Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2005, Az. 2 StR 4/05

2. Strafsenat | REWIS RS 2005, 2965

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[X.] vom 22. Juni 2005 in der Strafsa[X.]he gegen

wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in ni[X.]ht

geringer Menge u.a.
- 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und na[X.]h Anhörung des Bes[X.]hwerdeführers am 22. Juni 2005 be-s[X.]hlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das [X.]eil des [X.] vom 18. August 2004 wird als unbegründet verworfen, da die Na[X.]hprüfung des [X.]eils auf Grund der [X.] keinen Re[X.]htsfehler zum Na[X.]hteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Soweit die Revision mit der Verfahrensrüge beanstandet, daß die Verurteilung in vers[X.]hiedenen Fällen allein oder wesentli[X.]h auf den dur[X.]h die Aussage des Vernehmungsbeamten eingeführten Angaben des Belastungszeugen [X.] beruht, den der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt des gegen ihn geführten [X.] habe befragen können, und damit die Verletzung des Fragere[X.]hts na[X.]h Artikel 6 Absatz 3 Bu[X.]hstabe d) [X.] geltend gema[X.]ht wird, bemerkt der [X.] ergänzend:

Artikel 6 Absatz 3 Bu[X.]hstabe d) [X.] garantiert das Re[X.]ht des Ange-klagten, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen. Zeuge in diesem Sinn kann au[X.]h der Mitbes[X.]huldigte sein, der - wie hier der Zeuge [X.]- in seinem Ermittlungsverfahren als Bes[X.]huldigter ausgesagt hat. [X.] ist es ni[X.]ht zwingend erforderli[X.]h, daß der Zeuge in der Hauptverhandlung befragt werden kann, dies kann in ausrei[X.]hender Weise au[X.]h in einem [X.] ges[X.]hehen. Ist der Zeuge jedo[X.]h ledigli[X.]h im Vorver-fahren oder sonst außerhalb der Hauptverhandlung vernommen worden, muß - 3 - dem Angeklagten entweder zu dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge seine Aussa-ge ma[X.]ht, oder in einem späteren Verfahrensstadium - eine angemessene und geeignete Gelegenheit gegeben werden, den Zeugen selbst zu befragen oder befragen zu lassen. Dies war dem Angeklagten hier ni[X.]ht mögli[X.]h, da der Zeuge [X.]na[X.]h [X.] Festnahme im September 2003 und dana[X.]h no[X.]h im November 2003 ledig-li[X.]h als Bes[X.]huldigter polizeili[X.]h vernommen wurde - wobei er umfangrei[X.]he, ihn selbst, aber au[X.]h den Angeklagten belastende Angaben ma[X.]hte - und si[X.]h in der Hauptverhandlung im Verfahren gegen den Angeklagten auf sein [X.] na[X.]h § 55 StPO berufen hat. Daß der Vernehmungsbeamte als mit-telbarer Zeuge befragt werden konnte, rei[X.]ht zur Wahrung des dur[X.]h die [X.] garantierten Fragere[X.]hts ni[X.]ht aus. Daß eine Konfrontation des Ange-klagten mit dem Zeugen ni[X.]ht erfolgt ist, führt jedo[X.]h ni[X.]ht ohne weiteres zur Annahme eines Konventionsverstoßes. Ein Konventionsverstoß ist na[X.]h [X.] Re[X.]htspre[X.]hung des Europäis[X.]hen Geri[X.]htshofs für Mens[X.]henre[X.]hte und des [X.] ni[X.]ht gegeben, wenn die Verteidigungsre[X.]hte, deren Verletzung geltend gema[X.]ht wird, insgesamt angemessen gewahrt wurden, das Verfahren in seiner Gesamtheit fair war. Dies erfordert eine besonders sorgfäl-tige und kritis[X.]he tatri[X.]hterli[X.]he Beweiswürdigung. Auf die Angaben des [X.], der von dem Angeklagten ni[X.]ht befragt werden konnte, kann eine Fest-stellung regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn diese Bekundungen dur[X.]h andere wi[X.]htige Gesi[X.]htspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden ([X.], Fälle [X.], 193, 194; Kostovski [X.] 1991, 406, 407; [X.] 1991, 425, 426; [X.] EuGRZ 1992, 474, 475; [X.] & Santan-gelo ÖJZ 1997,151; [X.], [X.]eil vom 27. Februar 2001, [X.]. 3354/96; [X.], [X.]eil vom 13. Februar 2004 Reg.-Nr. 71846/01; [X.] NJW 2003, - 4 - 2297; [X.]St 46, 93, 103 f.; [X.]R MRK Art. 6 III d Fragere[X.]ht 2; [X.], [X.]. vom 3. Dezember 2004 - 2 [X.]).

