Wesentlichen den der [X.] entsprachen, für verfassungswidrig; die um der ver-fassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit Willen gebotene chancen-gleiche Bestenauslese sei nicht gewährleistet ([X.] 110, 304 = D[X.] 2004, 560 = [X.] 2004, 281 = NJW 2004, 1935). 2 - 5 -

Das [X.] (Beteiligter zu 2)) nahm daraufhin am 15. August 2004 die Ausschreibung der ver-bliebenen [X.] zurück, "um eine den verfassungsrechtlichen An-forderungen genügende Auswahlentscheidung zu ermöglichen" ([X.]. [X.]). Anschließend brach die Antragsgegnerin - wie auch bei den übrigen noch ausgeschriebenen Stellen - das zur Besetzung dieser Stelle eingeleitete Auswahlverfahren ab. Mit Wirkung zum 15. November 2004 wurde der für das Auswahlverfahren maßgebliche § 17 [X.] [X.] neu gefasst ([X.]. [X.] S. 256). 3 Die Antragstellerin meint, es habe für den Abbruch des [X.] keinen sachlichen Grund gegeben, so dass die [X.] über ihre Bewerbung in Fortführung des durch die Ausschreibung vom 1. Juni 2003 eingeleiteten Auswahlverfahrens unter Neubewertung der [X.] zu ihren Gunsten zu entscheiden habe. 4 Das [X.] hat den Antrag auf gerichtliche Entschei-dung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Begehren, zur Notarin bestellt zu wer-den, weiter verfolgt. 5 I[X.] Die gemäß § 111 Abs. 4 [X.], § 42 Abs. 4 [X.] zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragsgegne-rin ist nicht verpflichtet, die Bewerbung der Antragstellerin unter Fortfüh-rung des bisherigen Auswahlverfahrens zu bescheiden. Eine Bewerbung als Notar setzt voraus, dass eine Stelle zu vergeben ist. Das ist nach der Beendigung des Besetzungsverfahrens nicht mehr der Fall. Der [X.] - 6 -

te zu 2) durfte die gemäß § 2 Abs. 3 [X.] [X.] in seinem Zuständig-keitsbereich liegende Ausschreibung vom 1. Juni 2003 zurücknehmen und die Antragsgegnerin, die gemäß § 19 Abs. 4 [X.] [X.] über die Besetzung zu entscheiden hat, durfte daraufhin das Auswahlverfahren abbrechen. Die Bewerbung der Antragstellerin hat durch diesen organi-satorischen Akt ihre Erledigung gefunden (Senat, Beschluss vom 10. März 1997 - [X.] 44/95 - D[X.] 1997, 889, 890). Einen Anspruch auf Verfahrensbeendigung durch Besetzungsentscheidung hat sie da-nach nicht (vgl. Linke, D[X.] 2005, 411, 415).
1. Die Entscheidung, das Besetzungsverfahren abzubrechen, ist Ausdruck der Organisationsgewalt der Landesjustizverwaltung. Diese und das damit einhergehende Organisationsermessen beschränken sich nicht auf Zahl und Zuschnitt der Notariate gemäß § 4 [X.], sondern erstrecken sich darüber hinaus auf alle Maßnahmen zur Errichtung, Aus-gestaltung und Einziehung der [X.]n. Das schließt die Entschei-dung über die Besetzung oder Nichtbesetzung einer Stelle mit ein. Die Ausschreibung, die das Besetzungsverfahren einleitet, das in dem sich anschließenden Auswahlverfahren fortgesetzt wird, ist dabei lediglich verwaltungstechnisches Hilfsmittel, das der Gewinnung geeigneter Be-werber und damit den Interessen einer geordneten Rechtspflege dient (vgl. Senat [X.]Z 127, 83, 90). Unmittelbare Rechtswirkung für bestimm-te oder unbestimmte Personen entfaltet sie nicht (Senat, Beschlüsse vom 31. März 2003 - [X.] 24/02 - [X.] 2003, 277, 278; 24. November 1997 - [X.] 10/97 - NJW-RR 1998, 849 und 18. September 1995 - [X.] 46/94 - D[X.] 1996, 902, 903; [X.] in: [X.]/Vaasen, [X.] und [X.]. § 111 [X.] Rdn. 97). 7 - 7 -

