Bundessozialgericht, Urteil vom 30.03.2017, Az. B 14 AS 18/16 R

14. Senat | REWIS RS 2017, 13068

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - schwankendes Einkommen - Zugrundelegung eines Durchschnitts aus dem tatsächlichen Einkommen bei der abschließenden Entscheidung - fehlende Rechtsgrundlage - Monatsprinzip


Leitsatz

Für die Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens in Abweichung vom Monatsprinzip bei der abschließenden Entscheidung über die Festsetzung des Arbeitslosengelds II fehlt es für die Zeit vor dem 1.8.2016 - außerhalb der Bagatellgrenze - an einer Rechtsgrundlage.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 25. Mai 2016 geändert und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Juni 2015 zurückgewiesen.

Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Rechtsstreits für alle drei Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens in einer abschließenden Entscheidung nach einer vorläufigen Entscheidung und insbesondere die Frage, ob das beklagte Jobcenter bei dieser Berechnung von einem Durchschnittseinkommen ausgehen durfte oder den Klägern unter Zugrundelegung ihres tatsächlichen monatlichen Einkommens für Mai und August 2012 höhere Leistungen zustehen.

2

Die beiden 1952 und 1956 geborenen Kläger sind verheiratet und bezogen wegen ihrer ausgeübten geringfügigen Beschäftigungen mit schwankenden Einkommen ergänzend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mit Bescheid vom 1.2.2012 bewilligte der [X.] ihnen [X.] für die [X.] vom 1.3. bis 31.8.2012 in Höhe von insgesamt 846,60 [X.] monatlich vorläufig. Dabei legte er einen Gesamtbedarf von 1008,56 [X.] zugrunde (Regelbedarf von jeweils 337 [X.] zuzüglich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 334,56 [X.], ohne die für einen Stellplatz in Höhe von 5 [X.]). Als Einkommen berücksichtigte er ein aus den Einkommensbescheinigungen der Monate Juli bis Dezember 2011 ermitteltes Durchschnittseinkommen von 161,96 [X.].

3

Nachdem die Kläger Bescheinigungen über ihre von Februar bis Juli 2012 tatsächlich erzielten Einkommen, die jeweils im Folgemonat ausgezahlt worden waren, vorgelegt hatten, errechnete der [X.] daraus ein monatliches Durchschnittseinkommen von 121,72 [X.]. Dieses legte er seinem Bescheid vom 4.9.2012 zugrunde, mit dem er für die [X.] vom 1.3. bis 31.8.2012 den Klägern insgesamt monatlich [X.] in Höhe von 886,84 [X.] abschließend bewilligte und 40,24 [X.] pro Monat nachzahlte. Die Widersprüche der Kläger wurden zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 4.12.2012).

4

Auf ihre Klagen mit dem auf höhere Leistungen für Mai und August 2012 beschränkten Begehren hat das [X.] den Klägern unter Zugrundelegung des tatsächlich in diesen Monaten zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens von 79,24 [X.] für Mai und von 117,03 [X.] für August weitere Leistungen für Mai 2012 in Höhe von 42,48 [X.] und für August 2012 in Höhe von 4,69 [X.] zugesprochen. Für eine Berechnungsweise auf Basis eines Durchschnittseinkommens gebe es keine hinreichende Rechtsgrundlage (Urteil vom 12.6.2015). Auf die Beschwerde des [X.]n hat das L[X.] die Berufung gegen das Urteil des [X.] zugelassen, die nur der [X.] eingelegt hat. Das L[X.] hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den [X.]n verpflichtet, über die endgültige Höhe der den Klägern für die Monate Mai und August 2012 zu gewährenden Grundsicherungsleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen ist die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen worden (Urteil vom [X.]). Die Kläger hätten ihr Klagebegehren rechtlich zulässig auf die Monate Mai und August 2012 beschränkt, sie hätten jedoch keinen Anspruch auf die begehrten höheren Leistungen, denn es habe im Ermessen des [X.]n gestanden, die Leistungshöhe bei der abschließenden Entscheidung auf der Basis des tatsächlich erzielten Durchschnittseinkommens zu bemessen. § 2 Abs 3 Satz 1 [X.]-V aF beinhalte eine Ermächtigung für den Leistungsträger, nach pflichtgemäßem Ermessen eine endgültige Leistungsfestsetzung nach § 40 [X.]B II aF iVm § 328 [X.]B III abweichend vom Zuflussprinzip auf der Basis eines tatsächlichen Durchschnittseinkommens vorzunehmen. Allerdings erweise sich der Bescheid vom 4.9.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.12.2012 deshalb als rechtswidrig, weil der [X.] von dem ihm eingeräumten Ermessen bei der abschließenden Entscheidung nach Durchschnittseinkommen keinen Gebrauch gemacht habe.

