Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 02.06.2010, Az. 7 ABR 24/09

7. Senat | REWIS RS 2010, 6196

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Gegenstand

Kosten der Schwerbehindertenvertretung - pauschale Aufwandsdeckung


Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des [X.] vom 17. November 2008 - 2 [X.]/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der zu 2. beteiligte Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Antragsteller jährlich eine pauschalierte sog. Aufwandsdeckung nach den in [X.] geltenden personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen zur Verfügung zu stellen.

2

Der Arbeitgeber ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit in [X.], welche als Kommunalverband im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung regionale Aufgaben wahrnimmt. Im Dezernat 9 des Arbeitgebers sind 79 schwerbehinderte Menschen und diesen gleichgestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 des Personalvertretungsgesetzes für das Land [X.] ([X.] NW) sind dem Personalrat zur Deckung der ihm als Aufwand entstehenden Kosten Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Höhe dieser sog. Aufwandsdeckung beträgt nach der Verordnung über die Höhe der Aufwandsdeckung für Personalvertretungen in [X.] ([X.]) in Dienststellen mit mehr als 20 bis zu 100 Beschäftigten jährlich 76,70 Euro.

3

Mit dem am 7. November 2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Antragsteller „als Vertrauensmann der Schwerbehinderten im Dezernat 9“ zunächst für das [X.] die Zahlung einer Aufwandsdeckung [X.]. 76,70 Euro begehrt. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2008 hat er dieses Begehren auch auf das [X.] erstreckt. Der Antragsteller beruft sich darauf, er habe im Hinblick auf die [X.] des § 96 Abs. 3 Satz 1 [X.] ebenso wie der Personalrat nach den einschlägigen landespersonalvertretungsrechtlichen Bestimmungen einen Anspruch auf pauschalierte Aufwandsdeckung. Ein solcher folge im Übrigen auch aus dem Erlass des Finanzministeriums des [X.] [X.] vom 11. Juni 2002 und aus der vom Innenministerium des [X.] [X.] aufgestellten Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen ([X.]) im öffentlichen Dienst im Land [X.].

4

Der Antragsteller hat beantragt,

        

den Arbeitgeber zu verpflichten, an ihn eine Aufwandsdeckung von 76,70 Euro für das [X.] sowie eine Aufwandsdeckung von 76,70 Euro für das [X.] zu zahlen.

5

Der Arbeitgeber hat [X.] beantragt und die Auffassung vertreten, dem Antragsteller stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

6

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das [X.] hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er sein Zahlungsbegehren weiterverfolgt. Der Arbeitgeber beanstandet die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde und beantragt deren Zurückweisung.

7

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen den Antrag abgewiesen.

8

I. Entgegen der Rüge des Arbeitgebers ist die Rechtsbeschwerde fristgemäß eingelegt. Der Beschluss des [X.] wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ausweislich der Postzustellungsurkunde am 6. Februar 2009 zugestellt; die Rechtsbeschwerde wurde am 4. März 2009 und damit rechtzeitig iSv. § 92 Abs. 2 Satz 1, § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eingelegt.

9

II. Die von den Vorinstanzen problematisierten Fragen der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen und des Beschlussverfahrens sind vom Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 93 Abs. 2 ArbGG iVm. § 65 ArbGG nicht zu prüfen.

III. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

1. Der Antrag ist zulässig. Antragsteller ist die beim Dezernat 9 des Arbeitgebers gebildete Schwerbehindertenvertretung als Gremium und nicht etwa deren - einziges - Mitglied. Dies ergibt die gebotene Auslegung der Bezeichnung des Antragstellers. Maßgeblich ist insoweit der geäußerte Wille, wie er aus Antrag, Begründung und sonstigen Umständen erkennbar wird. Die namentliche Benennung als „Vertrauensmann der Schwerbehinderten“ in der Terminologie des bis zum 30. Juni 2001 geltenden Schwerbehindertengesetzes meint die Interessenvertretung der schwerbehinderten Menschen. Dies folgt insbesondere daraus, dass sich der Antragsteller auf die landespersonalvertretungsrechtlichen Regelungen zu den Kosten des Personalrats beruft.

