Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. XII ZB 139/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4563

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 139/11

vom

20.
Juli 2011

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233
Fd
Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine zuverlässige Büro-angestellte einen postfertig zu machenden [X.] in die korrekte Versandtasche einlegt.
[X.], Beschluss vom 20. Juli 2011 -
XII [X.] 139/11 -
OLG [X.]

AG Kleve

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 20.
Juli 2011
durch die
Vor-sitzende Richterin Dr.
Hahne, die Richterin [X.] sowie [X.]
Klinkhammer, Schilling und Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 3.
Senats für Familiensachen des [X.] vom 21.
Februar 2011 aufgehoben.
Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Frist zur [X.] der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts -
Familien-gericht
-
Kleve vom 24.
August 2010 Wiedereinsetzung in den [X.] Stand gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Ober-landesgericht zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Das [X.] hat die Teilklage auf Zugewinnausgleich abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 26.
August 2010 [X.]
-
3
-
stellt worden. Mit einem rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangenen [X.] hat die Klägerin Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Beru-fungsbegründungsfrist bis zum 25.
November 2010 verlängert worden. Die -
zutreffend
-
an das [X.] adressierte Berufungsbe-gründungsschrift vom 23.
November 2010 ist am 1.
Dezember 2010 dort [X.], nachdem sie zuvor am 24.
November 2010 an das [X.] gelangt und von dort weitergeleitet worden war.
Auf richterlichen Hinweis vom 6.
Dezember 2010, zugestellt am 9.
De-zember 2010, hat die Antragsgegnerin am 22.
Dezember 2010 Wiedereinset-zung in den vorigen Stand gegen die
versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Der [X.] sei am 23.
Oktober 2010 dik-tiert und gefertigt worden. Am gleichen Tag sei auch noch ein weiterer Schrift-satz an das [X.] diktiert und gefertigt worden. Die ansons-ten zuverlässige Kanzleiangestellte müsse wohl den an das [X.] gerichteten [X.] versehentlich zusammen mit dem anderen [X.] in den an das [X.] gerichteten [X.] gelegt haben. Daher sei der [X.] entgegen der erteilten [X.] auch nicht vorab per Telefax an das [X.] ver-sendet worden.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten es versäumt, für eine wirksame Postausgangskontrolle zu [X.]. Es fehle die Weisung, die notierte Frist erst dann zu löschen, wenn anhand des zu überprüfenden Sendeprotokolls feststehe, dass die Absendung des [X.] erfolgreich gewesen sei.

2
3
-
4
-
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
574 Abs.
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des
Se-nats (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO), denn der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Das [X.] hat zu Unrecht der Klägerin die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist versagt und ihre Berufung verworfen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener [X.] rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristen-kalender führen. Die Fristenkontrolle muss gewährleisten,
dass der fristwahren-de [X.] rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird. Ist dies ge-schehen und ist die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet, so darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Das ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn der fristwahrende [X.] in ein Postausgangsfach des Rechtsanwalts [X.] wird und die abgehende Post von dort unmittelbar zum Briefkasten oder zur maßgeblichen gerichtlichen [X.] gebracht wird, das [X.] also "letzte Station" auf dem Weg zum Adressaten ist ([X.] Beschluss vom 12.
April 2011 -
VI
[X.]
6/10
-
NJW 2011, 2501 Rn.
7 mwN). Wird für die Fristenkontrolle bereits daran angeknüpft, dass der fristwahrende [X.] postfertig gemacht worden ist, muss die Beförderung zu der Stelle, für die der 4
5
6
-
5
-
[X.] bestimmt ist, organisatorisch so weit vorbereitet sein, dass sie durch Versehen, welche die eigentliche Beförderung nicht betreffen, nicht mehr ver-hindert werden kann ([X.] Beschluss vom 9.
September 1997

IX
[X.]
80/97

NJW 1997, 3446, 3447).
b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die Fristversäumung [X.] entschuldigt. Denn durch die Umstände ist glaubhaft gemacht, dass der [X.] versehentlich mit einem anderen, an das [X.] gerichteten [X.] in den [X.] gelangte. Darin liegt ein schlichtes Büroversehen der Kanzleimitarbeiterin, wel-ches nicht auf einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten beruht. Die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfalt würden überspannt, [X.] man verlangen, dass er bei einer Angestellten, an deren Zuverlässigkeit [X.] Zweifel bestehen, das Einlegen der Sendung in die korrekte Versandtasche zu kontrollieren habe.
In der Annahme, das Schriftstück sei in den korrekten Versandumschlag gelangt, durfte die Kanzleimitarbeiterin auch die Frist im [X.] als erledigt kennzeichnen, so dass auch insoweit kein Anhaltspunkt für ein An-waltsverschulden besteht.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten auch nicht darin, keine Weisung erteilt zu haben, nach der -
von ihm verfügten
-
Vorabübersendung per Telefax einen [X.] auszudrucken und auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen. Denn diese Kontrollmaßnahmen sind nur [X.], wenn die Vorabübersendung des Telefaxes aus der Warte des Absenders erforderlich scheint, um die Frist einzuhalten, weil eine Postsendung den [X.] unter Berücksichtigung normaler Postlaufzeiten nicht mehr rechtzeitig 7
8
9
-
6
-
erreichte. Ist hingegen aus der Warte des Absenders alles Notwendige veran-lasst, um den Eingang des fristgebundenen [X.]es rechtzeitig auf norma-lem Postwege zu erreichen, bedarf es einer zusätzlichen Vorabübersendung per Telefax grundsätzlich nicht. Für eine

in dem Falle überobligatori-
sche

Vorabfaxübersendung können keine besonderen Sorgfaltsanforderungen aufgestellt werden. Daran ändert nichts, wenn der rechtzeitige Posteingang tat-sächlich aus Umständen unterbleibt, für die der Prozessbevollmächtigte -
wie hier
-
kein eigenes Organisationsverschulden trägt.
Nach der Glaubhaftmachung der Klägerin hatte ihr Prozessbevollmäch-tigter
alle in seiner
anwaltlichen Organisationsverantwortung liegenden Vorkeh-rungen getroffen, um den fristwahrenden [X.] rechtzeitig postfertig zu machen.

Hahne

[X.]

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.08.2010 -
4 F 433/06 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.02.2011 -
II-3 [X.] -

10

Meta

XII ZB 139/11

20.07.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. XII ZB 139/11 (REWIS RS 2011, 4563)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4563

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