Bundessozialgericht, Urteil vom 05.08.2021, Az. B 4 AS 83/20 R

4. Senat | REWIS RS 2021, 3490

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - geldwerte Einnahme - vom Arbeitgeber bereitgestellte kostenlose Verpflegung - Sachbezug - Zuflussprinzip - Anrechnung auch bei Nichtinanspruchnahme


Leitsatz

1. Bei der Berücksichtigung von Einnahmen in Geldeswert als Einkommen ist eine Bewertung in Geld in Bezug auf den vereinbarten Anspruch aus dem Arbeits- bzw Dienstverhältnis vorzunehmen.

2. Der Zufluss eines Sachbezugs in Form von Verpflegung setzt nur die vereinbarungsgemäße Bereitstellung voraus und hängt nicht davon ab, ob die Verpflegung auch tatsächlich in Anspruch genommen wird.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 21. November 2019 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] für den [X.]raum vom 1.6. bis 30.11.2017. Umstritten ist die Berücksichtigung von Sachbezügen in Form von Verpflegung als Einkommen.

2

Der 1962 geborene Kläger zu 1 bewohnte mit seiner 1978 geborenen Ehefrau, der Klägerin zu 2, und den im Juli 2008, Februar 2010 und Juli 2012 geborenen gemeinsamen Kindern - den Klägern zu 3 bis 5 - eine etwa 86 m² große Dreizimmerwohnung in [X.] Für diese war 2017 eine monatliche Gesamtmiete iHv 969,14 [X.] (539,14 [X.] Grundmiete; 208 [X.] Vorauszahlungen für Betriebskosten; 222 [X.] Vorauszahlungen für Heizkosten) zu zahlen. Der Kläger zu 1 war seit längerem als [X.] in Vollzeit beschäftigt und erhielt monatlich (leicht schwankende) Geldbezüge, die auf ein Konto überwiesen wurden. [X.] vereinbart war zudem, dass dem Kläger zu 1 von seinem Arbeitgeber neben den Geldbezügen während der Arbeitszeit als Sachbezug abzurechnende Verpflegung zur Verfügung gestellt wird. Für die Kläger zu 3 und 4 ist im streitbefangenen [X.]raum Kindergeld iHv jeweils 192 [X.] monatlich und für den Kläger zu 5 iHv 198 [X.] monatlich gezahlt worden.

3

Die Kläger erhielten daneben Leistungen nach dem [X.]. Auf einen Weiterbewilligungsantrag vom April 2017 gewährte der Beklagte für die [X.] vom 1.6. bis 30.11.2017 vorläufig [X.] und Sozialgeld iHv monatlich insgesamt 958,05 [X.] (Summe der [X.]) unter Berücksichtigung eines vorläufigen Durchschnittseinkommens des [X.] zu 1 von 1642,94 [X.] brutto/1314,09 [X.] netto sowie Kindergeld iHv insgesamt 582 [X.] (Bescheid vom [X.]). Der Widerspruch der Kläger, die geltend machten, das Einkommen des [X.] zu 1 sei niedriger, weil dieser kein Essen des Arbeitgebers in Anspruch nehme, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.7.2017).

4

Im Klageverfahren hat der Beklagte den Klägern nach Vorlage der monatlichen Bezügeabrechnungen des [X.] zu 1 für die [X.] vom 1.6. bis 30.11.2017 endgültige Leistungen iHv monatlich insgesamt 989,28 [X.] (Summe der [X.]) bewilligt (Bescheid vom 27.2.2018; im Urteil des [X.] ist irrtümlich der [X.] genannt). Dem Gesamtbedarf aller Kläger iHv 2524,15 [X.] (Regelbedarf 1555 [X.]; Bedarf für Unterkunft und Heizung 969,15 [X.]) hat er neben dem Kindergeld ein nachgewiesenes Einkommen des [X.] zu 1 iHv 1614,18 [X.] brutto bzw 1282,89 [X.] netto gegenübergestellt und dabei den vom Arbeitgeber dem Bruttoeinkommen zugerechneten Wert für Sachbezüge Verpflegung (3,17 [X.] pro Arbeitstag) ersetzt durch einen monatlichen Durchschnittswert von 30,18 [X.], ermittelt nach § 2 Abs 5 Alg II-V ([X.] von 368 [X.] x 1 % × 40 % für Mittag- bzw Abendessen = 1,472 [X.] pro Arbeitstag). Im Ergebnis ist ein monatliches bereinigtes Durchschnittseinkommen des [X.] zu 1 von 952,89 [X.] angerechnet worden.

