Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.04.2010, Az. VII B 84/09

7. Senat | REWIS RS 2010, 7266

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Gegenstand

Verhandlung in Abwesenheit trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens - Überraschungsentscheidung


Leitsatz

1. NV: Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör wird nicht dadurch verletzt, dass das FG aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat, zu der der Kläger nicht erschienen war .

2. NV: Selbst im Falle einer Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers kann eine Verletzung rechtlichen Gehörs nur dann vorliegen, wenn das FG das Ausbleiben als Verletzung der Mitwirkungspflicht angesehen und die Klageabweisung gerade darauf gestützt hat .

3. NV: Eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und die richterliche Hinweispflicht liegen nicht vor, wenn das Gericht möglicherweise fehlende spezielle Rechtskenntnisse eines durch einen Steuerberater vertretenen Beteiligten nicht durch richterliche Hinweise vor der Verhandlung ausgleicht .

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist bei Zweifeln an der nach § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) gebotenen Darlegung eines Zulassungsgrundes jedenfalls unbegründet.

2

Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügten Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O liegen nicht vor.

3

a) Das Finanzgericht ([X.]) hat den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 [X.]O) nicht dadurch verletzt, dass es aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat, zu der der Kläger nicht erschienen war. Im Streitfall war der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, so dass für eine Terminsverlegung wegen seiner persönlichen Verhinderung keine Veranlassung bestand. Tatsächlich war der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auch anwesend. Da nach der insoweit maßgeblichen Auffassung des [X.] das persönliche Erscheinen des [X.] zur weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich war und es dementsprechend sein persönliches Erscheinen nicht gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 [X.]O angeordnet hatte, stand sein Nichterscheinen einer Verhandlung und Entscheidung nicht entgegen. Denn wie sich aus § 91 Abs. 2 [X.]O ergibt, kann grundsätzlich sogar ohne einen Beteiligten verhandelt und entschieden werden. Im Übrigen könnte selbst im Falle einer Anordnung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 [X.]O eine Verletzung rechtlichen Gehörs nur dann vorliegen, wenn das [X.] das Ausbleiben als Verletzung der Mitwirkungspflicht angesehen und die Klageabweisung gerade darauf gestützt hätte (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 2. Juni 2008 [X.]/07 (PKH), [X.], 1853). So liegt es hier offensichtlich nicht.

4

b) Eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 [X.]O) liegt nur vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste. Das [X.] hat, wie der Kläger selbst einräumt, die Streitsache in der mündlichen Verhandlung besprochen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die richterliche Hinweispflicht des § 76 Abs. 2 [X.]O verlangen jedoch nicht, dass das Gericht die maßgebenden Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend erörtert oder sogar die einzelnen für die Entscheidung erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Gesichtspunkte im Voraus andeutet ([X.] vom 5. April 2006 [X.], [X.], 1497). Auch ist das Gericht nicht verpflichtet, möglicherweise fehlende spezielle Rechtskenntnisse eines durch einen Steuerberater vertretenen Beteiligten durch richterliche Hinweise vor der Verhandlung auszugleichen.

Meta

VII B 84/09

26.04.2010

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 17. Dezember 2008, Az: 6 K 245/06 AO, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 76 Abs 2 FGO, § 80 Abs 1 S 1 FGO, § 91 Abs 2 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.04.2010, Az. VII B 84/09 (REWIS RS 2010, 7266)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7266

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