Allerdings kann durch die Gestaltung und den Zeitpunkt des Be-setzungsverfahrens Einfluss auf die Konkurrenzsituation der jeweiligen Bewerber und damit auf das Ergebnis der späteren [X.] genommen werden. Nicht nur durch die Art und Weise der [X.] Stellen, das Setzen von Bewerbungsfristen und die Terminierung der Besetzungen, sondern auch durch den Abbruch von Besetzungsverfahren und eine spätere Neuausschreibung von [X.] lässt sich die Zusammensetzung des [X.] steuern. Eine solche Steuerung kann in grundrechtsrelevanter Weise [X.] von Notarbewerbern berühren. Die Wahrung ihrer Grundrechte insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG erfordert eine dem Grundrechtsschutz angemessene [X.] ([X.] 73, 280, 296). Die im Rahmen des insoweit bestehenden weiten Ermessensspielraums von der Justizverwaltung bei der [X.] zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen sind in Bezug auf die Grundrechte der Bewerber zu gewichten und mit verhältnismäßigen Mitteln durchzusetzen ([X.] D[X.] 2002, 891, 892, m. krit. [X.] [X.], aaO). 8 Die Justizverwaltung muss demgemäß bei der Frage, ob ein Be-setzungsverfahren fortzusetzen oder abzubrechen ist, das ihr [X.] Organisationsermessen pflichtgemäß ausüben. Die Entscheidung für den Abbruch erfordert dann - wie auch im Beamtenrecht - sachlich nach-vollziehbare Gründe, die eine angemessene Beachtung und Bewertung der betroffenen öffentlichen und individuellen Belange belegen. Nur in-soweit erlauben die Berufsfreiheit und das Recht der Bewerber auf Chancengleichheit den Abbruch laufender Verfahren ([X.] NJW-RR 2005, 998, 1001; D[X.] 2002, 891, 892; Senat, Beschlüsse vom 9 - 8 -

26. März 2001 - [X.] 31/00 - D[X.] 2001, 731, zustimmend Linke, aaO S. 419, und 10. März 1997 aaO; BVerwGE 101, 112, 115). 2. Diese Grundsätze sind beachtet worden. Das [X.] erfolgt in Abstimmung zwischen dem Beteiligten zu 2) und der Antragsgegnerin (§ 2 Abs. 3 [X.] [X.]). Die Justizverwaltung war sich bewusst, dass der [X.] eines sachlichen Grundes bedarf. Diesen hat sie bereits in der Ausschreibungsrücknahme zusammenge-fasst angegeben. Der Verfahrensabbruch sollte eine den verfassungs-rechtlichen Anforderungen genügende Auswahlentscheidung ermögli-chen. Diese Begründung ist vor dem Hintergrund der von ihr nachfolgend in Bezug genommenen Rechtsprechung des [X.] ([X.] 110, 304) auch nachvollziehbar. Danach hatten sich die bishe-rigen Auswahlkriterien in der [X.], auf die sie in der [X.] ausdrücklich hingewiesen hatte, als nicht verfassungsgemäß erwiesen. Bewerber um ein Notaramt mussten damals davon ausgehen, keinen Erfolg zu haben, wenn sie diese Voraussetzungen nicht erfüllten, während sie sich mit einer auf diese Kriterien zugeschnittenen Bewer-bung Erfolgsaussichten ausrechnen konnten. Die Rücknahme der [X.] und ein anschließender Neubeginn des Bewerbungsverfah-rens sollten mithin allen möglichen Bewerbern gleichermaßen Zugang zu einer nunmehr verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden [X.] eröffnen. 10 Es ist nicht zu erkennen, dass sich die Justizverwaltung insoweit - wie ihr verschiedentlich vorgehalten wird - im Hinblick auf die vorge-nannte Rechtsprechung des [X.] als gebunden angesehen haben könnte und von dem ihr eingeräumten Ermessen kei-11 - 9 -