5

Das [X.] hat den Beklagten - unter Zulassung der Berufung - antragsgemäß verurteilt, den Klägern für den [X.]raum vom 1.6. bis 30.11.2017 Leistungen nach dem [X.] ohne Berücksichtigung von Sachbezügen für Verpflegung bei dem Einkommen des [X.] zu 1 zu gewähren (Urteil vom 29.3.2019). Zur Begründung hat es unter Hinweis auf eine Entscheidung des [X.] Berlin vom 23.3.2015 ([X.] AS 15482/14) ausgeführt, § 2 Abs 5 Alg II-V sei unanwendbar, weil diese Regelung gegen höherrangiges Recht verstoße und möglicherweise auch von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt sei.

6

Das [X.] hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage(n) abgewiesen (Urteil vom 21.11.2019). Zutreffend habe der Beklagte nicht nur das dem Kläger zu 1 unbar ausgezahlte Arbeitsentgelt, sondern auch die diesem von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellte kostenlose Verpflegung als Einkommen (in Geldeswert) berücksichtigt. Diese Berücksichtigung sei zutreffend nach Maßgabe von § 2 Abs 5 Alg II-V erfolgt, der von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.] gedeckt sei und auch nicht gegen höherrangiges Recht verstoße. Ob der Kläger zu 1 die angebotene Verpflegung tatsächlich in Anspruch genommen habe, sei ohne Bedeutung. Es reiche aus, wenn die Möglichkeit dazu bestanden habe.

7

Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von § 11 Abs 1 Satz 2 [X.]. Der Sachbezug Verpflegung sei nicht unentgeltlich erfolgt, sondern durch die Schmälerung des [X.] iHv monatlich 14,88 [X.] erkauft worden. Der Verpflegung fehle es zudem an einem Marktwert, was deren Qualifizierung als Einkommen entgegenstehe. Im Übrigen sei sie auch nicht zugeflossen, wenn sie, wie hier, nicht tatsächlich eingenommen worden sei. Andernfalls läge eine nicht zulässige fiktive Einkommensberücksichtigung vor. Zudem verstoße § 2 Abs 5 Alg II-V gegen § 20 Abs 1 Satz 4 [X.] und das Verbot, Grundbestandteile der Regelleistung individuell bedarfsmindernd zu berücksichtigen.

8

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] vom 21. November 2019 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. März 2019 zurückzuweisen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beteiligten im Termin vertreten waren, denn sowohl die [X.]läger als auch der Beklagte sind mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Die zulässigen Revisionen der [X.]läger sind unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Es besteht kein Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen. Das [X.] hat daher ohne Verletzung von Bundesrecht das Leistungen zusprechende Urteil des [X.] aufgehoben und die [X.]lagen abgewiesen.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den Entscheidungen der Vorinstanzen nur noch der Bescheid vom [X.], mit dem die Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom [X.] bis 30.11.2017 endgültig festgesetzt worden sind. Dieser Bescheid, durch den die Höhe der Leistungen bezogen auf den gesamten Zeitraum für alle [X.]läger neu geregelt wurde, ist gemäß § 96 Abs 1 [X.]G Gegenstand des [X.]lageverfahrens vor dem [X.] geworden. Er hat den ursprünglich mit der [X.]lage angefochtenen Bescheid über eine vorläufige Leistungsbewilligung vom [X.] vollständig ersetzt und damit iS von § 39 Abs 2 [X.]B X erledigt (vgl nur B[X.] vom 19.3.2020 - [X.] [X.]/20 R - Rd[X.]0 mwN). Die [X.]läger verfolgen ihr Begehren zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1, 4 [X.]G und machen zulässigerweise weitere Geldleistungen (nur) dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G) geltend.

2. [X.] vom [X.] ist rechtmäßig. Ein Anspruch der [X.]läger auf höhere Grundsicherungsleistungen - insbesondere ohne Berücksichtigung der dem [X.]läger zu 1 von seinem Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung gestellten Verpflegung als Einkommen - besteht nicht.