5

Sowohl die Kläger als auch der [X.] haben die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt. Die Kläger rügen eine Verletzung von § 11 Abs 1, § 13 [X.]B II iVm § 2 Abs 3 [X.]-V aF. Für eine Bestimmung des Einkommens in Abweichung des gesetzlich verankerten Monatsprinzips durch Bildung eines Durchschnittseinkommens fehle es an einer rechtlichen Grundlage. Eine solche ergebe sich nicht aus § 2 Abs 3 Satz 1 [X.]-V aF, weil diese Bestimmung sich nur auf eine in die Zukunft gerichtete Berechnung auf der Grundlage eines Durchschnittseinkommens beziehe. Demgegenüber vertritt der [X.] die Ansicht, das L[X.] habe § 13 [X.]B II iVm § 2 Abs 3 [X.]-V aF verkannt. Er sei ohne Pflicht zur Ermessensausübung [X.] dazu berechtigt gewesen, bei der Berechnung des Leistungsanspruchs ein Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen, was sich insbesondere aus dem Anliegen der Verwaltungsvereinfachung ergebe. Soweit im Wortlaut des § 2 Abs 3 Satz 1 [X.]-V aF das Wort "kann" auftauche, handele es sich nicht um ein Ermessens-Kann, sondern um ein sog [X.], durch das der Verwaltung die Befugnis eingeräumt werde, eine bestimmte Maßnahme durchzuführen.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] vom 25. Mai 2016 zu ändern und die Berufung des [X.]n gegen das Urteil des [X.] vom 12. Juni 2015 zurückzuweisen.

7

Der [X.] beantragt,
die Revisionen der Kläger zurückzuweisen und das Urteil des [X.] vom 25. Mai 2016 zu ändern, das Urteil des [X.] vom 12. Juni 2015 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision des [X.]n zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Kläger sind begründet, denn sie haben Anspruch auf das begehrte höhere [X.] für die Monate Mai und August 2012. Das Urteil des [X.] ist entsprechend zu ändern, die Berufung des [X.]n zurückzuweisen und das Urteil des [X.] zu bestätigen (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G). Das beklagte Jobcenter durfte bei seiner abschließenden Entscheidung der Leistungsberechnung kein Durchschnittseinkommen zugrunde legen, sodass es auf die Frage der Ermessensausübung nicht ankommt und die Revision des [X.]n als unbegründet zurückzuweisen ist (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind das Urteil des [X.], das für die Kläger positive Urteil des [X.] sowie der Bescheid des [X.]n vom 4.9.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.12.2012 und die in diesem Bescheid festgesetzte endgültige Höhe des den Klägern für die Monate Mai und August 2012 zu gewährenden [X.]. Die früheren Bescheide über die vorläufige [X.]-Bewilligung an die Kläger haben sich durch diesen Bescheid erledigt (§ 39 Abs 2 [X.]B X; vgl letztens etwa B[X.] vom [X.] [X.]/15 R - vorgesehen für [X.]-4225 § 1 [X.], RdNr 14).

2. Von Amts wegen zu berücksichtigende [X.] oder gerügte Verfahrensmängel stehen einer Entscheidung des [X.] nicht entgegen. Ihr Begehren verfolgen die Kläger zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage 54 Abs 1, 4 [X.]G). Eine Beschränkung ihres Begehrens auf einzelne Monate des im angefochtenen Bescheid geregelten Bewilligungsabschnitts ist zulässig, weil das [X.]B II von einer monatsweisen Berechnung und Bewilligung der Leistungen im Regelfall ausgeht (§ 41 Abs 1 [X.]B II).