Diesen Anforderungen wird das angefo[X.]htene [X.]eil gere[X.]ht:

1. Entgegen der Auffassung der Revision liegt eine der Justiz [X.] vorwerfbar unterbliebene Konfrontation des Angeklagten mit dem [X.] ni[X.]ht s[X.]hon darin, daß na[X.]h der polizeili[X.]hen Bes[X.]huldigtenvernehmung des Zeugen [X.]ni[X.]ht no[X.]h eine ri[X.]hterli[X.]he Zeugenvernehmung [X.] hat, bei der der Angeklagte oder sein Verteidiger hätten teilnehmen können.

Der Zeuge wurde unmittelbar na[X.]h seiner Festnahme im September 2003 und dana[X.]h no[X.]h im November 2003 als Bes[X.]huldigter polizeili[X.]h ver-nommen und hat dabei umfangrei[X.]he, ihn selbst und eine Vielzahl von [X.] belastende Angaben gema[X.]ht. Bei dem polizeili[X.]hen Zugriff im September 2003 wurden au[X.]h der Angeklagte und weitere Personen aus seinem Umfeld festgenommen. Gerade wenn eine umfangrei[X.]he Bandentätigkeit aufzuklären ist, die Ermittlungen si[X.]h gegen eine Vielzahl von Personen - wie hier - ri[X.]hten, bedarf es zunä[X.]hst einer Klärung und Si[X.]htung, gegen wel[X.]he Personen ein Tatverda[X.]ht besteht. S[X.]hon aus praktis[X.]hen Gründen ist es daher häufig ni[X.]ht mögli[X.]h, eine ri[X.]hterli[X.]he Zeugenvernehmung mit den Verfahrensgarantien des § 168 [X.] Abs. 2 StPO in diesem Verfahrensstadium dur[X.]hzuführen. Zwar mag dies zu einem späteren Zeitpunkt mögli[X.]h gewesen sein. Gründe, die [X.] ließen, daß die als Zeuge in Betra[X.]ht kommende Person - hier der Zeuge [X.]- für die Hauptverhandlung ni[X.]ht mehr zur Verfügung stehen würde, etwa dur[X.]h Krankheit, drohende Abs[X.]hiebung o. ä. und die deshalb eine ri[X.]h-- 5 - terli[X.]he Zeugenvernehmung s[X.]hon vor der Hauptverhandlung nahe legten, [X.] jedo[X.]h ni[X.]ht. Ein sol[X.]her Grund kann ni[X.]ht allein darin gesehen wer-den, daß der Zeuge si[X.]h in der Hauptverhandlung auf sein Auskunftsre[X.]ht be-rufen könnte. Dieses Re[X.]ht stand ihm au[X.]h bei jeder vorherigen Zeugenver-nehmung zu. Daß er si[X.]h in einem sol[X.]hen Fall anders als in der [X.] ni[X.]ht auf sein Auskunftsre[X.]ht berufen hätte, ist dur[X.]h ni[X.]hts belegt.

2. [X.] war si[X.]h ersi[X.]htli[X.]h der Problematik bewußt, die si[X.]h aus dem Umstand ergeben hat, daß die Aussage des Zeugen L.

nur mittelbar dur[X.]h die Vernehmung der Verhörsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden konnte. Sie hat seine Aussage ausführli[X.]h gewürdigt und sie dur[X.]h an-dere Beweismittel bestätigt gefunden (zu diesem Erfordernis vgl. [X.]St 46, 93, 106; [X.]R MRK Art. 6 III d Fragere[X.]ht 2; [X.], [X.]. vom 3. Dezember 2004 - 2 [X.]; [X.] NJW 2003, 3142, 3144; vgl. au[X.]h [X.] NJW 2001, 2245, 2246). Daß in den Fällen 8, 9, 14 und 15 der Zeuge [X.]als einziges Beweismittel aufgeführt worden ist, steht dem, wie s[X.]hon der [X.] in seiner Antragss[X.]hrift unter [X.]), b) und [X.]) dargelegt hat, unter den vorliegenden Umständen ni[X.]ht entgegen. Eine isolierte Betra[X.]htung der jeweiligen [X.] würde den Besonderheiten des Falls ni[X.]ht gere[X.]ht:

Der Angeklagte ist wegen bandenmäßigen, in einem Fall au[X.]h [X.] Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in ni[X.]ht geringen Mengen in 17 Fäl-len, wegen Geiselnahme und versu[X.]hter Nötigung verurteilt worden. Alle aus-geurteilten Taten stehen ni[X.]ht nur in einem engen zeitli[X.]hen und räumli[X.]hen Zusammenhang, sondern stellen si[X.]h als mehr oder weniger glei[X.]hförmig [X.] Betätigungen der auf Drogenhandel spezialisierten und von dem [X.] organisierten und angeführten Bande dar. Unter diesen Umständen - 6 - bedarf es einer Gesamts[X.]hau aller zur Verfügung stehenden und verwerteten Beweismittel, da au[X.]h die Beweismittel, die ni[X.]ht unmittelbar den jeweiligen Tatvorwurf belegen, mindestens Indizwert au[X.]h für diese Taten zukommen kann.

[X.] konnte si[X.]h hier bei ihrer Überzeugungsbildung als Grund-lage der Verurteilung des Angeklagten - au[X.]h außerhalb der Aussage des [X.] [X.]- auf eine Vielzahl von Beweismitteln stützen. So hat neben dem Zeugen [X.]insbesondere der Zeuge [X.]zur Ban-denstruktur wie zu einzelnen Taten des Angeklagten als Bandenmitglied in der Hauptverhandlung umfassend ausgesagt. Au[X.]h weitere Bandenmitglieder ha-ben dazu detaillierte und umfangrei[X.]he Angaben gema[X.]ht, die, soweit sie in der Hauptverhandlung von ihrem Auskunftsre[X.]ht na[X.]h § 55 StPO Gebrau[X.]h gema[X.]ht haben, dur[X.]h die Aussagen von Vernehmungsbeamten in die [X.] eingeführt wurden. Soweit die Revision meint, au[X.]h hinsi[X.]htli[X.]h dieser Zeugen liege eine Verletzung des Fragere[X.]hts na[X.]h Artikel 6 Absatz 3 Bu[X.]hstabe d) [X.] vor, ihnen komme deshalb ebenfalls nur ein geringerer Beweiswert zu, ist diese Beanstandung, wie der [X.] zutref-fend ausgeführt hat, ni[X.]ht in der erforderli[X.]hen Form geltend gema[X.]ht worden. Unabhängig davon sind etwa Verkäufe von Bandenmitgliedern dur[X.]h einen als V-Mann eingesetzten in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen bestätigt worden, zudem standen der Kammer Erkenntnisse aus Telefonüberwa[X.]hungen und Dur[X.]hsu[X.]hungen zur Verfügung. S[X.]hließli[X.]h ist au[X.]h dur[X.]h die teilgestän-dige Einlassung des Angeklagten selbst seine Einbindung in die [X.] bewiesen. So hat er eingeräumt, daß er einer der Teilnehmer eines überwa[X.]hten Telefongesprä[X.]hs war, bei dem es um Drogenhandel ging. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen [X.]ist mithin dur[X.]h eine Vielzahl weiterer Be-- 7 - weismittel bestätigt worden, die seine Aussage insgesamt, wenn au[X.]h ni[X.]ht in allen Einzelheiten stützen und selbständigen Beweiswert haben. Ein Konventi-onsverstoß liegt unter diesen Umständen ni[X.]ht vor.
- 8 - Der Bes[X.]hwerdeführer hat die Kosten des Re[X.]htsmittels zu tragen.
Rissing-van Saan Bode

Otten

Rothfuß

Roggenbu[X.]k

Meta

2 StR 4/05

22.06.2005

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2005, Az. 2 StR 4/05 (REWIS RS 2005, 2965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2965

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