Rechtsgrundlage für die endgültige Leistungsbewilligung ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht § 41a Abs 3 Satz 1 [X.]B II, denn die zunächst vorläufig bewilligte Leistung entsprach nicht dem abschließend festzustellenden monatlichen Leistungsanspruch. Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs ist nach § 41a Abs 4 Satz 1 [X.]B II in der hier noch anwendbaren ab [X.] bis 31.3.2021 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) des [X.] zur Änderung des [X.] - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016 (Rechtsvereinfachungsgesetz, [X.] 1824) als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen. Ausnahmetatbestände nach § 41a Abs 4 Satz 2 [X.]B II aF lagen nicht vor. Als monatliches Durchschnittseinkommen ist nach § 41a Abs 4 Satz 3 [X.]B II aF für jeden [X.]alendermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Dabei erfasst § 41a Abs 4 [X.]B II aF alle Arten von Einkommen im Bewilligungszeitraum und bezieht alle Monate des Bewilligungszeitraums in die Bildung des Durchschnittseinkommens ein (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/18 R - [X.] 4-4200 § 41a [X.] Rd[X.]8 ff).

3. [X.] Grundlage des Anspruchs auf Leistungen nach dem [X.]B II sind §§ 19 ff und §§ 7 ff [X.]B II in der ab dem 1.1.2017 geltenden Fassung des [X.] [X.] sowie zur Änderung des [X.] und des [X.] ([X.] 3159; [X.], vgl nur B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 f). Die [X.]läger zu 1 und 2, die die Altersgrenzen nach § 7a [X.]B II noch nicht erreicht haben, lebten im Zeitraum vom [X.] bis 30.11.2017 zusammen in einer Bedarfsgemeinschaft 7 Abs 3 [X.], 3a, 4 [X.]B II) mit ihren minderjährigen [X.]indern, den 2008, 2010 und 2012 geborenen [X.]lägern zu 3 bis 5, waren erwerbsfähig und hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] 7 Abs 1 Satz 1 [X.] und 4 [X.]B II). [X.] nach § 7 Abs 4, 4a oder 5 [X.]B II lagen nicht vor. Die [X.]läger waren hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.], § 9 Abs 1 und 2 [X.]B II), denn sie waren nicht in der Lage, ihren Bedarf (Regelbedarf gemäß § 20 [X.]B II sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 [X.]B II) aus eigenem zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen vollständig zu decken. Der Gesamtbedarf der [X.]läger belief sich im streitbefangenen Zeitraum auf monatlich 2542,14 [X.] (2 x 368 [X.] Regelbedarf der Stufe 2 gemäß § 20 Abs 4 [X.]B II; 2 x 291 [X.] Sozialgeld nach Regelbedarfsstufe 5; 1 x 237 [X.] Sozialgeld nach Regelbedarfsstufe 6, jeweils nach § 20 Abs 1a [X.]B II iVm der Anlage zu § 28 [X.]B XII; 969,14 [X.] Gesamtbedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen [X.]osten). Die Einkommen des [X.] zu 1 aus abhängiger Beschäftigung und der [X.]läger zu 3 bis 5 aus [X.]indergeld waren nicht ausreichend, diesen Bedarf zu decken (dazu im Einzelnen unter 4.). Anhaltspunkte für einsetzbares Vermögen bestehen nicht.

4. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II in der ab dem [X.] geltenden Fassung des [X.] sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b [X.]B II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a [X.]B II genannten Einnahmen. Dies gilt nach § 11 Abs 1 Satz 2 [X.]B II auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des [X.] oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen.

Einkommen ist nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält (stRspr; vgl B[X.] vom 30.7.2008 - [X.] AS 26/07 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]7 Rd[X.]3; B[X.] vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R - B[X.]E 101, 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5, Rd[X.]8; zuletzt etwa B[X.] vom 8.12.2020 - [X.] [X.]/20 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] 4-4200 § 11 [X.] vorgesehen, Rd[X.]5). Ein "wertmäßiger Zuwachs" liegt dann vor, wenn die Einnahme eine Änderung des [X.] bewirkt. Außerdem muss das Einkommen als "bereites Mittel" geeignet sein, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (grundlegend B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 112, 229 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]3 ff; zuletzt B[X.] vom 24.6.2020 - [X.] [X.]/20 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]8).