nen Gebrauch gemacht hat. Ihrer Entscheidung liegen entsprechende Bedenken zugrunde, die das [X.] in Konkurrentenstreitver-fahren wie dem [X.] geäußert hatte. Danach war noch nicht ab-zusehen, für welches Vorgehen sie sich entscheiden würde (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juli 2004 - 1 BvQ 26/04). Die denkbaren Alternativen - Fortführung des laufenden Verfahrens oder Abbruch mit anschließen-dem Neubeginn - lagen zudem offen, wurden in der Literatur erörtert und in der Praxis auch angewandt (vgl. zur Fortführung eines Bewerbungs-verfahrens Senat, Beschluss vom 22. November 2004 - [X.] 16/04 - NJW 2005, 212, 213; [X.], D[X.] 2004, 659, 670; [X.], D[X.] 2004, 570; [X.], [X.] 2004, 250, 255; [X.], [X.] 2004, 267, 269). Auch der Beteiligte zu 2) war sich der Alternativen bewusst. Das zeigt seine im vorliegenden Verfahren herangezogene Äußerung in anderen Verfahren, er sehe keine Möglichkeit, der gebotenen Änderung der mate-riellen Auswahlkriterien im laufenden Besetzungsverfahren Rechnung zu tragen. Seine nachfolgende Begründung belegt - wie auch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 26. Oktober 2004 -, dass die Justizverwaltung im Bewusstsein ihres Ermessens gehandelt hat.
In ihrer danach getroffenen Entscheidung, zugunsten aller poten-tiellen Bewerber das Besetzungsverfahren abzubrechen, liegt ebenso wenig ein Ermessensfehlgebrauch wie in ihrer Auffassung, die Belange der Antragstellerin müssten dahinter zurückstehen. 12 a) Das [X.] hat zwar die gesetzlichen [X.] des § 6 Abs. 3 [X.] gebilligt, weil sie bei der Auswahl der Anwaltsnotare eine angemessene Berücksichtigung solcher [X.] und Fähigkeiten erlauben, die sich speziell auf den Zweitberuf des 13 - 10 -

Notars beziehen. Es hat jedoch festgestellt, dass die Auslegung und An-wendung dieser Norm nach Allgemeinen Verfügungen in Angelegenhei-ten der Notarinnen und Notare wie den der [X.] bei der Auswahl der Bewerber aus dem Kreis der Rechtsanwälte, die für das Amt des Notars in Betracht kommen, nicht den Vorrang desjenigen mit der besten fachlichen Eignung gewährleisten ([X.] 110, 304, 326 ff.). Eine nach den bisherigen Maßstäben erstellte Prognose über die Eignung eines Bewerbers für das von ihm erstrebte öffentliche Amt oder über seine bessere Eignung bei der Auswahl aus einem Kreis von Bewerbern lässt vor allem eine konkrete und einzelfallbezogene Bewer-tung der fachlichen Leistungen des Bewerbers vermissen. Erforderlich ist stattdessen eine Neubewertung, bei der auch die von den Bewerbern bei der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen - wie insbesondere bei den Be-urkundungen - differenziert zu gewichten sind. Solange es insoweit an beachtlichen Bewertungen noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprog-nose im weiteren Sinn zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien mit eigenständigem, höheren Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des Staatsexamens einfließen müssen ([X.] aaO S. 326 ff., 336; Senat, Beschluss vom 22. November 2004 aaO [X.]).
b) Diesen Anforderungen an eine verfassungsgemäße Vergabe noch nicht besetzter [X.]n in einer am Grundrechtsschutz aller in Betracht kommenden Bewerber orientierten, angemessenen Verfahrens-gestaltung wollte die Justizverwaltung durch den Abbruch laufender Be-werbungsverfahren mit anschließenden [X.] gerecht werden. Insoweit stand ihr ein sachlicher Grund zur Seite, da die [X.] - 11 -

