Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.07.2000, Az. 1 StR 169/00

1. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1559

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Nachschlagewerk: ja[X.]St: ja[X.]: ja______________________StPO § 141 Abs. 3, [X.]. 6 Abs. 3 Buchst. [X.] Ist abzusehen, daß die Mitwirkung eines Verteidigers im gerichtlichen [X.] sein wird, so ist § 141 Abs. 3 StPO im Lichte des von Art. 6 Abs. 3Buchst. [X.] garantierten [X.] dahin auszulegen, daß dem unvertei-digten Beschuldigten vor der zum Zwecke der Beweissicherung durchgeführtenermittlungsrichterlichen Vernehmung des zentralen Belastungszeugen ein [X.] zu bestellen ist, wenn der Beschuldigte von der Anwesenheit bei dieserVernehmung ausgeschlossen ist.2. Der Verteidiger muß regelmäßig Gelegenheit haben, sich vor der Vernehmung mitdem Beschuldigten zu [X.] [X.] mindert den Beweiswert [X.]. Auf die Angaben des [X.] kann eineFeststellung regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn diese [X.] andere wichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden.[X.], [X.]. vom 25. Juli 2000 - 1 StR 169/00 - [X.] NAMEN DES VOLKESURTEIL1 StR 169/00vom25. Juli 2000in der [X.] 2 -gegenwegen Vergewaltigung u.a.- 3 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 25. Juli 2000,an der teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.] [X.] am [X.]. [X.],[X.],[X.],[X.],[X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwälte , und Rechtsanwältin als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 4 -Auf die Revision des Angeklagten wird das [X.]eil des [X.] vom 16. Dezember 1999 mit den [X.] aufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammerdes [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Sexualdelikten (u.a. Ver-gewaltigung) zum Nachteil seiner Tochter zu einer Gesamtfreiheitsstrafe vonfünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer auf den [X.] gegen das faire Verfahren (Art. 6 Abs. 3 Buchst. [X.]) gestützten Ver-fahrensrüge Erfolg.[X.] für die Überführung des die Tat bestreitenden Angeklagten istdie Aussage der Geschädigten vor dem Ermittlungsrichter. Dieser wurde [X.] gehört, nachdem die Geschädigte in der Hauptverhandlung von ihremZeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht [X.] 5 -Die Revision macht mit einer Verfahrensrüge geltend, die ermittlungs-richterliche Vernehmung leide an einem schwerwiegenden Mangel. Bei [X.] der Geschädigten habe der Ermittlungsrichter den nicht in [X.] befindlichen und noch nicht verteidigten Angeklagten nach § 168c Abs. 3StPO von der Anwesenheit ausgeschlossen und zugleich nach § 168c Abs. 5Satz 2 StPO angeordnet, daß eine Benachrichtigung von dem [X.] zu unterbleiben habe. Eine Verteidigerbestellung vor der [X.] nicht erfolgt. Gleichwohl habe das [X.] die Verurteilung entschei-dend auf die Bekundungen der Geschädigten vor dem Ermittlungsrichter ge-stützt, wobei keine anderen wichtigen Beweismittel vorgelegen hätten. In [X.] liege ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. [X.] in [X.] mit § 141 Abs. 3 StPO. Die Revision bezieht sich insoweit auf die Ent-scheidung des [X.] vom 24. No-vember 1986 ([X.], 147 [X.] Fall Unterpertinger).Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:Anfang November 1997, kurz nach der letzten Tat, flüchtete die Ge-schädigte zu ihrer Tante, der sie von dem sexuellen Mißbrauch berichtete. [X.] erstattete am 7. November 1997 Strafanzeige. Gegen den [X.] daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der [X.] eingeleitet. Noch am selben Tage wurde die Geschädigte polizei-lich vernommen. Am 8. November 1997 wurde der Angeklagte vorläufig festge-nommen und [X.] nach Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO [X.] polizeilichvernommen. Am 9. November 1997 erließ das Amtsgericht Haftbefehl. [X.] wurde eine Vielzahl von Vergehen des sexuellen Mißbrauchs ei-nes Kindes und von Verbrechen der sexuellen Nötigung und der [X.] 6 -gung zur Last gelegt. Bei der am selben Tag erfolgten Anhörung durch [X.] wurde der Angeklagte fldarüber belehrt, daß er, bevor er sich [X.] zum Vorwurf Stellung zu nehmen, einen Anwalt seiner Wahl zu [X.] könne". Der Angeklagte äußerte sich dazu nicht. Zu den gegen ihn er-hobenen Vorwürfen machte er keine Angaben.Noch bevor der Angeklagte einen Verteidiger beauftragt hatte, stellte [X.] am 10. November 1997 beim Amtsgericht den Antrag, [X.] richterlich zu vernehmen. Dabei sollte der Angeklagte nach§ 168c Abs. 3 StPO von der Anwesenheit ausgeschlossen werden; auch [X.] sollte unterbleiben. Diesem Antrag folgte der Ermittlungs-richter und vernahm die Geschädigte am selben Tag. Die Geschädigte machtenach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht Angaben, die den Ange-klagten belasteten.Am 17. November beauftragte der Angeklagte einen Rechtsanwalt mitseiner Verteidigung, der sich am Folgetag beim Amtsgericht legitimierte undum alsbaldige Akteneinsicht und vorab um die Einsichtnahme in die privile-gierten Aktenteile nach § 147 Abs. 3 StPO bat. Mitte Dezember 1997 gab [X.] dem Verteidiger Gelegenheit, das Protokoll der richterlichenVernehmung der Geschädigten einzusehen. Vollständige Akteneinsicht erhieltder Verteidiger erst Anfang April 1998. Im Rahmen eines [X.] wies der Verteidiger am 20. März 1998 darauf hin, daß es unklar sei,ob die Geschädigte in der Hauptverhandlung zur Verfügung stehen würde.Wenn dieser Fall eintreten würde, hätte der Angeklagte keine Möglichkeit zurBefragung der Zeugin gehabt, zumal ihm bei der ermittlungsrichterlichen [X.] der Geschädigten kein Verteidiger bestellt worden sei.