Danach war neben dem - nur auf die Bedarfe der [X.]läger zu 3 bis 5 anrechenbaren - [X.]indergeld ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen des [X.] zu 1 iHv 952,89 [X.] zu berücksichtigen, das sich errechnet aus einem Bruttoeinkommen (inklusive des Wertes für einen Sachbezug Verpflegung, näher dazu 5.) iHv monatlich durchschnittlich 1614,18 [X.] abzüglich der zu entrichtenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge 11b Abs 1 Satz 1 [X.] und 2 [X.]B II; Nettoeinkommen danach durchschnittlich 1282,89 [X.]) und einem Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit von 330 [X.] (100 [X.] Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 1 [X.]B II; 230 [X.] weiterer [X.] nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.] iVm Abs 3 [X.]B II).

5. Zutreffend hat der Beklagte, ausgehend von den vorgelegten Bezügeabrechnungen, auch die dem [X.]läger zu 1 von seinem Arbeitgeber als Sachbezug zur Verfügung gestellte und abgerechnete Verpflegung als Einkommen nach § 11 Abs 1 [X.]B II berücksichtigt. Dass der Arbeitgeber Verpflegung tatsächlich und für den [X.]läger zu 1 kostenfrei zur Verfügung gestellt hat, ergibt sich aus den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G), die die [X.]läger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen haben. Zwar sind Steuern und Sozialversicherungsbeiträge auf diesen Sachbezug erhoben worden, weil es sich um Arbeitsentgelt gehandelt hat. Entgegen der Auffassung der [X.]läger führen diese gesetzlichen Abzüge aber nicht dazu, dass die Verpflegung dadurch "erkauft" wurde.

Der arbeitsvertraglich vereinbarte Anspruch auf Verpflegung stellt eine als Einkommen zu berücksichtigende Einnahme in Geldeswert nach § 11 Abs 1 Satz 2 [X.]B II dar. Einnahmen "in Geldeswert" sind im Allgemeinen solche, die nicht unmittelbar in Bar- oder Buchgeld bestehen, aber einen in Geld zu bemessenden wirtschaftlichen Wert haben (vgl nur [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 11 Rd[X.]60, Stand XII/19; [X.] in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 11 Rd[X.]0; Söhngen in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B II, 5. Aufl 2020, § 11 RdNr 45, Stand 29.7.2021). Die Schwierigkeiten, im Einzelnen zu bestimmen, welcher konkrete Wert einer solchen Einnahme zukommt und wann sie "bereit" ist, also tatsächlich und aktuell für den Lebensunterhalt eingesetzt werden kann (vgl dazu allgemein [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 11 Rd[X.]60 ff, Stand XII/19; zum Sachbezug Verpflegung im Besonderen [X.] § 13 Rd[X.]99 ff, Stand VII/21), hatten den Gesetzgeber veranlasst, zur Entlastung der Verwaltung Einnahmen in Geldeswert grundsätzlich aus dem Einkommensbegriff herauszunehmen (vgl BT-Drucks 18/8041 [X.] zu § 11 Abs 1 Satz 1). Verwiesen wurde darüber hinaus auf systematische Widersprüche im Hinblick auf die nicht statthafte Aufschlüsselung des pauschalierten Regelbedarfs in seine Bestandteile (BT-Drucks 18/8041 [X.]). Allerdings sind von der grundsätzlichen Anrechnungsfreiheit von geldwerten Einnahmen nach § 11 Abs 1 Satz 2 [X.]B II ausdrücklich die Fälle ausgenommen worden, in denen diese Einnahmen ua im Rahmen einer Erwerbstätigkeit zufließen. Im Gesetzentwurf wird das mit der Praxis begründet, Arbeitsentgelte ganz oder teilweise durch Sachleistungen zu erbringen; eine Rechtfertigung für eine ungleiche Behandlung von [X.] je nach der Erbringungsform (als Geldbetrag oder als Sachleistung) sei nicht ersichtlich und gleichzeitig werde erreicht, dass die Berücksichtigung von Einnahmen nicht dadurch umgangen werden könne, dass Erwerbseinkommen in Form von Sachleistungen erbracht werde (vgl BT-Drucks 18/8041 [X.] zu § 11 Abs 1 Satz 2).