rigen Verfahren vor allem infolge fehlerhafter Gewichtung von [X.] und Anwaltspraxis an Mängeln litten, die grundsätzlich einen vom Organisationsermessen gedeckten Abbruch rechtfertigen können (vgl. [X.] 1998, 167, 168; [X.], aaO S. 269).
Die Antragstellerin kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Justizverwaltung dürfe eine an den Vorgaben des Bundesverfassungsge-richts ausgerichtete Auswahlentscheidung nur unter den Konkurrenten im laufenden Bewerbungsverfahren treffen. 15 aa) Die bei einem Zugang zu einem öffentlichen Amt, das ein No-tar ausübt (§ 1 [X.]; [X.] 17, 371, 377), aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitenden Grundsätze für die Auswahlent-scheidung gebieten zum Schutz des wichtigen Gemeinschaftsgutes einer qualitätsvollen Rechtspflege, dass tatsächlich von allen potentiellen [X.] derjenige zum Zuge kommt, der den Anforderungen des Amtes am ehesten entspricht ([X.] 73, 280, 296; [X.] NJW 2005, 50 und ständig). Verfassungsrechtlich ist es danach geboten, alle in [X.] kommenden Personen mit dem Bewerbungsverfahren anzuspre-chen und auch wirklich zu erreichen. Das lässt bei der [X.] jedenfalls die Möglichkeit eines Abbruchs bereits begonnener [X.] zu, wenn die geforderte Erreichbarkeit aller möglichen Bewerber etwa infolge der Abfassung des Bewerbungsangebotes und der darin mitgeteilten [X.] nicht sichergestellt war. [X.] wollte die Justizverwaltung bei der von der Antragstellerin beanstandeten Vorgehensweise gerade gehorchen. Sie wollte das [X.] auch denjenigen öffnen, die infolge der angegebenen [X.], die sich aufgrund verfassungsgerichtlicher Überprü-16 - 12 -

fung nachträglich als verfassungswidrig erwiesen haben, von einer [X.] mangels Erfolgsaussichten Abstand genommen haben, während sie sich nach neuen, für sie Erfolg versprechenderen Maßstäben beteiligt hätten. So liegen die Dinge hier.
Die Zugangskriterien zum Anwaltsnotariat müssen sich jetzt - bei geringerem Gewicht der Examensnoten - stärker an der [X.] ausrichten. Bewerber mit schwächeren Abschlussnoten haben daher bessere Aussichten als bisher auf die Vergabe einer [X.], wenn sie gerade die fachbezogenen Anforderungen, wie beispielsweise durch eine größere Beurkundungspraxis oder eine notarnähere Ausgestaltung ihrer Anwaltstätigkeit, in überdurchschnittlichem Maße erfüllen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass gerade solche potentiellen Bewerber in Kenntnis der bisherigen Gewichtung von einer Bewerbung abgesehen haben (vgl. KG, [X.] 2005, 143, 144 sowie Beschluss vom 3. Februar 2005 - Not 8-10/04; [X.] NVwZ-RR 2003, 52, 53). Dieser bei richtigem Verfassungsverständnis nunmehr durchaus als [X.] einzustufenden Bewerbergruppe durfte die Justizverwaltung nach dem im öffentlichen Interesse bestehenden Grundsatz der [X.] und den verfassungsrechtlich garantierten Ansprüchen aller Bewerber auf gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt durch den Abbruch des Bewerbungsverfahrens Beachtung schenken. Diesen Personen wäre sonst eine Bewerbung um die zu besetzende Stelle nicht mehr möglich, nachdem sich der [X.] wegen des Ablaufs der Bewerbungsfris-ten bereits geschlossen hatte. 17 18 Es spielt ferner keine Rolle, dass im Zeitpunkt der ersten [X.] bereits Verfassungsbeschwerden anhängig waren, in denen - 13 -