3. Rechtsgrundlage für das von den Klägern für Mai und August 2012 beanspruchte höhere [X.] bei der abschließenden Entscheidung für den vom angefochtenen Bescheid vom 4.9.2012 umfassten Bewilligungszeitraum von März bis August 2012 sind § 40 Abs 2 Nr 1 [X.]B II iVm § 328 [X.]B III und §§ 19 ff iVm §§ 7 ff [X.]B II in der Neufassung vom 13.5.2011 ([X.] - im Folgenden [X.]B II aF). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen [X.]punkt geltende Recht anzuwenden ("[X.]", vgl zuletzt B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, RdNr 15). Nicht anzuwenden ist der mit dem [X.] zur Änderung des [X.] - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016 ([X.] 1824 - im Folgenden: 9. [X.]B [X.]) eingeführte § 41a [X.]B II ("Vorläufige Entscheidung"), weil die Übergangsregelungen zu dieser Vorschrift in § 80 Abs 2 [X.]B II die vorliegende Fallgestaltung nicht erfassen, in der eine abschließende Entscheidung schon getroffen worden ist.

4. Die Voraussetzungen für eine abschließende nach einer vorläufigen Entscheidung nach § 40 Abs 2 Nr 1 [X.]B II aF iVm § 328 Abs 2, 3 [X.]B III sind erfüllt, weil die vorläufige Entscheidung aufgrund der von den Klägern erzielten Einkommen zu ändern war.

5. Die Begehren der Kläger auf höheres [X.] für Mai und August 2012 sind, wie das [X.] zu Recht entschieden hat, begründet und der angefochtene Bescheid ist zu ändern.

Die Kläger erfüllten nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit, der Hilfebedürftigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts in der [X.]; ein Ausschlusstatbestand nach § 7 [X.]B II lag nicht vor. Sie bildeten als Ehepaar eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 [X.]B II).

Der Gesamtbedarf der Kläger betrug, wie schon der [X.] festgestellt hat, 1008,56 Euro. Zu einem Regelbedarf von je 337 Euro pro Monat (§ 20 Abs 4 [X.]B II aF iVm der Bekanntmachung vom 20.10.2011, [X.] 2093) kommen die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die mit berücksichtigten insgesamt 334,56 Euro für zwei Personen nach den Ausführungen des [X.] angemessen sind. Ob zu Recht 5 Euro für einen Stellplatz unberücksichtigt geblieben sind, weil die Wohnung auch ohne diesen anmietbar gewesen wäre (vgl B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.]/06 R - B[X.]E 97, 231 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8; B[X.] vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]5), kann dahingestellt bleiben, da Berufung gegen das Urteil des [X.] nur vom [X.]n eingelegt worden ist.

6. Als Einkommen sind hinsichtlich dieses [X.] der Kläger (vgl § 9 Abs 2 [X.]B II) im Rahmen der abschließenden Entscheidung in den strittigen Monaten Mai und August 2012 nur die Einnahmen zu berücksichtigen, die sie in dem jeweiligen Monat hatten; entgegen der Auffassung des [X.]n ist kein Durchschnittseinkommen für den gesamten Bewilligungsabschnitt zu errechnen.

Die Berechnung und Bewilligung des [X.] ist geprägt vom sog [X.], das in zahlreichen Vorschriften des [X.]B II zu finden ist (vgl § 11 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Satz 1, § 20 Abs 1 Satz 3, § 37 Abs 2 [X.], § 41 Abs 1 [X.] [X.]B II; B[X.] vom 9.4.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]7; B[X.] vom 28.10.2014 - [X.] [X.]/13 R - B[X.]E 117, 179 = [X.]-4200 § 37 [X.], Rd[X.]5). Konkret bestimmt § 11 Abs 2 Satz 1 [X.]B II, dass laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen.

Zwar kennen das [X.]B II und die [X.]-V auch Abweichungen von diesem [X.], deren Anwendung erfordert jedoch das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen. Eine solche abweichende Regelung enthält § 2 Abs 3 [X.]-V in der in der strittigen [X.] geltenden Fassung ([X.]-V aF), den der [X.] seinen Bescheiden zugrunde gelegt hat und der lautet: "Ist bei laufenden Einnahmen im Bewilligungszeitraum zu erwarten, dass diese in unterschiedlicher Höhe zufließen, kann als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zu Grunde gelegt werden. Als monatliches Durchschnittseinkommen ist für jeden Monat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt.Soweit über die Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 40 Absatz 2 Nummer 1 des [X.] vorläufig entschieden wurde, ist das bei der vorläufigen Entscheidung berücksichtigte monatliche Durchschnittseinkommen bei der abschließenden Entscheidung als Einkommen zu Grunde zu legen, wenn das tatsächliche monatliche Durchschnittseinkommen das bei der vorläufigen Entscheidung zu Grunde gelegte monatliche Durchschnittseinkommen um nicht mehr als 20 Euro übersteigt."