Eine Bewertung, die sich auch in Geld ausdrücken lässt, ist diesen Fällen der gesetzlich weiterhin vorgesehenen Berücksichtigung von Sachbezügen als Einkommen in Bezug auf das Arbeits- bzw Dienstverhältnis vorzunehmen, denn der Sachbezug wird als Gegenleistung für eine Arbeits- bzw Dienstleistung erbracht (vgl [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 7. Aufl 2021, § 11 RdNr 49). Zwar ist insbesondere Verpflegung als Sachbezug nicht frei (auf einem "Markt"), sondern nur eingeschränkt verwertbar, in der Regel allein dadurch, dass sie verbraucht wird. Doch ist jedenfalls der Anspruch auf eine solche Leistung in der Weise verfügbar, dass er - jedenfalls im Rahmen einer Erwerbstätigkeit - vom Arbeitnehmer anstelle von (höheren) [X.] als Arbeitsentgelt zuvor akzeptiert werden muss. § 107 Abs 1 Gewerbeordnung ([X.]) schreibt vor, dass Arbeitsentgelt grundsätzlich in [X.] zu berechnen und auszuzahlen ist. Nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 107 Abs 2 [X.] - Interesse des Arbeitnehmers oder Eigenart des Arbeitsverhältnisses - kann darauf zugunsten von Sachbezügen teilweise verzichtet werden (vgl zu den arbeitsrechtlichen Aspekten nur [X.] in [X.]üttner, Personalbuch 2021, Stichwort Sachbezug Rd[X.]1; Jüngst, Betrieb und Personal 2021, 163 ff). Dies rechtfertigt es, auf den Wert des Anspruchs abzustellen, wenn Sachbezüge als Einnahmen zu berücksichtigen sind.

Durch diese Auslegung wird auch den Motiven des Gesetzgebers für die Neuregelung des Einkommensbegriffs durch das Rechtsvereinfachungsgesetz angemessen Rechnung getragen. Denn sie vermeidet, dass die durch die Neuregelung ohnehin nur noch sehr begrenzte Berücksichtigung von Sachbezügen als Einkommen auch in dem noch vorgesehenen Anwendungsrahmen in vielen Fällen leerlaufen kann. Zudem begegnet sie, wie beabsichtigt, der Gefahr einer Umgehung der Einkommensberücksichtigung durch die Vereinbarung von Sachbezügen.

6. Ein Sachbezug - auch in Form von Verpflegung - ist danach gemäß § 11 Abs 1 Satz 2 [X.]B II (weiterhin) als Einkommen zu berücksichtigen, wenn er, wie es hier zwischen dem [X.]läger zu 1 und seinem Arbeitgeber der Fall war, arbeitsvertraglich als Teil der Arbeitsvergütung vereinbart worden ist. Außerdem muss er zugeflossen sein. Ob ein Zufluss vorliegt, hängt entgegen der Auffassung der [X.]läger indessen nicht davon ab, ob eine tatsächlich bestehende Möglichkeit, den Sachbezug in Anspruch zu nehmen, realisiert wird oder nicht. Soweit es um Einnahmen in Geld geht, sind nach der Rechtsprechung des B[X.] Verwendungsentscheidungen bezogen auf [X.] unbeachtlich, stehen einer Berücksichtigung als Einkommen also nicht entgegen (vgl B[X.] vom 29.4.2015 - [X.] [X.]0/14 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] <[X.]ontokorrentabrede>; B[X.] vom 24.5.2017 - [X.] A[X.]/16 R - B[X.]E 123, 199 = [X.] 4-4200 § 11 [X.] ). Die arbeitsvertragliche Vereinbarung von Sachbezügen stellt eine ebensolche Verwendungsentscheidung dar. Will der Leistungsempfänger die Einkommensanrechnung vermeiden, ist er gehalten, auf eine Änderung des Arbeitsvertrages zu drängen. [X.]ommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag nach und stellt den Sachbezug - wie hier - tatsächlich zur Verfügung, ist von einem Zufluss der geldwerten Einnahme auszugehen. Unabhängig von den Schwierigkeiten, im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren zu ermitteln, ob und ggf auch noch in welchem Umfang Verpflegung als Sachbezug wirklich in Anspruch genommen wird, wirkt sich eine Nichtinanspruchnahme ebenso wenig auf die Höhe des zu berücksichtigenden Bedarfs und damit auf die Höhe des Leistungsanspruchs aus, wie der unterbliebene Verbrauch mit Grundsicherungsleistungen gekaufter Lebensmittel - etwa, weil sie verdorben sind.

