Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2014, Az. I ZB 82/13

I. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1877

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I
ZB
82/13
vom

23. Oktober 2014

in der Rechtsbeschwerdesache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Kosten der "[X.]"
ZPO § 885a Abs. 7
Kosten einer vor dem 1.
Mai 2013 begonnenen Räumung im Sinne von §
885a Abs.
1 ZPO sind keine Kosten der Zwangsvollstreckung nach §
788 Abs.
1 ZPO. Auf diese [X.] ist die Vorschrift des §
885a Abs.
7 ZPO nicht anwendbar.
[X.], Beschluss vom 23. Oktober 2014 -
I [X.]/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 23.
Oktober 2014 durch [X.] Dr.
Büscher, [X.], Dr.
Kirchhoff, Dr.
Löffler und die Richterin
Dr.
Schwonke

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer
82 des [X.] vom 16.
Oktober 2013 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 993,02

festgesetzt.

Gründe:

[X.] Der Schuldner wurde durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts [X.]
Mitte vom 4.
September 2012 dazu verurteilt, die Wohnung D.

,
S.

links in
B.

, zu räumen und geräumt herauszu-
geben.

Nachdem der Schuldner nicht freiwillig räumte, wurde der Gläubiger vom Gerichtsvollzieher in den Besitz der Wohnung eingewiesen. Der
Gläubiger
ließ die Wohnung unter Berufung auf sein Vermieterpfandrecht am 14.
November 2012 von der G.

mbH (G.
)
räumen und das
[X.] über einen freien Versteigerer versteigern. Unter dem 6.
März 2013 stellte die G.

dem Gläubiger für Räumung und Versteigerung nach Abzug des
[X.] insgesamt 993,02

1
2
-
3
-
Mit Schreiben vom 11.
März 2013 hat der Gläubiger beantragt, die ihm von der G.

berechneten Kosten als weitere Kosten der Zwangsvollstreckung
gegen den Schuldner festzusetzen. Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurück-gewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde
ist
ohne Erfolg
geblie-ben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Kostenfestsetzungsantrag weiter.

I[X.] Das Beschwerdegericht hat angenommen, bei den für die Beauftra-gung der G.

entstandenen Kosten handele es sich nicht um Kosten der
Zwangsvollstreckung im Sinne von §
788 Abs.
1 ZPO. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Zwangsvollstreckung sei die Durchsetzung eines materiellen Anspruchs mit staatlichem Zwang. Im Streitfall habe der Gläubiger den Gerichtsvollzieher nur mit der Durchführung der Räumung nach dem "[X.] Modell" beauftragt und im Übrigen sein Vermieterpfandrecht geltend gemacht. Die Räumungsvoll-streckung
sei deshalb
auf die Besitzeinweisung des Gläubigers gemäß §
885 Abs.
1 ZPO beschränkt
gewesen. Die für die Räumung des Objekts und die Versteigerung des [X.]es angefallenen Kosten
der G.

seien dann
keine

Kosten der Zwangsvollstreckung. Vielmehr seien sie
in Ausübung des
Ver-mieterpfandrechts entstanden und könnten nur in einem ordentlichen Verfahren als Aufwendungs-
oder Schadensersatz geltend gemacht werden.

II[X.] Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist [X.] (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO) und auch sonst zulässig (§
575 ZPO). In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass
der Antrag auf Festsetzung der von der
G.

berechneten Kosten als Kosten der Zwangsvollstreckung unbegründet ist.

1. Die dem Gläubiger
von der G.

berechneten Aufwendungen sind
nicht

nach §
885a Abs.
7
ZPO Kosten der Zwangsvollstreckung.

3
4
5
6
7
-
4
-
a)
Allerdings hat der
Gesetzgeber durch das
am 1.
Mai 2013 in [X.] ge-tretene
Mietrechtsänderungsgesetz vom 11.
März 2013 mit der Einfügung von §
885a ZPO das schon zuvor in der Rechtsprechung anerkannte "[X.] Mo-dell" zur Räumungsvollstreckung (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
November 2005
I
ZB
45/05, [X.], 848 Rn.
8
ff.; Beschluss vom 16.
Juli 2009