- 7 -Am 30. März 1998 wurden die Ehefrau des Angeklagten und die Schwe-ster der Geschädigten auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom [X.] vernommen. Auch von der Anwesenheit bei diesen Vernehmungen wurdeder Angeklagte antragsgemäß ausgeschlossen. Entgegen dem Antrag [X.] wurde jedoch der Verteidiger des Angeklagten von [X.] benachrichtigt; er nahm an den Vernehmungen teil.Vor Beginn der Hauptverhandlung teilten die Geschädigte, ihre Schwe-ster sowie die Ehefrau des Angeklagten dem Gericht mit, sie würden von ihremZeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Das [X.] hat [X.] Ermittlungsrichter als Zeugen gehört, der bekundete, was diese Zeugendes Angeklagten bei ihm ausgesagt hatten. Gegen den vor der [X.] erhobenen Widerspruch des Verteidigers wurde [X.] des Ermittlungsrichters verwertet.[X.] Nach Artikel 6 Abs. 3 Buchstabe d der Konvention zum Schutze [X.] und Grundfreiheiten (der im Wortlaut mit Art. 14 Abs. 3Buchst. [X.] übereinstimmt) hat der Angeklagte das Recht, [X.] anBelastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassenfl.Dieses Fragerecht hat der [X.]([X.]) in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert: [X.]eile vom 24. No-vember 1986 [X.] 1/1985/87/134 [X.] Unterpertinger gegen [X.] = [X.], 147; vom 6. Dezember 1988 [X.] 24/1986/122/171-173 [X.] [X.] gegenSpanien; vom 7. Juli 1989 [X.] 19/1987/142/196 [X.] Bricmont gegen [X.]; vom- 8 -20. November 1989 [X.] 10/1988/154/208 [X.] [X.] gegen Niederlande = [X.], 481; vom 27. September 1990 [X.] 25/1989/185/245 [X.] [X.] gegen[X.] = StV 1991, 193; vom 19. Dezember 1990 [X.] 26/1989/186/246 [X.]Delta gegen [X.]; vom 19. Februar 1991 [X.] 1/1990/192/252 [X.] [X.] ge-gen [X.]; vom 19. März 1991 [X.] 24/1990/215/277 [X.] Cardot gegen [X.]= [X.], 437; vom 26. April 1991 [X.] 30/1990/221/283 [X.] [X.] gegen[X.] = [X.], 474; vom 28. August 1992 [X.] 39/1991/291/362 [X.]Artner gegen [X.] = [X.], 476; vom 20. September 1993 [X.]33/1992/378/452 [X.] [X.] gegen [X.]; vom 26. März 1996 [X.]54/1994/501/583 [X.] [X.] gegen Niederlande und vom 7. August 1996 [X.]48/1995/554/640 [X.] [X.] and [X.] gegen [X.]. Danach gilt:a) Die Garantie des [X.] ist eine besondere Ausformung [X.] des fairen Verfahrens [X.] flspecific aspect of the general concept offair trial [X.] (Fälle Unterpertinger Nr. 29; [X.] Nr. 67; [X.] Nr. 39; [X.] Nr. 23; [X.] Nr. 25; [X.] u.a. [X.]). Dabei wird das [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] als Recht der [X.] insgesamt verstanden ([X.] StV 1996, 471).b) Die Ausgestaltung des [X.] ist primär dem nationalen [X.] (Fälle [X.] Nr. 39; [X.] Nr. 25; [X.] Nr. 26; [X.] Nr. 43;[X.] Nr. 67; siehe auch [X.]St 45, 321 und [X.] in [X.],[X.]. Art. 6 [X.] [X.]. 216). Das gesamte Beweisverfahren muß al-lerdings im Lichte des durch die Konvention garantierten [X.] gesehenwerden: flthe whole matter of the taking and presentation of evidence must belooked at in the light of paragraphs ... 3 of Article 6 of the conventionfl (Fall[X.] Nr. 76).- 9 -Die Vertragsstaaten müssen daher das Fragerecht entsprechend ausge-stalten: [X.] 1 of Article 6 taken together with paragraph 3, also requiresthe Contracting States to take positive steps, in [X.] witnesses against him and to obtain theattendance and examination of witnesses on his behalf under the same condi-tions as witnesses against him" (Fall [X.] Nr. 78).c) Für die Frage eines Konventionsverstoßes kommt es nach ständigerRechtsprechung des [X.] darauf an, ob das Verfahren in seiner Gesamtheit,einschließlich der Art und Weise der Beweiserhebung fair gewesen ist: [X.]™s task is to ascertain whether the proceedings considered as a whole,including the way in which evidence was taken, were fairfl (Fälle [X.]Nr. 89; [X.] Nr. 25; [X.] Nr. 26; [X.] Nr. 43; [X.] Nr. 67; ebenso[X.] aaO Art. 6 [X.] [X.]. 216). Insoweit sind maßgebliche Kriterien:aa) Die Beweisgewinnung muß grundsätzlich in Anwesenheit des Ange-klagten in einer öffentlichen Verhandlung mit dem Ziel einer kontradiktorischenErörterung erfolgen: [X.], [X.] did, [X.] in principle be produced in the presence of the accused at a publichearing with a view to adversarial argumentfl (Fälle [X.] Nr. 78; [X.]Nr. 41; [X.] Nr. 26; [X.]; [X.] Nr. 34; [X.] Nr. 27; [X.] Nr. 43;[X.] u.a. [X.]). Der Angeklagte muß grundsätzlich Zeugen befragenkönnen: [X.] in general [X.] (Fall Bar-berà Nr. 78).bb) Das bedeutet allerdings nicht, daß die Zeugenaussage stets vor [X.] und öffentlich gemacht werden muß; auch kann aus Art. 6 Abs. 3- 10 -Buchst. [X.] kein Recht abgleitet werden, bei der Zeugenvernehmung [X.] anwesend zu sein ([X.], Internationaler Kommentar zur Euro-päischen Menschenrechtskonvention Art. 6 [X.]