2. Der Antrag ist unbegründet. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, dem Antragsteller die begehrte Aufwandsdeckung zur Verfügung zu stellen.

a) Ein Anspruch des Antragstellers folgt nicht aus § 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] NW iVm. § 1 Nr. 2 [X.]. Die Bestimmungen sind auf die Schwerbehindertenvertretung weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

aa) Die Schwerbehindertenvertretung hat keinen Anspruch auf die für den Personalrat in § 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] NW vorgesehene Aufwandsdeckung. Die Bestimmung ist auf die Schwerbehindertenvertretung nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut nicht unmittelbar anwendbar.

bb) Eine analoge Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] NW auf die Schwerbehindertenvertretung ist nicht gerechtfertigt. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat in § 96 Abs. 8 und 9 [X.] abschließende Regelungen zur Pflicht der Kostentragung für die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung und zu ihrer Ausstattung getroffen. Im Übrigen könnte bereits aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz eine Lücke in einem Bundesgesetz nicht durch die entsprechende Anwendung einer landesrechtlichen Regelung geschlossen werden.

b) Ein Anspruch der Schwerbehindertenvertretung auf Aufwandsdeckung folgt auch nicht aus § 96 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Die Vorschrift gilt nicht für die Schwerbehindertenvertretung als Organ, sondern ausschließlich für die Vertrauensperson als deren Mitglied. Nach § 96 Abs. 3 Satz 1 [X.] besitzen die Vertrauenspersonen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates (§ 96 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Wie Wortlaut und Systematik des § 96 [X.] (und ebenso der Vorgängervorschrift des § 26 [X.]) zeigen, unterscheidet der Gesetzgeber zwischen der amtsbezogen-personalisierten Stellung „der Vertrauenspersonen“ (§ 96 Abs. 1 bis 7 [X.]) und den Kosten für die Tätigkeit sowie dem Raum- und Geschäftsbedarf „der Schwerbehindertenvertretung“ (§ 96 Abs. 8 und 9 [X.]). Dies entspricht der Regelungssystematik personalvertretungs- und betriebsverfassungsrechtlicher Bestimmungen, welche einerseits Rechte und Pflichten der Mitglieder der Beschäftigtenvertretungen (wie zB in § 15 [X.], § 37 [X.] oder §§ 42, 43 [X.] NW) und andererseits der Beschäftigtenvertretungen als Organ festlegen (wie zB in §§ 103, 40 [X.] oder § 40 [X.] NW).

c) Entgegen der Auffassung des Antragstellers gebietet Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass die für den Personalrat in § 40 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] NW vorgesehene Aufwandsdeckung jedenfalls in [X.] auch an die Schwerbehindertenvertretung zu zahlen wäre. Die Schwerbehindertenvertretung ist eine andere Interessenvertretung als der Personalrat; sie hat andere Aufgaben und muss nicht in jeglicher Hinsicht mit dem Personalrat gleich behandelt werden. Der auf keiner gestaltenden Maßnahme des Arbeitgebers, sondern auf [X.] beruhende Unterschied dahin gehend, dass dem Personalrat ein pauschalierter Betrag zur Verfügung gestellt wird, während die Schwerbehindertenvertretung die erforderlichen Kosten ihrer Tätigkeit sowie ihren Geschäftsbedarf nach § 96 Abs. 8 und 9 [X.] verlangen kann, ist im Übrigen keine Schlechterstellung. Dem Antragsteller werden die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten nicht aufgebürdet; er hat diese lediglich einzeln nachzuweisen.