I
ZB
80/05, [X.] 2009, 1384 Rn.
8
ff.) gesetzlich
näher geregelt
(vgl. [X.] zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks.
17/10485, S.
15, 31). Nach
§
885a Abs.
1, §
885 Abs.
1 ZPO
kann der Vollstreckungsauf-trag des Gläubigers auf die Besitzverschaffung an den Räumen beschränkt werden. Der Gläubiger kann
die in der Wohnung vorgefundenen beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, unter Beachtung der näheren Regelungen der Absätze
3 bis 5 des §
885a ZPO wegschaffen und verwerten. Nach §
885a Abs.
7 ZPO
gelten die Kosten, die dem Gläubiger durch die Wegschaffung, Verwahrung, Vernichtung oder Verwertung der Sa-chen des Schuldners gemäß §
885a Abs.
3 und 4 ZPO entstehen, als Kosten der Zwangsvollstreckung.

b)
Im Streitfall erfolgte die Räumung der Wohnung vom 14. bis 16.
November 2012 und damit vor Inkrafttreten des §
885a ZPO am 1.
Mai 2013. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war §
885a Abs.
7 ZPO
für vor dem 1.
Mai 2013 begonnene Räumungen
weder bei Erlass des Beschlus-ses des Amtsgerichts (4.
Juni 2013) noch bei der
angefochtenen
Beschwerde-entscheidung (16.
Oktober 2013)
zu beachten.
Die dem Gläubiger von der G.

in Rechnung gestellten Kosten wären vielmehr nur dann als Kosten der Zwangsvollstreckung anzusehen, wenn mit der Räumung nach dem 30.
April 2013 begonnen worden wäre.
Das war nicht der Fall.
aa) Soweit das Gesetz keine Überleitungsregel enthält, erfassen Ände-rungen des Verfahrensrechts zwar im Allgemeinen auch schwebende Verfah-ren.
Sie sind mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes grundsätzlich nach neu-8
9
10
-
5
-
em Recht zu beurteilen, soweit es nicht um unter Geltung des alten Rechts ab-geschlossene Verfahrenshandlungen und abschließend entstandene Verfah-renslagen geht (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 23.
April 2007
II
ZB
29/05, [X.]Z 172, 136
Rn.
25 mwN) oder sich Abweichendes aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Verfahrensrechts ergibt
([X.], Urteil vom 28.
Februar 1991

III
ZR
53/90, [X.]Z 114, 1, 3
f.).

bb) §
788 Abs.
1 ZPO ist aber keine Regelung des Verfahrensrechts, sondern eine materielle Regelung zur Kostentragung im Vollstreckungsverfah-ren. §
885a Abs.
7 ZPO
regelt den
Umfang dieses Erstattungsanspruchs, indem er bestimmte Kosten den Kosten der Zwangsvollstreckung gleichstellt. Zudem ist die Entstehung von Kosten ebenso wie die Einlegung eines Rechtsmittels oder der Beitritt als Nebenintervenient ein Ereignis, das ab einem bestimmten Zeitpunkt grundsätzlich endgültig eingetreten ist. Ferner
ist es nicht
sachge-recht, für die Frage der Kostenerstattung nach §
885a Abs.
7 ZPO auf den Zeit-punkt der gerichtlichen Entscheidung über [X.] abzustellen, auf den der Gläubiger durch die Antragstellung Einfluss nehmen kann.
Die ge-botene Gleichbehandlung von Gläubiger
und Schuldner
spricht daher dafür, für die Anwendbarkeit von §
885a Abs.
7 ZPO einheitlich auf den Zeitpunkt des Beginns der Räumung
abzustellen.
Das entspricht auch der für Gerichtskosten in §
71 GKG getroffenen Wertung.

2. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist der Begründung des [X.] auch nicht zu [X.], dass mit §
885a Abs.
7 ZPO lediglich bereits geltendes Recht kodifi-ziert werden sollte (vgl. BT-Drucks.
17/10485, S.
33).
Vor
dem
Inkrafttreten
die-ser Vorschrift
waren die hier in Rede stehenden Aufwendungen keine notwen-digen Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von §
788 Abs.
1 ZPO.

11
12
-
6
-
a) Zwar steht -
worauf
die Rechtsbeschwerde zu Recht
verweist
-
einer Kostenfestsetzung nicht entgegen, dass der Gläubiger mit der G.

ein privates
Unternehmen beauftragt hat, das Objekt zu räumen und das [X.] durch einen freien Versteigerer öffentlich versteigern zu lassen, so dass der materielle Anspruch des Gläubigers nicht durch ein staatliches Organ unter Anwendung staatlichen Zwangs durchgesetzt wurde. Vielmehr kann eine Kostenfestsetzung unter Umständen auch für Kosten erfolgen, die auf einem privatrechtlichen [X.] und nicht auf dem Handeln eines staatlichen Vollstreckungsorgans beru-hen. Die
Erstattungsfähigkeit der Kosten hängt nicht von der Natur des sie be-gründenden Rechtsverhältnisses ab (vgl.
zu §§
103, 104 ZPO
[X.],
Beschluss vom 20.
Juli 2006 I
ZB
105/05, [X.], 3010
Rn.
11
= [X.] 2006, 159

[X.]skosten;
Beschluss vom 15.
Februar 2007
I
ZB
36/06, [X.] 2008, 77 Rn.
6).