. 551). Die Verwertung [X.], die im Vorverfahren gemacht wurden, ist als solche nicht konventi-onswidrig (Fälle [X.] Nr. 41; [X.] Nr. 26; [X.]; [X.] Nr. 27;siehe dazu auch [X.]/[X.], E[X.]-Kommentar 2. Aufl. Art. 6 [X.]. [X.] polizeiliche Vernehmungsprotokoll darf als Surrogat verlesen werden(Fälle Unterpertinger Nr. 31; [X.] Nr. 25), und auch die Vernehmungs-personen dürfen als [X.] vernommen werden (Fälle [X.] Nr. 42; [X.] Nr. 25).Bei bestimmten Konstellationen darf auf eine Konfrontation des [X.] dem Angeklagten verzichtet werden, etwa aus Gründen des Zeugenschut-zes (Fälle Unterpertinger Nr. 30; [X.] Nr. 70), oder wenn zu befürchten ist,daß der Zeuge in Gegenwart des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen werde([X.] aaO [X.]. 552). Eine Gegenüberstellung mit dem Belastungszeugen istdaher nicht in jedem Fall zwingend geboten, um die Aussage verwertbar zumachen ([X.] aaO Art. 6 [X.] [X.]. 225; vgl. auch Fälle [X.]. 79, 86; [X.] u.a. Nr. 52).cc) Allerdings muß die Justiz eine solche Einschränkung des [X.]s durch andere Maßnahmen kompensieren: [X.] in appropriate cases the interests of the defence are balancedagainst those of witnesses or victims called upon to testify.... Nevertheless, [X.] 6 para. 1 taken together with Article 6 para. 3 (d) of the Con-vention can be found if it is established that the handicaps under which thedefence laboured were sufficiently counterbalanced by the procedures followed- 11 -by the judicial authorities" (Fall [X.] Nrn. 70, 72; vgl. auch Fall [X.]Nr. 43).Dem Angeklagten muß regelmäßig [X.] entweder zu dem Zeitpunkt, in [X.] Zeuge seine Aussage macht, oder in einem späteren Verfahrensstadium [X.]eine angemessene und geeignete Gelegenheit gegeben werden, den [X.] selbst zu befragen oder befragen zu lassen: [X.], these rightsrequire that an [X.] given an adequate and proper opportunity tochallenge and question a witness against him, either [X.] or at some later stage of the proceedingsfl (Fall [X.] Nr. 41; siehe auch die Fälle Unterpertinger Nr. 31; [X.] Nr. 86;[X.] Nr. 26; [X.]; [X.] Nr. 34; [X.] Nr. 27; [X.] Nr. 43; Ferran-telli u.a. [X.]). [X.] (aaO Art. 6 [X.] [X.]. 227) interpretiert dies zu-treffend dahin, daß dem auch nachträglich, etwa durch eine nochmalige [X.] des Zeugen, Rechnung getragen werden kann. Dabei reicht es nichtaus, nur die [X.] befragen zu können, denn Zeuge im Sinnedes Art. 6 Abs. 3 Buchst. [X.] ist die originäre Auskunftsperson (Fälle [X.] Nr. 40; [X.] Nr. 25; ebenso [X.] StV 1996, 471; [X.] NStZ 1993, 292;[X.] aaO Art. 6 [X.] [X.]. 214, 223).Unter Umständen kann die Einschränkung des [X.] seitens [X.] dadurch kompensiert werden, daß wenigstens der Verteidiger beider Zeugenvernehmung anwesend ist und den Zeugen befragen kann (Fall[X.] Nrn. 68, 73: anonymer Zeuge; [X.] aaO Art. 6 [X.]. 552).dd) Für die Frage eines Konventionsverstoßes ist es auch bedeutsam,ob der Angeklagte auf die Befragung des Zeugen rechtzeitig beantragt hat ([X.] -einerseits die Fälle [X.] Nr. 37; Delta Nr. 37: ausdrücklicher Antrag undandererseits die Fälle Cardot Nr. 35; [X.] Nr. 29: keinen Antrag gestellt; sieheauch [X.] aaO Art. 6 [X.]. 551), und ob die Ablehnung der Befragung [X.] wurde (Fall Bricmont Nr. 89).d) Eine ähnliche Fallgestaltung wie die vorliegende [X.] Rückgriff auf frü-here Bekundungen eines Zeugen, der in der Hauptverhandlung von seinemZeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht [X.] liegt den [X.] Fäl-len Unterpertinger und [X.] zugrunde.aa) [X.] wurde vom [X.] wegenzwei Fällen der Körperverletzung verurteilt. Im ersten Fall hatte er [X.] im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten ([X.] hatte ihn einen [X.] genannt) eine Kratzwunde am [X.]. Im zweiten Fall hatte er seiner Ehefrau einen Fußtritt gegen die Hand ver-setzt und ihr dabei den Daumen gebrochen. Zu dem ersten Vorfall vernahmdas [X.]postenkommando [X.] die Ehefrau als Verdächtige und [X.] als Beteiligte. Wegen des zweiten Vorfalls erstattete die [X.] beim [X.]postenkommando [X.]. Das Bezirksgericht [X.] leitete [X.] wegen der beiden Vorfälle ein. Die Ehefrauwurde vor dem Untersuchungsrichter als Zeugin vernommen und bestätigte [X.]nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht [X.] ihre bisherigen Anga-ben.In der Hauptverhandlung vor dem [X.] machten [X.] und die Stieftochter von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.Aufgrund der Zeugnisverweigerung durfte nach § 252 Abs. 1 der [X.]i-- 13 -schen Strafprozeßordnung das Protokoll über die Vernehmung der Ehefrau vordem Untersuchungsrichter nicht verlesen werden. Nach [X.]ischemRecht ([X.] 1975, 304) mußten jedoch auf Antrag der [X.] anderer Art (§ 252 Abs. 2 StPO), insbesondere die Aussagen [X.]nen vor der [X.], zu Beweiszwecken verlesen werden. [X.] verwarf die Berufung des Angeklagten. Bei [X.] und Ergänzung der Beweisaufnahme konnte