d) Auch auf den Erlass des Finanzministeriums des [X.] [X.] vom 11. Juni 2002 kann der Anspruch nicht gestützt werden. Dieser Erlass enthält Ausführungen zu den [X.] für die Schwerbehindertenvertretungen und nimmt Bezug auf § 96 Abs. 8 [X.]. Kostenpauschalierungsabsprachen oder einseitige Festlegungen des Arbeitgebers über Pauschbeträge zur Erfüllung seiner Kostentragungspflicht nach § 96 Abs. 8 [X.] sind zwar grundsätzlich zulässig (GK-[X.]/[X.] Stand April 2010 § 96 Rn. 206). Der im vorliegenden Verfahren beteiligte Arbeitgeber hat aber weder eine solche Vereinbarung noch eine solche Festlegung getroffen. Das Finanzministerium des [X.] [X.] hat keine den beteiligten Kommunalverband bindende Bestimmung erlassen.

e) Die vom Antragsteller in Bezug genommene „Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen ([X.]) im öffentlichen Dienst im Land [X.]“ ist vom Innenministerium des [X.] [X.] aufgestellt worden und gilt nach ihrer Ziffer 1.2 für die „Dienststellen des [X.]“ und nicht für den zu 2. beteiligten Arbeitgeber.

IV. Im Übrigen hätte der Antrag auch dann keinen Erfolg, wenn Antragsteller nicht die Schwerbehindertenvertretung als Gremium, sondern deren einziges Mitglied wäre. Auch dieses hätte keinen Anspruch nach § 96 Abs. 3 Satz 1 [X.] auf pauschalierte Aufwandsdeckung gemäß § 40 Abs. 2 [X.] NW. Wie sich aus der Formulierung „insbesondere“ in § 96 Abs. 3 Satz 1 [X.] ergibt, ist die persönliche Rechtsstellung zwar nicht auf den Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz beschränkt. Es handelt sich vielmehr um eine Generalklausel, durch die die Vertrauenspersonen den Mitgliedern anderer Beschäftigtenvertretungen in jeglicher Hinsicht gleichgestellt sind (unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte der nahezu wortgleichen Vorgängerregelungen in § 23 Abs. 3 [X.] bzw. sodann § 26 Abs. 3 Satz 1 [X.]: [X.] 14. August 1986 - 6 [X.] - [X.]E 52, 335). Zur „persönlichen Rechtsstellung“ können daher Geldleistungsansprüche zählen, wenn sie [X.]ern zustehen (hierzu: [X.] 14. August 1986 - 6 [X.] - aaO [für die den freigestellten [X.]ern zustehende monatliche Aufwandsentschädigung nach § 46 Abs. 5 BPersVG]). § 40 Abs. 2 [X.] NW betrifft aber nicht die persönliche Rechtsstellung von [X.]ern. Die Aufwandsdeckung steht dem Personalrat als Organ und nicht - wie etwa die Aufwandsentschädigung nach § 46 Abs. 5 BPersVG - dem [X.] zu. Ebenso wenig wie ein [X.] die Aufwandsdeckung beanspruchen könnte ([X.]/Welkoborsky [X.] NW 5. Aufl. § 40 Rn. 29), kann es daher die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen.

        

    Linsenmaier    

        

    Gräfl    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Bea    

        

    Glock    

                 

Meta

7 ABR 24/09

02.06.2010

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Köln, 17. Juni 2008, Az: 14 BV 268/07, Beschluss

§ 96 Abs 3 S 1 SGB 9, § 40 Abs 2 S 1 PersVG NW 1974, § 133 BGB, § 157 BGB, § 81 Abs 1 ArbGG, § 96 Abs 8 S 1 SGB 9, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 02.06.2010, Az. 7 ABR 24/09 (REWIS RS 2010, 6196)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6196


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 7 ABR 24/09

Bundesarbeitsgericht, 7 ABR 24/09, 02.06.2010.


Az. 14 BV 268/07

Arbeitsgericht Köln, 14 BV 268/07, 17.06.2008.


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13 TaBV 72/10

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