7. Im vorliegenden Verfahren sind die Voraussetzungen des § 2 Abs 3 [X.]-V aF nicht erfüllt und ist eine andere einschlägige Regelung für eine Abweichung vom [X.] nicht ersichtlich. Die vom [X.] als notwendig angesehene Ermessensausübung seitens des [X.]n war mangels Anwendbarkeit der genannten Vorschrift bei der abschließenden Entscheidung nicht erforderlich.

a) Der Satz 1 des § 2 Abs 3 [X.]-V aF regelt nach seinem Wortlaut ("ist zu erwarten") nur die vorläufige, nicht aber die abschließende Entscheidung. Der [X.] enthält eine reine Berechnungsregel für die Ermittlung eines Durchschnittseinkommens, aber nicht die Voraussetzungen, unter denen eine solche Berechnung durchzuführen ist. Der Satz 3 enthält zwar eine Regelung für die abschließende Entscheidung und setzt auch die Ermittlung eines Durchschnittseinkommens voraus; er ist jedoch nach seinem Wortlaut nur anzuwenden, wenn das tatsächliche monatliche Durchschnittseinkommen das "vorläufige" monatliche Durchschnittseinkommen um nicht mehr als 20 Euro übersteigt, und er ordnet dann als die Leistungsberechtigten begünstigende Rechtsfolge an, dass der abschließenden Entscheidung das gegenüber dem tatsächlichen Durchschnittseinkommen niedrigere vorläufige Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen ist. Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, ist den Feststellungen des [X.] nicht zu entnehmen, und auch der [X.] ist davon nicht ausgegangen. Denn das der abschließenden Entscheidung des [X.]n zugrunde gelegte tatsächliche Durchschnittseinkommen der Kläger war mit 121,72 Euro niedriger als die 161,96 Euro bei der vorläufigen Entscheidung.

b) [X.] Gründe für eine erweiternde Auslegung des Satzes 1, die das [X.] angenommen hat (ähnlich Söhngen in jurisPK-[X.]B II, 4. Aufl 2015, § 11 RdNr 66), liegen nicht vor.

Entgegen der Auffassung des [X.] ist der Wortlaut des Satzes 1 nicht in der Weise unklar, dass sich daraus der Schluss ziehen ließe, die Regelung enthalte auch eine Ermächtigung für eine abschließende Entscheidung auf der Grundlage eines tatsächlichen Durchschnittseinkommens. Vielmehr ist in diesem Satz allein der dort beschriebene Fall der vorläufigen Entscheidung bei im Bewilligungszeitraum zu erwartenden laufenden Einnahmen in unterschiedlicher Höhe geregelt. Der Wortlaut ("zu erwarten") ist eindeutig nur auf zukünftige [X.]en gerichtet. Die Begründung des "Entwurfs für eine Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim [X.]/Sozialgeld vom November 2007" ([X.]) rechtfertigt für sich genommen kein anderes Ergebnis. In dieser wird nur ausgeführt, dass die Regelung der Verwaltungsvereinfachung in den Fällen dienen solle, in denen zu erwarten ist, dass die Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis im Bewilligungszeitraum in unterschiedlicher Höhe anfallen werden. Diesem Anliegen der Verwaltungsvereinfachung wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass bei der vorläufigen Entscheidung für den Bewilligungszeitraum ein gleichbleibendes Einkommen angesetzt werden kann. Im Übrigen muss bezweifelt werden, dass die Regelung des Satzes 1, wenn sie im Sinne des [X.] als Ermächtigungsgrundlage zur Ausübung von Ermessen angesehen wird, überhaupt zu einer Verwaltungsvereinfachung führt.