die als [X.] gehörte [X.] des Angeklagten nichts relevantes bekun-den; weitere Zeugen wurden nicht gehört, da sie nur zu unwesentlichen Ne-benumständen benannt worden waren.Der [X.] sah in dieser Vorgehensweise kein faires Verfahren und ent-schied, daß durch diese Vorgehensweise Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6Abs. 3 Buchst. [X.] verletzt worden seien. Durch die [X.] hätten die Zeuginnen den Angeklagten daran gehindert, ihnen [X.] zu den vor der [X.] gemachten Bekundungen zu stellen oderstellen zu lassen. Zwar habe er Erklärungen dazu abgeben können, aber dasBerufungsgericht sei seinen Beweisanträgen zur Erschütterung der Glaubwür-digkeit der Zeuginnen nicht nachgegangen. Auch wenn die [X.] nicht die einzigen Beweismittel gewesen seien, so habe das [X.] doch sein [X.]eil entscheidend auf deren Angaben gestützt. In [X.] auf diese Aussagen seien seine Verteidigungsrechte verletzt worden, weiler in keinem Stadium des vorausgegangenen Verfahrens die Möglichkeit [X.] habe, Fragen an die [X.] zu stellen.bb) Johann [X.] wurde vom [X.] wegen Nötigung undKörperverletzung verurteilt. Er hatte seine Lebensgefährtin mit einem Gürtel- 14 -geschlagen. Am nächsten Tag schickte der Arzt die Geschädigte in ein Kran-kenhaus; die Ärzte attestierten ihre Verletzungen. Danach zeigte die Lebens-gefährtin den Angeklagten bei der [X.] Brand-Laaben an. Über ihreBekundungen wurde ein Protokoll aufgenommen. Wenige Tage später [X.] die Lebensgefährtin bei der [X.] und wollte ihre Anzeige [X.]. Am selben Tag wurde der Angeklagte bei der [X.] [X.].In der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht machte die Lebensge-fährtin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Das [X.] den [X.] der [X.], der über die ihm ge-genüber gemachten Angaben der Lebensgefährtin und von den ihm dabei ge-zeigten Verletzungen berichtete. Auch verlas es das Vernehmungsprotokoll.Das Kreisgericht stützte sich bei seiner Überzeugung unter anderem auf [X.] des [X.] und die ärztlichen Atteste. [X.] verwarf die Berufung des Angeklagten. Es hielt die [X.] Lebensgefährtin vor der [X.] nach § 252 StPO für verwertbar. [X.] des Angeklagten auf Einholung eines medizinischen Sachverständi-gengutachtens lehnte das [X.] ab.Der [X.] sah in dieser Vorgehensweise keine Verletzung des fairenVerfahrens. Es wäre sicherlich vorzuziehen gewesen, wenn die persönlicheAnhörung der Zeugin möglich gewesen wäre. Aber das Recht, auf das sie sichzur Zeugnisverweigerung berief, könne nicht dazu dienen, die [X.]. Wenn nur die Rechte der Verteidigung beachtet würden, [X.] nationale Gericht die Aussage der Zeugin verwerten können, insbesondereim Hinblick darauf, daß die Aussage durch weitere Beweismittel, namentlich die- 15 -ärztlichen Atteste, gestützt wurde. Zudem habe der Angeklagte sowohl bei der[X.] als auch vor Gericht Gelegenheit gehabt, zu den Angaben [X.] Stellung zu nehmen; dabei habe er widersprüchliche Angaben [X.], die seine eigene Glaubwürdigkeit erschütterten. Außerdem habe [X.] weder den [X.] befragt, noch andere Zeugenbenannt. Ein medizinisches Sachverständigengutachten habe er erst in derBerufungsinstanz beantragt, zu einem Zeitpunkt, als Verletzungsspuren nichtmehr feststellbar waren. Vor allem aber sei klar, daß die Angaben der [X.] der [X.] nicht das einzige Beweismittel gewesen seien, auf dassich das Kreisgericht gestützt habe. Das Gericht habe neben anderen Beweis-mitteln auch den persönlichen Eindruck des [X.] und dieärztlichen Atteste berücksichtigt. Insofern unterscheide sich der [X.] von den Fällen Unterpertinger und Delta.2. Diese Auslegung der [X.] durch den [X.] ist bei der Anwendungdes [X.] Strafprozeßrechts zu berücksichtigen. Der Senat hat dazu im[X.]eil vom 18. November 1999 ([X.], Umsetzung der [X.] = NJW 2000, 1123, zur [X.] vorgesehen in [X.]St [X.]) [X.] entspricht den Grundregeln des Verfahrens vor dem [X.], daßsich seine Entscheidung darauf beschränkt zu erklären, daß das Gerichtsurteileiner Vertragspartei der [X.] in Widerspruch mit den Verpflichtungen aus die-ser Konvention steht. Gestatten die innerstaatlichen Gesetze der Vertragspar-tei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen der Entschei-dung, so hat der [X.] nach Art. 50 [X.] (aufgrund der am 1. November 1998in [X.] getretenen Änderung der Konvention durch das Protokoll Nr. 11 [[X.] 16 -[X.] 1995 S. 578] nunmehr Art. 41 [X.]) der verletzten [X.] eine gerechte [X.] zuzubilligen. Dem [X.] obliegt es somit nicht, nationale [X.] die Zulässigkeit von Beweismitteln aufzustellen. Der Gerichtshof betontdementsprechend, die Zulässigkeit von Beweismitteln werde in erster Liniedurch die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts geregelt und es seigrundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, die von ihnen [X.] Beweise zu würdigen. Die Aufgabe des Gerichtshofs bestehe darin fest-zustellen, ob das Verfahren in seiner Gesamtheit einschließlich der [X.] Beweismittel fair gewesen sei.Die [X.], die nach Art. [X.] des [X.] vom 7. August 1952Bestandteil des [X.] Rechts