die bisherigen Kriterien für die Bewerberauswahl als verfassungswidrig beanstandet wurden. Für den einzelnen war nicht abzuschätzen, wann und mit welchem Ergebnis das [X.] entscheiden würde. Angesichts der dadurch bedingten Zufälligkeiten, vor allem bei der zeitlichen Abfolge und den [X.], war eine bloß vorsorgliche, nach bisherigen [X.]n aussichtslose Bewer-bung nicht zu verlangen.
Schließlich kommt der Anzahl der noch zu besetzenden Stellen, der Größe des verbliebenen [X.] und dem Stand des [X.] bei der Entscheidung, es abzubrechen oder fortzuset-zen, keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. aber [X.], aaO S. 671). Das mit der Bestenauslese verfolgte verfassungsrechtliche [X.], alle geeigneten Bewerber zu erreichen, bleibt stets das gleiche. 19 Es erweist sich daher unter diesem Gesichtspunkt insgesamt als ermessensfehlerfrei, wenn den angeführten Interessen der Vorrang ge-genüber denen der Antragstellerin eingeräumt worden ist, im bisherigen Auswahlverfahren zu verbleiben, ohne sich weiterer Konkurrenz stellen zu müssen. 20 bb) Die Entscheidung der Justizverwaltung, die bisherige [X.] zurückzunehmen und das Auswahlverfahren insgesamt zu wiederholen, findet aber auch mit Blick auf die vorhandenen Bewerber ihre Berechtigung. Nach § 6b Abs. 2 [X.] ist die Bewerbung innerhalb der mit der Ausschreibung gesetzten - als gesetzliche Ausschlussfrist gestalteten - Bewerbungsfrist einzureichen; dementsprechend sind ge-mäß § 6b Abs. 4 Satz 1 [X.] nur solche Umstände zu berücksichtigen, 21 - 14 -

die bei Ablauf der Bewerbungsfrist vorlagen. Die Justizverwaltung darf die fachliche Eignung eines Bewerbers um das Amt nur dann bejahen, wenn diese bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist nachgewiesen ist. Dies gilt insbesondere auch für den Nachweis der fachlichen Leistungen, die im Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 [X.] von Bedeutung sind. Der erforderliche fristgemäße Nachweis der Leistungen setzt neben der Vor-lage der entsprechenden Bescheinigungen voraus, dass der Bewerber der Justizverwaltung innerhalb der Bewerbungsfrist mitgeteilt hat, welche bei der Vorbereitung auf den [X.] bereits erbrachten Leistungen bei der Auswahlentscheidung Beachtung finden sollen. Insoweit dient die Festlegung eines Stichtags der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, aber auch der Gleichbehandlung aller Bewerber aufgrund einer einheitli-chen Bewerbungssituation, die nur gewährleistet ist, wenn zu Beginn des Auswahlverfahrens sämtliche für den Bewerber maßgeblichen Kriterien feststehen (vgl. Senat [X.]Z 126, 39, 46 ff.; Beschlüsse vom [X.] 2004 aaO [X.]; 3. November 2003 - [X.] 14/03 - [X.] 2004, 451, 452; 14. Juli 1997 - [X.] 48/96 - NJW-RR 1998, 57, 58 und 16. März 1998 - [X.] 13/97 - NJW-RR 1998, 1599, 1600).
Da sich die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Auswahlmaßstä-be hier erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist herausgestellt hat, konnten die Bewerber nicht mehr ohne weiteres ergänzende Leistungen und Nachweise in das Verfahren einbringen, um so ihre fachliche Eignung entsprechend den nunmehr zu beachtenden verfassungsrechtlichen Vor-gaben bei der Auswahlentscheidung zu belegen. Dabei versteht es sich keineswegs von selbst, dass - auch wenn nur der verbliebene [X.] in den Blick genommen wird - bei einer erneuten Ausschreibung kein wesentlich davon abweichendes Ergebnis zu erwarten wäre (so 22 - 15 -