Systematisch steht dieses Ergebnis im Einklang mit der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Sachbezügen, die ebenfalls an die Bereitstellung entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung anknüpft. Der Eintritt der Sozialversicherungspflicht setzt nicht voraus, dass der Sachbezug auch tatsächlich in Anspruch genommen wird (so zur Sozialversicherungspflicht von Verpflegung als Sachbezug [X.] in [X.]üttner, Personalbuch 2021, Stichwort Sachbezug Rd[X.]1; vgl auch B[X.] vom 23.2.2017 - B 11 AL 1/16 R - Rd[X.]8, zur Leistungsbemessung beim Erhalt von Sachbezügen). Dementsprechend hat auch der Arbeitgeber des [X.] zu 1 die bereitgestellte Verpflegung als sozial- und steuerpflichtiges Arbeitsentgelt in Form eines Sachbezuges behandelt, ohne dass der [X.]läger zu 1 dies beanstandet hätte.

7. Der Beklagte hat den Sachbezug Verpflegung der Höhe nach zutreffend (nur) nach Maßgabe von § 2 Abs 5 [X.] berücksichtigt und nicht nach den höheren Beträgen der Sozialversicherungsentgeltverordnung, die der Arbeitgeber ausweislich der Bezügeabrechnungen zugrunde gelegt hatte. Gemäß § 2 Abs 5 [X.] in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung der [X.] zur Änderung der [X.] vom 18.12.2008 ([X.] 2780) ist bei der Berechnung des Einkommens der Wert der von dem Arbeitgeber bereitgestellten Vollverpflegung mit täglich 1 % des nach § 20 [X.]B II maßgebenden monatlichen Regelbedarfs anzusetzen. Wird [X.] bereitgestellt, entfallen auf das Frühstück ein Anteil von 20 % und auf das Mittag- und Abendessen Anteile von je 40 % des sich ergebenden Betrages.

Mit dieser Bestimmung wird die nach § 11 Abs 1 Satz 2 [X.]B II grundsätzlich statthafte Einkommensanrechnung bei bereitgestellter Verpflegung pauschalisierend konkretisiert. Von der Verordnungsermächtigung in § 13 Abs 1 [X.] [X.]B II ist § 2 Abs 5 [X.] gedeckt. § 13 Abs 1 [X.] [X.]B II ermächtigt das [X.] durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Bei § 2 Abs 5 [X.] handelt es sich um eine Regelung dazu, wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Der Einkommensbegriff, der sich aus § 11 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.]B II ergibt, wird gerade nicht erweitert, sondern vorausgesetzt.

Der Verordnungsgeber hat auch bezogen auf die pauschalierend zu ermittelnde Höhe des als Einkommen zu berücksichtigenden Betrages seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Es ist [X.] (vgl zu dieser Anforderung B[X.] vom 11.12.2012 - [X.] AS 27/12 R - [X.] 4-4225 § 6 [X.] Rd[X.]8 mwN), (arbeits-)täglich 1 % des nach § 20 [X.]B II konkret maßgebenden Regelsatzes bzw davon 40 % für eine Hauptmahlzeit zu berücksichtigen, anknüpfend an einen Gesamtanteil von etwa 39 %, der der Bemessung der Regelleistung für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren sowie Verpflegungsdienstleistungen zugrunde gelegt wurde (vgl Begründung des Referentenentwurfs zur [X.] zur Änderung der [X.]/[X.] [X.], [X.] - abgedruckt bei [X.], [X.], 2020, [X.] ff; zu den ab 2017 berücksichtigten Verbrauchsausgaben für Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke und Tabakwaren vgl Behrend in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B II, 5. Aufl, § 20 Rd[X.]06 ff, Stand 8.2.2021).