geworden ist und dabei im Rang eines (ein-fachen) Bundesgesetzes steht ([X.] 74, 358, 370), ist als Auslegungshilfebei der Anwendung nationalen Rechts zu berücksichtigen. Nach der Recht-sprechung des [X.] ist bei den in einem Strafverfahrenangewendeten Gesetzen stets zu prüfen, ob die Anwendung und Auslegung imEinklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der [X.] steht, 'denn es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber, so-fern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen Verpflichtungen derBundesrepublik [X.] abweichen oder die Verletzung solcher [X.] ermöglichen will™ ([X.] aaO; vgl. [X.], [X.] [1987]1799, 1800).fl[X.]I.Die konventionskonforme Auslegung des [X.] Strafprozeßrechts [X.]hier § 141 Abs. 3 StPO [X.] führt dazu, daß in Fällen der vorliegenden Art dem- 17 -Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, vor der ermittlungsrichterlichenVernehmung des wichtigen Belastungszeugen ein Verteidiger bestellt [X.] Das Gesetz schreibt, wie § 141 Abs. 3 Satz 1 StPO zeigt, auch [X.], in denen später im gerichtlichen Verfahren die Mitwirkung eines [X.]s notwendig sein wird, für das Vorverfahren nicht ausnahmslos die Be-stellung eines Verteidigers vor. Nach § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO flbeantragtfl [X.] jedoch schon während des Vorverfahrens die [X.], wenn nach ihrer Auffassung in dem gerichtlichen Verfahrendie Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 1 oder 2 notwendig seinwird.a) In der traditionellen Sprache des Gesetzes (vgl. auch § 201 Abs. 1StPO: [X.] Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem [X.] und § 349 Abs. 3 Satz 1 StPO) bedeutet dies, daß die Staatsan-waltschaft den Antrag stellen muß, sobald die Mitwirkung des Verteidigers not-wendig sein wird (ähnlich [X.]/[X.], [X.]. § 141[X.]. 5; [X.], [X.]. § 141 [X.]. 2). [X.] sein wirdfl heißt, daßdie Pflicht zur Antragstellung schon dann entsteht, wenn abzusehen ist, daßdie Mitwirkung notwendig werden wird ([X.] in [X.]. § 141 [X.]. [X.] zeigt auch die Entstehungsgeschichte des § 141 Abs. 3 StPO zurVerteidigerbestellung im Vorverfahren. Das [X.] 1964 fügte an den damalsbestehenden Satz, daß der Verteidiger auch schon während des [X.] werden kann (heutiger Satz 1 des Abs. 3), die Sätze an: flNach [X.] der Ermittlungen (§ 169a Abs. 1) ist er auf Antrag der Staatsanwalt-schaft zu bestellen. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag stellen, falls die- 18 -Gewährung des [X.] in Betracht kommt und nach ihrer Auffassung indem gerichtlichen Verfahren die Verteidigung nach § 140 Abs. 1 notwendigsein [X.] Seine heutige Fassung erhielt § 141 Abs. 3 StPO durch [X.] vom 9. Dezember 1974. Die Erweiterung der [X.] die immer strengeren Formulierungen der Anweisung an die Staatsanwalt-schaft (von einer Kann- zu einer Soll-Bestimmung und schließlich zu [X.] flbeantragt diesfl) machen deutlich, daß der Gesetzgeber die [X.] Verteidigers im Vorverfahren stärker ausbauen wollte und deshalb eineAntragspflicht gesetzlich vorgeschrieben hat.Zwar bestimmt § 117 Abs. 4 Satz 1 StPO, daß dem unverteidigten [X.] ein Verteidiger für die Dauer der Untersuchungshaft bestellt wird,wenn deren Vollzug mindestens drei Monate gedauert hat und die Staatsan-waltschaft oder der Beschuldigte oder sein gesetzlicher Vertreter es beantragt.Daraus kann indes nicht der Schluß gezogen werden, daß die Staatsanwalt-schaft mit der Antragstellung stets drei Monate zuwarten darf. Diese Regelungstellt angesichts der Gesetzesentwicklung zu § 141 Abs. 3 StPO nur eine Min-destgarantie dar (vgl. Rundverfügung des [X.] 11. Januar 1994 zur Pflichtverteidigung nach einem Monat U-Haft, abge-druckt in [X.], 223).b) Ob es bei prognostizierter notwendiger Verteidigung überhaupt Fällegeben kann, in denen davon abgesehen werden darf, dem Beschuldigten einenVerteidiger zu bestellen, kann hier dahinstehen.aa) Jedenfalls dann, wenn die ermittlungsrichterliche Vernehmung eineswichtigen Belastungszeugen ansteht, bei der der Beschuldigte kein [X.] 19 -heitsrecht hat, wird in der Regel geboten sein zu prüfen, ob dem nicht vertei-digten Beschuldigten zuvor ein Verteidiger nach § 141 Abs. 3 StPO zu bestel-len ist, der die Rechte des Beschuldigten bei der Vernehmung wahrnimmt(Wache in [X.]. § 168c [X.]. 8; [X.]/[X.], [X.]. § 168c [X.]. 4; vgl. auch [X.] in [X.], [X.].§ 168c [X.]. 