aber wohl [X.] 2005, 88, 90). Es ist allein im Hinblick auf die bisherige Deckelung anrechenbarer Beurkundungen schon [X.], ob für das erste Bewerbungsverfahren nur die bereits eingereichten Nachweise zur Verfügung gestanden haben (vgl. dagegen aber [X.], [X.]. 2005, 41, 52). Jedenfalls hinsichtlich der jetzt mit weitaus höherem Gewicht als bisher zu berücksichtigenden sonstigen notarspezi-fischen Qualifikationsmerkmale ist das wenig wahrscheinlich.
Statt hier eine - unter Umständen schwierige - Abgrenzung zwi-schen neuen, durch § 6b Abs. 4 [X.] präkludierten Umständen und le-diglich zusätzlichen, durch die Rechtsprechung des [X.] veranlassten nachträglichen Erläuterungen vor allem der notar-spezifischen Bezüge der anwaltlichen Tätigkeit vorzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. November 2004 aaO) oder auf etwaige [X.] in den vorigen Stand mit unterschiedlichen Erfolgschancen zu setzen (§ 6b Abs. 3 [X.]; vgl. Senat, Beschluss vom 3. November 2003 aaO S. 453), war es der Justizverwaltung nicht verwehrt, das [X.] insgesamt neu zu eröffnen, um sich von der Prüfung und Entscheidung im Einzelfall und möglichen daran knüpfenden Rechtsmit-telverfahren zu entlasten. Auf diese Weise vermag sie zwischen den [X.] Chancengleichheit herzustellen (Art. 12, 3, 33 Abs. 2 GG) und ihre Gleichbehandlung bezüglich der von ihnen vorzuweisenden [X.] über eine sachlich gleichmäßige materielle und formelle Verfahrens-grundlage zu gewährleisten (vgl. Senat, Beschluss vom 3. November 2003 aaO). Zugleich schafft sie damit eine vollständige Beurteilungs-grundlage, die eine fehlerfreie Auswahlentscheidung sicherstellt. [X.] werden damit zu erwartende Folgestreitigkeiten vermieden, ob die Auswahl das gesamte ursprüngliche Bewerberfeld mit einzubeziehen [X.]

der nur unter den noch Verbliebenen zu erfolgen hat (vgl. dazu [X.], aaO S. 671). Es war daher jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft, bei die-ser Sachlage einer neuen Ausschreibung den Vorzug zu geben, um die erkennbaren Schwierigkeiten bei der sonst anstehenden Umstellung auf eine individuelle Eignungsprognose ([X.] 110, 304, 327 ff., 336 ff.; vgl. dazu [X.], aaO) zu umgehen.
Diese Vorgehensweise ist auch nicht mit einer verfassungsrecht-lich bedenklichen Probeausschreibung zur Sichtung von Bewerbern (vgl. [X.] D[X.] 2002, 891, 894) zu vergleichen, sondern mit einem ver-änderten Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle, das im öffent-lichen Dienst eine Neuausschreibung regelmäßig rechtfertigen oder [X.] gebieten kann (vgl. BVerwGE 115, 58, 60 f.; [X.], [X.] 2004, 205 f. und NVwZ-RR 2002, 52 f.). Veränderungen im Anforde-rungsprofil und Neugewichtungen der für den Zugang zu dem Amt gel-tenden [X.] können den [X.] in ähnlicher Weise beeinflussen. Ein Abbruch des zunächst begonnenen Besetzungsverfah-rens mit anschließendem Neubeginn, um gleiche Ausgangsvorausset-zungen für den alten wie den neuen [X.] zu schaffen, ist aus diesem Gesichtspunkt ebenfalls insgesamt nicht zu beanstanden. 24 Befürchtungen, dass damit das [X.] faktisch aufgeho-ben würde, die Konturen eines Bewerbungsverfahrens durch die Suche nach dem bestmöglichen Bewerber aufgeweicht würden und jedweder Fehler bei einer Auswahlentscheidung künftig den Abbruch und die [X.] zur Folge haben würde, was zu einem Stillstand der Rechtspflege im [X.] mit nicht absehbaren wirtschaftlichen und personellen Konsequenzen führen könnte, sind angesichts der [X.] - 17 -