Entgegen der Auffassung der [X.]läger verstößt § 2 Abs 5 [X.] nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen § 20 Abs 1 Satz 4 [X.]B II. Danach entscheidet der Leistungsberechtigte über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen grundsätzlich eigenverantwortlich. Dies schließt auch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung als Verwendungsentscheidung ein, die darauf gerichtet ist - wie hier - Arbeitsentgelt zum Teil (nur) in Form einer Naturalvergütung Verpflegung beanspruchen zu können.

Mit dem [X.] ist im Übrigen davon auszugehen, dass diesem Ergebnis die Rechtsprechung des B[X.] zur Rechtslage vor dem 1.1.2009 nicht entgegensteht. Danach durfte Vollverpflegung, die im Rahmen eines [X.]rankenhausaufenthaltes (B[X.] vom 18.6.2008 - [X.] AS 22/07 R - B[X.]E 101, 70 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]1) bzw Gefängnisaufenthaltes (B[X.] vom 16.12.2008 - [X.] [X.]/08 R) gewährt wurde, nicht als Einkommen des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, weil dies einer individuellen Bedarfsermittlung bzw abweichenden Bestimmung der Höhe der Regelleistung ohne Rechtsgrundlage gleichgekommen wäre. Anders als in diesen Fällen geht es vorliegend aber nicht um eine anderweitige Bedarfsbestimmung, sondern um die Bestimmung des Einkommens aus abhängiger Beschäftigung (dies verkennend [X.] Berlin vom 23.3.2015 - [X.] [X.]5482/14 - Rd[X.]1 ff). In diesem Sinne hatte das B[X.] bereits 2008 ausgeführt, dass es im [X.]ontext der Berücksichtigung von Erwerbseinkommen gemäß § 11 [X.]B II systemgerecht ist, vom jeweiligen Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Sachleistungen zu bewerten, um dem Grundsicherungsempfänger als Sachleistung verkappt gewährten Lohn sachgerecht bewerten zu können (B[X.] vom 18.6.2008 - [X.] AS 22/07 R - B[X.]E 101, 70 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]1, Rd[X.]5 f). Hieran knüpft in der Sache die Begründung des Gesetzentwurfs zum Rechtsvereinfachungsgesetz (vgl BT-Drucks 18/8041 [X.] zu § 11 Abs 1 Satz 2) letztlich an.

8. Die [X.] aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG, die in dem Erfordernis der bereiten Mittel zum Ausdruck kommt, steht - entgegen der Auffassung der [X.]läger - der Berücksichtigung des Sachbezugs Verpflegung als Einkommen regelmäßig und auch hier schon deshalb nicht entgegen, weil der angerechnete Betrag (hier: monatlich 30,18 [X.]) durch den höheren [X.] (hier: 330 [X.] monatlich), der in den Fällen der Berücksichtigung von Sachbezügen aus einer Erwerbstätigkeit stets einzuräumen ist, gedeckt wird (vgl dazu B[X.] vom 24.5.2017 - [X.] A[X.]/16 R - B[X.]E 123, 199 = [X.] 4-4200 § 11 [X.] , Rd[X.]6).

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 83/20 R

05.08.2021

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 29. März 2019, Az: S 37 AS 10338/17, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11 Abs 1 S 2 SGB 2, § 13 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2, § 20 Abs 1 S 4 SGB 2, § 2 Abs 5 AlgIIV 2008

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 05.08.2021, Az. B 4 AS 83/20 R (REWIS RS 2021, 3490)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3490

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 4 AS 24/21 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - Vorauszahlungen auf Arbeitsentgelt - Absetzbeträge bei Erwerbstätigkeit …


B 8 SO 17/09 R (Bundessozialgericht)

(Sozialhilfe - Grundsicherung bei Erwerbsminderung - kein Einkommenseinsatz - Ausbildungsgeld im Berufsbildungsbereich der WfbM - …


B 7/14 AS 59/21 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Unvererblichkeit des Leistungsanspruchs - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - Zusammentreffen von Renteneinkünften …


B 14 AS 32/16 R (Bundessozialgericht)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Überprüfungsverfahren - unrichtige Rechtsanwendung - unzulässige Beschränkung der Überprüfung auf einzelne Elemente …


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