9). Diese Prüfung obliegt nach § 141 Abs. 3 StPO in erster [X.] Staatsanwaltschaft. Dies entbindet den Ermittlungsrichter indes nicht vonder Verantwortung, für ein konventionsgerechtes Verfahren mit Sorge zu [X.]) Wird darüber hinaus der zentrale zeugnisverweigerungsberechtigteBelastungszeuge unter Ausschluß des Beschuldigten aus Gründen der Bewei-ssicherung ermittlungsrichterlich vernommen, so reduziert sich das Ermessenbei der Frage der Bestellung eines Verteidigers auf Null. Anderes mag danngelten, wenn die durch die Zuziehung eines Verteidigers bedingte zeitlicheVerzögerung den [X.] gefährden würde. Nur diese Auslegungdes § 141 Abs. 3 StPO ist mit der Vorgabe der [X.] vereinbar. Andernfalls be-stünde die Gefahr, daß das von Art. 6 Abs. 3 Buchst. [X.] garantierte [X.] auch im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht gewährleistet werdenkann.2. Hier durfte der Angeklagte zwar von der Anwesenheit bei der ermitt-lungsrichterlichen Vernehmung der Geschädigten ausgeschlossen werden undauch seine Benachrichtigung konnte unterbleiben (§ 168c StPO). Sowohl [X.] als auch das erkennende Gericht haben die Gefährdung des[X.]s geprüft und bejaht. Die revisionsgerichtliche Prüfung(vgl. dazu [X.]St 29, 1) läßt Rechtsfehler nicht erkennen, insbesondere liegt- 20 -keine Überschreitung der dem tatrichterlichen Ermessen gesetzten Schrankenvor. Daß so verfahren werden kann, entspricht auch der Rechtsprechung des[X.] zu Art. 6 [X.] (siehe oben). Ein Verteidiger konnte nicht benachrichtigtwerden, denn der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt noch nicht [X.] Dieses gesetzlich zulässige flhandicapfl bei der Einschränkung des[X.] hätte die Justiz dann aber durch die Bestellung eines Verteidigersfür den unverteidigten Angeklagten ausgleichen müssen.Bei der im Hinblick auf das faire Verfahren vorzunehmenden Gesamtbe-trachtung ist auch das Vorverfahren [X.] und damit das Handeln der Staatsan-waltschaft [X.] in den Blick zu nehmen (vgl. [X.] aaO Art. 6 [X.]: fldemStaat zuzurechnenden Verfahrensgestaltungfl). In Fällen der vorliegenden Artmuß die Justiz von sich aus aktiv werden mit dem Ziel, daß die Verteidigung(zum Begriff siehe [X.] StV 1996, 471) Gelegenheit hat, Fragen an die Bela-stungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen (flrequires the Contracting Sta-tes to take positive stepsfl: [X.] Fall [X.] Nr. [X.] Fragerecht wäre gewährleistet gewesen, wenn ein Verteidiger beider ermittlungsrichterlichen Zeugenvernehmung anwesend gewesen wäre. [X.] Angeklagte zu diesem Zeitpunkt keinen Verteidiger hatte, wäre die [X.] verpflichtet gewesen, vor der Vernehmung der Zeugin die Bestel-lung eines Verteidigers zu beantragen (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO).Hier war im Zeitpunkt der richterlichen Vernehmung bereits abzusehen,daß im gerichtlichen Verfahren die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPOvorliegen würden. Dem Angeklagten wurden bei der Einleitung des Ermitt-- 21 -lungsverfahrens zahlreiche Sexualverbrechen (§ 140 Abs. 1 Nr. 2) zur [X.]. Die polizeiliche Vernehmung der Geschädigten hatte einen hohen Be-weiswert. Zu Recht hat deshalb der Haftrichter einen dringenden Tatverdachtbejaht. Damit war aber auch schon zu diesem Zeitpunkt abzusehen, daß indem hochwahrscheinlich zu erwartenden gerichtlichen Verfahren die Voraus-setzungen einer notwendigen Verteidigung vorliegen würden.Eine Verletzung des [X.] war hier zu besorgen, nachdem [X.] [X.] auf Antrag der Staatsanwaltschaft [X.] nicht benachrichtigt und vonder Anwesenheit ausgeschlossen wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte den [X.] gestellt, die Zeugin [X.] richterlich zu vernehmen, da befürch-tet werden müsse, der Angeklagte werde flalles unternehmen, möglicherweiseauch durch Dritte, um seine Tochter von der Aussage abzuhaltenfl. [X.], daß die ermittlungsrichterliche Vernehmung insbesondere dem legitimen(vgl. Nr. 10, 19a, 221, 222 [X.]) Zweck der Beweissicherung [X.] Rückgriff aufden [X.] [X.] für den Fall einer späteren Zeugnisverweigerungdienen sollte. Wenn aber dieser auch von der Staatsanwaltschaft für [X.] gehaltene Fall eintreten würde, dann war abzusehen, daß das Fragerechtnicht zu gewährleisten war.4. Die im Hinblick auf die Garantie des [X.] Art. 6 Abs. 3Buchst. [X.] vorzunehmende Auslegung des § 141 Abs. 3 StPO führt [X.], daß die Staatsanwaltschaft verpflichtet war, die Bestellung eines [X.]s nach dieser Vorschrift (also nicht nur für die einzelne Ermittlungshand-lung) noch vor der Zeugenvernehmung zu beantragen. Hier sind keine Um-stände erkennbar, die es gerechtfertigt hätten, daß auch die [X.] bestellten Verteidigers unterbleiben konnte (die Entscheidung [X.]St 29, 1- 22 -betrifft einen anderen Fall: ein bereits tätiger Verteidiger wurde aus Gründen,die in seiner Person lagen, nicht benachrichtigt).a) Angemessen und geeignet ist dieser Ausgleich grundsätzlich abernur, wenn der Verteidiger zu einer sachgerechten Mitwirkung an der Verneh-mung auch in der Lage war.In Fällen der vorliegenden Art läßt sich die Zuverlässigkeit der Bela-stungsaussage des einzigen Tatzeugen in der Regel nur dann beurteilen [X.]insbesondere kann nur so die Hypothese einer bewußten Falschbeschuldigungausgeschlossen werden [X.], wenn der Inhalt der Aussage einer Analyse unter-zogen werden kann (sog. Aussageanalyse, grundlegend dazu [X.]St 45, 164).Zentral dafür ist die Detailliertheit der Aussage. Eine Aussage kann mittels derAussageanalyse nur dann als glaubhaft beurteilt werden, wenn sie signifikanteRealitätskriterien aufweist. In bezug auf das Fragerecht muß dabei den Detail-kriterien besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, namentlich den [X.], die eine Verflechtung mit objektivierbaren zeitlichen und örtlichenUmständen belegen.Deshalb muß der Verteidiger [X.] soll das Fragerecht nicht beeinträchtigtsein [X.] regelmäßíg Gelegenheit haben, sich vor der Vernehmung mit dem [X.] zu besprechen, weil er nur so in der Lage ist, sachkundige Fragen,insbesondere Kontrollfragen, wie Situationsfragen (vgl. [X.]