ren Situation für die Justizverwaltung, aus verfassungsrechtlichen Grün-den bislang allgemeingültige Auswahlkriterien anpassen bzw. ändern zu müssen, unbegründet.
[X.]) Die Entscheidung der Justizverwaltung, im Rahmen der ihr zu-stehenden Organisationsgewalt das Besetzungsverfahren abzubrechen und eine - für weitere Bewerber offene - neue Ausschreibung vorzuneh-men, erweist sich gegenüber der Antragstellerin auch als verhältnismä-ßig. 26 Ihr wird dadurch keine schon verfestigte Rechtsposition genom-men. Gegenüber dem Beteiligten zu 1) als zunächst allein noch verblie-benem Mitbewerber war sie nicht favorisiert. Das daraufhin von ihr ange-strengte Konkurrentenschutzverfahren konnte allein weder einen [X.] schaffen, dass die ausgeschriebene Stelle letztlich doch ihr übertragen werde, noch, dass es bei diesem [X.] bis zum Schluss verbleiben werde. Ändern sich aus verfassungsrechtlichen Gründen während eines laufenden Verfahrens die für die [X.] von der Justizverwaltung allgemein angewandten und den potentiellen Bewerbern als verbindlich vorgegebenen materiell-recht-lichen Beurteilungskriterien erheblich - wie hier durch die Entscheidung des [X.] festgestellt -, gibt es für ein etwaiges von Bewerbern gebildetes Vertrauen, es werde auch dann in Fortführung des Verfahrens bei dem noch verbliebenen [X.] verbleiben, keine Grundlage mehr. Das dahingehende Interesse der Antragstellerin kann sich gegenüber dem gegenläufigen Interesse von Konkurrenten, die auf der Basis verfassungswidriger Maßstäbe unterlegen sind oder sich erst gar nicht beworben haben, nicht durchsetzen. Daran ändert es auch 27 - 18 -

nichts, dass bereits erfolgte Besetzungen von gleichzeitig ausgeschrie-benen Stellen nach bekannt werden der Entscheidung des [X.] nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Dies ist aus Gründen der Ämterstabilität hinzunehmen (vgl. Senat [X.]Z 160, 190, 194 m.w.N.), vermag aber einen Vertrauensschutz für die Antrag-stellerin nicht zu begründen. Dabei ist schon wegen der aus Gründen der Bestenauslese in dieser Situation beachtenswerten Öffnung des Bewer-berkreises für alle potentiellen Kandidaten ohne Belang, ob sich die [X.] bei richtiger Gewichtung der Auswahlkriterien im ursprüngli-chen Verfahren als aussichtsreichste Bewerberin erwiesen hätte. [X.] gilt für ihre in Aus- und Fortbildung mit Blick auf das angestrebte Amt getätigten persönlichen und finanziellen Investitionen. Insoweit sind alle Bewerber gleichermaßen betroffen. Diese erfolgreichen Weiterbil-dungsmaßnahmen können zudem auch im neuen Auswahlverfahren [X.] werden. [X.]) Schließlich erlauben auch die weiteren gegen die [X.] der Justizverwaltung geltend gemachten Erwägungen keine [X.] Beurteilung. 28 Die Rechtsprechung des [X.] enthält keine konkreten Vorgaben, wie zu verfahren ist ([X.] 110, 304, 326 ff.; [X.] NJW 2005, 50 f.). Auch der Rechtsprechung des Senats ist nichts anderes zu entnehmen. In seinem bereits mehrfach angeführten Beschluss vom 22. November 2004 hatte er lediglich über die [X.] in einem fortgesetzten Verfahren zu befinden; die hier aufgeworfene Frage stellte sich nicht. 29 - 19 -

Unerheblich ist ferner, inwieweit auch gegenüber § 17 [X.] [X.] n.F. verfassungsrechtliche Bedenken bestehen könnten; auf die Ent-scheidung, das Verfahren abzubrechen, ist die später erfolgte Änderung der [X.] [X.] ohne Einfluss. 30 Die Justizverwaltung war auch nicht aus Gründen so genannter [X.] (vgl. Senat, Beschluss vom 31. März 2003 aaO [X.] ff.) - unabhängig davon, inwieweit sich daraus subjektive Rechte ableiten lassen - gehalten, von einem Abbruch des Besetzungsverfah-rens Abstand zu nehmen. Es besteht vorliegend kein Anhalt, dass durch 31 - 20 -

die mit einem neuen Verfahren verbundene Verzögerung eine geordnete Altersstruktur nicht mehr erreichbar ist.
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[X.]

[X.] Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 12.05.2005 - 2 VA (Not) 25/04 -

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NotZ 34/05

28.11.2005

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2005, Az. NotZ 34/05 (REWIS RS 2005, 611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 611

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