Wenn der Verordnungsgeber eine Berechnung nach Durchschnittseinkommen sowohl für die vorläufige als auch für die abschließende Entscheidung gewollt hätte, wäre diese sprachlich relativ einfach anzuordnen gewesen. Bestärkt wird diese Auslegung des Satzes 1 durch die systematische Zusammenschau mit dem Satz 3, in dem der Verordnungsgeber eine Regelung für abschließende Entscheidungen getroffen hat, wenn auch eine spezielle.

c) [X.] Gründe für eine erweiternde Auslegung des § 2 Abs 3 Satz 3 [X.]-V aF liegen ebenfalls nicht vor.

Zwar erfordert die Vorschrift die Ermittlung eines tatsächlichen Durchschnittseinkommens im Rahmen der Vorbereitung der abschließenden Entscheidung. Hieraus kann jedoch eine erweiternde Auslegung des ausdrücklich geregelten Falls, dass bei Abweichungen zugunsten des Leistungsberechtigten von nicht mehr als 20 Euro das bei der vorläufigen Entscheidung berücksichtigte monatliche Durchschnittseinkommen bei der abschließenden Entscheidung ebenfalls als Einkommen zugrunde zu legen ist und im Ergebnis keine Rückforderung zu erfolgen hat, auf weitere, nicht ausdrücklich geregelte Fälle, nicht abgeleitet werden ([X.] in [X.], [X.]B II, § 11 RdNr 60, Stand der Einzelkommentierung 4/2016). Gerade weil der Verordnungsgeber in Satz 1 für die vorläufige Entscheidung unterschiedslos die Möglichkeit eines Durchschnittseinkommens bei schwankenden Einkommen eröffnet hat, kann dies nicht auf die in Satz 3 geregelte abschließende Entscheidung übertragen werden, wenn dort ausdrücklich nur ein Sonderfall geregelt ist. Wie der Vergleich mit Satz 1 zeigt, hatte der Verordnungsgeber durchaus unterschiedliche Entscheidungsvarianten im Blick und er hätte - wenn dies gewollt gewesen wäre - auch in Satz 3 ohne Weiteres eine weitergehendere, auf alle abschließenden Entscheidungen bezogene Regelung treffen können.

Aus dem Anliegen der Verwaltungsvereinfachung ergibt sich ebenfalls keine andere Schlussfolgerung. Selbst wenn es einen Verwaltungsmehraufwand bedeutet, zunächst das tatsächliche Durchschnittseinkommen zu berechnen und sodann, wenn es das erwartete, der vorläufigen Entscheidung zugrunde gelegte Durchschnitteinkommen um mehr als 20 Euro übersteigt oder unter diesem liegt, eine monatsgenaue Berechnung nach dem jeweils tatsächlich zugeflossenen Einkommen vorzunehmen, so erspart die Regelung jedenfalls aufwändigere Berechnungen und Rückforderungsbescheide innerhalb der 20 Euro-Grenze.

d) Aus diesen Gründen liegen auch keine Anhaltspunkte für eine erweiternde Auslegung der Sätze 1 und 3 in einer Gesamtschau vor. Bestätigt wird dieses Ergebnis im Übrigen durch den zwischenzeitlich im Rahmen des 9. [X.]B [X.] eingeführten § 41a [X.]B II, dessen Abs 4 eine differenzierte Regelung zur Berechnung nach Durchschnittseinkommen bei der abschließenden Entscheidung enthält.

8. Die abschließende Berechnung der den Klägern für die Monate Mai und August 2012 zustehenden Leistungen (vgl § 9 Abs 2 [X.]B II) - ausgehend von ihrem Gesamtbedarf und dem zu berücksichtigenden, ihnen tatsächlich in den jeweiligen Monaten zugeflossenen Einkommen in Höhe von 79,24 Euro für Mai und von 117,03 Euro für August 2012 - ergibt die von den Klägern begehrten und vom [X.] zugesprochenen weiteren 42,48 Euro für Mai und 4,69 Euro für August 2012.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 18/16 R

30.03.2017

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Gotha, 12. Juni 2015, Az: S 20 AS 59/13, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 11 Abs 2 S 1 SGB 2, § 2 Abs 3 S 1 AlgIIV 2008 vom 17.12.2007, § 2 Abs 3 S 3 AlgIIV 2008 vom 24.03.2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.03.2017, Az. B 14 AS 18/16 R (REWIS RS 2017, 13068)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13068

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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