/[X.], Tatsa-chenfeststellung vor Gericht, 2. Aufl. Band [X.] [X.]. 610) zu stellen. Solche [X.] [X.] nicht notwendig zum [X.] des Tatvorwurfs [X.], mit denen insbe-sondere die zeitliche und räumliche Verflechtung der Aussagedetails überprüft- 23 -wird, können regelmäßig nur mit einem entsprechenden Hintergrundwissengestellt werden.b) Auch wenn der Verteidiger die Möglichkeit der Rücksprache mit [X.] hatte, können ergänzende Fragen an den [X.], deren Notwendigkeit sich erst ergibt, nachdem der Beschuldigte vom In-halt der Zeugenaussage Kenntnis erlangt hat. Hier kann eine durch die Abwe-senheit des Beschuldigten bedingte Beeinträchtigung des [X.] dadurchausgeglichen werden, daß die Verteidigung Gelegenheit erhält, auch nachträg-lich Fragen an den Zeugen zu stellen oder stellen zu lassen (vgl. [X.]aaO Art. 6 [X.] [X.]. 227). Die nachträgliche Befragung kann auch durch Vor-lage eines schriftlichen Fragenkatalogs erfolgen, zumal auf diese Weise weit-gehend ausgeschlossen werden kann, daß der Untersuchungszweck gefährdetwird. Da in Fällen der vorliegenden Art der Zeuge nicht anonym ist, kommendie Bedenken des [X.] (vgl. die Fälle [X.] Nr. 42; [X.] Nr. 28 ei-nerseits und den Fall [X.] Nr. 35 andererseits) zur schriftlichen Befragung desanonymen Zeugen nicht zum [X.]) Der Senat hat hier nicht über den [X.] möglicherweise anders zu beur-teilenden [X.] Fall zu entscheiden, daß durch ein Zusammenwirken des Verteidi-gers mit dem Beschuldigten (vgl. [X.]St 29, 1) oder auch nur allein als Folgeder Konsultation der Untersuchungszweck gefährdet sein könnte. Hier [X.] wenigstens eine nachträgliche (schriftliche) Befragung [X.] 24 -d) In künftigen Fällen kann auch eine Vernehmung mittels Videokonfe-renz nach § 168e StPO eine angemessene und geeignete, und oft sogar diebeste Möglichkeit sein, um das Fragerecht zu gewährleisten.[X.] hat [X.] der Verteidigung bei der ermittlungsrichterlichen Zeugenverneh-mung beeinträchtigt. Dieses Versäumnis mindert den Beweiswert des Verneh-mungsergebnisses, das durch den Rückgriff auf den [X.] [X.] der [X.]eilsfindung wurde. Damit wirkte der im Vorverfahren began-gene Verfahrensfehler in der Hauptverhandlung fort; das unterliegt der [X.] Prüfung (§ 337 StPO; vgl. [X.]R StPO § 349 Abs. 1 Unzuläs-sigkeit 1).1. Der Senat hält eine [X.] für sachgerechter alsein Verwertungsverbot für den Rückgriff auf den [X.]. Bei der[X.] darf zwar auf den [X.] zurückge-griffen werden, allerdings sind dann [X.] ähnlich wie beim anonymen Zeugen(grundlegend [X.]St 17, 382; vgl. zuletzt [X.] NStZ 1998, 97; [X.], 7;NStZ 2000, 265; [X.]R StPO § 261 Überzeugungsbildung 27; siehe auchBVerfG [X.] Kammer [X.] NJW 1997, 999 sowie [X.]St 45, 321: konventionswidrige[X.]) [X.] besonders strenge Beweis- und [X.]) Auch das grundsätzlich bestehende Verwertungsverbot des § 252StPO (vgl. [X.] NJW 2000, 596, zur [X.] vorgesehen in [X.]St- 25 -45, 203 und [X.] NJW 2000, 1247, zur [X.] vorgesehen in [X.]St45, 342) gilt nicht uneingeschränkt.Zwar kann der Rückgriff auf den [X.] ausgeschlossensein, wenn gegen die Benachrichtigungspflicht der §§ 168c, 224 StPO versto-ßen wurde ([X.]St 9, 24; 29, 1; 26, 332; 29, 131, 140; 42, 86; 42, 391; [X.]NStZ 1987, 132; 1989, 282).In seiner neueren Rechtsprechung hat der [X.] beipflichtwidrig versagten [X.] aber mehr auf die [X.] [X.] abgestellt und deshalb eine Lösung auf [X.] der Be-weiswürdigung bevorzugt, indem das richterliche in ein nichtrichterliches [X.]sprotokoll nach § 252 Abs. 2 Satz 2 StPO mit geringerem Beweiswertflherabgestuftfl wird ([X.]St 34, 231, 234, 235; [X.] StV 1992, 232; [X.] NStZ1998, 312).Auch hat der [X.] ([X.]St 29, 1; 42, 391) bei einem be-rechtigten Ausschluß von der Anwesenheit oder einer berechtigten Nichtbe-nachrichtigung kein Verwertungsverbot aufgrund fehlender [X.]) Für die konventionskonforme Auslegung des [X.] Strafprozeß-rechts ist eine Gesamtbetrachtung des Verfahrens vorzunehmen. Dazu gehört,daß das gesamte Beweisverfahren im Lichte des [X.] gesehen werdenmuß (vgl. Fall [X.] Nr. 76). Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt [X.] zudem auch auf die Art und Weise der Beweiserhebung an. Unter die-sem Gesichtspunkt stellt der [X.] zwar in erster Linie auf das [X.] 26 -ren und weniger auf die Beweiswürdigung selbst ab. Jedoch findet im Rahmender Gesamtbetrachtung auch die Beweiswürdigung Berücksichtigung, wie [X.] die Differenzierung des [X.] in den Fällen Unterpertinger und [X.]zeigt. Da die Gesamtbetrachtung vom jeweiligen Einzelfall abhängt, liegt [X.], eine dem konkreten Fall gerecht werdende Lösung zu finden. Das ist mitder [X.] am besten zu erreichen; sie hält der Senat des-halb für vorzugswürdig.Bei der [X.] ist zwar zu bedenken, daß auf [X.] zurückgegriffen wird, an dessen Zustandekommen dieVerteidigung unter Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs nicht mitwirkenkonnte. Aber insofern ist die Verteidigung in einer ähnlichen Lage wie bei [X.] ([X.]St 17, 382, 386) anonymen Zeugen. Dort ist [X.] des [X.] häufig sogar noch stärker, weil nicht einmaldie Person des Zeugen bekannt ist und weil auf bestimmte Fragen oft keineAntwort gegeben wird. Wenn daher die [X.] beim [X.] Zeugen ein konventionsgemäßer Ausgleich ist, muß dies auch für dievorliegende Fallgestaltung gelten.Auf die Vergleichbarkeit der Problematik des [X.] hat der Bun-desgerichtshof bereits in [X.]St 17, 382, 385 f. hingewiesen: [X.] anony-men Gewährsmann gegenüber versagen jedoch nicht nur die Rechte aus den§§ 240, 257 StPO [X.] insoweit ist die Lage nicht wesentlich anders, als wenn [X.] zwar bekannt ist, in der Hauptverhandlung aber nicht vernom-men werden kann [X.] ...fl.- 27 -Die Verneinung eines Verwertungsverbots erweist sich auch system-konform mit der [X.] bei einem Konventionsverstoß auf-grund einer unzulässigen [X.] ([X.]St 45, 321).2. Daß das Vernehmungsergebnis infolge unterbliebener Verteidigerbe-stellung fehlerhaft zustande gekommen ist, muß daher bei der tatrichterlichenBeweiswürdigung besondere Beachtung finden. Diese muß vor allem zwei An-forderungen genügen:a) Zunächst ist zu beachten, daß der originäre Zeuge in der [X.] nicht zur Verfügung steht. Dazu gilt, was der [X.]chon 1962 ([X.]St 17, 382, 385) ausgeführt hat: [X.] einem Zeugen vom Hö-rensagen besteht zunächst ganz allgemein eine erhöhte Gefahr der Entstellungoder Unvollständigkeit in der Wiedergabe von Tatsachen, die ihm von [X.] vermittelt worden sind, auf den sein Wissen zurückgeht. Je größer dieZahl der [X.], desto geringer ist der Beweiswert der Aussage.Schon dieser Gesichtspunkt mahnt zur Vorsichtfl.Hier ist zwar der unmittelbar gehörte Zeuge ein Ermittlungsrichter, des-sen Vernehmungsergebnis grundsätzlich, auch wegen der in § 168c Abs. [X.] Beteiligungsrechte, eine gewichtige Beweiskraft zukommt (vgl.[X.]St 45, 342; [X.] NStZ 1998, 312). Die Verteidigung hatte aber keine Mög-lichkeit zur Befragung des originären Zeugen. Insofern muß der Tatrichter zu-sätzlich beachten, daß die Glaubwürdigkeitsbeurteilung mit dem Instrumentari-um der Aussageanalyse begrenzt ist, weil die Aussage durch das Fehlen eineskontradiktorischen Verhörs (§ 69 Abs. 2 StPO) nur beschränkt aufgeklärt undvervollständigt werden kann.- 28 -b) Deshalb gilt auch hier wie beim gesperrten Zeugen ([X.]St 17, 382,386): Auf die Angaben des [X.] kann eine Feststellung re-gelmäßig nur dann gestützt werden, wenn diese Bekundungen durch anderewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden.c) Daß eine [X.] sorgfältigste ([X.]St 17, 382, 386) [X.] Überprüfung der vondem [X.] wiedergegebenen Aussage nach diesen [X.] ist, muß der Tatrichter in einer für das Revisionsgericht nachprüfbarenWeise im [X.]eil deutlich [X.] Diesen [X.] bislang allerdings vom [X.] noch nicht aufge-stellten besonderen Beweiswürdigungs- und Begründungsanforderungen [X.]genügt das angefochtene [X.]eil nicht. Insbesondere liegen keine anderenwichtigen Gesichtspunkte außerhalb der Aussage vor, die das eigentliche Tat-geschehen bestätigen.Das [X.] hat eine Beweiswürdigung vorgenommen, die ersicht-lich davon ausging [X.] und insoweit auch rechtsfehlerfrei ist [X.], den [X.] und Begründungsanforderungen bei Fällen von [X.] gegen [X.] zu genügen. Es hat seine Überzeugung ganz entscheidend auf die An-gaben der Geschädigten beim Ermittlungsrichter gestützt. Dabei hat es aucheine fachkundige Analyse des Inhalts der dort getätigten Aussage vorgenom-men und insbesondere auf Detailkriterien abgestellt.Schon hierbei wäre allerdings zu bedenken gewesen, daß gerade [X.] der [X.] in den Gesamtlebenssachverhaltfl und der Schilderungflvon Details und [X.] durch das Fehlen eines [X.] -schen Verhörs beschränkt war. Daß weitere Beweismittel die [X.] in ihrerÜberzeugungsbildung stützen und diese abrundenfl, reicht im Hinblick auf dasfehlerhaft zustande gekommene ermittlungsrichterliche Vernehmungsergebnisnicht aus, um der vom Senat daraus abgeleiteten Anforderung zu genügen,daß die Aussage durch andere wichtige Gesichtspunkte außerhalb der [X.] bestätigt wird. Die anderen Zeugen waren keine Augenzeugen des [X.] und teilweise [X.]. Auch objektiveBeweismittel von Gewicht, mit denen die von der Geschädigten bekundetensexuellen Handlungen bestätigt worden wären, standen nicht zur Verfügung.Auf diesem Rechtsfehler beruht das angefochtene [X.]eil. Der Senat [X.] selbst auf Freispruch erkannt (§ 354 Abs. 1 StPO), denn er kann nichtausschließen, daß bei einer Zurückverweisung in einer erneuten [X.] noch Tatsachen festgestellt werden könnten, die für eine [X.] tragfähig wären.Schäfer [X.] [X.] Boetticher Kolz

Meta

1 StR 169/00

25.07.2000

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.07.2000, Az. 1 StR 169/00 (REWIS RS 2000, 1559)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1559

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