Der Senat hat deshalb entschieden, dass die Kosten der [X.] im Kostenfestsetzungsverfahren aufgrund der Kostengrundentscheidung des Verfahrens festgesetzt werden können, in
dem die [X.] angeordnet worden ist, auch wenn die [X.] auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht. In diesen Fällen war der Schuldner jeweils verpflichtet worden, [X.] Gegenstände an einen Gerichtsvollzieher als Sequester herauszuge-ben.
b)
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann diese Rechtspre-chung aber
nicht auf den Streitfall übertragen werden.

aa)
In den vom Senat zur [X.] entschiedenen Fällen hatten die Gläubiger
die
Gerichtsvollzieher
jeweils
ohne Einschränkung mit der Vollstre-ckung der [X.] beauftragt. Demgegenüber wird beim "[X.] Mo-dell" der auf Räumung und Herausgabe einer bestimmten Wohnung gerichtete Titel
von vornherein
nur beschränkt vollstreckt, indem der Gläubiger den [X.] allein damit beauftragt, ihn in den Besitz der Wohnung einzu-13
14
15
16
-
7
-
weisen. Sinn dieser Vorgehensweise ist es, hohe Transport-
und Lagerkosten zu vermeiden und damit den Kostenvorschuss für die Vollstreckung zu reduzie-ren (vgl. BT-Drucks.
17/10485, S.
15). Wird
die Durchsetzung eines Titels aber von vornherein keinem staatlichen Vollstreckungsorgan übertragen, das sich bei ihrer Durchführung gegebenenfalls auch privatrechtlicher Mittel bedienen kann, sondern
steht allein
eine von vornherein
bis 1.
Mai 2013 nur im Hinblick auf das Vermieterpfandrecht zulässige
private Durchsetzung des [X.] ohne staatlichen Zwang
in Rede, so können die dabei entstehenden
Kosten nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Anordnung
den
Kosten der Zwangsvollstreckung gleichgestellt werden. Daran fehlte es bis zum 1.
Mai 2013.

bb) Daran ändert auch nichts, dass allein auf Initiative des künftigen [X.] entstandene Kosten
etwa
für Detektivermittlungen, Testkäufe oder Nach-forschungen im Zusammenhang mit Patentstreitigkeiten, die auf der
Grundlage zivilrechtlicher Verträge entstehen, im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden können (vgl. [X.], [X.], 3010 Rn.
11
[X.]s-kosten). Hierbei handelt es sich um Prozesskosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen. Daraus ergeben sich keine [X.] für die
Zuordnung von Aufwendungen zu den
Kosten der Zwangs-vollstreckung.

cc) Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit, die den Gesetzgeber
zur Einfü-gung des §
885a Abs.
7 ZPO bewogen haben (vgl. BT-Drucks.
17/10485, S.
33), können
für die Zeit vor dem 1.
Mai 2013
für sich allein kein
anderes Er-gebnis
rechtfertigen. Vor Inkrafttreten von §
885a Abs.
7 ZPO bestand kein An-haltspunkt dafür, diese [X.]
entgegen dem

M

Wortsinn als Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß §
788 Abs.
1 ZPO anzusehen.

17
18
-
8
-
3. Das Beschwerdegericht hat somit zu Recht entschieden, dass die dem Gläubiger nach Besitzeinweisung für die
vor dem 1.
Mai 2013 begonnene
Räumung der Wohnung entstandenen Kosten keine Kosten der [X.] sind (ebenso [X.], [X.]R 2011, 288; Walker in [X.]/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5.
Aufl., §
885 Rn.
28; [X.] in [X.], ZPO, 5.
Aufl., §
788 Rn.
15).
[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §
97
Abs.
1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.06.2013 -
34 M 8003/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.10.2013 -
82 T 397/13 -

19
20

Meta

I ZB 82/13

23.10.2014

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2014, Az. I ZB 82/13 (REWIS RS 2014, 1877)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1877

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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